Übersicht
Im Vergleich zur benachbarten Fränkischen Alb (Bayern) spielten und spielen oberjurazeitliche Plattenkalke auf der Schwäbischen Alb für die Gewinnung von Werksteinen und Baumaterial nur eine geringe Rolle. Dies liegt weniger am Bedarf oder den Bemühungen, als vielmehr an den schwierigeren Lagerstättenverhältnissen. Frank (1944, S. 179) schreibt: „Im Bereich der Schwäbischen Alb hat man in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eifrig nach Platten gesucht, die dem Solnhofer Schiefer ähnlich sind.“ Abbauorte sind Renquishausen bzw. Kolbingen (Landkreis Tuttlingen) und das benachbarte Nusplingen (Zollernalbkreis) auf der Westalb sowie Nattheim-Steinweiler nahe Neresheim auf der Ostalb. Bei Nattheim-Steinweiler wurden die früher berühmten sog. Steinweiler Platten abgebaut; die Gewinnung wurde im Jahr 1964 eingestellt. Im Vergleich zu Kolbingen und Nusplingen war der Abbau aber zeitweise recht umfangreich.
Heute (Stand 2021) findet nur noch sehr geringer Abbau zwischen Kolbingen und Renquishausen sowie bei Nusplingen statt; in Nusplingen dient er allerdings ausschließlich der paläontologischen Forschung. Seit 1993 ist der alte Plattensteinbruch Grabungsschutzgebiet. Die Nusplinger Plattenkalke gehören neben dem Posidonienschiefer zu den fossilreichsten Ablagerungen in Südwestdeutschland und sind in Fachkreisen weltweit wegen des hervorragenden Erhaltungszustands der Fossilien bekannt (s. u.). Die Geologie und Paläontologie der Fossillagerstätte bei Nusplingen ist seit 2005 in einem geologischen Lehrpfad dargestellt und erläutert (Schweigert et al., 2009).
Weitere kleine Vorkommen, die nur kurz genutzt oder untersucht wurden, nennt Temmler (1964), so z. B. die Plattenkalke vom Dreherhof bei Erpfingen, von Thiergarten am Ochsenberg, vom Knopfmacherfelsen bei Fridingen und von Feldstetten. Es handelt sich stets um kleine Einschaltungen innerhalb von Massenkalkkörpern. Als Fazit aus seinen Aufnahmen zur Plattenkalkfazies zieht Temmler (1964, S. 85), dass das „Vorkommen sedimentärer Feinschichtung nicht an eine bestimmte Zeiteinheit, … sondern unter bestimmten Voraussetzungen in allen Stufen des Weißen Jura auftreten kann.“ Die größeren und zumindest zeitweise wirtschaftlich interessanten Vorkommen befinden sich aber alle im höchsten Oberjura.
Plattenkalke von Kolbingen, Renquishausen und Nusplingen
Bezeichnung und Verbreitung:
Auf der Schwäbischen Alb im Gebiet nördlich von Mühlheim a. d. Donau, nahe Kolbingen und Renquishausen, befinden sich Vorkommen von Plattenkalken, die in der geologischen Literatur als „Renquishauser Plattenkalke“ bekannt sind. In der Natursteinindustrie ist der Handelsname „Kolbinger Plattenkalke“ gebräuchlicher, da die meisten Steinbrüche auf Kolbinger Gemarkung liegen. Von den Steinhauern werden sie auch als „Schieferkalke“ bezeichnet. Östlich davon befinden sich die früher kurzzeitig industriell genutzten, mittlerweile für die Forschung bedeutsamen Nusplinger Plattenkalke. Die genannten Abbauareale befinden sich auf den Hochflächen beiderseits des Bäratals, wo sich auch Vorkommen von Kalktuffen befinden.
