Der Albtrauf ist der natürliche, nach Nordwesten freistehende Steilhang der Schwäbischen Alb und leitet zum etwa 300 m bis 400 m tiefer gelegenen Albvorland über. Der Albtrauf wird aus oberjurassischen Kalk-, Dolomit- und Mergelsteinen der Impressamergel-Formation bis maximal der Liegende-Bankkalke-Formation aufgebaut, die über den Gesteinen der Ornatenton-Formation (Mitteljura) abgelagert wurden. Der Albtrauf wandert aufgrund natürlicher rückschreitender Abtragungsprozesse immer weiter nach Südosten zurück. Anhand von Gesteinsbruchstücken des höheren Unterjuras im Tuffschlot des Scharnhauser Vulkans (Ostfildern) sowie anhand von oberjurassischen Kalksteinkomponenten der Unteren Felsen-Kalke-Formation bzw. gleichaltriger Schwammkalke in der Schlotfüllung des Kraftrains bei Kirchheim unter Teck lässt sich rekonstruieren, dass zumindest Abschnitte des Albtraufs im Tertiär (vor ca. 15 Mio. Jahren) etwa 10–15 km weiter nördlich als heute, im Bereich des heutigen Neckaroberlaufs südlich von Plochingen gelegen haben müssen (Schweigert, 2018).
Zum Inventar der rückschreitenden Abtragungsvorgänge gehören unter anderem Massenbewegungen wie Rutschungen, Bergstürze sowie Steinschlag- bis Felssturzereignisse, wodurch das Geländerelief des übersteilten Albtraufs auf natürliche Weise abgeflacht und allmählich in einen standfesteren Zustand überführt wird.
Das heutige Erscheinungsbild der Hänge am Albtrauf ist durch Denudation im Pleistozän und im Holozän entstanden. In den Hangprofilen lassen sich dabei zwei Entwicklungsprozesse nachvollziehen. Der Hangabtrag fand in weiten Teilen durch Massenbewegungen statt. Daneben lassen sich Hangbereiche erkennen, an denen Frostschutt dominiert, der an tiefer gelegenen Hangpartien als steinig-kiesige Fließerde (Solifluktion) über den Gesteinen des Mitteljuras hangabwärts gekrochen ist. Zumeist lässt sich eine Verzahnung zwischen diesen beiden Abtragungsprozessen beobachten, wonach Rutschmassen häufig von Hangschutt verhüllt sind (Schädel & Stober, 1988; Franz & Rohn, 2004).
Die tonigen Gesteine der Ornatenton-Formation erweisen sich als besonders rutschanfällig und deren Ausstrichbereiche am Hang sind durch junge Rutschvorgänge in Form von Rutschbuckeln (Stauchwülste) und abflusslosen Senken geprägt (Franz et al., 1987). Insbesondere Bäume mit Säbelwuchs deuten auf aktive Rutschungen hin, die zu Straßen- und Gebäudeschäden führen können (Hönig, 1984). Häufig sind in den Rutschungen am Albtrauf im Verband abgerutschte Schollen oberjurassischer Formationen enthalten und meist ist eine gegen den Hang einfallende Schichtung zu erkennen, die auf antithetische Rotationsbewegungen schließen lässt (Gwinner & Hafner, 1995; Krautter, 1995).
Die Ornatenton-Formation wird oft durch Karst- und Kluftwasser aus den Mergel- und Kalksteinen des Oberjuras sowie durch Wasser aus dem Oberjura-Hangschutt durchfeuchtet und aufgeweicht. Die an den Talhängen der Alb und am Albtrauf entstandenen Rutschungen wurden durch die relativ große Mächtigkeit der Ornatenton-Formation (bis 35 m) sowie die Übersteilung der Hänge infolge der intensiven, geologisch jungen Erosion an den Nebenflüssen des Neckars begünstigt. In diesem Gestein werden die Gleitflächen der spektakulärsten Rutschungen (z. B. an der Achalm) und Bergstürze Baden-Württembergs beobachtet (Ohmert, 1988a).
Die größten Rutschschollen am Albtrauf mit etwa 100 m hohen und nahezu 1 km langen, weithin sichtbaren Abrisswänden gingen in der letzten Eiszeit bei Hausen an der Fils nieder (Wagenplast, 2005). Generell haben sich die größten Rutschungsereignisse, die zu den heute am Fuß des Albtraufs vorhandenen Rutschmassen führten, überwiegend während den klimatisch besonders ungünstigen Bedingungen im Pleistozän ereignet. Im Holozän sind diese landschaftsformenden Rutschungsereignisse zurückgetreten, was jedoch prominente Einzelereignisse nicht ausschließt (z. B. Rutschung Bronner Mühle, 1960, Rutschung Achalm, 1965, Bergrutsch am Hirschkopf bei Mössingen, 1983) (Ohmert, 1988a; Gwinner & Hafner, 1995). Als jüngstes prominentes Einzelereignis ereignete sich am 02.06.2013 der Bergrutsch bei der Landhaussiedlung in Mössingen-Öschingen.
Derartige Bewegungen folgen oftmals älteren, eiszeitlich angelegten Strukturen, d. h. ältere Rutschmassen wurden dabei reaktiviert.
Die Kalk-, Mergel-, und Tonsteine des Obersten Mitteljuras und Oberjuras sind am Albtrauf meist mit schluffigem Hangschutt aus eckigen Kalk- und Mergelsteinbrocken und -scherben bedeckt. Das oftmals labile Hanggleichgewicht kann durch künstliche Eingriffe wie durch Abbau von Kalksteinschutt am Hangfuß, durch die Anlage von tiefen und/oder breiten Baugruben oder nach starken Regenfällen durch Wassersättigung des Hangschuttmaterials gestört werden und neue Rutschungen auslösen, bzw. alte Hangbewegungen reaktivieren. Der Großteil der Rutschungen erfasst dabei nur die Deckschichten, d. h. die ausgebildete Gleitfläche liegt oberflächennah im Hanglehm (Hönig, 1984).
Beim Bau der Bundesautobahn A 81 wurde eine Rutschscholle am „Galgenbuck“ nahe der BAB-Anschlussstelle Geisingen angeschnitten. Die Beseitigung des Erdwiderlagers im Zuge von Bauarbeiten löste neue Bewegungen der Rutschmassen aus, die durch Entwässerungsbohrungen sowie den Einbau von Drahtschotterkästen (Gabionen) zum Stillstand gebracht wurden (Hahn & Schreiner, 1976) .
Literatur
- (2004). Erläuterungen zu Blatt 8117 Blumberg. – 3. Aufl., Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., VII+196 S., 2 Beil., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg).
- (1987). Erläuterungen zu Blatt 7719 Balingen. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 146 S., 1 Taf., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1976). Geologische Untersuchungen beim Bau der Autobahnstrecke Geisingen-Engen (Baden-Württemberg). – Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins, N. F. 58, S. 83–99.
- (1984). Erläuterungen zu Blatt 7224 Schwäbisch Gmünd-Süd. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 152 S., 2 Taf., 4 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [Nachdruck 1994]
- (1995). Erläuterungen zu Blatt 7423 Wiesensteig. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 148 S., 5 Beil., Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1988a). Erläuterungen zu Blatt 7521 Reutlingen. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 222 S., 8 Taf., 6 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [Nachdruck 1994]
- (2018). Der Scharnhäuser Vulkan – eine Bestandsaufnahme 125 Jahre nach Brancos Beschreibung. – Jahreshefte der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg, 174, S. 191–207.
- (1988). Rezente Großrutschungen an der Schwäbischen Alb. – Jahreshefte des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, 30, S. 413–439.
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.