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Gäulandschaften

Die zum Schichtstufenland gehörenden Gäulandschaften erstrecken sich von Süden nach Norden quer durch Baden-Württemberg. Unter dem alten Begriff „Gäu“ versteht man überwiegend agrarisch genutzte Landschaften, die von mehr oder weniger geschlossenen, höher gelegenen Waldgebieten umgeben sind. Bei den Gäulandschaften sind dies der Schwarzwald im Westen und der Odenwald im Nordwesten. Im Osten grenzen die Gäulandschaften an das Keuperbergland. Der geologische Untergrund wird vorwiegend von Gesteinen des Muschelkalks und Unterkeupers (Erfurt-Formation, Lettenkeuper) gebildet. Weite Bereiche sind von Löss und Lösslehm überdeckt. Im Vergleich zu den angrenzenden Waldländern besitzen die Gäulandschaften ein relativ mildes Klima und fruchtbare Böden. Wegen dieser Gunstlage wurden sie in weiten Teilen schon seit der älteren Jungsteinzeit als Siedlungsraum bevorzugt.

Kartenausschnitt
Kartenausschnitt

Landschaft und Klima

Hinter der Kuppe eines steinigen Ackers breiten sich zungenförmige weitere Äcker aus; eingerahmt von Grünflächen und Wegen. Im Hintergrund ragen Bäume und ein gelbes Rapsfeld ins Bild. Ein Strommast und bewaldete Höhenzüge beschließen den Horizont.
Typisches Landschaftsbild im Oberen Muschelkalk des Wutachgebiets südlich von Wutach-Münchingen

Ganz im Süden des Landes, im Alb-Wutachgebiet und auf der Baar, bilden die teilweise von Gesteinen des Unterkeupers (Erfurt-Formation, Lettenkeuper) bedeckten Muschelkalkplatten lediglich einen schmalen Landschaftsstreifen. Nur im Bereich des Bonndorfer Grabens, wo sie z. T. in Höhenlagen zwischen 800 und 900 m NN liegen, sind sie etwas breiter und ragen weit nach Westen in den Schwarzwald hinein. Für die nördlich anschließenden Oberen Gäue, die im Süden vom oberen Neckar und im Norden von Nagold, Würm und Enz zerschnitten werden, sind auch die Begriffe Heckengäu und Korngäu geläufig (Meynen & Schmitthüsen, 1955). Namensgebend für das Heckengäu im Muschelkalkgebiet sind die Gehölzstreifen an den Feldrändern, wo die von den Äckern abgelesenen Steine angehäuft wurden. Gebiete mit fruchtbaren Böden aus Lösslehm, Löss und Unterkeuper im Nordwesten der Oberen Gäue werden dagegen als Korngäu bezeichnet.

Geologisch-geomorphologischer Überblick

Blick auf mehrere Stufen eines Steinbruchs. Das gebankte Gestein ist bräunlich grau bis grau. Im Hintergrund ist ein Bohrfahrzeug im Einsatz.
Steinbruch im Oberen Muschelkalk bei Zimmern ob Rottweil

Der die Gäulandschaften aufbauende Muschelkalk lässt sich in drei Untergruppen gliedern, die sich durch die Fazies ihrer Gesteine und ihren Fossilinhalt voneinander unterscheiden (Geyer et al., 2011; Bachmann & Gwinner, 1977). Der Untere Muschelkalk besteht im Norden der Gäulandschaften überwiegend aus dünnschichtigen Kalksteinen, die im Bauland eine niedrige Schichtstufe erzeugen. Im Süden ist er eher durch Dolomite und Mergelsteine geprägt und bildet im Übergang der Oberen Gäue zum Schwarzwald ein schmales Hügelland. Der Ausstrich des Mittleren Muschelkalks, oft an Talhängen oder auf schmalen Hügelrücken verbreitet, nimmt nur wenig Fläche ein. Es stehen überwiegend Dolomit- und Mergelsteine an. Die Salz- und Gipsschichten sind in diesen Bereichen ausgelaugt. Hauptgesteine des überlagernden Oberen Muschelkalks sind dichte, teils fossilreiche, plattige oder gebankte, graue Kalksteine. Im Süden ist der oberste Abschnitt durch Dolomitsteine vertreten. Der Obere Muschelkalk bildet im Westen eine mehr oder weniger deutlich ausgeprägte Schichtstufe, hinter der sich v. a. im Süden und Nordosten die ausgedehnte flachhügelige Landschaft des Heckengäu-Typs anschließt. Im Neckarbecken tritt er besonders an den Hängen und Talrändern des Neckar- und Enztals in Erscheinung.

