Während des Baus der Unterführung der Bundesstraße 292 (B292) unter die Bundesautobahn 6 (A6), Anschlussstelle Sinsheim, traten in den Jahren 1965/66 Verformungen im aus bindig kompressiblen Lockergesteinen bestehenden Untergrund auf. Bei der vorausgegangenen Baugrunderkundung wurden bis in ca. 8,0 m Tiefe Auenlehme mit weicher Konsistenz festgestellt, die das anstehende Festgestein der Grabfeld-Formation (Gipskeuper) überlagern. Im Bereich des Widerlagers verlief früher der Erlenbach, der im Zuge der Bauarbeiten verdolt wurde. Durch den Bach waren die Auenlehme örtlich stark aufgeweicht und demzufolge für eine Flachgründung des Brückenwiderlagers nicht geeignet. Daher wurde eine Tiefgründung im Festgestein mittels Ortbeton-Rammpfählen durchgeführt.
Nach dem Bau des Brückenwiderlagers begannen die Erdarbeiten für die angrenzende Dammschüttung, welche mit einer Höhe von bis zu 9,6 m geplant wurde. Der Damm wurde auf den weichen Auenlehmen aufgebracht. Als die Dammschüttung eine Höhe von ca. 6,0 m erreicht hatte, öffnete sich innerhalb von zwei Tagen eine in Brückenachse angeordnete, durch sämtliche Konstruktionsteile verlaufende Trennfuge um 25 mm. Die unabhängig vom Widerlager tief gegründeten Flügelwände gerieten aus der Flucht und an einem Böschungskegel stellte sich ein Geländebruch ein. Daraufhin wurden die Erdarbeiten an der Dammschüttung zunächst eingestellt.
Bei der Ursachensuche konnte ausgeschlossen werden, dass im Bereich der Pfahlfüße der Druckpfähle und dem unterhalb davon anstehenden Festgestein Bewegungen stattgefunden haben könnten. Als Ursache für die Verschiebungen in den Bauteilen wurde stattdessen ein horizontales Ausweichen des weichen Auenlehms als Folge der Dammauflast ausgemacht.
Im Zuge der Brückenplanung wurde bei der Bemessung des Brückenwiderlagers einschließlich der Pfahlgründung ein aktiver Erddruck nur bis zur Unterkante der Pfahlkopfplatte angesetzt. Eine zusätzliche Horizontalbelastung auf die Pfähle in deren Einbindungsbereich blieb unberücksichtigt. Die horizontale Bodenbewegung der Auenlehme aufgrund der Dammauflast hatte aber genau dies zur Folge. Es traten rechnerisch nicht berücksichtigte Biegemomente und Kräfte in den Pfählen auf, die Verschiebungen in den Bauteilen auslösten. Die damaligen Belastungs- und Bemessungsvorschriften enthielten noch keine Hinweise darauf, dass unter bestimmten Voraussetzungen Erddruck auf Pfähle zu berücksichtigen ist.
Glücklicherweise kamen die Bewegungen der Widerlagerwand zur Luftseite hin verhältnismäßig rasch zur Ruhe und der Dammkörper konnte bis auf die planmäßige Höhe weiter aufgeschüttet werden. Dies löste jedoch erneute Verformungen aus. Erst zwei Jahre nach Vollendung der Dammschüttung klangen die Bewegungen vollständig ab und summierten sich bis dahin auf ca. 7 cm Gesamtverformung (gemessen in der o. g. Trennfuge). Die geöffnete Trennfuge wurde anschließend durch den Einbau eines Zuggurts auf dem vorderen Fundamentvorsprung überbrückt (Pfohl, 1972).
Der hier beschriebene Fall zeigt, wie stark bindig kompressible Lockergesteine mit weicher Konsistenz unter hohen und großflächigen Lasten wie Dämmen, Deponien und Brücken zu Verformungen und Setzungen neigen. Bei nachfolgenden Projekten mit vergleichbaren Baugrundverhältnissen wurden die Dammschüttungen im Bereich der Brückenwiderlager einfach mehrere Monate vor Beginn des Tiefbaus hergestellt, um Setzungen und Verformungen im Untergrund vorwegzunehmen und eine initiale Konsolidierung des Baugrundes zu ermöglichen (Wagenplast, 2005).
Literatur
- (1972). Erfahrungen bei der Gründung von Brückenwiderlagern. – Straße, Brücke, Tunnel, 24(4), S. 92–98.
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.