Baden-Württemberg weist eine vielfältige Geologie auf. Die als Werkstein nutzbaren Gesteine aus der Gesteinsabfolge unseres Landes begegnen uns im Alltag an einer Vielzahl von historischen Gebäuden, Denkmälern und figürlichen Arbeiten, wie z. B. am Freiburger Münster, am Ulmer Münster, beim Kloster Maulbronn oder am Alten Schloss in Stuttgart, um nur wenige Beispiele zu nennen. Die für diese Zwecke genutzten Gesteine werden im Allgemeinen als Naturwerksteine bezeichnet. Eine umfassende Übersicht der Naturwerksteine des Landes wurde 2013 vom Regierungspräsidium Freiburg und dem LGRB mit der Publikation „Naturwerksteine aus Baden-Württemberg – Vorkommen, Beschaffenheit und Nutzung“ herausgegeben.
Das Buch gibt einen weitreichenden Überblick auf das Thema Naturwerksteine von der Entstehung der verwendeten Gesteine über die Erkundung von Naturwerksteinlagerstätten bis hin zu ihrer Gewinnung und Verarbeitung. Auf den folgenden Seiten werden die zahlreichen, alphabetisch gegliederten Unterkapitel aus dem Kapitel 4 „Naturwerksteinvorkommen in Baden-Württemberg“ in aktualisierter Form herausgegeben.
Vorbemerkungen zur Systematik
Für die systematische Beschreibung der Naturwerksteinvorkommen in Baden-Württemberg sind verschiedene Gliederungen möglich. So können regionale Verbreitung, die Zuordnung zu geologisch-petrographischen Großgruppen wie Kalksteine, Travertine, Sandsteine, Granite, kombiniert mit Farbtönen (wie im Internationalen Natursteinlexikon INSK, Müller, 1984ff), oder das geologische Alter als Kriterien dienen. Auch eine Abhandlung nach geologischen Großeinheiten des Landes – Grundgebirge, Deckgebirge und junge Vulkanmassive – und eine weitere Untergliederung nach geographischer Lage wäre praktikabel.
In der täglichen Praxis der Natursteinindustrie, des Architekten, des Steinmetz- oder Steinbildhauers sowie des Denkmalpflegers oder Restaurators sind jedoch meist Handelsnamen gebräuchlich. Diese oft phantasievollen und nach Vermarktungsaspekten gewählten Bezeichnungen sind überwiegend aus Ortsnamen und auffälligen äußeren Merkmalen zusammengesetzt, die auf Materialqualität, Bearbeitbarkeit, Farbe oder Struktur anspielen. Beispiele sind „Maulbronner Favorit“ und „Renfrizhauser Forellensandstein“; beide beschreiben aber nur Varietäten innerhalb einer Werksteineinheit, in der auch andere Sandsteintypen auftreten. Bezeichnungen wie „Bernstein“- oder „Elfenbeinmarmor“, die auch nur für einzelne Bänke oder Partien einer bestimmten Farbtönung verwendet wurden, sind für systematische Beschreibungen ebenso ungeeignet, da sie einerseits recht häufige, nicht charakteristische Farbtöne heranziehen und geologisch zudem oft falsch und missverständlich sind, z. B. weil es sich – wie in den genannten Beispielen – nicht um Marmore (metamorphe Gesteine), sondern um Massenkalksteine handelt.
In der deutschen und internationalen Natursteinindustrie werden meist einige Gesteinsgroßgruppen zu Gliederungszwecken herangezogen, wie z. B. der Katalog der seit den 1970er Jahren regelmäßig stattfindenden internationalen Fachmesse für Naturstein und Natursteinbearbeitung, der „Stone+tec“ in Nürnberg, verdeutlicht (NürnbergMesse GmbH 2011). Das Warenverzeichnis wird gegliedert in: Granit, Tuff, Porphyr, Basaltlava, Sandstein, Schiefer, Quarzit, Marmor, Jura-Marmor, Kalkstein, Solnhofener Plattenkalk, Muschelkalk, Dolomit, Travertin und Sonstige. Man erkennt, dass hier eine Grobgliederung nach den Gesteinsgroßgruppen Magmatite, Metamorphite und Sedimentgesteine Pate stand. Im Detail sind dann aber oft traditionelle, systematisch aber falsche Begriffe anzutreffen. Bei „Granit“ finden sich auch Gesteine wie der „Rosenheimer Granitmarmor“ (ein fossilreicher Kalkstein), bei „Marmor“ treten viele nicht metamorphe Karbonatgesteine auf, und viele „Quarzite“ sind Sandsteine mit kieseliger Bindung. Eine für die Materialauswahl, z. B. für die Renovierung von Gebäuden grundlegende Gesteinsansprache und ‑beurteilung wird durch diese Divergenzen zwischen den wissenschaftlichen und den verkaufsorientierten Bezeichnungen stark erschwert.
