Lithostratigraphische Gruppe
Übergeordnete Einheit
Tertiär
Als Jüngere Magmatite werden in Baden-Württemberg einige hundert Vulkanitvorkommen zusammengefasst, deren Entstehungszeit überwiegend in das Tertiär fällt. Nur für einzelne Vorkommen ist ein kreidezeitliches Alter nachgewiesen (s. Kap. Kreide). Lithostratigraphisch werden jedoch auch diese wegen ihrer gleichartigen Gesteinsbeschaffenheit mit den tertiären Vorkommen zusammen behandelt (vgl. Reischmann, 2011).
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
In Baden-Württemberg treten Jüngere Magmatite in vier Vulkangebieten auf. Im Gebiet der Mittleren Schwäbischen Alb und ihres Vorlandes, im Hegau, im südlichen Oberrheingraben (Kaiserstuhl und kleinere Vorkommen am Grabenrand) und Südschwarzwald sowie im südlichen Odenwald und angrenzenden Kraichgau (Geyer et al., 2011; Rupf & Nitsch, 2008).
Bei der Mehrzahl der Vorkommen handelt es sich um ehemalige Maarvulkane, deren Eruptionsschlote unterschiedlich weit abgetragen sind. Die Landschaftsformen reichen daher von flachen vermoorten Senken auf Hochflächen (Schwäbische Alb) und sekundär teilweise ausgeräumten maarähnlichen Mulden (Hegau, Albrand, z. B. Randecker Maar) über flache Hügelkuppen bis zu kegelartigen Härtlingen (Albvorland, Odenwald, Hegau). Etliche Vorkommen zeigen keine geomorphologische Wirkung und sind nur durch Aufschlüsse oder geophysikalische Erkundungen bekannt geworden. Im Hegau bilden mehrere subvulkanische Staukuppen ebenfalls von der Erosion freigelegte Härtlinge (z. B. Hohentwiel). Einen Sonderfall bildet der Kaiserstuhl, in dem der tief erodierte Sockel eines Stratovulkans erhalten ist.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Bei den Jüngeren Magmatiten finden sich Lavaströme und an der Erdoberfläche abgesetzte Tuffe nur im Kaiserstuhl und im Hegau. Bei den übrigen Vorkommen handelt es sich um Tuffbrekzien und subvulkanische Schlotfüllungen, seltener auch um Gangintrusionen mit etwas unterschiedlicher, jedoch stets ultrabasischer Zusammensetzung. Die Tuffbrekzien stellen meist eine Mischung von Nebengesteinsfragmenten und vulkanischem Material dar, doch gibt es besonders im Kaiserstuhl und im Hegau auch reine Tuffe und Lapillituffe mit nur geringen Beimengungen von Nebengesteinen.
In der Geologischen Karte wurden traditionell oft nur zwei Varianten unterschieden, die als „Phonolith” und „Basalt” bzw. „Basalttuff” angesprochen wurden. Diese historischen Bezeichnungen fassen nach der heute international üblichen petrographischen Nomenklatur jeweils mehrere Gesteinsarten zusammen. Die meist hell- bis mittelgrauen oder bräunlichen „Phonolithe” der Karte umfassen neben echten Phonolithen auch einige Tephriphonolithe (mit höherem Plagioklasgehalt), während unter den als „Basalt” bezeichneten Gesteinen keine eigentlichen Basalte heutiger Definition, sondern eine Gruppe basaltähnlicher dunkelgrauer bis fast schwarzer Vulkanite (Foidite) zusammengefasst werden, zu denen neben den vorherrschenden Nepheliniten auch Melilithite und im Gebiet der Schwäbischen Alb einzelne ultramafische Gesteine (Pyroxenite, Meimechite) gehören. Lediglich im Kaiserstuhl werden die Gesteine auch in den Karten meist mit den heute üblichen Bezeichnungen belegt, wobei neben Nepheliniten und Phonolithen auch Tephrite auftreten. Für den glasreichen Tephrit von Sasbach ist dabei der historische Name Limburgit gebräuchlich.