Geologisches Alter, Entstehung:
Erdgeschichtlich werden beide Plattenkalkvorkommen in die rund 150 Mio. Jahre alte Schichtenfolge im Übergangsbereich zwischen der Liegenden Bankkalk-Formation und der Zementmergel-Formation eingestuft (Dietl & Schweigert, 1999). Die Plattenkalke von Nusplingen und Renquishausen sind etwa 500 000 Jahre älter als die ebenfalls sehr fossilreichen Plattenkalke von Solnhofen. Auf der amtlichen geologischen Karte wurden sie den Liegenden Bankkalken zugeordnet; aufgrund ihrer Fazies ist dies für die rasch in Dickbankkalke übergehenden, geringmächtigen Plattenkalke von Renquishausen auch vertretbar.
Wegen der bedeutenden Fossilfunde wurden die Plattenkalkvorkommen von Nusplingen hinsichtlich Zeitstellung und Entstehung ausführlich untersucht (Dietl & Schweigert, 1999, 2001; Dietl et al., 1998; dort ausführliche Literaturlisten). Die Forschung erbrachte, dass die beiden kleinen Lagunen von Nusplingen und Renquishausen–Kolbingen nicht in Verbindung standen. Die Nusplinger Kalke sind nicht nur fossilreicher, sondern auch mächtiger (10–17 m) als die fossilarmen Dünnschichtkalke von Renquishausen.
Bei den Plattenkalken handelt es sich um Ablagerungen in geschützten wannenartigen Spezialbecken, d. h. in vom offenen Meer (zeitweise) abgetrennten Lagunen. Die Bankkalke entstanden, als noch Verbindung zum übrigen Schelfmeer existierte, wie Spuren bodenlebender Tiere anzeigen. Wahrscheinlich wurden einige von Riffkörpern umgebene Bereiche durch sich ausbreitende und bis an die Wasseroberfläche reichende Riffe und/oder durch Meeresspiegelabsenkung vom offenen Meer abgetrennt (Dietl & Schweigert, 1999). In der Folge ging der Sauerstoffgehalt des Wassers so stark zurück, dass das gesamte Bodenleben zum Erliegen kam. Unter diesen lebensfeindlichen, stagnierenden Bedingungen entstanden die gleichmäßig feingeschichteten Plattenkalke. Sedimentationsunterbrechungen und dünne tonig-mergelige Einschaltungen (Tonminerale wurden wahrscheinlich bei Sturmereignissen über die Riffbarriere gespült) sorgen für die gute plattige Absonderung der hellgelblichen Kalksteine. Für die Kalkfällung aus dem subtropisch warmen Meereswasser waren vor allem winzige Grünalgen aus der Gruppe der Coccolithophoriden verantwortlich.
Gesteinsbeschreibung, technische Eigenschaften und Verwendung:
Das größte geschlossene Vorkommen von Plattenkalken des Oberjuras nordöstlich von Kolbingen bzw. südwestlich von Renquishausen weist nach einer geologischen Kartierung von 1995 eine Erstreckung von 800 m in N–S- und max. 600 m in O–W-Richtung auf. Die Plattenkalksteinbrüche befinden sich in seinem nördlichen und zentralen Teil. Weitere kleine Erosionsreste sind südlich des genutzten Bereichs und nördlich davon bei der Ziegelhütte zu finden. Gwinner & Hafner (1995) beschreiben, dass die Plattenkalke in der heute verfüllten Grube an der Ziegelhütte, die man als Renquishauser Plattenkalke bezeichnete, entlang von horizontalen Schichtflächen und listrischen „Scherflächen“ (submarine Rutschungen?) spalten. Die dort abgebauten Platten waren meist 5 cm dick und konnten sehr leicht gewonnen werden. In den Steinbrüchen auf der Gemarkung Kolbingen sind in den Plattenkalken kaum Scherflächen zu erkennen, wohl aber zahlreiche steil stehende Klüfte, an denen die Platten polygonal brechen. Ausführliche Beschreibungen der Profile sind auch bei Temmler (1964) zu finden.
