Vorbemerkungen
Die Geschwender Halde liegt am Südhang des Elsbergs im Todtnauer Ortsteil Geschwend im Süden des Schwarzwaldes. Im etwa Ost–West-verlaufenden Tal am Fuß der Geschwender Halde fließt der Prägbach. Als Bestandteil des Präger Gletscherkessels wurde dieses Tal im Wesentlichen durch die Vergletscherungen der letzten Kaltzeiten geprägt. Der Hang liegt im Naturschutzgebiet „Gletscherkessel Präg“ und unterliegt somit der Bannwald- und der Naturschutzgebietsverordnung.
Geologische und morphologische Verhältnisse
Im unteren Hangbereich der Geschwender Halde stehen Metagrauwacken und Tonschiefer der Sengalenkopf-Schiefer-Formation (aGS) an. Darüber folgen, durch eine tektonische Überschiebungsfläche (Variskische Deckengrenze) getrennt, Meta-Biotitgranite des Randgranits (gRA). Die Festgesteine sind örtlich von einer Hangschutt- (qu) und Humusauflage (Bod) überdeckt. Stellenweise finden sich auch Geröllfelder sowie größere Sturzblöcke mit bis zu mehreren Kubikmetern Rauminhalt im Hang. Mächtigkeit und Zusammensetzung der Lockergesteinsüberdeckung variieren kleinräumig.
Die im Oberhang entwickelten Felsausstriche des Randgranits stellen die Liefergebiete für die darunter entwickelten Geröllhalden sowie isoliert im Hang liegende Felsblöcke dar. Die üblichen Blockgrößen liegen verbreitet im Bereich zwischen 0,25 m3 und 1 m3, untergeordnet bis 2 m3. Lokal sind größere Kubaturen von ca. 2 m3 bis 6 m3 sowie vereinzelt bis > 10 m3 vorhanden.
Ausgehend vom Hangfuß erstreckt sich der nach Süden exponierte Hangabschnitt mit einer Generalneigung von ca. 35° über rund 270 Höhenmeter bis zu einem Forstweg. Im Bereich vorhandener Felsrippen versteilt sich das Gelände und bildet bis zu 10 m hohe, teils vertikale Felswände. Ausgehend vom Forstweg, der im Bereich einer kleineren Verebnungsfläche angelegt wurde, setzt sich das Hanggelände deutlich flacher mit einer Neigung von max. ca. 20–25° bis zum Gipfel des Elsbergs weiter fort.
Das gesamte Hanggelände zwischen Hangfuß und Felskulisse oberhalb der Geschwender Halde ist von Mischwald bestockt. Wirtschaftswege sind erst oberhalb der Felskulisse vorhanden. Die Wald- und Buschvegetation in diesem Hangbereich stellt einen natürlichen Steinschlagschutz dar.
Ereignis
Am Abend des 07.03.2019 ereignete sich an der Geschwender Halde gegen 19:00 Uhr ein Blockschlag. Dabei kam ein Felsblock mit ca. 2,2 m3 Rauminhalt (ca. 5,5 t) in einem rückwärtigen Hofgelände der Gisibodenstraße unmittelbar hinter einem Wohngebäude zu liegen.
Wie die eingehenden Geländeuntersuchungen des LGRB noch in der Nacht des 07.03.2019 und anschließend bei Tageslicht am darauf folgenden Tag zeigten, hat sich der Sturzkörper aus großer Höhe am unteren Rand der Geröllhalde, ca. 190 Höhenmeter oberhalb des Hangfußes gelöst.
Der Bewegungsablauf erfolgte nahezu in idealer Falllinie des Hanges überwiegend springend mit Sprunghöhen von bis zu 4 m und Sprungweiten von bis zu 20 m. Einzig in etwa 80 Höhenmeter oberhalb des Hangfußes muss der annähernd kubisch geformte Sturzkörper (1,6 m x 1,4 m x 1,0 m), bestehend aus Randgranit, auf kurzer Strecke gerollt sein.
Die im Gelände ermittelten Schlagmarken und Schlagfurchen waren bis zu 60 cm tief und bis zu 5 m lang. Durch das Sturzereignis wurden mehrere Bäume mit Stammdurchmessern bis 20 cm umgerissen. An verletztem Astwerk wie auch an Stammverletzungen verschiedener Bäume konnten die maximalen Sprunghöhen nachvollzogen werden.
