Übersicht
An einer ausgedehnten Fabrikhalle bei Östringen, Lkr. Karlsruhe sind seit Ende der 1970er Jahre Bauschäden aufgetreten, die auf Hebungsvorgängen im Untergrund beruhen. Mit den damals bekannten Hebungsprozessen (Entspannung überkonsolidierter Gesteine, Umwandlung von Anhydrit/Gips (Anhydritschwellen), Tonmineralquellung, Eislinsenbildung) ließen sich die Schäden nicht erklären. Zur Erkundung wurden mehrere Bohrungen und ein 3 m tiefer Erkundungsschacht abgeteuft. Wie die Baugrunduntersuchungen zeigten, handelte es sich um ungleichmäßige Baugrundhebungen, die an bestimmte Gesteine des Unterjuras, insbesondere der Posidonienschiefer-Formation (Oberer Unterjura), gebunden sind. Durch Verwitterung (Oxidation) des überwiegend fein verteilten Pyrits in den Festgesteinen kommt es unter bestimmten Bedingungen oberhalb der Grundwasseroberfläche zum Wachstum von Sulfatkristallen (Gipskristalle), welche die zahlreichen dünnen Gesteinsschichten auseinanderdrücken und schließlich zu den beobachteten Hebungen führten (Ölschieferhebungen).
Geologische Gegebenheiten
Der Felsuntergrund im Bereich der beschädigten Fabrikhalle besteht überwiegend aus Gesteinen der Posidonienschiefer-Formation des Unterjuras. Dabei handelt es sich um dunkle, kalkige Tonschluffgesteine, die in frischem, unverwittertem Zustand hart und kompakt sind. Sie können mehr oder weniger mergelige Kalksteinbänke enthalten. Die Gesteine führen erhebliche Mengen Sulfide (Pyrit) in überwiegend feinverteilter Form, örtlich teils stark angereichert. Die bituminöse Posidonienschiefer-Formation weist über weite Strecken eine intensive Feinstschichtung auf. Bei Verwitterung resultiert daraus eine hervorragende, schichtparallele schieferähnliche Spaltbarkeit. Infolge der Verbindung des Kerogenanteils im Bitumen mit den Tonmineralen neigt die Posidonienschiefer-Formation auch bei Wasserzutritt und Entfestigung nicht zur Plastifizierung, weshalb die Verwitterungsprodukte weitgehend als starre Plättchen erhalten bleiben. Die Schichtung liegt im Bereich der Fabrikhalle leicht geneigt und fällt großräumig mit 8–9° nach WNW ein. Der Festgesteinsuntergrund war vor Bebauung des Areals durchweg durch eine Lockergesteinsüberdeckung aus heterogenem Verwitterungsschutt des Felses (Festgestein der Posidonienschiefer-Formation) sowie von unterschiedlich sandigem Schwemmlöss und Lösslehm in einer Gesamtmächtigkeit von 1,5–4,5 m bedeckt.
Grundwasser
Das Grundwasser zirkuliert praktisch ausschließlich innerhalb des Festgesteins, gebunden an die Kluft- und Schichtflächen (Kluftwasseraquifer). Die abfließenden Wassermengen sind in Abhängigkeit der Trennflächenhäufigkeit und ‑öffnungsweiten entsprechend lokal sehr unterschiedlich, sodass der Grundwasserstand (aufgrund des geringen Speicherkoeffizienten des Gesteins) in Abhängigkeit der Witterungsverhältnisse beträchtlich schwankt. Im September 1983 befand sich der Grundwasserspiegel infolge von Drainagen, Überbauung etc. um ca. 1,5–3,5 m unter dem natürlichen Bezugsniveau von 1963. Er wurde am 19.10.1983 durch Abschalten einer Drainage angehoben (um ca. 0,6–1,3 m) und lag 2,0–4,5 m unter dem Boden der Fabrikhalle.
Bauliche Gegebenheiten und Schadensereignis
Die ca. 200 m x 400 m große Fabrikhalle wurde größtenteils 1964 erstellt. Sie steht an einem flachen, nach Norden exponierten Hang und bindet im Süden maximal 8 m unter die Geländeoberkante ein. Dementsprechend liegt die ebene Bodenplatte im Norden und Nordwesten auf den beschriebenen Lockergesteinen, im Südosten dagegen unmittelbar auf anstehendem Fels. Der 0,4 m starke, mit einer Dampfsperre versehene Hallenboden wurde schwimmend verlegt, mit den Stützen der eigentlichen Halle somit nicht starr verbunden. Die Halle selbst ist auf Einzelfundamenten in unterschiedlichen Tiefen im anstehenden Gestein gegründet. Die Bodenpressungen liegen zwischen 0,16 MN/m2 und 0,25 MN/m2. Die Halle ist größtenteils klimatisiert (22 °C).
