Lithostratigraphische Untergruppe
Übergeordnete Einheit
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Die Erosionskraft des Flusses war gewaltig. Er räumte den Untergrund bis in die Untere Süßwassermolasse, bereichsweise sogar bis in die jurassischen Karbonate aus und schuf ein 8–13 km breites und bis rund 80 m tiefes Tal, die sogenannte „Graupensandrinne“. Nur im westlichen Bodenseeraum und über den Klettgau zum Mündungsbereich in das noch länger bestehende Meer des heutigen Schweizer Mittellands war das Tal des Graupensandflusses flacher, dafür aber bis auf etwa 20 km ästuarin verbreitert.
Mit erneutem Meeresspiegel-Anstieg am Ende des Ottnangiums strömte von Westen her Salzwasser in das Ästuar und die Graupensandrinne ein. Im Zusammenstrom mit dem Süßwasser des Graupensandstroms etablierten sich zeitweise intertidale Brackwasserverhältnisse. Mit einem Grobsedimentpuls setzte die Sedimentation der Kirchberg-Formation ein. Im Laufe der Zeit wurde die Graupensandrinne vollständig aufgeschüttet. In der heutigen Morphologie ist von dem miozänen Paläoflusstal nichts mehr erkennbar.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
In Baden-Württemberg wird die Untergruppe Obere Brackwassermolasse in zwei lithostratigraphische Formationen (von alt nach jung) gegliedert:
- Die Ablagerung beginnt mit der Grimmelfingen-Formation
- Die jüngere Abfolge der Kirchberg-Formation ist weiter untergliedert in
- Mischgeröllhorizont als grobe Basislage im Rang einer Fazieseinheit
- und darüber die Samtsande-Subformation
nur ganz im südwestlichen Ausbissgebiet, im Gebiet des Randen, werden aufgrund ihrer speziellen Zusammensetzung die entsprechenden Einheiten als
- Austernnagelfluh (der tOB) -Subformation (für die grobe Basisschüttung)
- und darüber die Melaniensande-Subformation bezeichnet.
Die Verschüttung der Graupensandrinne beginnt mit der Grimmelfingen-Formation, die diskordant auf älteren Molasseeinheiten sowie jurassischen Kalken auflagert. Sie besteht aus nur wenige Meter mächtigen, locker gelagerten fluvialen Feinkiesen und Grob- bis Mittelsanden mit Feinkiesanteil, die auch als „Graupensand“ bekannt sind. Das Sediment ist kalkfrei und meist grau oder braungelb gefärbt. Gegen oben gehen die Kiese in kalkfreie, glimmerführende Feinsande über („suevicus Sande“), die bis 13 m mächtig werden, jedoch nicht als eigenständige Subformation geführt werden.
Petrographisch dominieren Quarzkörner (v. a. monokristalliner Milchquarz, polykristalliner Gangquarz und Quarzit). Hinzu kommen angewitterte Feldspäte (10–20 %) und weniger häufig, aber sehr typisch, schwarze und gebänderte Lydite. Untergeordnet sind außerdem Hornsteine, Quarzporphyr, Glimmerschiefer, rötliche Quarze, rötliche Sandsteine, Phyllite und Oberjurakalksteine enthalten (Heling, 1966). Das Material stammt hauptsächlich aus den kristallinen Erosionsgebieten des Frankenwalds (Saxothuringikum) und der Böhmischen Masse (Moldanubikum). Die Sedimente sind bereichsweise massig ausgebildet und häufig schräggeschichtet, wobei einzelne Schrägschichtungskörper zwischen 1 m und 15 m breit sind (quer zur Schüttungsrichtung nach SW). Das Schichtungsrepertoire spricht für eine Ablagerung in einem braided river mit hoher Sedimentfracht und wechselnder Wasserführung. Asprion & Aigner (2000) erkennen tidale Schichtungsstrukturen mit der einsetzenden Transgression in das Ästuar.
Abgesehen von limonitisierten Holzresten ist die Grimmelfingen-Formation fast überall sehr arm an Fossilien. Eine Ausnahme davon gibt es: nur westlich von Ulm existiert an der Basis der Abfolge eine sehr grobkörnige und fossilreiche Lage, in der ältere Molasseeinheiten aufgearbeitet wurden. Darin sind neben Resten von Haien, Zahnwalen und Seekühen auch viele Landsäugetiere sowie Landschnecken und Schilfreste gefunden worden (Sach & Heizmann, 2001).
Bei der letzten, nach Osten gerichteten Überflutung der bereits teilweise verfüllten (Grimmelfingen-Formation) Graupensandrinne noch im obersten Ottnangium, werden die max. 25 m mächtigen Feinsedimente der Kirchberg-Formation abgelagert. Sie setzen mit einer grobkörnigen Transgressionslage (Austernnagelfluh und Mischgeröllhorizont) ein, über der sich eine faziell heterogene Abfolge von Feinsedimenten (Melaniensande und Samtsande) entwickelt. Eine ausführliche Beschreibung der Faziestypen und der enthaltenen biogenen Reste gibt Reichenbacher (1988, 1989).
Nur ganz im Südwesten, im Übergangsbereich zur Schweizer Meeresmolasse, ist die vom Meer her geschüttete Austernnagelgfluh-Subformation entwickelt. Es handelt sich um Konglomerate aus alpinen Geröllen (z. B. helle Quarzite von 14 cm Durchmesser) mit Haifischzähnen, Austern und brackischen Arten. Im Gebiet des Randen verzahnt sich diese brackisch-marine Fazies mit den fluvialen Graupensanden und kann die einzige Einheit der Kirchberg-Formation sein. Weiter nordöstlich, beiderseits des Überlinger Sees bis etwa Meßkirch, kommen in der groben Basislage neben alpinen Komponenten zunehmend auch Gerölle aus der Umgebung dazu. Sie erhielt deshalb den Namen Mischgeröllhorizont. Dieser Horizont kann 5 m mächtig werden und führt z. B. Quarzitgerölle bis 12 cm und Albsteingerölle bis 20 cm (Schreiner, 1992b).