Unmittelbar am Hangfuß ist der Sturzkörper frontal auf eine dort stehende Buche (Stammdurchmesser 30–40 cm) aufgeprallt, hat diese auf Wurzelstockhöhe durchschlagen und wurde dadurch nach Südwesten aus der vorherrschenden Sturzrichtung von einem Gebäude weggelenkt. Im weiteren Verlauf hat der Sturzkörper im Bereich einer dortigen Geländemulde einen Pavillon sowie einen Betongrill zerstört, ist in einer Gartenböschung eines Gebäudes aufgeschlagen und anschließend auf dem Nachbargrundstück zum Liegen gekommen.
Das eingetretene Sturzereignis ist das Ergebnis eines natürlichen Vorganges (Naturereignis). Nach den Ergebnissen der Geländebegehungen wird der entstandene Blockschlag vom LGRB als ein 20- bis 30-jähriges Schadensereignis bewertet. In der unmittelbaren Umgebung der Bewegungsbahn sowie des Ablösepunktes wurden keine vergleichbar großen Felskörper vorgefunden, die ein unmittelbares Folgeereignis erwarten ließen. Aus diesem Grund konnte die von der Einsatzleitung bereits am Abend des 07.03.2019 angeordnete vorsorgliche Evakuierung von drei Gebäuden an der Gisibodenstraße am Nachmittag des 08.03.2019 aufgehoben werden.
Gefährdungskartierungen
Aufgrund des steilen Hanggeländes, der ausgebildeten Geröllhalden sowie des ausgedehnten potenziellen Liefergebiets wurde eine grundsätzliche Steinschlag- und Felssturzgefahr für die Wohnbebauung talseits der Geschwender Halde festgestellt. Diese lässt sich im Gelände durch teils vorbewegte Felspartien wie auch auf Reibung liegende bzw. hinter Bäumen verfangene Gesteinskörper sowie auch an zahlreichen, hinter den Gebäuden als „stumme Zeugen“ vorhandenen Sturzkörper ablesen.
Daher wurde die Gefährdungssituation hangseits der Gisibodenstraße mithilfe einer detaillierten Kartierung des gesamten Hanges im Jahr 2019 untersucht. Ziel war es, geeignete Schutzmaßnahmen für eine zweckmäßige, permanente Hangsicherung festzulegen. Aufgrund der zahlreichen festgestellten Gefährdungspunkte im Bereich der Geschwender Halde wurde im Nachgang im Frühjahr 2020 ebenfalls der angrenzende Hangbereich oberhalb der Elsbergstraße und des Felsenwegs begutachtet, um auch hier mögliche Gefährdungen für die untenliegende Bebauung zu identifizieren.
Bei den Kartierungen wurden insgesamt 107 potenzielle Gefahrenquellen unterschiedlichster Kubatur zwischen 2 m3 und maximal 40 m3 Versagensblockgröße aufgenommen, von denen kurz- bis langfristig eine Gefährdung für die unterliegende Infrastruktur ausgeht. Neben den kartierten Gefahrenquellen sind im gesamten Hang unzählige potenzielle Sturzblöcke < 2 m3 vorhanden. Aufgrund der kartierten Gefahrenquellen im Bereich des Oberhangs sowie dem allgemeinen Vorliegen potenzieller Sturzblöcke < 2 m3 im gesamten Hang resultiert eine flächenhafte Gefährdung durch Sturzprozesse oberhalb der Gisiboden- und Elsbergstraße sowie des Felsenweges.
Bei drei potenziellen Gefahrenquellen (G010, G112, G112a) wurde die Absturzwahrscheinlichkeit bzw. die Dringlichkeit von Sicherungsmaßnahmen als akut eingestuft, so dass hier im Herbst/Winter 2019 Sofortmaßnahmen umgesetzt werden mussten. Bis zur Fertigstellung der Sofortmaßnahmen wurden seitens der Stadt Todtnau die Bewohner im Gefahrenbereich evakuiert.