Gestein:
Es handelt sich um dünnschichtige bis plattige, feinkörnige Kalksteine, die auf den Schichtflächen kräftig gelblich braune und im Anschnitt überwiegend beigegraue bis leicht rötlich graue Färbungen aufweisen. Einige Platten sind im Anschnitt rotbraun. Die Renquishauser Wanne war im Vergleich zu der von Nusplingen offensichtlich weniger tief, so dass hier noch vereinzelt Bodenleben möglich war, wie gelegentliche Spurenfossilien auf den Schichtflächen anzeigen. Das genutzte Vorkommen hat in den alten, heute verfüllten Abbauen im Nordteil eine maximale Mächtigkeit von 4 m erreicht, wobei nur der obere 2–2,5 m mächtige Abschnitt dünne Platten lieferte, darunter wurden die Platten deutlich dicker (15–20 cm). Im Gegensatz zu den auch als „lithographische Schiefer“ bezeichneten Plattenkalken von Solnhofen sind die Oberflächen der Kalkplatten jedoch rau, was auf den Eintrag von Schwammnadeln und kleinen Kalkkörnchen von nahe gelegenen Riffkörpern zurückgeführt wird. Daher sind weder die Plattenkalke von Nusplingen noch die von Renquishausen zur Lithographie geeignet.
Seit Jahrzehnten stehen bei Kolbingen Bereiche in Abbau, die aufgrund der günstigen Plattenstärke von 2–5 cm nur etwa bis 2 m tief genutzt werden; darunter folgen dickere Platten. Die Basis wird von rötlichem, zuckerkörnigem Massenkalk gebildet, wie einzelne tiefere Schürfe zeigten.
Verwendung:
Dünne Platten (2–4 cm) können für Fassaden, 4–8 cm starke in naturrauer oder geschliffener Form für Böden verwendet werden. Dickere Platten eignen sich als Mauersteine. Eingesetzt werden sie heute besonders im Gartenbau, daneben gelegentlich zur Restaurierung von Häusern, Kirchen und Klostergebäuden. Im Jahr 2003 wurden aus dem Kolbinger Bruch rund 600 m2 Bodenplatten an das Kloster Beuron geliefert.
Gewinnung und Bezugsmöglichkeiten:
Die Plattenkalke aus dem Gebiet Kolbingen–Renquishausen werden schon seit römischer Zeit für Abdeckungen und als Bodenplatten verwendet, wie die Funde in der Villa Rustica bei Möhringen a. d. Donau und an anderer Stelle belegen (Dietl & Schweigert, 2001). Seit Besiedlung der Alb, verstärkt seit dem 18. Jh., werden die Plattenkalke von den Bauern der Umgebung zu einfachen Bauzwecken gewonnen (Blessing, 1999). Im frühen 19. Jh. sind die Kolbinger Steinbrüche schon so bekannt, dass sich sogar Alexander von Humboldt mit ihnen beschäftigte. Er korrelierte sie als erster mit den Plattenkalken von Solnhofen und Eichstätt (v. Humboldt, 1823). Auch bei Nusplingen gab es kleine Gruben im Plattenkalk, deren Fossilreichtum F. A. Quenstedt 1839 schon erkannte; von ihm stammt der Begriff „Nusplinger Plattenkalk“ (Quenstedt, 1855).
Der Stuttgarter Geschäftsmann Christian Fuchs begann auf Anregung von Oskar Fraas in den Jahren 1853/54 mit der Anlage des Steinbruchs, der heute als „Nusplinger Steinbruch“ für die o. g. paläontologischen Zwecke genutzt wird, um nach Platten zu suchen, welche sich für die Lithographie eignen könnten (Dietl & Schweigert, 2001). Der Abbau wurde aber mangels wirtschaftlichen Erfolgs nach einem Jahr eingestellt, führte aber zu einer Fülle sensationeller Fossilfunde. Zwischen 1869 und 1878 wurden bei Nusplingen noch Dach- und Bodenplatten gewonnen. Das im Vergleich zu Kolbingen aber weniger gleichmäßig spaltende und oft tonigere Material wurde jedoch spätestens mit der Zunahme der Tonziegeldeckung nicht mehr nachgefragt.
