Lithostratigraphische Untergruppe
Übergeordnete Einheit
Glazial geprägte Sedimente
Als Sedimente des Wallis-Gletschers [Hochrhein] werden glaziale, fluviale und lakustrine Sedimente des Wallis-Gletschers (Rhonegletscher), darin verzahnte Schmelzwassersedimente des Rheingletschers und der Mittellandgletscher sowie Sedimente aus dem Schwarzwald zusammengefasst.
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Die Sedimente des Wallis-Gletschers sind lückenhaft im Bereich der Südabdachung des Schwarzwalds, am Hochrhein, im Klettgau und am Randen verbreitet.
Die Ausbreitung der Alpengletscher führte im Mittelpleistozän zu einer ausgedehnten Vorlandvereisung im Schweizer Mittelland, die bis auf die Schwarzwald-Südabdachung vordrang (Wendebourg, 1986; Becker & Angelstein, 2004; Schreiner & Groschopf, 2003). Die einzelnen Talgletscher aus den Alpen (Aare-, Wallis-, Reuß-, Linth- und Rhein-Gletscher) vereinigten sich im Alpenvorland zu einer großflächigen Eismasse. Das Zentrum der Vergletscherung lag im südlichen Wallis. Dort floss das Eis nordöstlich ins Aaretal ab, nach Südwesten ins Rhonetal (Preusser et al., 2011). Die Bezeichnung Wallis-Gletscher bezieht sich auf die Herkunft der Eismassen und der Gerölle. Weitere Bezeichnungen sind Mittellandgletscher, Aare-Wallis-Gletscher oder Rhonegletscher. Alpen- und Schwarzwaldgletscher kamen sich im Bereich des Hochrheins bis auf wenige Kilometer nahe (Geyer et al., 2011).
Die Ausbreitung der Gletscher führte zu einer weitgehenden Umgestaltung der Landschaft. So ist beispielsweise auch der rißzeitliche Gletschervorstoß die Ursache für die Ablenkung des Rheins bei Schaffhausen nach Süden ins Thurtal-System (Hofmann, 1977). Am Gletscherrand bildeten sich Zungenbecken mit Eisrandschottern. Da die Ausbreitung des Wallis-Gletschers Richtung Schwarzwald zu einer Aufstauung von Schmelzwässern am Gletscherrand führte, wurden im Vorfeld der Gletscher Eisstauseesedimente abgelagert. In mehreren Phasen kam es zu einer direkten gegenseitigen Beeinflussung der Eismassen und deren Schmelzwässer. Während der Riß-Kaltzeit blockierte der Wallis-Gletscher das untere Klettgauer Tal, sodass die Schmelzwässer des Rheingletschers einen großen Eisstausee bildeten.
Zum Sedimenteintrag trugen nicht nur die Gletscher selbst bei, auch die Schmelzwässer der Vorlandgletscher transportierten über die Flüsse Sedimente aus den Alpen in das Hochrheingebiet. Die Schmelzwässer des Rheingletschers brachten über die Klettgaurinne Sedimente mit. So finden sich im Hochrhein-Gebiet Gerölle mit Hegau-Vulkaniten und außeralpinen Jurakalken (Hofmann, 1977). Daneben gelangten die Erosionsprodukte der Schwarzwaldvergletscherungen über die nach Süden entwässernden Flüsse des Schwarzwaldes (Wiese, Wehra, Murg, Alb) ebenfalls in das Hochrheingebiet. Deshalb sind die Sedimente verschiedener Herkunft und eiszeitliche Sedimente verschiedener Ablagerungsräume oft vermischt oder verzahnt und lassen sich nicht trennen. Als Definition beinhaltet daher der Begriff „Sedimente des Wallis-Gletschers“ alle Ablagerungen, die direkt durch den Wallis-Gletscher (Rhonegletscher) abgelagert wurden oder deren Ablagerung durch diesen beeinflusst wurden.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Die Haseltal-Formation umfasst alle Vorkommen glazialer, proglazialer und lakustriner Sedimente des Wallis-Gletschers im Gebiet nördlich des Hochrheins. Lithologisch handelt es sich um glaziale Diamikte, Schotter und Sande, sowie um laminierte und massige Feinsedimente, in die stellenweise lokale Diamikte eingeschaltet sind. Die Provenienz lässt sich nicht allein auf die Ablagerungen des Wallis-Gletschers beschränken, vor allem in Schmelzwasser-Ablagerungen sind Wallis-Gletscher-Sedimente vermischt oder verzahnt mit jenen des Rheingletschers.
- Haseltal-Beckensediment: Die Einheit Haseltal-Beckensediment beinhaltet glaziale, lakustrine und gravitative Ablagerungen in subglazial übertieften Becken im westlichen Hochrheingebiet sowie glaziale bis lakustrine Eisstausee-Sedimente. Referenz ist das Haseltal-Becken bei Bad Säckingen, dort wurden basal alpine Diamikte (glaziolakustrin) abgelagert und darüber alpine und lokale Feinsedimente, Torf (Holstein-zeitlich) und grobe gravitative Lokalsedimente, stellenweise mit Bodenbildungen. Das Haseltal-Becken ist eines von mehreren subglazial übertieften Becken, die sich in kristalline und permische Gesteine des Schwarzwalds eingetieft haben.