Eine Besonderheit des Kaiserstuhls sind karbonatitische Tuffe und körnige Karbonatite als subvulkanische Schlotfüllungen und Gänge. Solche gröberkörnigen Subvulkanite als gang- und stockförmige Intrusionen sind im Kaiserstuhl und im Katzenbuckel auch als Tiefengesteins-Äquivalente anderer feinkörniger bis dichter, zuweilen glasiger Vulkanite aufgeschlossen (Alkali- und Nephelinsyenite, Nephelinolite, Essexite und Theralithe)
Zur lithostratigraphischen Einheit der Jüngeren Magmatite werden auch geringmächtige Begleitsedimente gerechnet, die während der aktiven Phase der Eruptionsstellen in deren unmittelbarer Nähe oder im Anschluss daran in den verbliebenen Maarkratern abgelagert wurden. Diese Begleitsedimente sind meist eng mit Tuffen oder Laven verzahnt oder isoliert in diese eingelagert. Hinzu kommen noch wenige Vorkommen von Thermalsinter-Kalksteinen, die während der postvulkanischen hydrothermalen Phase an heißen Quellen an der Erdoberfläche entstanden (Riedöschingen, Böttingen).
Die Gliederung der Jüngeren Magmatite erfolgt daher zunächst nach den jeweiligen Vulkangebieten, innerhalb derer die eigentlichen Magmatite von den einzelnen Vorkommen von Begleitsedimenten und Thermalsintern unterschieden werden (LGRB, 2011c).
Mächtigkeit
Die erhaltene Mächtigkeit der Kaiserstuhl-Magmatite beträgt mehr als 500 m, ist aber nicht sicher bekannt. Der wohl höchte Einzelkegel lag etwa im Zentrum des Kaiserstuhlgebiets, wo nach Abtragung von mehreren hundert Metern Gestein heute ein großer Karbonatitkörper freiliegt.
Der Deckentuff im Hegau erreicht als Einlagerung in die Obere Süßwassermolasse Mächtigkeiten von mehr als 100 m. Auch die markanten Vulkanruinen des Hegaus sind nur Erosionsreste der ursprünglich von Molassesedimenten umgebenen Ausbruchsschlote. Die Durchmesser der subvulkanischen Schlotfüllungen im Landesgebiet, die heute meist die oberste erhaltene Einheit darstellen, schwanken zwischen wenigen Metern und mehr als 700 m (Schönbergsattel bei Freiburg) bzw. annähernd 1 km (Katzenbuckel). Gangintrusionen und Spaltenfüllungen aus Tuffbrekzien erreichen selten Gangmächtigkeiten von mehr als einigen Metern und sind zuweilen nur wenige Zentimeter breit.
Alterseinstufung
Die ältesten Tuffschlote der Jüngeren Magmatite Baden-Württembergs stellen nach den bisherigen Altersbestimmungen acht Vorkommen des Südschwarzwaldes, der Katzenbuckel im Odenwald und zwei Gangintrusionen bei Neckarbischofsheim dar, an denen kreidezeitliche Alter (117–65 Mio. Jahre) gemessen wurden. Einige weitere Vorkommen im Südschwarzwald und im Kraichgau weisen radioisotopische Alter aus dem Paleozän auf (64–55 Mio. Jahre) und sind damit ebenfalls älter als der Oberrheingraben.
Die übrigen Vorkommen am Rand des Oberrheingrabens und im benachbarten Südschwarzwald sind dagegen eng mit der Grabenbildung verbunden und stammen aus derselben Zeit wie die tertiären Sedimente der Grabenfüllung (Eozän bis Miozän, 44–16 Mio. Jahre; Schmitt et al., 2007). Der Kaiserstuhl war dabei wohl ausschließlich im Miozän aktiv (18–15 Mio. Jahre).
