Ereignis
Im April 1988 ereignete sich nach anhaltenden Regenfällen am Hang des Killesberges im Wohngebiet Burghaldenweg/Happoldstraße in Stuttgart-Feuerbach eine großflächige Hangrutschung. Die Erdmassen führten zu erheblichen Schäden an Wohnhäusern und der erdverlegten Versorgungsleitungen. Die Bodenbewegungen beruhigten sich in den darauffolgenden Jahren (bis zum Abschluss der Sanierung des Hanges 1990) jeweils im Sommer und lebten im Herbst erneut auf (Wagenplast, 2005).
Morphologie und Geologie
Das Rutschgebiet befindet sich am Nordhang des Killesberges, der im mittleren und oberen Bereich eine Neigung von ca. 20° aufweist. Im unteren Hangbereich versteilt sich der Hang auf ca. 35°. Der Untergrund wird aus Gesteinen der Grabfeld-Formation (Mittelkeuper) aufgebaut, welche im oberen Hangbereich von Sandsteinen der Stuttgart-Formation (Mittelkeuper) überlagert werden (Rogowski et al., 2017). Die Sandsteine wurden im letzten Jahrhundert in Steinbrüchen oberhalb des Rutschgebietes abgebaut. Die bis zu 10 m mächtigen Abraummassen dieser Steinbrüche lagern überwiegend auf den Gesteinen der Stuttgart-Formation, bedecken jedoch auch Teile des beschriebenen Rutschgebietes (Wagenplast, 2005).
Am oberen Abriss entlang des Burghaldenweges betrug der Vertikalversatz der Rutschung bis zu 30 cm. Erkundungsbohrungen mit Neigungs- und Grundwassermessungen zeigten, dass die Gleitfuge der Rutschung bis ca. 16 m unter die Geländeoberfläche reichte. Sie erfasste sowohl die Auffüllmassen (natürlicher Hangschutt und Steinbruchabraummassen), als auch Schichten der Grabfeld-Formation (Wichter et al., 1991).
Ursachen und Auslöser
Unterhalb des Killesberges führte die fortschreitende Erosion des Feuerbachs während des Pleistozäns zu einer Übersteilung des Hanges und zur Bildung von Hangzerreißungsklüften in den Sandsteinen der Stuttgart-Formation. Über den aufgelockerten Gebirgsverband in den Sandsteinen konnte verstärkt Wasser in den Untergrund eindringen, welches die unterlagernden, veränderlich festen Gesteine der Grabfeld-Formation entfestigte und damit weiter zur Destabilisierung des Hanges beitrug. Große eiszeitliche Schollenrutschungen waren die Folge. Hinweise auf eine komplexe Ineinanderschachtelung von in sich geschichteten Teilschollen der Grabfeld-Formation konnte während der Herstellung der Schachtbrunnen (s. Sanierung) beobachtet werden (Wichter et al., 1991; Rogowski et al., 2017).
Die Standsicherheit des Hanges befand sich infolge der eiszeitlichen Rutschungen in einem labilen Gleichgewicht. Durch die Auflast der Abraummassen und durch die Sickerwasserzutritte aus den aufgefüllten Steinbrüchen wurden schließlich fossile Gleitflächen innerhalb der Grabfeld-Formation reaktiviert.
Bereits Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts setzten dort mehrfach nach starken Niederschlägen Rutschbewegungen ein, die sowohl die Auffüllungen, als auch die Grabfeld-Formation erfassten (Brunner, 1992). Rutschbewegungen am Killesberg waren somit schon vor dem Ereignis im April 1988 bekannt.
Im März 1988 fielen im nördlichen Baden-Württemberg Niederschläge mit etwa dem Vierfachen des langjährigen Mittels. Erste Hangbewegungen setzten vermutlich Ende März 1988 ein. Aus dem weiteren zeitlichen Verlauf der Bodenbewegungen war erkennbar, dass die Niederschlagsmenge und das vom Killesberg zufließende Hangwasser entscheidenden Einfluss auf die Rutschgeschwindigkeit hatten. Nachdem sich die Rutschbewegungen im Sommer beruhigten, beschleunigten sie sich erneut im Herbst (Wichter et al., 1991).