Auch in Baden-Württemberg wurden für Werksteinsorten oft nur Ortsnamen verwendet, die – je weiter die Nutzung zurückliegt – außerhalb des engeren Herkunftsgebiets wenig bekannt sind. Der Begriff „Schlaitdorfer“ für einen früher bei der schwäbischen Ortschaft Schlaitdorf nahe Filderstadt abgebauten Sandstein der Stubensandstein-Schichten ist z. B. nur den ortskundigen Historikern und Denkmalpflegern geläufig, die mit der Erhaltung der daraus errichteten Gebäude befasst sind (vgl. Gebiet Rottenburg–Tübingen–Pliezhausen–Altenriet). Der Praktiker kann wenig damit anfangen, zumal der betreffende Steinbruch bei Schlaitdorf schon lange endgültig ausgebeutet ist und außerdem in diesem Bruch, wie in allen anderen größeren Gewinnungsstellen in der Löwenstein-Formation, zahlreiche verschiedene Varietäten auftraten. Der Begriff müsste eigentlich übersetzt werden in: „Gelblichweißer, mittel- bis grobkörniger Keuper-Sandstein, der bei Schlaitdorf zur Zeit der Großaufträge für den Kölner Dom im 19. Jh. gewonnen wurde, aber auch in der weiteren Umgebung ansteht“. Trotzdem kann der alte Begriff in der Kommunikation zwischen Eigentümern historischer Gebäude, an denen er verbaut wurde, und Denkmalpflegern hilfreich sein. In der Literatur oft verwendete historische Bezeichnungen werden deshalb in den folgenden Kapiteln angegeben. Leider sind aber auch Bezeichnungen wie „Stubensandstein“ oft selbst keine eindeutigen Begriffe, weil zur Stubensandstein-Fazies Sandsteine mit recht unterschiedlicher Körnung, Kornbindung und Farbe zählen; in Bayern heißt dieser Sandstein traditionell „Burgsandstein“. Im Zuge der europäischen Vereinheitlichung stratigraphischer Einheiten wurde außerdem die Stubensandstein-Formation im Jahr 1997 in Löwenstein-Formation umbenannt (Subkommission Perm/Trias der Dt. Stratigraphischen Kommission, Mitt. E. Nitsch); auch viele andere altbekannte Begriffe wurden zwischenzeitlich angepasst. Auf diese Änderungen und synonymen Bezeichnungen wird in den Einführungen zu den Kapiteln eingegangen.
Ortsangaben für die große Zahl von Steinbrüchen im mehrere Hundert Meter mächtigen und über viele Tausend Quadratkilometer zu Tage tretenden „Buntsandstein“ der Trias und des Perms sind so zahlreich, dass sie für die Gliederung in einem Handbuch nicht geeignet sind: Nach dem Stand der Rohstoffkartierung des LGRB existieren rund 1000 alte Steinbrüche im Buntsandstein von Schwarzwald und Odenwald. Viele der dort gewonnenen Sandsteine haben ihre von der Lokalität abgeleitete Bezeichnung, z. B. Lahrer, Heimbacher, Allmendsberger, Tennenbacher, Seedorfer, Freudenstädter, Pfinztäler Sandstein usw. Ähnliches gilt für Steinbrüche im Schilfsandstein Württembergs, im Kalkstein der Schwäbischen Alb oder im Muschelkalk von der Baar bis Württembergisch Franken und im angrenzenden Mainfranken. Die traditionellen Begriffe sind also einerseits oft ungenau oder sie beziehen sich auf wenig bekannte Lokalitäten und sind daher insbesondere für den Ortsfremden oder den mit der Nutzungsgeschichte wenig vertrauten Leser unübersichtlich. Die Beispiele zeigen, dass es schwierig ist, eindeutige, zugleich petrographisch korrekte oder gar selbsterklärende Begriffe zu finden, die man diesem Handbuch zugrunde legen könnte.
Die Autoren haben sich deshalb für einen Kompromiss entschieden, der vor allem dem im Vorwort beschriebenen Zweck des Buches Rechnung trägt, nämlich der möglichst breiten Verwendung der Begriffe in Naturstein-Fachkreisen. Wir verwenden daher die heute in Südwestdeutschland gebräuchlichsten Begriffe, auch wenn dabei einmal mehr die erdgeschichtlichen Überbegriffe, ein anderes Mal die Lokalitätsbezeichnungen oder die über die Grenzen des Landes bekannten Industriebegriffe im Vordergrund stehen (Stand 2013). Synonyme, Gesteinscharakteristika und wichtigste Abbauorte finden sich in den Kapiteln jeweils am Anfang, so dass eine Zuordnung zu anderen Gliederungen meist leicht möglich ist.
Beschrieben werden nachfolgend die in großem Umfang, meist seit vielen Jahrhunderten verbauten Naturwerksteine des heutigen Landes Baden-Württemberg. Seltene, vornehmlich lokal wichtige oder nur kurzzeitig genutzte Vorkommen werden nicht in eigenen Kapiteln behandelt. Zu solchen Besonderheiten gehören z. B. die Alabastergipse aus dem auflässigen Bergwerk Forchtenberg (Hohenlohekreis) und dem noch zeitweise betriebenen Gipssteinbruch Kayh bei Herrenberg oder der hornblendereiche Glimmerdiorit von Fröhnd im Wiesental (RG 8213‑1), der bis 1989 gewonnen wurde. In den Erläuterungen zur Karte der mineralischen Rohstoffe von Baden-Württemberg 1 : 50 000 (KMR50) und zur Geologischen Karte des Landes im Maßstab 1 : 25 000 sind zumeist Kurzbeschreibungen dieser Gesteine zu finden.
Selbstverständlich stellt dieses Buch eine Momentaufnahme in Bezug auf die Kenntnisse über unsere vielfältigen Naturwerksteinvorkommen dar. Weitere Forschungen, auch historischer und lokalgeologischer Art, sowie die weitere industrielle Nutzung werden zusätzliche Erkenntnisse erbringen. Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) ist daher für alle Hinweise auf weitere Werksteinvorkommen dankbar, insbesondere wenn sie für eine künftige Nutzung ein interessantes Potenzial aufweisen.
Literatur
- (1984ff). INSK – Internationale Naturstein-Kartei. 1ff S., Ulm (Ebner). [10 Bände, Loseblattsammlung]