Sicherungsmaßnahmen
Da die Gefahrenquellen über den gesamten Hang verteilt vorliegen, wurde eine passive Sicherung mittels eines Steinschlagschutzzaunes entlang des Hangfußes favorisiert. Auch in Hinblick auf den Naturschutz wurde, wo möglich, der passiven Sicherung gegenüber aktiven Sicherungen der einzelnen Gefahrenquellen im Hang der Vorrang gegeben.
Zur Bemessung der Energieaufnahmekapazität sowie der Höhe des Schutzzaunes wurden numerische 2-D-Steinschlagsimulationen durchgeführt und ausgewertet. Im Ergebnis wurden oberhalb der Gisibodenstraße passive Schutzzäune mit Energieaufnahmekapazitäten von 1000 kJ und 2000 kJ und einer Nennhöhe von 4 m über eine Gesamtlänge von 820 m erforderlich. Oberhalb der Elsbergstraße und des Felsenwegs werden Zäune mit Energieaufnahmekapazitäten von 500 kJ und 1000 kJ sowie Nennhöhen von 3 m bzw. 3,5 m und einer Gesamtlänge von 555 m benötigt.
Aufwändige Einzelsicherungen konnten aufgrund ihrer Dringlichkeit oder der großen Kubatur der potenziellen Sturzkörper jedoch nicht vollständig vermieden werden. Die Steinschlagsimulationen ergaben, dass die Sturzkörper von acht Gefahrenpunkten nicht durch einen Steinschlagschutzzaun aufgehalten werden können. Drei weitere Gefahrenpunkte, die auch die bereits erwähnte Evakuierung von Gebäuden verursachten, waren zudem akut absturzgefährdet, so dass diese im Zuge von Sofortmaßnahmen noch im Herbst/Winter 2019 gesichert werden mussten.
Die Einzelsicherungen beinhalteten im Wesentlichen rückverankerte, hochfeste Stahldrahtnetzschürzen. Vereinzelt kamen auch Spritzbetonunterfütterungen oder die Beräumung einzelner Blöcke zum Einsatz.
An Gefährdungspunkt G041 wurde ein ca. 5 m3 Felsblock von einem umgestürzten Baum gehalten. Im Zuge der Vorarbeiten der Sicherungsmaßnahmen (Kartierungen zur Erstellung von Umweltschutzgutachten) wurde im Mai 2020 festgestellt, dass dieser Block nun zwischenzeitlich ca. 30 m weit hangabwärts gerollt war. Glücklicherweise zerteilte sich der Block dabei in zwei größere Felsblöcke von ca. 1,5 m3 und 3,5 m3 sowie in weitere kleinere Fragmente, die im Hanggelände liegen blieben und nicht bis in die bebaute Ortslage gelangten. Die einzelnen Felsblöcke wurden an ihren neuen Positionen nun als lagesicher eingestuft, so dass sie keine weiteren Maßnahmen mehr erforderten. Dieser Vorfall unterstrich die Notwendigkeit eines raschen Vorgehens der empfohlenen Sicherungsmaßnahmen.
Im Spätsommer 2020 wurde mit der Umsetzung der weiteren (nicht akuten) Einzelsicherungen begonnen sowie der Steinschlagschutzzaun oberhalb der Gisibodenstraße installiert.
Bei den Einzelsicherungen wurde mit dem Gefährdungspunkt G031 begonnen, da dieser aufgrund seiner geschätzten Gesamtgröße von etwa 250 m3 besonders aufwändig zu sichern war und auch eine außerordentlich große Gefährdung für die untenliegende Bebauung darstellte. Im Hinblick auf den Arbeitsschutz wurde im Vorfeld der Sicherungsarbeiten ein elektronisches Warnsystem aus Extensometern und Felsspionen installiert, um ggf. auftretende Gleitbewegungen des Felsturms frühzeitig erkennen und die Arbeiter aus dem Gefahrenbereich evakuieren zu können.
Die Vorsicherung des Felsturms erfolgte mittels Stahlseiltrossen. Das Einnetzen des Felsturms mit einem Stahldrahtgeflecht sowie die Fußunterstützung durch eine systemvernagelte Spritzbetonunterfütterung bilden die endgültige Hauptsicherung dieses Gefährdungspunktes.
Die Sicherungsmaßnahmen an der Geschwender Halde wurden im November 2021 fertiggestellt.