Sanierung
Um weitere Schäden an den Straßen, Gebäuden und Versorgungsleitungen zu verhindern, wurde eine umfangreiche Sanierung erforderlich. Aufgrund des erkennbaren starken Einflusses von Niederschlags- und Sickerwasser wurde eine effektive Hangentwässerung angestrebt. Daher wurden entlang der Happoldstraße und dem Burghaldenweg elf Brunnen mit einem Durchmesser von 5 m und Tiefen zwischen 10 m und 17 m bis in die anstehende Grabfeld-Formation abgeteuft und an der Sohle hydraulisch miteinander verbunden. Von den Brunnen aus in den Berg hinein vorgetriebene Entwässerungsbohrungen sollten möglichst viel Wasser bereits vor Eintritt in die Rutschmassen erfassen und ableiten. Die Brunnen dienten neben der Entwässerung auch einer Verdübelung der Rutschmassen. Sie wurden mit jeweils vier rückverankerten bewehrten Bohrpfählen an der bergseitigen Brunnenwand gesichert. Diese Maßnahmen zeigten noch während der Bauarbeiten Wirkung und die Hangbewegungen sind in der Folgezeit rasch abgeklungen (Wichter et al., 1991).
Nachfolgend sind die wichtigsten Punkte der Rutschung am Killesberg tabellarisch aufgelistet:
Stammdaten:
Objekt-ID |
7120_Ru00001 |
Objektname |
Hangrutschung Killesberg, Stuttgart-Feuerbach |
Lokalität |
Nordwesthang Killesberg, Burghaldenweg/Happoldstraße, Stuttgart- Feuerbach |
Gemeinde |
Stuttgart |
Stadt-/Landkreis |
Stuttgart |
TK25-Nr. |
7120/7121 |
TK25-Name |
Stuttgart-Nordwest/Stuttgart-Nordost |
Datengrundlage |
|
Lage-Bezugspunkt |
Höchster Punkt der Abrisskante/Hangbewegung |
Ostwert |
512195 |
Nordwert |
5406109 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
327 |
Höhenermittlung |
Karte |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
April 1988 |
Aktivität |
abgeschlossener Prozess |
Geländenutzung während der Entstehung |
Wohngebiet, Gemeindestraßen, Trinkwasserleitung, Abwasserleitung, Wald, Altablagerung |
Schäden |
Gebäudeschäden, Straßenschäden, Leitungsschäden |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Primärereignis |
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Prozess der Hauptbewegung |
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Max. Länge [m] |
ca. 154 |
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Max. Breite [m] |
ca. 240 |
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Fläche der Hangbewegung [m²] |
ca. 35 000 |
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Max. Tiefe der Gleitfläche [m] |
16 |
||
Durchschn. Tiefe der Gleitfläche [m] |
unbekannt |
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Fläche der Rutschmasse [m²] |
ca. 35 000 |
||
Kubatur der Rutschmasse [m³] |
unbekannt |
||
Höchster Punkt der Abrisskante [m ü. NHN] |
325 |
||
Höchster Punkt der Rutschmasse [m ü. NHN] |
325 |
||
Max. Höhenunterschied zwischen Abrisskante und Rutschmassentop [m] |
0,3 |
||
Tiefster Punkt der Rutschmasse [m ü. NHN] |
278 |
||
Max. Höhenunterschied (H) zwischen höchstem und tiefstem Punkt der Rutschung [m] |
47 |
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Exposition [°] |
330 |
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Durchschnittliche Hangneigung zwischen Abrisskante und Rutschmassenfuß [°] |
20 |
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Hangneigung [°] |
Oben (zwischen Abrisskante und Rutschmassentop) |
35 |
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Mitte (oberer Teil der Rutschmasse) |
10–25 |
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Unten (unterer Teil der Rutschmasse) |
20–35 |
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Ursache |
geogen |
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Auslöser |
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Geologie |
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Anthropogene Ablagerungen (Aufschüttung, Auffüllung) (qhy) |
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Stuttgart-Formation (kmSt) |
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Grabfeld-Formation (kmGr) |
Tonstein, Gips, Anydrit, (Dolomitstein) |
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Gefahrenbeurteilung |
unbekannt |
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Überwachungsmaßnahmen |
Inklinometermessungen (temporär) |
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Sicherungsmaßnahmen |
Entwässerungsbohrungen, Brunnenbohrungen, rückverankerte Bohrpfähle |
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Sonstige Anmerkungen |
fossile Gleitflächen, eiszeitliche Rutschschollen, schnelle Taleintiefung, Wechsellagerung wasserdurchlässiges/wasserundurchlässiges Gestein |
Literatur
- (1992). Erläuterungen zu Blatt 7120 Stuttgart-Nordwest. – 4. Aufl., Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 175 S., 6 Taf., 9 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (2017). Der Baugrund von Stuttgart – Erläuterungstext und digitale Baugrundgeologische Karten. 157 S., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau; Landeshauptstadt Stuttgart).
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.
- (1991). Hangstabilisierung mit verankerten Tiefbrunnen in einem Wohngebiet. – geotechnik, 14, S. 54–58.