Bei recht ruhigen Strömungsverhältnissen wurden über der basalen Groblage verschiedene feinklastische Sedimente abgelagert. Meist herrschen dunkelgraue Tonmergel mit brackischer Mikrofauna vor. Es gibt daneben Glimmer führende Feinsande, Schluffe sowie örtlich Kalksandsteinhorizonte mit Brackwassermuscheln. Im westlichen Bodenseeraum dominieren Muskovit-reiche Schluffe bis Feinsande, die unter dem Namen Samtsande bekannt sind (Schreiner, 1961a) und zwar Glaukonit, aber nur selten brackische Fossilien führen.
Die ihr entsprechende Subformation im Randengebiet besteht aus grauen Tonmergeln und muskovitreichen Feinsanden, die Glaukonit enthalten und darum grünlich gefärbt sind. Aufgrund der darin häufig vorkommenden Schnecken der Gattung Melanopsis wird diese Fazies auch als Melaniensande bezeichnet. An Fossilien kommen Süß- und Brackwasserarten von Schnecken, Muscheln und Ostracoden vor, sowie seltener Haifischzähne und Fischreste.
Mächtigkeit
Zusammen werden die Schichten der Oberen Brackwassermolasse bis rund 45 m mächtig, wobei auf die Grimmelfingen-Formation örtlich bis 20 m und auf die Kirchberg-Formation bis etwa 25 m entfallen. Die fluvialen feinkiesigen Graupensande erreichen maximal etwa 6 m. Die Samtsande nördlich des Überlinger Sees erreichen bis ca. 10 m Mächtigkeit.
Alterseinstufung
Die Ablagerung der Oberen Brackwassermolasse erfolgte innerhalb eines sehr kurzen Zeitabschnitts, dem jüngsten Ottnangium, etwa von 17,4 bis 17 Mio. Jahren (frühes Miozän).
Sonstiges
Die Obere Brackwassermolasse wird in Bayern auch als Süßbrackwassermolasse bezeichnet.
In den 1990er Jahren wurden in den Graupensanden Quarzkörner und Kristallingerölle gefunden, die einer Schockwellenmetamorphose ausgesetzt waren. Vor allem darauf basiert die Schlussfolgerung von Buchner et al. (1996) und Buchner et al. (2003), die Grimmelfingen-Formation enthalte Auswurfmaterial des Ries-Impakts und sei demnach stratigraphisch jünger als bislang geglaubt. Die Lageziehungen der Grimmelfingen- und der Kirchberg-Formationen sowie die gesicherten biostratigraphischen Daten zum Alter der Oberen Brackwassermolasse stehen hierzu im Widerspruch (Reichenbacher et al. 1998). Then et al. (2002) und Baier (2005) diskutieren die Daten und Schlussfolgerungen kritisch.
Literatur
- (2000). Fazies- und Georadar (GPR)–Analyse in der süddeutschen Graupensandrinne. – Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Abhandlungen, S. 321–342.
- (2005). Zur „biogenen Basislage“ des Hochsträß (Mittlere Schwäbische Alb, SW-Deutschland): Diskussion anorganisch-geochemischer Untersuchungen. – Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins, N. F. 87, S. 361–370.
- (2003). 40Ar/39Ar laser probe age determination confirms the Ries impact crater as the source of the glass particles in Graupensand sediments (Grimmelfingen Formation, North Alpine Foreland Basin). – International Journal of Earth Sciences / Geologische Rundschau, 92, S. 1–6.
- (1996). Die Graupensande der süddeutschen Brackwassermolasse: ein Incised Valley-Fill infolge des Ries-Impaktes. – Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, 147, S. 169–181.
- (1966). Sedimentologische Untersuchungen an Grimmelfinger Graupensanden. – Contributions to Mineralogy and Petrology, 12, S. 192–201.
- (1988). Die Fischfauna der Kirchberger Schichten (Unter-Miozän) an der Typuslokalität Illerkirchberg bei Ulm. – Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie B, 139, S. 1–53.
- (1989). Feinstratigraphische Gliederung der Kirchberger Schichten (Unter-Miozän) an der Typuslokalität Illerkirchberg bei Ulm. – Geologica Bavarica, 94, S. 135–177.
- (1998). Graupensandrinne – Ries-Impakt: Zur Stratigraphie der Grimmelfinger Schichten, Kirchberger Schichten und Oberen Süßwassermolasse (nördliche Vorlandmolasse, Süddeutschland). – Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, 149(1), S. 127–161.
- (2001). Stratigraphie und Säugetierfaunen der Brackwassermolasse in der Umgebung von Ulm (Süddeutschland). – Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie B, 310, S. 1–95, 9 Taf.
- (1961a). Graupensandrinne, Juranagelfluh und Deckentuff im Hegau. – Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br., 51, S. 245–260.
- (1992b). Erläuterungen zu Blatt Hegau und westlicher Bodensee. – 3. Aufl., Geologische Karte 1 : 50 000 von Baden-Württemberg, 290 S., Freiburg i. Br., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (2002). Analytische Untersuchungen zur Entstehung der „biogenen Basislage“ an der Basis der Graupensandrinne des Hochsträß (Mittlere Alb, SW-Deutschland). – Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins, N. F. 84, S. 355–377.
- (1975). Erläuterungen zum Blatt 8020 Meßkirch. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 209 S., 5 Taf., 8 Beil., Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).