Nach Angaben des Anfang 2009 verstorbenen Steinmetzmeisters Karl-Eugen Schad geht im Bereich der Gewinnungsstelle Kolbingen (RG 7919‑3, s. geologische Karte Kolbingen) seit mindestens 300 Jahren Abbau von Plattenkalken zu Bauzwecken um. Im Jahr 1930 übernahm Albert Schad aus Kolbingen die alten Steinbrüche auf der Hochfläche südlich der Ziegelhütte im Gewann Hakenwäldle. Um 1950/51 waren im Betrieb von Albert Schad 10 Personen beschäftigt. Das für die Weiterverarbeitung brauchbare Material wurde in die Plattenwerkstatt nach Kolbingen transportiert, wo auch heute (Stand 2021) noch der Betrieb liegt (s. u.). Hier wurden u. a. Boden-, Wand- und Ofenplatten mittels Schleif- und Poliermaschinen hergestellt. Aus kleinstückigem Bruchmaterial wurden mit Hilfe eines Schotterbrechers und eines Rüttelsiebs Walzschotter, von den rötlichen Platten auch Terrazzozuschläge hergestellt (LGRB-Archiv, A. Schreiner 1951). Im Jahr 1956 übernahm Karl-Eugen Schad den elterlichen Steinbruch und erweiterte den Steinmetzbetrieb in Kolbingen. In den folgenden Jahren waren bis zu 20 Arbeiter aus Kolbingen und Renquishausen im Steinbruch und der Weiterverarbeitung vor Ort und im Werk Kolbingen beschäftigt.
Mit den 1980er Jahren ging die Produktion deutlich zurück. Ende der 1980er Jahre wurden nach Erhebungen des LGRB aber noch Wand- und Bodenbeläge, Platten und Mauersteine zur Fassadenverkleidung, daneben aber auch Gartenbausteine hergestellt. Ende der 1990er Jahre war nur noch ein Mann zeitweise mit dem Abbau beschäftigt, der mittels Planierraupe und Hammer die bis 12 cm dicken Platten mit „Anheben und Abkeilen“ aus dem Verband löste. Die Platten wurden dann wie früher gespalten und vor Ort in einer kleinen Werkhalle in Format gebracht. Geliefert wurden die Platten in dieser Zeit bis nach Freiburg, Lörrach und Tübingen. Seit Ende des 20. Jh. findet der Abbau nur noch auf Bestellung statt. Der letzte Abbauantrag für die Ausbeutung einer Teilfläche wurde beim Landratsamt Tuttlingen Ende 2003 gestellt und im April 2004 bewilligt. Die ausgebeuteten Areale werden mit Abraum und unbelastetem Erdaushubmaterial bis zur früheren Geländeoberfläche wiederverfüllt und schrittweise der forstlichen Nutzung zurückgegeben.
Aktuelle Gewinnung:
In kleinen, meist nur kurzzeitig zugänglichen Steinbrüchen auf Gemarkung Kolbingen werden die Plattenkalke von der Fa. Schad im traditionsreichen Steinbruch im Hakenwäldle (RG 7919‑3) noch zeitweise abgebaut (Stand 2021). Die Vorratssituation ist aufgrund der Eigentumsverhältnisse, der Ausdehnung der noch nicht abgebauten Plattenkalke und natürlich auch aufgrund der geringen jährlichen Fördermenge noch „für Jahrhunderte ausreichend“. Wie erwähnt, findet zu Zwecken der paläontologischen Forschung bei Nusplingen gelegentlich Abbau in einem 4–5 m mächtigen Abschnitt statt; neben feinschichtigen, regelmäßigen Platten sind auch schräg geschichtete Bereiche mit Olistolithblöcken aufgeschlossen.
