Lithostratigraphische Hauptgruppe
Übergeordnete Einheit
Känozoikum
Das Tertiär umfasst alle Einheiten (Sedimente und Vulkanite) des Paläogens und des Neogens (STD, 2016; Janssen et al., 2018).
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Die tertiären Einheiten sind im Land (LGRB, 2016c) räumlich sehr weit verbreitet, jedoch meistens von Sedimenten des Quartärs bedeckt. In größerer Mächtigkeit kommen sie in drei Hauptregionen vor.
Südlich ab etwa der Donau bis zur Landesgrenze bilden feinklastische Sand-, Silt- und Mergelsteine die sogenannte Molasse. Nur in der Adelegg (zwischen Isny und Kempten im Allgäu) sind grobe Konglomerate erhalten. Die teils festländischen, teils marinen Ablagerungen sind im Norden nur geringmächtig, erreichen an der südlichen Landesgrenze jedoch über 3000 m Mächtigkeit (Geyer et al., 2011).
Im Oberrheingraben liegen unter Quartärbedeckung sehr mächtige tertiäre Sedimente unterschiedlichster Lithologie, die am östlichen Grabenrand örtlich auch an der Oberfläche anstehen. Besonders markant ragt im Südgraben der Kaiserstuhl mit seinen vulkanischen Gesteinen aus den pleistozänen Kiesen hervor. Am östlichen Grabenrand durchschlagen vereinzelt vulkanische Schlote und Gänge die Randschollen vom Südschwarzwald über den Kraichgau bis in den südlichen Odenwald.
Im Schichtstufenland und den Mittelgebirgen dagegen beschränken sich die Tertiärvorkommen auf geringmächtige Flussablagerungen, hauptsächlich Höhenschotter, tertiäre Residuallehme und wenige Maarsee-Ablagerungen. Tertiäre Magmatite, Pyroklastika und postvulkanische Begleitsedimente prägen die Vulkangebiete Baden-Württembergs, besonders den Kaiserstuhl, den Hegau und das Urach-Kirchheimer Vulkangebiet, aber auch die weniger markanten Vorkommen im Kraichgau und südlichen Odenwald.
Das Steinheimer Becken ist wie das benachbarte Nördlinger Ries eine Impaktstruktur und entstand vor rund 14,8 Mio. Jahren beim Einschlag eines Meteoriten. Direkt beim Einschlag gebildete Brekzien und ausgeworfene Schollen des Ries-Impakts liegen weit verstreut auf der Albhochfläche. In beiden Kratern entwickelten sich anschließend Süßwasserseen, deren Sedimente für ihren Fossilreichtum berühmt sind.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Lithologisch sind die tertiären Einheiten sehr vielfältig.
An Sedimentgesteinen überwiegen im Molassebecken festländische klastische Gesteine (Sandsteine, am Beckenrand auch Konglomerate) mit Glimmer, pedogen überprägte Schluffsteine und bunte Mergel. Limnische Mergel und Karbonate sowie Calcretes kommen untergeordnet vor. Dagegen sind marin gebildete Glaukonitsandsteine und sandige Mergel oder Tonmergel des jüngeren Molassemeeres weit verbreitet und sehr mächtig. Die Küstenfazies in Form von groben Schillkalksteinen oder grobkiesigen Rinnenfüllungen ist nur lokal erhalten. Gegliedert wird die Molasse in sechs Untergruppen: die Untere Meeresmolasse, die Untere Brackwassermolasse (beide im Landesgebiet nur im tieferen Untergrund verbreitet), die Untere Süßwassermolasse, die Obere Meeresmolasse, die Obere Brackwassermolasse und die Obere Süßwassermolasse.