- Klettgau-Sediment: Während der Riß-Kaltzeit lag der Eisrand des Wallis-Gletschers bei Waldshut-Lauchringen und blockierte das untere Klettgauer Tal, sodass die Schmelzwässer des Rheingletschers einen großen Eisstausee bildeten. Der Eisrand des Rheingletschers lag zu der Zeit bei Schaffhausen. Die Einheit beinhaltet glaziale bis lakustrine Eisstausee-Sedimente im Klettgau (Klettgau-Sediment). Sie besteht überwiegend aus lakustrinen Feinsedimenten, in denen einzelne gröbere Komponenten vorkommen.
- Birndorf-Subformation: Bei Albbruck-Birndorf wurden glaziale und proglaziale Sedimente zwischen dem Wallis-Gletscher und dem als morphologische Sperre nördlich ansteigenden Schwarzwald bis in eine Höhe von 540 m NN abgelagert (Wendebourg, 1986; Schreiner & Groschopf, 2003). Die Erhaltung der Sedimente, teilweise als Kamesterrassen abgelagert, beruht auf der speziellen lokalen Topographie (Ellwanger et al, 2011b). Die Birndorf-Subformation beinhaltet glaziale, glazifluviale, selten glaziolakustrine Sedimente außerhalb der übertieften Becken am südlichen Schwarzwald nördlich des Hochrheins und am Südhang des Kleinen Randens. Außerdem enthält diese Einheit Kies und Sand sowie gelegentlich Diamikte und Feinsedimente, die von alpiner und lokaler Herkunft sind.
Kiesgrube südwestlich von Klettgau-Geißlingen mit Schotter und Seesedimenten der Rißeiszeit (Klettgau-Sediment)
Mächtigkeit
Die mittlere Mächtigkeit der Haseltal-Formation beträgt 20–40 m, im Haseltal-Becken lokal über 50 m (mit Umlagerungssedimenten bis 100 m).
Alterseinstufung
Mittelpleistozän
- Haseltal-Beckensediment: Hoßkirch bis Holstein. Der Bereich der Haseltal-Beckensedimente entspricht der D3-Hauptdiskontinuität im Sinne der Dietmanns-Formation in Oberschwaben (subglaziale Erosionsfläche, Referenz im Haseltal-Becken: Bohrung LGRB BO 8413/627 (Schluchseewerk AUD41) bei 80,00 m).
- Klettgau-Sediment: Mittelpleistozän (Riß)
- Birndorf-Subformation: Hoßkirch bis Riß
Der maximale Vorstoß der Vorlandvereisung während der Hoßkirch-Kaltzeit entspricht der Möhlin-Eiszeit in der nordschweizerischen stratigraphischen Gliederung, die auch als Most Extensive Glaciation oder veraltet „Älteres-Riß“ oder „Mindel“ bezeichnet wird (siehe Graf, 2009; Preusser et al., 2011; Ellwanger et al., 2011b).
Ältere Bezeichnungen
Sonstiges
Weiterführende Informationen zur quartären Vergletscherungsgeschichte der nördlichen Schweiz finden sich bei Graf (2009).
Externe Lexika
Litholex
Literatur
- (2004). Rand- und subglaziale Rinnen in den Vorbergen des Süd-Schwarzwaldes bei Bad Säckingen, Hochrhein. – Eiszeitalter und Gegenwart, 54, S. 1–19.
- (2011b). The Quaternary of the southwest German Alpine Foreland (Bodensee-Oberschwaben, Baden-Württemberg, Southwest Germany). – E&G Eiszeitalter und Gegenwart – Quaternary Science Journal, 60(2-3), S. 306–328.
- (2011). Geologie von Baden-Württemberg. 5. völlig neu bearb. Aufl., 627 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (2009). Stratigraphie von Mittel- und Spätpleistozän in der Nordschweiz. – Beiträge zur Geologischen Karte der Schweiz, N. F. 168, (Swiss Geological Survey, Federal Office of Topography swisstopo).
- (1977). Neue Befunde zum Ablauf der pleistocaenen Landschafts- und Flussgeschichte im Gebiet Schaffhausen-Klettgau-Rafzerfeld. – Eclogae Geologicae Helvetiae, 70(1), S. 105–126.
- (2016c). Symbolschlüssel Geologie Baden-Württemberg – Verzeichnis Geologischer Einheiten (aktualisierte Ausgabe 2016), 1 Tab. Freiburg i. Br. (Regierungspräsidium Freiburg, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (1896). Die Glazialbildungen um Schaffhausen. – Nuesch, J. (Hrsg.). Das Schweizerbild. Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesamten Naturwissenschaften, 35, S. 156–179, Zürich.
- (2011). Quaternary glaciation history of northern Switzerland. – E&G Quarternary Science Journal, 60(2-3), S. 282–305.
- (2003). Zur Geologie und Morphologie des Hotzenwaldes. – Mitteilungen des Badischen Landesvereins für Naturkunde und Naturschutz, N. F. 18, S. 29–44.
- (1986). Geologische Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung des Quartärs im Gebiet um Birndorf und Unteralpfen (Südostschwarzwald). – Diplomarbeit Universität Freiburg, 84 S., Freiburg i. Br.