Steinweiler Platten
Die Steinweiler Platten oder Steinweiler Kalke der Ostalb gehören stratigraphisch der Mergelstetten-Formation an. Die Mergelstetten-Formation erreicht bei Nattheim-Steinweiler (TK 25 Blatt 7227 Neresheim-West) eine Mächtigkeit von etwa 90 m, die eingeschaltete Bankkalk-Fazies 45–50 m (Zwischenkalke bei Gwinner et al., 1987). Bei den Steinweiler Platten handelt es sich um feinkörnige bis dichte, harte, plattig bis dünnbankig absondernde Kalksteine mit hellgrauer Farbe. Die Platten und Bänke werden von blättrig-mürben Mergellagen getrennt und lassen sich daher leicht abheben. Die Bänke sind überwiegend zwischen 20 und 40 cm mächtig, die Schichtflächen (Lagerfugen) brechen meist mit rauer, z. T. aber auch mit glatter Oberfläche. Je nach Zusammensetzung der genutzten Bänke wurden diese – wie in Solnhofen – mit unterschiedlichen Bezeichnungen belegt: Kutterstein, Zuckerstein, Glas- oder Kernschicht usw.; die beste war die Gundelfinger Bank.
Der Kalkgehalt der Platten liegt im Mittel bei nur 84 %, der Rest besteht überwiegend aus porzellanweißen, kieseligen Resten von Kieselschwämmen (Hüttner in: Gwinner et al., 1987). Dieser Fossilfeinschutt verleiht dem Gestein sein charakteristisches Erscheinungsbild und die im Vergleich zu den gewöhnlichen Bankkalken der Mergelstetten-Formation große Festigkeit.
Der Name des kleinen Ortes Steinweiler (heute ein Teilort von Nattheim, Landkreis Heidenheim a. d. Brenz) trägt der einstigen Bedeutung der Steinbrüche Rechnung. Die Gründung des Ortes geht auf die Nutzung der Plattenkalke für den Bedarf der Abtei Neresheim zurück. Für den Bau der Abtei wurden Mauersteine und Steinplatten benötigt. Die großen Bodenplatten in der Abteikirche sind nach Jahrhunderten noch in bestem Zustand. Die Mauern der Klosterkirche und des anschließenden Konventgebäudes sind zum größten Teil aus dolomitisierten Oberjurakalken bzw. Dolomitsteinen erbaut.
Zur Gewinnung von steinernen Wand- und Bodenfliesen für das Kloster von Neresheim wurden die Steinbrüche bei Steinweiler im Jahr 1775 in Betrieb genommen (Weissenberger, 1952). Hierzu errichtete man zahlreiche Steinhauerhütten, aus denen sich die Ortschaft Steinweiler entwickelte. Für den Transport der Steinplatten und ‑quader war es günstig, dass Steinweiler etwas höher als Neresheim liegt; so konnten die schweren Fuhrwerke über eine leicht abschüssige Strecke von rund 7 km Länge nach Neresheim gezogen werden. Die Dächer der Häuser von Steinweiler wurden zu Beginn mit Platten aus den eigenen Steinbrüchen gedeckt, später aber wurden die Kalksteinplatten wegen zu geringer Frostbeständigkeit gegen Tonziegel ausgetauscht (Hüttner in: Gwinner et al., 1987). Nach Vollendung der Klosterkirche Neresheim im Jahr 1792 gingen die Tätigkeiten im Gesteinsabbau zurück, während der Säkularisierung 1803 stagnierte der Betrieb. Danach muss die Gewinnung wieder in Gang gekommen sein, denn in der Oberamtsbeschreibung von Neresheim aus dem Jahr 1872 wird erwähnt, dass während der Sommermonate bis zu 200 Personen in den Steinbrüchen beschäftigt waren.