Zwölf Jahre nach Baubeginn wurden 1976 erstmals Hebungen des Hallenbodens durch Messungen erfasst und zwar insbesondere in zwei Bereichen, in denen die Bodenplatte dem anstehenden, meist stark geklüfteten Fels praktisch unmittelbar aufliegt. Es handelt sich um großflächige (bis 100 m x 160 m) Aufwölbungen zweier Areale, die sich im Lauf der Zeit ständig weiter ausdehnten. Die gemessenen Hebungsgrößen innerhalb der beiden Bereiche waren von Ort zu Ort verschieden. Während die Stützen und deren verfüllte Arbeitsräume nahezu unverändert blieben, wurden an den am stärksten betroffenen Stellen andauernde Hebungsbeträge gemessen, die sich auf max. 58 cm und 49,5 cm aufsummierten. Die Bewegungen begannen in den beiden Arealen langsam (über 2–4 Jahre) mit Hebungsbeträgen von 1–2 cm/Jahr. Danach führte eine Verstärkung der Vorgänge zu relativ konstanten jährlichen Anhebungen von 5–8 cm. Von den weitgespannten Untergrundaufwölbungen erfasst wurden insbesondere Bauteile mit geringer Bodenpressung (der 0,4 m starke Hallenboden sowie darauf aufsitzende, nicht tragende Zwischenwände). An den tiefer (> 3 m) gegründeten Hauptfundamenten wurden hingegen keine Bewegungen festgestellt. Eine Abhängigkeit zwischen den Hebungskurven und den Niederschlagsmengen sowie Grundwasserganglinien bestand nicht.
Die Grundwassertemperaturen im Hallenbereich lagen 1984 bei ca. 19–27 °C (Durchschnitt aus 157 Messwerten etwa 21 °C). Sie lagen somit um etwa das Doppelte über normalen Grundwassertemperaturen und folglich zum Teil auch über der Temperatur der klimatisierten Halle. Auf dem Fabrikgelände und in seinem Grundwassereinzugsgebiet findet jedoch kein Übertritt erwärmter Wässer in den Untergrund statt, sodass für die festgestellten erhöhten Temperaturen exotherme chemische Reaktionen im Untergrund und insbesondere die Zirkulation erwärmter Bodenluft in Betracht kommen.
Ursachen und Mechanismen der Hebungsvorgänge
Zur Erkundung der Hebungsursachen wurde Ende 1982 an der damals am stärksten herausgehobenen Stelle ein 3 m tiefer Schacht erstellt. Dabei zeigte sich, dass die Posidonienschiefer-Formation (unter einer stärker verwitterten Übergangszone) zwischen 1,2 m und 3,05 m Tiefe in nicht weniger als 500 Einzelschichten aufgespalten war. Auf den 0,05–2,0 mm klaffenden Schichtflächen (nicht im Gestein selbst!) befanden sich unzählige 0,1–2 mm große sekundär entstandene Kristalle, die röntgenographisch als Gips (CaSO4 · 2 H2O), untergeordnet auch als Melanterit (FeSO4 · 7 H2O) identifiziert wurden. Die Summe aller gemessenen und geschätzten Klaffweiten stimmte bemerkenswert gut mit dem damals nivellierten Hebungsbetrag (40 cm) überein. Im Jahr 1985 wurde die Aufnahme der Gebirgsaufspaltung an identischer Stelle des Schachts wiederholt. Dabei wurde ein Anstieg der offenen Schichtfugen von 500 auf 615 festgestellt. Die neu entstandenen Aufspaltungen lagen praktisch ausnahmslos zwischen 2,3 m und 2,75 m Tiefe und die mittlere Öffnungsweite hatte sich oberhalb 2,3 m von 0,5 mm (1983) auf 0,75 mm (1985), d. h. um 50 % erhöht. Generell wurden nur selten größere Klaffweiten als 2,0 bis 2,5 mm gemessen, was ein limitiertes Kristallwachstum nahelegt, möglicherweise bedingt durch das Abreißen der kapillaren Stoffzufuhr.
Der gemessene maximale Hebungsbetrag von 58 cm resultierte aus einem nur 2 m mächtigen Schichtenstapel, was einer vertikalen Volumenzunahme von 29 % entspricht (die Hebungserwartung für diesen Punkt lag bei 1,1 m).