Die Sedimente des Oberrheingrabens sind ebenfalls vielfältig und in ihrer Faziesausbildung und Mächtigkeitsverteilung stark von der komplexen tektonischen Entwicklung über den größten Teil des Tertiärs hinweg geprägt. Den Hauptanteil der Grabenfüllung machen Feinklastika mit unterschiedlichem Karbonatgehalt (Ton- und Schluffsteine, Mergelsteine, Sandsteine) aus, wobei festländische bis brackische Bildungen große Mächtigkeit und Ausdehnung im gesamten Graben erlangen. Grobklastika bleiben auf die Randschollen beschränkt. Zeitweise breiteten sich von Norden her marine Verhältnisse im Graben aus, jedoch nur einmal, im Rupelium, wurde der gesamte Graben überflutet. Die marinen Ablagerungen sind vorwiegend mergelig, teils in Wechsellagerung mit Kalksandsteinen (i. d. R. Rud- oder Grainstones) und vor allem im nördlichen Oberrheingraben weitverbreitet. Feinschichtige bis laminierte, dunkle Tonmergel zeigen, dass in der Grabenmitte zumindest zeitweise am Meeresgrund Sauerstoffuntersättigung vorherrschte. Sulfatgesteine wie Gips und Anhydrit treten weitverbreitet in meist geringmächtigen Schichten und Knollen in festländischen Buntsedimenten auf. Steinsalzlager finden sich nur im Südgraben und überwiegend unter dem französischen Anteil des Oberrheingrabens. Im Untergrund des Landesgebiets sind sie auf ein kleines Gebiet im Raum Buggingen beschränkt und enthalten wenige Meter mächtige Schichten aus Kalisalz. Gegliedert wird die Sedimentfüllung des Oberrheingrabens in zwei Untergruppen: ein Älteres Oberrheingraben-Tertiär und ein Jüngeres Oberrheingraben-Tertiär, wobei der Beginn der grauen marinen Abfolge des Rupeliums die Grenze bildet.
An verschiedenen Stellen im Schichtstufenland und auf den Randschollen des Oberrheingrabens finden sich zudem Restvorkommen von Flussschottern. Da sie auf Landschaftsrelikten oberhalb der quartären Schottervorkommen liegen, werden sie Höhenschotter genannt. Ebenfalls aus dem Tertiär stammen Residuallehme (Feuersteinlehme, Bohnerztone, Boluston), die besonders auf den Hochflächen und in Karsthohlräumen der Kalksteine des Oberjuras und des Muschelkalks örtlich erhalten sind.
Magmatite sind in Form von vulkanischen Laven, Tuffen, Schlotbrekzien, subvulkanischen Gängen und Stockintrusionen vertreten. Dabei sind tephritisch-essexitische, phonolithische und nephelinitische Gesteine sowie mit Tuffmaterial vermengte Brekzien aus Nebengesteinstrümmern am häufigsten. Eine Besonderheit ist der Karbonatit des Kaiserstuhls. Gegliedert werden die tertiären Magmatite zunächst in vier Untergruppen, die jeweils ein Vulkangebiet umfassen: Albvulkan-Untergruppe (Vulkanschlote des Urach-Kirchheimer Gebiets), Hegauvulkan-Untergruppe (Stöcke, Schlotfüllungen und Tuffe im Hegau), Jüngere Odenwald-Kraichgau-Magmatite (Schlot- und Gangfüllungen im südlichen Odenwald und nördlichen Kraichgau) sowie Rheingraben- und Jüngere Südschwarzwald-Magmatite (Kaiserstuhl sowie Schlotfüllungen und Gänge in den Grabenrandschollen und im Südschwarzwald). Über manchen Vulkanschloten sind noch tertiäre Sedimente erhalten, die in Maarseen abgelagert wurden (Mergel, randliche Brekzien, Konglomerate und Tuffite). Vereinzelt wurden im Bereich der Schlote an heißen Quellen Thermalsinter gebildet.
Eine Besonderheit bilden die beiden Meteoritenkrater auf der Ostalb (Steinheimer Becken und Nördlinger Ries). Hier sind neben Impaktgesteinen (Impaktbrekzien und Trümmermassen, Suevit, allochthone Schollen) auch tertiäre Sedimente aus den Kraterseen erhalten. Dabei handelt es sich überwiegend um Mergel, Kalksteine und lokale Klastika.
Mächtigkeit
Je nach Lokalität sind die Mächtigkeiten der Tertiärsedimente sehr unterschiedlich: im Molassebecken sind es wenige Meter im Norden bis über 5000 Meter im Süden, im Oberrheingraben bis mehrere tausend Meter mit oft starken Unterschieden auf benachbarten tektonischen Schollen. Die ansonsten im Land verteilten lokalen Vorkommen tertiärer Einheiten bleiben in der Regel auf wenige Meter, in seltenen Fällen auf einige 10er Meter beschränkt (Maarsee-Ablagerungen, Höhenschotter). In den Meteoritenkratern überschreiten Impaktgesteine inklusive der Kraterseeablagerungen 100 m Mächtigkeit, wohingegen die Volumina der ausgeschleuderten Schollen sehr heterogen sind.