Inmitten einer großen Grünlandfläche öffnet sich eine ovale, dunkler gefärbte Vertiefung. Dahinter folgen Ackerflächen, weiteres Grünland sowie rechts ein Waldstreifen.
Doline (Erdfall) in Hohenlohe südwestlich von Mulfingen-Simprechtshausen

In weiten Bereichen handelt es sich bei den Gäulandschaften um verkarstete, wasserarme Gebiete mit einer geringen Dichte an Fließgewässern. Zum Karstformenschatz zählen Trockentalmulden, Karstwannen, Dolinen und Erdfälle.

Landnutzung

Das Bild zeigt großflächige, gelbgrüne Getreidefelder. Im Vordergrund ist ein Streifen mit hellbraunen, nackten Erdschollen. Am eben verlaufenden Horizont durchziehen Waldflächen die Ackerlandschaft.
Getreideanbau auf Lössböden im Korngäu östlich von Eutingen im Gäu

Bei den Gäulandschaften handelt es sich um überwiegend ackerbaulich genutzte Agrarlandschaften, die von mehr oder weniger großen Waldinseln durchsetzt sind. Grünlandnutzung findet sich örtlich auf Tonböden, in Hanglagen sowie in den überschwemmungsgefährdeten Talauen. In Hanglagen im Neckarbecken, westlichen Kraichgau, Tauberland und vereinzelt im Jagst- und Kochertal prägt der Weinbau das Landschaftsbild. In der Mitte des Landes haben die Gäulandschaften hohen Anteil an den großen Verdichtungsräumen und deren Randzonen (Mittlerer Neckar, Heilbronn, Pforzheim). Entsprechend ausgeprägt ist dort die vom Menschen verursachte Veränderung der Landschaft durch den Siedlungs- und Verkehrswegebau, Rohstoffabbau usw.

Detailaufnahme einer Steinbruchwand. Rechts liegen größere Blöcke scheinbar lose aufeinander. Dazwischen und links davon ist Schutt nachgerutscht. Noch weiter links sind die Blöcke kleiner. Am Boden des Bruches steht Wasser.

Dolomitische Mergel und Dolomite des Mittleren Muschelkalks (Steinbruch Zimmern ob Rottweil-Horgen) – Im Mittleren Muschelkalk führen dolomitische Mergel und Dolomite bereichsweise Grundwasser. Ansonsten ist der Mittlere Muschelkalk im unaus­gelaugten Zustand ein Grundwasser­geringleiter.

Panoramabild eines Steinbruches mit hinterer und rechter Bruchseite, einem See davor und Fahrwegen links und im Vordergrund. Die Bruchwände sind gelblich bis rötlich braun, durchsetzt von grauen Abschnitten.

Steinbruch im Oberen Muschelkalk zwischen Bretten und Knittlingen – Der geklüftete und stellenweise verkarstete Obere Muschelkalk bildet in den Gäuland­schaften den bedeutendsten Grundwasser­leiter.

Neben einem knorrigen und stark verästelten Baum breitet sich eine kleine ovale Wasserfläche aus, die von Schilfgräsern und anderen Grünpflanzen eingesäumt wird.
Ammer-Ursprung (Quelltöpfe der Ammer südwestlich von Herrenberg)

In den oberen Gäuen und auf der Baar können die Muschel­kalk­quellen aufgrund ihrer großen Ein­zugs­gebiete mehrere Hundert l/s schütten. So ist die Bronn­bach­quelle bei Rotten­burg am Neckar mit einer mittleren Schüttung von 350 l/s und einem Einzugs­gebiet von ca. 90 km2 die am stärksten schüt­tende Muschel­kalk­quelle Deutschlands. Eine ebenfalls hohe mittlere Schüttung von ca. 280 l/s hat die Tal­mühle­quelle bei Horb am Neckar. Beide Quellen werden für die Trink­wasser­versorgung genutzt. In Nord­württemberg sind die Einzugs­gebiete wegen der intensiven Zer­talung, die z. T. bis in den Oberen Bunt­sand­stein reicht, eher klein. Dement­sprechend sind die Quell­schüttungen geringer. Wasser­wirtschaftlich weniger bedeutend, aber für die Ver­sorgung im Heil­bronner Raum wichtig, ist die Erfurt-Formation mit Ergiebig­keiten zwischen weniger als 1 l/s und 20 l/s.

