Ereignis
Am 27. Juni 1994 ereignete sich in der Umgebung von Oppenau (Renchtal, Mittlerer Schwarzwald) ein heftiges Gewitter mit Niederschlagsmengen von 177 mm im Zeitraum von 90 Minuten, das zahlreiche Hangbewegungen in nahezu allen Seitentälern der Rench auslöste. Dabei handelte es sich meist um Erd-/Schuttströme und Murgänge, die häufig als Fortführung von Translationsrutschungen zu beobachten waren (Kühnle & Rohn, 1998).
Geologische und hydrogeologische Gegebenheiten
Der Untergrund im betroffenen Gebiet wird überwiegend aus Paragneis aufgebaut, welcher von Lockermaterial mit Mächtigkeiten von selten mehr als 3 m, an Steilhängen meist sogar weniger als 2 m überlagert wird (Kühnle & Rohn, 1998). Bei den Lockergesteinen handelt es sich i. d. R. um Verwitterungslehm, lössführende Fließerde oder Hangschutt.
Der für den Verwitterungslehm ermittelte Winkel der Inneren Reibung (33–36°) und die Kohäsion (10–25 kN/m2; Kühnle & Rohn, 1998) deuten zunächst nicht auf einen zu Rutschungen neigenden Boden hin, deshalb waren in der Umgebung von Oppenau bislang nur geringfügige Kriechbewegungen und kleine Rutschungen bekannt. Allerdings ergaben die bodenphysikalischen Untersuchungen von Kühnle & Rohn (1998), dass der Schluff wegen des hohen Sand- und Kiesanteils schon bei einer verhältnismäßig geringen Erhöhung des natürlichen Wassergehalts eine breiige Konsistenz annimmt.
Die unterlagernden Schichten des Gneis-Verwitterungslehms sowie stellenweise die freiliegende Felsoberkante des Gneis bilden im Gebiet um Oppenau Stauhorizonte. Aufgrund ihrer geringen Durchlässigkeit fließt anfallendes Niederschlagswasser als Hangwasser auf diesen Horizonten ab. Der darüber liegende Bodenbereich wird also durch durchströmendes Hangwasser beeinflusst.
Vorgang
Die extreme Niederschlagsmenge von 177 mm in 90 Minuten im Juni 1994 führte aufgrund der beschriebenen geotechnischen Eigenschaften sowie der Wasserdurchlässigkeiten der Lockergesteinsschichten zu einer Aufsättigung und schließlich zu einer „Verflüssigung“ des Lockergesteins mit einem starken Strömungsdruck in diesen Deckschichten.
Zunächst bildeten sich Abbruchnischen an den Bachoberläufen und flachgründige Schuttströme an den steilen Talflanken (Hangneigungen zwischen 30–40°). Anrisse entstanden vor allem im Bereich von abrupten Änderungen der Hangneigung (Hangkanten) sowie an Hangmulden. In den Bächen vereinigten sich die wassergesättigten Massen zu reißenden Murgängen, die nordöstlich von Oppenau teilweise Häuser verschütteten.
Schäden
Besonders gravierend waren die Auswirkungen der Bodenbewegungen, wenn sie durch menschliche Eingriffe in das Hanggleichgewicht zusätzlich gefördert wurden.
Beim Hausbau an einem Prallhang der Rench in der Straßburger Straße wurde der Hangfuß hinter dem Hang angeschnitten und der übersteilte Hang nicht (wie bei den Nachbarbauwerken) mit einer verankerten Mauer, sondern mit einer Trockenmauer gesichert. Ungünstig wirkte sich vor allem ein hangparalleler Fußweg („Panoramaweg“) oberhalb des Baugrundstücks aus, weil dieser in den Hangschutt eingeschnitten und das dabei gewonnene Material auf der Talseite des Wegs angeschüttet wurde. Die auf der Oberfläche des Fußwegs fließenden Wassermassen stürzten wie ein Wasserfall bergab, erodierten die talseitige Anschüttung und brachten als Schuttstrom das tiefer liegende Haus zum Einsturz, wobei ein Passant ums Leben kam (Wagenplast, 2005). Dieser Schuttstrom ist ein Beispiel dafür, dass oft mehrere destabilisierende Faktoren zur Auslösung einer Massenbewegung beitragen.