Ebenfalls ganz in das Miozän wurden die Vulkanite der beiden anderen Gebiete datiert, im Urach-Kirchheimer Vulkangebiet der Mittleren Schwäbischen Alb in den Zeitraum von ca. 16–11 Mio. Jahre, im Hegau von ca. 13–7 Mio. Jahre. Als jüngster Vulkanit des Landes gilt derzeit der Phonolith des Hohenkrähen mit 6,9 Mio. Jahre.
Ältere Bezeichnungen
Neben den heute in der internationalen Nomenklatur üblichen petrographischen Beschreibungen finden sich in der älteren, seltener daraus übernommen auch in der neueren Literatur eine Reihe von Gesteinsnamen, die entweder eigens für ein Vorkommen vorgeschlagen wurden oder einer abweichenden älteren Nomenklatur entstammen. In manchen Fällen werden diese älteren Namen noch als Bezeichnungen für eine bestimmte Varietät bzw. Ausbildung des Gesteins verwendet, z. B. Limburgit (nach dem Limberg bei Sasbach) für einen glasreichen, porphyrischen und zugleich stark blasigen bis mandelstein-artigen Tephrit des Kaiserstuhlgebiets, Tinguait für einen Nephelin-Phonolith mit mikroskopischen nadeligen Ägirinanteilen, oder Shonkinit für einen an dunklen Mineralen reichen Nephelinsyenit im Katzenbuckel (LeMaitre, 2002). Andere historische Bezeichnungen werden in der heutigen Nomenklatur nicht mehr verwendet, so „Katzenbuckelit“, oder „Nephelinglimmerporphyr“ für feinkörnige Nephelinsyenite im Katzenbuckel.
Einige historisch gebräuchliche Namen leiten dagegen eher in die Irre. So wurde der Karbonatit des Kaiserstuhls, ein vulkanisch aus einer Schmelze erstarrtes Gestein mit vorherrschendem Kalzit-Anteil, früher als „körniger Kalkstein“ angesprochen und für ein metamorphes Gestein gehalten, das durch die vulkanische Hitze aus einem Kalkstein entstanden sei. Auch die traditionelle Ansprache aller dunkelgrauen bis schwarzen Vulkanite als „Basalt“ entspricht nicht mehr der heutigen Definition, die einen hohen Anteil an Plagioklas bei höchstens geringem Gehalt an Foidmineralen voraussetzt. Die dunklen Vulkanite im Landesgebiet enthalten meist sehr wenig bis gar keinen Feldspat, häufig aber hohe Anteile an Foiden und sind nach der internationalen Nomenklatur daher Tephrite, Basanite oder Nephelinite. Einige Vorkommen enthalten weder Feldspat noch Foide und müssen als Melilithite, Pyroxenite oder Meimechite angesprochen werden.
Sonstiges
Der Kaiserstuhl wurde schon im 18. Jahrhundert als Erosionsrest eines erloschenen Vulkans erkannt. Er ist damit der am längsten als solcher bekannte Vulkan in Deutschland.
Literatur
- (2011). Geologie von Baden-Württemberg. 5. völlig neu bearb. Aufl., 627 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (2011c). Symbolschlüssel Geologie Baden-Württemberg – Verzeichnis Geologischer Einheiten (Ausgabe 2011). – S., 1 Tab., Freiburg i. Br. (Regierungspräsidium Freiburg, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (2002). Igneous Rocks, a classification and glossary of terms. Recommendations of the International Union of Geological Sciences Subcommission on the systematics of Igneous Rocks. 2. Aufl., 236 S., Cambridge (Columbia Univ. Press.).
- (2011). Tertiärer Vulkanismus. . Stratigraphie von Deutschland IX. Tertiär, Teil 1: Oberrheingraben und benachbarte Tertiärgebiete, S. 16–30, Hannover (Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, 75).
- (2008). Das Geologische Landesmodell von Baden-Württemberg: Datengrundlagen, technische Umsetzung und erste geologische Ergebnisse. – LGRB-Informationen, 21, S. 1–81, 10 Beil.
- (2007). The onset and origin of differentiated Rhinegraben volcanism based on U-Pb ages and oxygen isotopic composition of zircon. – European Journal of Mineralogy, 19, S. 849–857.