Blick von oben auf eine blaugraue bis braune Steinbruchwand, aus der in der Bildmitte ein starker Wasserstrahl austritt.
Oberer Muschelkalk (Steinbruch Blaufelden-Gammesfeld südwestlich von Rothenburg o. d. Tauber.) – Grundwasseraustritt nach einem Starkregenereignis aus einem Lösungshohlraum an der Steinbruchwand.

Rohstoffe

Blick auf mehrere, wie Kulissen hintereinander aufgereihte Abbauwände in einem Steinbruch. An die vorderste, niedrigste Wand ist rechts eine Förderanlage angebaut. Die Farben der Bruchwände wechseln von dunkelgrau bis rötlich braun.
Steinbruch Mundelsheim, bedeutendster Kalksteinabbau der Gäulandschaften

Die Gäulandschaften werden hauptsächlich aus den Karbonatgesteinen des Muschelkalks aufgebaut, welche auch die größte Bedeutung für die Rohstoffgewinnung in dieser Landschaft haben. Kalksteine des Unteren und vor allem des Oberen Muschelkalks werden für den Verkehrswegebau, als Baustoffe und Betonzuschlag verwendet und in zahlreichen Steinbrüchen gewonnen. Aus den gleichen Schichten werden im Kraichgau Zementprodukte hergestellt. Zu den wirtschaftlich bedeutenden Rohstoffen der Gäulandschaften zählt zudem das Steinsalz, welches in den Bergwerken Heilbronn und Haigerloch-Stetten gefördert wird. Neben der bergmännischen Gewinnung findet die Steinsalzförderung auch durch Solung der Salzlagerstätten statt.

Gezeigt werden hier mehrere flache, teils mit Fachwerk gebaute Häuser, die auf einer Wiese zwischen Bäumen stehen. Über einem der Gebäude rechts wurde ein kegelförmiger grauer Turm errichtet. An der Stirnwand des ersten Hauses steht „Salz“ und „Sole“.
Sole aus Bad Rappenau für den Bäderbetrieb

Tone, Tonsteine sowie Löss und Lösslehm verschiedener Erdzeitalter wurden für die Herstellung grobkeramischer Produkte, wie z. B. Ziegel abgebaut. Aufgrund von Konzentrationsprozessen in der grobkeramischen Industrie wurden zahlreichen Abbaustellen stillgelegt. Somit bauen die meisten heute noch betriebenen Gewinnungsstellen Tone und Tonsteine als Zuschlagstoffe für die Zementherstellung oder z. B. für Deponieabdichtungen ab.

Im Bereich der Gäulandschaften werden bis heute unterschiedliche Gesteine als Naturwerksteine gewonnen. Hierzu zählen die roten Sandsteine des Buntsandsteins am Main und im Schwarzwald, die Quaderkalke der gleichnamigen Formation des Oberen Muschelkalks bei Grünsfeld-Krensheim, Sandsteine des Lettenkeupers (Erfurt-Formation) bei Freudenbach und Langenstein sowie Sandsteine der Stuttgart-Formation (Schilfsandssteine) bei Sinsheim.

Weiterführende Links zum Thema

Literatur

  • Ad-Hoc-AG Hydrogeologie (2016). Regionale Hydrogeologie von Deutschland – Die Grundwasserleiter: Verbreitung, Gesteine, Lagerungsverhältnisse, Schutz und Bedeutung. – Geologisches Jahrbuch, Reihe A, 163, 456 S., Hannover.
  • Bachmann, G. H. & Brunner, H. (1998). Nordwürttemberg – Stuttgart, Heilbronn und weitere Umgebung. – Sammlung geologischer Führer, 90, 403 S., Berlin (Borntraeger).
  • Geyer, M., Nitsch, E. & Simon, T. (2011). Geologie von Baden-Württemberg. 5. völlig neu bearb. Aufl., 627 S., Stuttgart (Schweizerbart).
  • HGK (1985). Grundwasserlandschaften. – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 12 S., 8 Anlagen, Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
  • Hagdorn, H. & Simon, T. (1988). Geologie und Landschaft des Hohenloher Landes. – Forschungen aus Württembergisch Franken, 28, S. 1–192, 3 Beil. [2. erw. Aufl.]
  • Meynen, E. & Schmithüsen, J. (1955). Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands, 2. Lieferung. 121 S., Remagen (Bundesanstalt für Landeskunde).
  • Siegmund, A. (2006a). Faszination Baar – Portraits aus Natur und Landschaft. 2. Aufl., 239 S., Donaueschingen.
  • Villinger, E. (2011). Erläuterungen zur Geologischen Übersichts- und Schulkarte von Baden-Württemberg 1 : 1 000 000. 13. Aufl., 374 S., 1 Karte, Freiburg i. Br.
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