Nach den Beschreibungen der 1947 vorgenommenen Bereisung durch Albert Schreiner (LGRB-Archiv) wurde der Betrieb in dieser Zeit von der Fa. Hans Bergmann aus Hamburg geführt. Die nutzbare Mächtigkeit betrug damals beachtliche 12 m. Im einzigen noch erhaltenen Steinbruch sind 7–9 m mächtige, dickplattige bis dünnbankige Plattenkalke aufgeschlossen, die von 2–3 m mächtigen Abraumschichten überlagert werden. Ein großes Haldenareal trennt den Bruch von der Wohnbebauung.
Noch um 1947 waren 26 Steinhauer bei Steinweiler ganzjährig mit der Gewinnung von Platten und deren Verarbeitung für Bodenbeläge, Mauern, Gesimse, Treppenstufen, Bossensteine und Grabsteine beschäftigt. Auch für den Steindruck (Lithographie) wurden Platten geliefert. Zur technischen Ausrüstung gehörten Kran, Feldbahn, Steinsägen, Kreissägen, Schleifmaschinen und Maschinen zur Bearbeitung der Kanten. Restmaterial wurde in einem kleinen Werk zu Wegschotter und Terrazzokörnungen verarbeitet. Terrazzo und die Rohplatten wurden überregional in württembergische und bayerische Gebiete verkauft. Der Steinbruchbetrieb wurde 1965 eingestellt. Bis dorthin erstreckten sich Abbau- und Haldenareale auf einer Fläche von über 11 ha. Im Jahr 1997 wurde ein Teilbereich als Naturschutzgebiet (ca. 7 ha) ausgewiesen, dem wir den Erhalt eines der Steinbrüche zu verdanken haben.
Potenzial
Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei den Plattenkalken der Schwäbischen Alb um vergleichsweise kleine Vorkommen. Die nutzbaren Mächtigkeiten schwanken von 3 m bis ca. 12 m. Ihre Bedeutung für Natursteinindustrie und Denkmalpflege ist solange als gering einzuschätzen, wie Plattenkalke aus den ausgedehnten und intensiv genutzten Lagerstätten von Solnhofen–Eichstätt zur Verfügung stehen.
Die Plattenkalke der Kolbinger Schüssel sind zu einem großen Teil abgebaut, jedoch stehen hier – ausgehend von der geringen Nutzungsrate der letzten Jahrzehnte – noch Vorräte für Jahrhunderte zur Verfügung (s. geologische Karte Kolbingen). Aufgrund der geringen Eingrifftiefe von nur wenigen Metern ist die Rekultivierung im forst- und landwirtschaftlich genutzten Hochplateau fast parallel zum punktuellen Abbau möglich. Deutlich größer ist das Potenzial der Nusplinger Schüssel (s. geologische Karte Nusplingen), zumal die Mächtigkeiten hier bis 10 m reichen. Aufgrund des mehrfachen Wechsels der Gesteinsfazies (Schräg- und Horizontalschichtung, Rutschungsgefüge, Olistolithe, Brekzienbänke usw.) müsste das Gebiet außerhalb des Grabungsschutzgebiets auf der aufschlusslosen Hochfläche durch zahlreiche Kernbohrungen erkundet werden. Zu prüfen wäre auch, ob die Plattenkalke der Nusplinger Schüssel in allen Abschnitten toniger sind als in Kolbingen. Am größten dürfte das Potenzial in der über viele Kilometer sich ersteckenden Zementmergelschüssel um Nattheim-Steinweiler (Ostalb) sein. Allerdings fehlen Tagesaufschlüsse und Kernbohrungen, die eine bessere Einschätzung erlauben würden.