Alterseinstufung
Das Tertiär dauerte von 66 bis 2,6 Mio. Jahren vor heute. Allerdings ist im Landesgebiet nicht der gesamte Zeitraum durch Gesteine vertreten.
Die Sedimentation im Molassebecken setzte in Baden-Württemberg erst im frühen Oligozän (Rupelium, ca. 35 Mio. Jahre) ein und hielt bis in das Jüngere Miozän an (Prieto & Rummel, 2016). Die jüngsten heute erhaltenen Schichten sind rund 12 Mio. Jahre alt. Sie sind durch eine Schichtlücke von quartären Klastika getrennt, die auf eine regionale Hebung zurückzuführen sein dürfte.
Im Oberrheingraben umfasst die tertiäre Grabenfüllung den Zeitraum Eozän bis Miozän. Die Sedimentation auf den sich absenkenden Schollen beginnt mit Verwitterungs- und Bodenbildungsrelikten der Schliengen-Formation. Die ältesten fossilführenden Ablagerungen sind lokal erhaltene Süßwasserkarbonate aus dem mittleren Eozän, die rund 44 Mio. Jahre alt sind. Die Sedimentation hält bis in das Miozän an. Ablagerungen des späten Miozän fehlen, möglicherweise aufgrund regionaler Hebung und Erosion. Über der Schichtlücke folgen pliozäne bis frühpleistozäne Klastika der Iffezheim-Formation. Da sie ohne lithologische Änderung in das Quartär überleiten, werden sie lithostratigraphisch zur Untergruppe Oberrheintal-Quartär gestellt.
Die Höhenschotter zeigen je nach Vorkommen sehr unterschiedliche Alter. Die ältesten Sedimente stammen aus dem Oligozän, die jüngsten aus dem Pliozän. Auch die Residuallehme stellen offenbar Rückstandsbildungen verschiedenen Alters dar und enthalten vereinzelt Fossilien, die auf Bildungen vom Eozän bis in das Pliozän hinweisen.
Die Mehrzahl der Vulkanite im Landesgebiet stammt aus dem Miozän und ist zwischen 18 und 7 Mio. Jahren alt. Dies gilt auch für die Sedimente der einstigen Maarseen und die Thermalsinter. Nur im Südschwarzwald und in Randschollen des Oberrheingrabens finden sich auch einige Vulkanite aus dem Eozän und Oligozän (zwischen 45 und 30 Mio. Jahren), die mit der Bildung des Oberrheingrabens in Zusammenhang stehen. Die ältesten Vulkanite sind etwa ein Dutzend datierte Vorkommen im Südschwarzwald und Kraichgau, deren Alter zwischen 90 und 60 Mio. Jahren liegen und die damit teilweise aus der Kreidezeit, teilweise aus dem Paleozän stammen. Sie sind der tektonischen Entwicklung vor Entstehung des Oberrheingrabens zuzurechnen. Da sie lithologisch den jüngeren Vulkaniten entsprechen, werden sie lithostratigraphisch mit diesen zusammengefasst.
Die beiden Impaktkrater konnten sowohl durch radioisotopische Datierungen an Gesteinsschmelzen, als auch durch Fossilien in den Sedimenten der Kraterseen und Auswürflinge in Ablagerungen der Molasse in das Miozän datiert werden. Die Einschläge fanden demnach vor etwa 14,8 Mio. Jahren statt.
Literatur
- (2016). Stratigraphische Tabelle von Deutschland 2016 (Geoforschungszentrum Potsdam).
- (2011). Geologie von Baden-Württemberg. 5. völlig neu bearb. Aufl., 627 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (2018). Das Tertiär in der Stratigraphischen Tabelle von Deutschland 2016. [The Tertiary in the Stratigraphic Table of Germany 2016 (STG 2016).]. – Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, 169(2), S. 267–294.
- (2016c). Symbolschlüssel Geologie Baden-Württemberg – Verzeichnis Geologischer Einheiten (aktualisierte Ausgabe 2016), 1 Tab. Freiburg i. Br. (Regierungspräsidium Freiburg, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (2016). Some considerations on small mammal evolution in Southern Germany, with emphasis on late Burdigalian–earliest Tortonian (Miocene) cricetid rodents. – Comptes Rendus Palevol, 15, S. 837–854.