Übersicht, Bezeichnung und Verbreitung
Der Arietenkalk besaß im Ausstrichbereich der nach ihm benannten geologischen Formation über Jahrhunderte hinweg vor allem als Bau- und Pflasterstein Bedeutung. In über 100 Steinbrüchen wurde er gebrochen. Großformatige Werksteinblöcke sind aus ihm nur selten zu gewinnen. Heute wird er nirgends mehr abgebaut. Die Sedimentgesteine der Arietenkalk-Formation (juAK) erstrecken sich in Baden-Württemberg von Donaueschingen im Südwesten bis Aalen im Nordosten. Zwischen Donaueschingen, Balingen und Reutlingen ist die Ausstrichbreite relativ gering, nimmt in östliche Richtung dann aber deutlich zu. Über Nürtingen, Göppingen und Schwäbisch Gmünd erreicht sie aufgrund der söhligen Lagerung ca. 20 km und nimmt bei Aalen schließlich wieder ab. Östlich von Aalen wird der Arietenkalkstein zunehmend sandiger, was zu einem mittel- bis grobkörnigen Kalksandstein führt, der als Gryphäensandstein im Raum Aalen-Ellwangen eine eigene Formation bildet. Die Mächtigkeit der Sedimentgesteine der Arietenkalk-Formation beträgt meist nur 3–7 m, im Großraum Stuttgart nimmt sie auf 17–19 m zu. Die für Bau- und Werksteine nutzbaren Abschnitte sind meist nur 1,4–3,3 m mächtig, im Schnitt 2,3 m (Reyer, 1927).
Die Bezeichnung „Arietenkalk-Formation“ geht auf Ammoniten der Gattung Arietites zurück, welche in großer Zahl und oft beachtlicher Größe in den Kalksteinen dieser Formation auftreten können. Die Kalksteine sind reich an Schalenresten und Echinodermenbruchstücken. Die Muschel Gryphaea arcuata kommt auf der Ostalb teilweise so massenhaft vor, dass sie als gesteinsbildend bezeichnet werden kann. Darauf ist der Name „Gryphäenkalk“ oder „Gryphitenkalk“ zurückzuführen. Im Volksmund wird der Kalkstein aufgrund der Ammoniten und Muscheln auch „Schneckenfels“ oder „Uhrenfels“ genannt; bei Gmünd führt er den Namen „Liasfels“ (Reyer, 1927).
Geologisches Alter, Entstehung
Mit Beginn des Unterjuras breitete sich in Süddeutschland das Meer aus. Zu den unterlagernden tonig-sandigen Gesteinen der Angulatensandstein-Formation besteht meist keine scharfe Grenze. Die Basis der Arietenkalk-Formation bildet die so genannte Kupferfelsbank, welche beispielsweise am Südwestufer des Echaztals bei Betzingen (bei Reutlingen) einige Zeit gebrochen wurde (Schmidt et al., 1981). Gelegentlich in der Arietenkalk-Formation auftretende Grobsandschichten weisen auf Küstennähe hin.
Gesteinsbeschreibung, technische Eigenschaften und Verwendung
Die Arietenkalk-Formation besteht aus grauen, fossilreichen Kalksteinen und zwischengeschalteten Mergelsteinen, teilweise können auch bituminöse Lagen eingeschaltet sein. Im angewitterten Zustand ist er gelblich grau. Der Arietenkalk wurde oft zusammen mit dem unterlagernden Angulatensandstein abgebaut.
Nach Frank (1949) wurden die Arietenkalke im Albvorland überwiegend für Straßenbausteine verwendet. Örtlich wurden sie aber auch zum Bau von Hausmauern und rohen Feldmauern genutzt. Bei Trossingen, Spaichingen und Göppingen wurden sie zum Kalkbrennen gewonnen. Auch Reyer (1927) berichtet von der Herstellung von schwarzem Kalk, von Straßenschotter und Pflastersteinen. Beim Abbau von Arietenkalk zusammen mit dem Angulatensandstein in der Umgebung von Stuttgart-Vaihingen (Reyer, 1927) wurden von oben nach unten drei brauchbare Felsen von den Pflasterern unterschieden und mit folgenden Namen belegt: Straßenschotterfels, Galle und Pflastersteinfels. Bei der Galle handelt es sich um einen sehr harten, dichten und festen Kalkstein mit Echinodermen- und Muschelschalenresten. Nach Mayer (2010) erhielten die drei Hauptbänke des Arietenkalks im Raum Schwäbisch Gmünd von den Steinbrechern die Namen Dreispälter (Gryphäenbank), Schneckenfels sowie unterer und oberer Schneller.
Das Brechen der Steine war ursprünglich den Landwirten vorbehalten, die dadurch im Winter eine Betätigung und Einkommen hatten. Die gebrochenen und bearbeiteten Kalksteine wurden zu Mauern, z. T. mit eingesetzten Ammoniten, verbaut, wie sie heute noch in Schwäbisch Gmünd-Kleindeinbach und ‑Oberbettringen zu finden sind. Die Schulhofumfassungsmauer der Klösterleschule in Schwäbisch Gmünd zeigt, welche Massen an Fossilien im Arietenkalk erhalten sein können. Die Kalksteine des Arietenkalks wurden weiterhin als Sockelgemäuer von Privathäusern in Straßdorf, Herlikofen und in Schwäbisch Gmünd verbaut.