Das Kristallwachstum verlagerte sich nach Erreichen der genannten maximalen Klaffweiten auf Spaltflächen mit geringerer Öffnungsweite. Demzufolge nahmen die Schichtöffnungsweiten in allen Aufschlüssen generell von oben nach unten ab (bei einer deutlichen Häufung der sehr konstanten Grenzöffnungsweite im oberen Teil des Schichtstapels). Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die zu Hebungen führenden Prozesse oben beginnen und zur Tiefe hin bis in den Grundwasserschwankungsbereich hinein fortschreiten, wo sie schließlich enden. Unterhalb des Grundwasserschwankungsbereichs ist das Gebirge grundsätzlich hart, massig und kompakt. Die Besatzdichte der Schichtflächen mit Kristallneubildungen war außerordentlich unterschiedlich. Sulfatkristalle fehlten fast immer in weitgehend entkalkten, angewitterten Bereichen.
Die auf den Schichtflächen gewachsenen Gips- und Melanteritkristalle sind aus dem im Gestein vorhandenen Pyrit entstanden, der bei Sauerstoffzutritt über die Bodenluft oder des Grundwassers oxidierte. Die dabei gebildete Schwefelsäure reagiert ihrerseits mit dem Karbonat des Gesteins. Es entsteht Calciumsulfat, das in relativ trockenen Gebirgsbereichen entweder direkt ausfällt (Ätzkavernen um verwitternden Pyrit) oder in der Bergfeuchte oder dem Grundwasser als Ca2+ und SO42- gelöst ist. Durch Verringerung der Gesteinsdurchfeuchtung (natürlich oder künstlich verursacht) überwogen im Untergrund der Halle die Verdunstungsvorgänge. Dabei wurden u. a. Ca2+ und SO42- im Grundwasser angereichert (erhöhte Sulfatkonzentration um das 2–14‑fache). Der Mittelwert lag bei 360 mg SO42-/l, was etwa 25 % des Sättigungswerts für Gips in reinem Wasser entspricht.
Hebungsdruck
Der Wachstumsdruck eines Kristalls ist eine Funktion der Anlagerungskräfte von Ionen an dessen unterschiedlichen Netzebenen. Die im Baugrund beobachtete Hebungskraft entspricht der Summe der Wachstumsdrücke aller Einzelkristalle. Die Hebungskraft auf dicht besiedelten Schichtflächen ist daher besonders hoch. Da der Wachstumsdruck der Kristalle an unterschiedlichen Netzebenen verschieden ist, spielt auch die Orientierung der Kristalle eine Rolle. Die Besiedlungsdichte ihrerseits hängt ab von örtlichen Gegebenheiten (Pyritgehalt, Sauerstoffzutritt, Verdunstungsintensität, Stoffzufuhr etc.). Erfahrungsgemäß treten Hebungen im Untergrund dann nicht auf, wenn Bauteile Bodenpressungen von 0,2–0,3 MN/m2 besitzen. Dementsprechend sind auch die Fundamente der Produktionshalle (0,16–0,25 MN/m2) nicht betroffen.
Sanierung der Schadensbereiche
Die zwei am stärksten betroffenen Areale der Halle wurden 1985 und 1987 unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse über das Phänomen bereichsweise saniert. Die hebungsgefährdeten Gesteine der Posidonienschiefer-Formation wurden teilweise (1,5 m bis 2,0 m tief) ausgehoben und so ein entsprechender Hohlraum respektive ein „Kriechkeller" hergestellt. Der neue, jetzt unterkellerte Hallenboden wird getragen von zylindrischen Einzelfundamenten, die unterhalb der Grundwasseroberfläche gegründet sind. Die ständige Bodenpressung der Einzelfundamente wurde auf mindestens 0,2 MN/m2 festgelegt. Ihr Mantel ist mit einer Gleitschicht oder beweglichen Hülsen überzogen, um die Reibung mit dem sich hebenden Gestein in der Nachbarschaft zu verringern. In den Sanierungsbereichen befindliche und über dem Grundwasserspiegel gegründete Hallenfundamente erhielten Betonkragen mit Vorrichtungen für eine evtl. künftige Verankerung. Seit Abschluss der Sanierung sind Bewegungen an den neuen Bauteilen nicht mehr aufgetreten.
Literatur
- (1988). Sulfidverwitterung und Sulfatneubildung als Ursachen für Bodenhebungen und Bauschäden. – Jahreshefte des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, 30, S. 301–313.
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.