Definition Verkarstung
Als Verkarstung werden chemische Lösungsprozesse (Subrosion bzw. Korrosion) von Gesteinen bezeichnet. Die Lösungsprozesse, welche in größeren Zeiträumen ablaufen, sind ursächlich für die Verkarstung mit ihren charakteristischen landschaftsformenden Strukturen, wie z. B. Dolinen, Senken etc. Bei der Entstehung von Verkarstung spielen immer die unterirdischen Wasserwegsamkeiten und Wasserflüsse eine übergeordnete Rolle.
Verkarstung in der Ingenieurgeologischen Gefahrenhinweiskarte von Baden-Württemberg (IGHK50)
In der Ingenieurgeologischen Gefahrenhinweiskarte von Baden-Württemberg (IGHK50) des LGRB im Maßstab 1 : 50 000 werden seit 2016 landesweit Bereiche, in denen eine potenzielle Verkarstungsgefährdung vorliegt als Gefahrenhinweisfläche „Verkarstungsgefährdung“ und vermutete Verkarstungsstrukturen als Gefahrenhinweispunkte „Vermutete Verkarstungsstruktur“ erfasst. Die IGHK50 steht als Geoanwendung auf der Homepage des LGRB zur Verfügung.
Die Gefahrenhinweisflächen „Verkarstungsgefährdung“ sind Gebiete, in denen aufgrund der an der Oberfläche oder im Untergrund anstehenden verkarstungsfähigen Gesteine (Sulfat- und/oder Karbonatkarst) Verkarstungserscheinungen an der Geländeoberfläche (z. B. Erdfälle, Dolinen, Senken) oder in geringer Tiefe (Spalten, Hohlräume etc.) auftreten können. Die ausgewiesene Verkarstungsgefährdung basiert auf den geologischen Grundlagendaten des LGRB, die auch die Schichtabfolgen im Untergrund des Landes abbilden (Geologische 3-D-Modelle des ISONG-Projektes).
Das Thema „Verkarstungsgefährdung“ ist für den gesamten Landesbereich bearbeitet, für den ein ISONG-Modell vorliegt und oberflächennah Verkarstungsstrukturen auftreten können. Als derzeit nicht bearbeitet ausgewiesen wird ein größerer zusammenhängender Bereich am Westrand von Baden-Württemberg (in erster Linie der Oberrheingraben und die angrenzende Vorbergzone). In der Gefahrenhinweiskarte wird hier wiederum zwischen dem Oberrheingraben und der Vorbergzone unterschieden.
Im Oberrheingraben wird davon ausgegangen, dass aufgrund der mächtigen Quartären Ablagerungen etwaig ablaufende Verkarstungsprozesse im Untergrund keine Auswirkungen auf den oberflächennahen Baugrund haben. Dieser Bereich ist als „nicht bearbeitet, Verkarstung unwahrscheinlich“ gekennzeichnet.
Im Bereich der östlich an den Oberrheingraben anschließenden Vorbergzone liegt aufgrund der komplexen, stark gestörten Lithologie (Schollenmosaik) kein geologisches Modell des Untergrunds vor. Dieser Bereich ist als „nicht bearbeitet, Verkarstung möglich“ gekennzeichnet.
Insgesamt sind nach der Ingenieurgeologischen Gefahrenhinweiskarte von Baden-Württemberg 41,0 % der Landesfläche mit dem Hinweis „Verkarstungsgefährdung“ ausgewiesen. Dabei wird nach Verkarstungsgefährdung „Karbonatkarst“ und „Sulfatkarst“ sowie der kombinierten Verkarstungsgefährdung „Karbonat-/Sulfatkarst“ unterschieden. Die unbearbeitete Landesfläche entspricht 8,4 % (Bereich des Oberrheingrabens) und 3,5 % (Vorbergzone). Eine Verkarstungsgefährdung „Salzkarst“ ist in der Ingenieurgeologischen Gefahrenhinweiskarte von Baden-Württemberg nicht ausgewiesen.
Die Gefahrenhinweispunkte „Vermutete Verkarstungsstruktur“ beinhaltet die vom LGRB als mögliche Verkarstungsstruktur eingestuften Objekte. Dabei handelt es sich zum größten Teil um Strukturen, die aufgrund einer fernerkundlichen Auswertung des hochauflösenden Digitalen Geländemodells (DGM) des Landesamts für Geoinformation und Landesentwicklung (LGL) lokalisiert wurden. Weitere Objekte stammen aus Topographischen Karten (TK), Geologischen Karten (GK) und Bodenkarten (BK).
Da die meisten Gefahrenhinweispunkte aufgrund rein fernerkundlicher Auswertung erfasst wurden, kann keine genaue Aussage zur genauen Form der Verkarstungsstruktur getroffen werden. Auch ist es möglich, dass vereinzelte Gefahrenhinweispunkte auf andere Ursachen (Bombenkrater, historische Rohstoffabbaue, Tagbrüche (Pingen) etc.) zurückzuführen sind. Die Gefahrenhinweiskarte umfasst insgesamt ca. 76 500 Objekte. Dabei befinden sich insgesamt ca. 70 000 Objekte in nach der Gefahrenhinweiskarte als „verkarstungsgefährdet“ ausgewiesenen Gebieten.