Bereits die Römer nutzten den Arietenkalk als Baustoff für Straßen, Mauerwerke ihrer Stützpunkte und Befestigungen am Limes. Zwischen den Ortschaften Mögglingen und Heuchlingen wurden nach Mayer (2010) bei der Untersuchung eines Grabhügels Reste eines Kalkofens entdeckt, der in unmittelbarer Nähe des Limes lag. Daher ist anzunehmen, dass dieser römischen Ursprungs ist. Die Wände des Ofens wurden aus Arietenkalk gemauert. Das Kalkbrennen setzt sich bis in die Neuzeit fort, wie das Dünger-Kalkwerk von Göggingen und das Kalkwerk von Mögglingen aus den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts belegen. Danach konnte der Arietenkalk nicht länger mit den in weit größeren Mengen angebotenen Oberjurakalksteinen konkurrieren. Weiterhin wurde der Kalk schon in geschichtlicher Zeit zum Weißeln von Wänden verwendet.
Einer der Hauptverwendungszwecke des Arietenkalks nach 1945 war der Straßen- und Wegebau. In der Region um Schwäbisch Gmünd wurden die Gesteine in den Steinbrüchen bei Straßdorf, Wetzgau, Bettringen und Herlikofen gewonnen. Kalksteine, welche nach der Sprengung gerade Seiten aufwiesen, fanden Verwendung als Mauer und Sockelsteine, der Rest als Vorlagesteine. Sie bildeten das Grundgerüst der Straßen und Wege und wurden mit einer Schicht aus Hartsteinschotter bei höherwertigen Straßen und Splitt im Fall von Wegen bedeckt. Anfang der fünfziger Jahre ging die Nachfrage nach Arietenkalk zurück, er wurde durch härtere Gesteine ersetzt (Mayer, 2010). In Schwäbisch Gmünd wurde er beispielsweise 1960 zum letzten Mal für Vorlagesteine genutzt. Nach LGRB (2001a) wurden die Arietenkalkbrüche nach der Einführung der Asphalt- und Betondecken im Straßenbau aufgegeben und verfüllt.
Untersuchungen der Druckfestigkeiten an Gesteinen aus dem Steinbruch der Fa. Albert Brenner aus Stuttgart-Vaihingen ergaben nach Reyer (1927) Werte von 142–171 MPa sowie ein spezifisches Gewicht von 2,69–2,70 g/cm3. Frank (1949) gibt Druckfestigkeiten von 118–165 MPa an. Somit gehören die Arietenkalke aus Stuttgart-Vaihingen zu den widerstandsfähigen Werksteinen, weshalb sie früher gerne als Pflastersteine genutzt wurden. Wegen der meist geringen Quadergröße konnten die Arietenkalke nur selten für größere Werkstücke wie Treppenstufen oder für Ornamente verwendet werden.
Gewinnung und Verarbeitung
Der Arietenkalk wurde überall entlang seines Ausstrichs am Fuß der Schwäbischen Alb zur Gewinnung von Straßenbau- und Bausteinen gewonnen, oft zusammen mit dem unterlagernden Angulatensandstein. Wegen der geringen Mächtigkeit der Kalksteinserie von 3–5 m waren die Steinbrüche stets von geringer Ausdehnung und Höhe (LGRB, 2001a).
Nördlich von Stuttgart-Vaihingen wurden die Kalksteine in zahlreichen Brüchen bis in die 1920er Jahre abgebaut und zu Pflastersteinen verarbeitet (Frank, 1949; Ströbel & Wurm, 1977). Überall zwischen Trossingen–Balingen und Göppingen–Gmünd–Aalen–Ellwangen wurde der Arietenkalk für den örtlichen Bedarf als Bau-, Pflaster- und Vorlagestein sowie als Schottermaterial verwendet (Frank, 1949; Eisenhut, 1975). Meist sind die ehemaligen Steinbrüche heute verfüllt, so z. B. bei Filderstadt (Simon, 2004a). In Trossingen wurde Arietenkalk zu Schwarzkalk gebrannt (Frank, 1944).