Besonders große Schäden traten zudem an betonierten Bachdurchlässen und überlasteten Straßenkanalisationen auf. Dies führte im Ortsbereich von Oppenau u. a. zur Unterspülung von Straßen, was bis zu zwei Meter tiefe Einbrüche der Asphaltdecken verursachte.
Neben den Schäden innerhalb der Ortsbebauung entstanden auch in den umliegenden Waldgebieten erhebliche Schäden. Aufgrund der großen Wassermengen und des flächigen oberirdischen Abflusses wurden dort ganze Hangbereiche erodiert.
Nachfolgend sind die wichtigsten Punkte der Massenbewegungen bei Oppenau tabellarisch aufgelistet:
Stammdaten:
Objekt-ID |
7515_Fl00001 |
Objektname |
Erd-/Schuttströme und Murgänge bei Oppenau 1994 |
Lokalität |
Oppenau im Renchtal |
Gemeinde |
Oppenau |
Stadt-/Landkreis |
Ortenaukreis |
TK25-Nr. |
7515 |
TK25-Name |
Oppenau |
Datengrundlage |
Dokumentenrecherche, Geologische Karte |
Lage-Bezugspunkt |
Höchster Punkt des Abrissbereichs |
Ostwert |
unbekannt |
Nordwert |
unbekannt |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
unbekannt |
Höhenermittlung |
Karte |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
27.06.1994 |
Geländenutzung während der Entstehung |
Grünland, Wald, Wohngebiet, Gemeindestraße, Kreisstraße, Landstraße, Forststraße, Bachkanalisation |
Schäden |
Straßenschäden, Gebäudeschäden, Personenschäden, Schäden an beweglichen Gütern, Schäden an fließenden Gewässern, Schäden an Wasserleitungen |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Primärereignis |
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Prozess der Hauptbewegung |
Fließprozess |
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Max. Länge [m] |
unbekannt |
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Max. Breite [m] |
Abrissbereich |
unbekannt |
|
unbekannt |
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Ablagerungsbereich |
unbekannt |
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Betroffene Fläche [m²] |
unbekannt |
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Max. Mächtig-keit [m] |
Abrissbereich |
3 |
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Transportbereich |
1 |
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Ablagerungsbereich |
|
||
Fläche des Abrissbereiches [m²] |
unbekannt |
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Kubatur der Abrissmasse [m³] |
unbekannt |
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Höchster Punkt des Abrissbereiches [m ü. NHN] |
unbekannt |
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Höchster Punkt des Ablagerungsbereiches [m ü. NHN] |
unbekannt |
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Max. Höhenunterschied zwischen Abrissbereich und Top des Ablagerungsbereiches [m] |
unbekannt |
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Tiefster Punkt des Ablagerungsbereiches [m ü. NHN] |
unbekannt |
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Max. Höhenunterschied (H) zwischen höchstem Punkt des Abrissbereiches und tiefstem Punkt des Ablagerungsbereiches [m] |
unbekannt |
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Exposition zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
variiert |
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Durchschnittliche Hangneigung zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
35 |
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Hangneigung [°] |
Abrissbereich |
40 |
|
Transportbereich |
35 |
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Ablagerungsbereich |
< 35 |
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Ursache |
natürlich, anthropogen |
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Auslöser |
natürlich, anthropogen |
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Geologie |
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Verwitterungs-/ Umlagerungsbildung (qum) |
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Hangschutt (qu) |
Schluff/Sand, schwach tonig – Kies, sandig, schwach schluffig |
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Lössführende Fließerde (qflL) |
Schluff, tonig, sandig |
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Sicherungsmaßnahmen |
unbekannt |
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Sonstige Anmerkungen |
Literatur
- (1995). Geotechnische Untersuchungen an Hangbewegungen anlässlich eines Starkregenereignisses und Geologische Kartierung westlich von Oppenau (Mittlerer Schwarzwald). – Dipl.-Arb. Univ. Karlsruhe, 133 S. [unveröff.]
- (1998). Hangbewegungen anläßlich eines Starkniederschlagsereignisses bei Oppenau/Schwarzwald. – Schriftenreihe Angewandte Geologie Karlsruhe, 50, S. 217–228.
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.