Verkarstungsfähige Formationen/Gesteinseinheiten in Baden-Württemberg
Als verkarstungsfähig gelten Formationen/Gesteinseinheiten, die sich aus Gesteinen aufbauen, welche durch Wasser gelöst werden können. In Baden-Württemberg kommen folgende verkarstungsfähige Gesteine vor: Kalkstein, Dolomitstein, Gips/Anhydrit und Kali-/Steinsalz.
Die Gesteine unterscheiden sich deutlich in ihrer Verkarstungsfähigkeit durch ihre unterschiedliche Wasserlöslichkeit. Im Verhältnis beträgt diese bei Kalk-/Dolomit zu Gips zu Steinsalz 1 : 100 : 20 000.
In erster Linie können folgende Formationen/Gesteinseinheiten in Baden-Württemberg aufgrund verkarstungsfähiger Gesteine möglichen Verkarstungserscheinungen unterliegen:
- Kalksteine des Oberjuras
- Kalksteine des Oberen Muschelkalks
- Kalksteine des Unteren Muschelkalks
- Untergeordnet: Kalksteine der Hauptrogenstein-Formation (Mitteljura, Randfazies)
- Sulfatgesteine der Steigerwald-Formation bis Mainhardt-Formation
- Sulfatgesteine der Grabfeld-Formation
- Sulfatgesteine des Mittleren Muschelkalks
Salzkarst:
- Steinsalz des Mittleren Muschelkalks
- Kalisalz des Tertiärs im südlichen Oberrheingraben
Salzkarst
In Baden-Württemberg tritt Salz in größerer Mächtigkeit als Steinsalz in der Heilbronn-Formation des Mittleren Muschelkalks und als Kalisalz in Lagen des Tertiärs auf. Dabei handelt es sich um flach lagernde Schichten, die Salzmächtigkeiten von bis zu 60 m aufweisen. Die Ausbeutung des Steinsalzes als Lagerstätte im Untertagebau findet im Raum Heilbronn sowie in Stetten bei Haigerloch statt. Am Hochrhein wird das Steinsalz durch Solung sowie für balneologische Zwecke im Land gewonnen. Das Kalisalz wurde in der Vergangenheit im südlichen Oberrheingraben im Untertagebau gefördert. Oberflächennah sind die Salzlager der Heilbronn-Formation aufgrund der sehr guten Löslichkeit (20 000fach höher als Kalkstein) im gesamten Landesgebiet vollständig ausgelaugt. Da eventuelle natürliche Salzkarststrukturen in der Regel mit gleichzeitiger Sulfatauslaugung des Mittleren Muschelkalks einhergehen, werden die Verkarstungsstrukturen in der Regel dem Sulfatkarst zugeordnet. Auch kann der Anteil von Salz- bzw. Sulfatkarst nicht mehr eindeutig bestimmt werden. Bei größeren Verkarstungsstrukturen, die sich teilweise aus dem Mittleren Muschelkalk durch den Oberen Muschelkalk bis an die Geländeoberfläche durchpausen können, ist zumindest anteilig Salzverkarstung anzunehmen. Im Umfeld des untertägigen Abbaus treten häufig großräumige Senkungsgebiete auf, die auf verfüllte und sich setzende Abbauhohlräume zurückzuführen sind. Diese lassen sich z. B. in der WebGIS-Anwendung des BodenBewegungsdienstes Deutschland (BBD) nordwestlich von Heilbronn zwischen Biberach, Neckargartach und Frankenbach deutlich erkennen. Auch im Bereich von Solebohrungen können teilweise Senkungen an der Geländeoberfläche beobachtet werden. So ist westlich von Heilbronn im Taschenwald zwischen Schluchtern und Kirchhausen ein erdfallartiger Einsturz eines Solungshohlraums bekannt, der am 24.06.1964 bis an die Oberfläche hochbrach. Dieser Hochbruch hat heute einen Durchmesser von ca. 100 m erreicht (Hansch & Simon, 2003). Die Absenkung hat jedoch eine anthropogene Ursache und ist nicht auf ein natürliches Verkarstungsgeschehen zurückzuführen.
Verkarstungsähnliche Strukturen
Auch außerhalb der bekannten Verbreitungsgebiete verkarstungsfähiger Gesteine treten gelegentlich verkarstungsähnliche Strukturen auf, die Erdfällen oder Dolinen gleichen. Diese natürlich entstandenen, vermeintlichen Verkarstungsstrukturen können aufgrund ihrer morphologischen Ausprägung an der Geländeoberfläche mit tatsächlichen Verkarstungsstrukturen des Sulfat- bzw. Karbonatkarsts verwechselt werden. Hierbei handelt es sich allerdings um keine echten Verkarstungsstrukturen, sondern um sogenannten Pseudokarst.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (2003). Das Steinsalz aus dem Mittleren Muschelkalk Südwestdeutschlands. – museo, 20, 240 S. [Veröffentlichungen der Städtischen Museen Heilbronn]