Kurzfassung
Die Plattenkalkvorkommen im Oberjura der Schwäbischen Alb bei Kolbingen, Renquishausen, Nusplingen und Steinweiler haben im Vergleich zu den etwa gleich alten Vorkommen auf der Fränkischen Alb bei Solnhofen und Eichstätt nur geringe Bedeutung für die Naturwerksteinindustrie erlangt. Heute (Stand 2021) findet noch gelegentlicher Abbau bei Kolbingen statt, wobei in den kleinen Gruben nur die obersten 2 m der Plattenkalkschichten genutzt werden. Die dort gewonnenen Polygonalplatten gehen überwiegend in den Garten- und Landschaftsbau der näheren Umgebung; noch bis in die 1980er Jahre wurden die Kolbinger bzw. Renquishauser Platten überregional vermarktet. Für die Erforschung der oberjura-zeitlichen Lebewelt spielen die durch den Abbau erschlossenen Plattenkalkvorkommen von Nusplingen eine große Rolle, weil die Fossilerhaltung in diesen Schichten ungewöhnlich gut ist. Bei Nusplingen werden daher gelegentlich spezielle paläontologische Forschungsgrabungen durchgeführt. Im Zusammenhang mit dem Bau der Abtei Neresheim (ab 1775) erlangten die Plattenkalksteinbrüche bei Steinweiler Bedeutung; der Abbau wurde in ausgedehnten Brüchen, in welchen bis 12 m mächtige Plattenkalkschichten genutzt wurden, erst 1964 eingestellt. In der Bankkalk-Fazies der Mergelstetten-Formation von Steinweiler ist auch das größte Lagerstättenpotenzial zu vermuten.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (1999). Kolbingen und die Herrschaft Werenwag – Geschichte eines Dorfes auf dem Heuberg in der ehemaligen Herrschaft Werenwag. 848 S., Horb a. N. (Geiger).
- (1999). Nusplinger Plattenkalk. Eine tropische Lagune der Jura-Zeit. – Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie C, 45, S. 1–64, 2 Kt. [61 Abb.]
- (2001). Im Reich der Meerengel – Der Nusplinger Plattenkalk und seine Fossilien. 144 S., München (Pfeil).
- (1998). Profile des Nusplinger Plattenkalks (Oberjura, Ober-Kimmeridgium, Südwestdeutschland). – Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie B, 265, S. 1–37, 3 Taf. [14 Abb.]
- (1944). Die natürlichen Bausteine und Gesteinsbaustoffe Württembergs. 340 S., Stuttgart (Schweizerbart). [17 Abb.]
- (1995). Erläuterungen zu Blatt 7919 Mühlheim an der Donau. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 139 S., 4 Beil., Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1987). Erläuterungen zu Blatt 7227 Neresheim-West. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 136 S., 4 Taf., 2 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1823). Essai géognostique sur le gisement des roches dans les deux hémisphères. 379 S., Paris.
- (1855). 1. Petrefaktensammler Schwabens. 2. Über Pterodactylus suevicus im lithographischen Schiefer Württembergs. 52 S., Tübingen (Laupp).
- (2009). Der geologische Lehrpfad „Im Reich der Meerengel“ bei Nusplingen. – Aufschluss, 2009/4, S. 187–194. [12 Abb.]
- (1994). Erläuterungen zu Blatt 7819 Meßstetten. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 112 S., 1 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1962). Die fossilen Schwammriffe der Schwäbischen Alb. – Die Natur, 70, S. 53–60 + 97–102. [10 Abb.]
- (1964). Über die Schiefer- und Plattenkalke des Weißen Jura der Schwäbischen Alb. – Arbeiten aus dem Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Stuttgart, N. F. 43, S. 1–106, 24 Taf. [18 Abb.]
- (1952). Abt Benedikt Maria Angehrn von Neresheim und die Gründung der Ortschaft Steinweiler auf dem Härtsfeld. – Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, 11, S. 253–258.
- (1978). Der Weiße Jura der Schwäbischen Alb. – Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie C, 23, S. 1–71, 11 Taf. [6 Abb.]