Die Wutachschlucht ist eines der geologisch und ökologisch interessantesten Gebiete Baden-Württembergs. Sie gehört zu den Nationalen Geotopen Deutschlands. Vom kristallinen Grundgebirge über die Trias bis zum Jura kann man auf einer Strecke von etwa 30 km einen großen Teil der geologischen Vielfalt Baden-Württembergs entdecken. Grundlegende geologische Prozesse wie Verwitterung, Erosion und Sedimentation lassen sich hier unmittelbar beobachten. Die Wutachschlucht ist außerdem ein Paradebeispiel für eine junge Flussanzapfung und ‑umlenkung und dadurch wichtig für das Verständnis der Landschaftsgeschichte. Deshalb ist sie das Ziel zahlreicher geologischer Exkursionen.
Die Entstehung der Wutachschlucht ist Teil eines seit dem Tertiär anhaltenden Prozesses, der die Landschaftsentwicklung in Baden-Württemberg prägt. Durch die Absenkung des Oberrheingrabens kann der kürzere und damit gefällereichere Rhein sein Einzugsgebiet von der Nordsee her immer weiter nach Süden und Osten ausdehnen. Dies geht zu Lasten der Donau, die ihre Erosionsbasis erst nach über 2800 km im Schwarzen Meer erreicht und das ältere und gefälleärmere Flusssystem darstellt. Bis vor etwa 18 000 Jahren floss durch das Gebiet der heutigen Wutachschlucht noch die sogenannte Feldberg-Donau. Sie hatte ihren Ursprung am Feldsee bzw. während der Eiszeiten am Ende des Feldberggletschers. Von dort bewegten sich bei einer ersten Niedertauphase des Gletschers große Schmelzwassermengen zunächst noch nach Osten über die Talpforte zwischen Buchberg und Eichberg bei Blumberg ins heutige Donautal. Als sich die Ur-Wutach durch rückschreitende Erosion vom Hochrhein her weit genug eingetieft und angenähert hatte, kam es auf Höhe des heutigen Wutachknies zu der dramatischen Flussumlenkung. Die Feldberg-Donau überwand die Wasserscheide, so dass sich ihr Gefälle enorm steigerte und sie sich rasch zum Schwarzwald hin in die anstehenden Gesteine eintiefte. Schätzungen zufolge wurden seither etwa 2 km3 an Gesteinsmassen ausgeräumt! Bereits kurz nach dem Ende der letzten Eiszeit war vor etwa 10 000 Jahren die heutige Gestalt der Wutachschlucht im Wesentlichen herausgeformt (Simon, 2014). Durch die heute viel geringere Wasserführung hat sich der Prozess verlangsamt. Junge Hangrutsche zeigen, dass sich die beeindruckende Wutachschlucht immer noch weiter entwickelt.
Die Wutachschlucht liegt mitten in der tektonischen Senke der Freiburg-Bonndorf-Bodensee-Störungszone. Die Schlucht beginnt östlich von Titisee-Neustadt bei der Einmündung der Haslach in die bereits tief in das kristalline Grundgebirge des Schwarzwalds eingeschnittene Gutach. Ab dort heißt der Fluß Wutach und läuft in einem dunklen engen Kerbtal im Bereich metamorph überprägter Gneise. Kurz vor der Einmündung des Rötenbachs nimmt der Buntsandstein den oberen Teil der Hänge ein und die Wutachschlucht vertieft sich. Auf der Höhe von Göschweiler tritt an der nördlichen Talschulter der (Untere) Muschelkalk zutage. Aufgrund von Verwerfungen bildet auf der Südseite der Schlucht immer noch der Buntsandstein das höchste Schichtglied. Durch das Einfallen der Schichten nach Südosten und beeinflusst von weiteren tektonischen Störungen taucht der Buntsandstein unterhalb der Schattenmühle unter die Talsohle ab. Besonders der bis etwa 200 m über die Talsohle reichende Nordhang im Muschelkalk ist ab hier stark durch junge Massenverlagerungen überprägt, die auch heute noch gefährlich werden können. Auf der Hochfläche finden sich im Bereich des Großwald südwestlich von Löffingen-Bachheim ausgedehnte Flächen mit Schotter des Feldberggletschers, die in Kiesgruben aufgeschlossen sind. Etwa auf Höhe der Ruine Tannegg fängt der Ausstrichbereich des Mittelkeupers mit den Ton- und Mergelsteinen der Grabfeld-Formation an (Gipskeuper). In die morphologisch weicheren Gesteine konnten sich längere Seitentälchen eintiefen. Die Wutach fließt jedoch bis zur Einmündung der Gauchach weiter zwischen Muschelkalkhängen mit zahlreichen Kalksteinfelsen an den Prallhängen. Im Gebiet um die Wutachmühle zwischen Mundelfingen und Ewattingen reichen die Hänge und anschließenden Schichtflächen bereits bis in den Unter- und Mitteljura hinauf. Große Rutschungen haben die anstehenden Festgesteine an den Abrisskkanten freigelegt und die unteren Hangbereiche mit Rutschmassen überkleidet. Bei Blumberg-Achdorf erreicht man schließlich das Wutachknie, den Wendepunkt der Flussumlenkung. Etwa 170 m über der heutigen Talsohle beginnt im Osten der alte Talgrund der Feldberg-Donau bei Blumberg.
Das tiefe Kerbtal und die Überprägung der Talhänge durch Rutschungen reichen in den Wutachflühen (NSG) bis kurz vor Stühlingen-Grimmelshofen weiter. Auf der Höhe von Blumberg-Fützen queren jedoch die Verwerfungen der Freiburg-Bonndorf-Bodensee-Störungszone das Wutachtal, so dass dieser Abschnitt wieder in den Muschelkalk eingetieft ist. Schließlich mündet die Wutach bei Lauchringen in den Hochrhein.
Das heute 950 ha große Naturschutzgebiet wurde bereits 1939 ausgewiesen. In der Wutachschlucht kommen 1 200 Pflanzenarten vor, die in den unterschiedlichsten Vegetationsgesellschaften zusammenleben. Im Muschelkalkgebiet wechseln sich an den Hängen artenreiche Laub- und Mischwälder mit Felsspaltengesellschaften ab, die in der Talaue von Grauerlen-Auwäldern ergänzt werden. Im Buntsandstein und Grundgebirge herrschen mit Nadelhölzern bestockte Hänge und Silikatfelsgesellschaften vor. Von den geschätzt etwa 10 000 Tierarten im Gebiet sind ca. 95 % Insekten mit vielen Schmetterlingen und Käfern. Daneben sind Vögel wie Milan und Wasseramsel sowie z. B. Feuersalamander und Grasfrosch als Amphibien zu nennen.
Externe Lexika
Wikipedia
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (2014). Die Landschaftsgeschichte des Wutachgebiets. . Die Wutach – Wilde Wasser – steile Schluchten, S. 64–87, Ostfildern.