In der Lagerstättenkartei des LGRB von Nordwürttemberg und Württemberg-Hohenzollern (Weidenbach, LGRB-Archiv 1947; Schreiner, LGRB-Archiv 1950–52) sind insgesamt 107 Betriebe zu finden, die Arietenkalk gewannen und verarbeiteten. Von diesen Gewinnungsstellen waren im Zeitraum 1947–1952 noch 18 in ständigem und 42 in gelegentlichem Betrieb. Die verbleibenden 47 Gewinnungsstellen waren zum Zeitpunkt der Erhebung bereits außer Betrieb oder schon länger aufgelassen. Die Mehrzahl der Steinbruchbetriebe beschäftigte nur ein bis zwei Arbeiter. Wenige hatten 6–18 Beschäftigte. Die Kalksteine wurden von Hand gebrochen und dann in Form gehauen bzw. zu Schotter zerkleinert. Über die Verarbeitungstechnik in den meisten Steinbrüchen liegen keine Informationen vor; in der genannten Lagerstättenkartei von Weidenbach (LGRB-Archiv 1947) und Schreiner (LGRB-Archiv 1950–52) sind nur drei Steinbruchbetriebe aufgeführt, die einen maschinellen Brecher besaßen.
Potenzial
Der Arietenkalk wird in Baden-Württemberg etwa seit den 1950er Jahren nicht mehr abgebaut. Steinbrüche, die für einen Abbau von Arietenkalk z. B. für Restaurierungszwecke genutzt werden könnten, sind derzeit nicht bekannt, zumal die meisten alten Brüche verfüllt und überbaut sind. Die übrigen Steinbrüche sind verbrochen, was auf die geringe Standfestigkeit der Steinbruchwände und die überlagernden Ton- und Tonmergelsteine der Obtususton-Formation (juOT) zurückzuführen ist. Die heute hauptsächlich im Garten- und Landschaftsbau genutzten Arietenkalke stammen aus neuen Aufschlüssen des Straßenbaus oder sonstigen Bauprojekten.
Aufgrund der schlechten Aufschlussverhältnisse liegen keine Informationen zu Gebieten mit bauwürdigen Arietenkalksteinvorkommen vor. Es ist aber nicht auszuschließen, dass von den 107 in der Lagerstättenkartei des LGRB erfassten Steinbrüchen einige ein Potenzial für eine Gewinnung von Arietenkalk aufweisen. Aufgrund der geringen Mächtigkeit von 3–5 m bietet sich ein kombinierter Abbau mit den ebenfalls geringmächtigen Feinsandsteinen der Angulatensandstein-Formation an. Zur Auffindung nutzbarer Bereiche sind allerdings umfangreiche Erkundungsarbeiten mittels Schürfen und Kernbohrungen notwendig. Eine Untersuchung in der Umgebung der stillgelegten Gewinnungsstellen hat bisher nicht stattgefunden.
Kurzfassung
Der Arietenkalk, ein grauer bis gelblich grauer, fossilreicher Kalkstein mit eingeschalteten Mergelsteinen, weist ein unterjurassisches Alter auf. Im Vorland der Schwäbischen Alb erreicht er Mächtigkeiten von 3–7 m und im Raum Stuttgart bis 19 m. Durchschnittlich sind aber nur 2–3 m der Abfolge nutzbar. Da der Arietenkalk die Angulatensandsteine unmittelbar überlagert, fand zumeist eine gemeinsame Gewinnung beider Gesteine statt. In über 100 Steinbrüchen, von denen heute keiner mehr in Betrieb ist, wurde Arietenkalk als Mauerstein für Hausfundamente und insbesondere als Pflaster- und Vorlagestein für den Straßenbau gewonnen. Weiterhin war er ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von gebranntem Kalk. Historische Bauwerke aus Arietenkalk sind wahrscheinlich nicht erhalten. In der Region um Schwäbisch Gmünd sind aber noch häufig Hausfundamente und Mauern aus Arietenkalk zu finden.
Literatur
- (1975). Erläuterungen zu Blatt 7223 Göppingen. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 213 S., 5 Taf., 4 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [Nachdruck 1978, 2002]
- (1944). Die natürlichen Bausteine und Gesteinsbaustoffe Württembergs. 340 S., Stuttgart (Schweizerbart). [17 Abb.]
- (1949). Technologische Geologie der Bodenschätze Württembergs. 446 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (2001a). Blatt L 7324 Geislingen an der Steige, mit Erläuterungen. – Karte der mineralischen Rohstoffe von Baden-Württemberg 1 : 50 000, 91 S., 7 Abb., 5 Tab., 1 Kt., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg). [Bearbeiter: Wagenplast, P. & Werner, W.]
- (2010). Der Unterjura in der Umgebung von Schwäbisch Gmünd. 255 S., München (Pfeil). [300 Abb., 14 Tab.]
- (1927). Die Bausteine Württembergs nach ihrer mineralogischen Zusammensetzung und ihrer Struktur in Bezug zu ihrer bautechnischen Verwendung und wirtschaftlichen Bedeutung. VIII + 138 S., 3 Taf., Halle/Saale (Martin Boerner Verlagsanstalt). [8 Abb.]
- (1981). Erläuterungen zu Blatt 7421 Metzingen. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 190 S., 7 Taf., 1 Beil., Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (2004a). Erläuterungen zu Blatt 7321 Filderstadt. – 4. völlig neu bearbeitete Aufl., Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 160 S., 2 Beil., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg).
- (1977). Erläuterungen zu Blatt 7220 Stuttgart-Südwest. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 191 S., 3 Taf., 6 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [Nachdruck 1994]