Lithostratigraphische Untergruppe
Übergeordnete Einheit
Quartäre Süßwasserablagerung
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Zu den Talverschüttungssedimenten zählen Flussablagerungen in heute aufgegebenen Talabschnitten. Talverschüttungssedimente sind in rhenanischen und danubischen Flusssystemen entstanden. In den Kaltzeiten transportierten die Flüsse der eisfreien Gebiete höhere Sedimentmengen. Die Talböden wurden aufgefüllt und verbreitert. Auch die starke Anhebung des Vorflutniveaus kann einen Beitrag zur Aufschotterung leisten. Während Klimaänderungen oder tektonischen Bewegungen räumten die Flüsse einen Teil der Terrassensedimente wieder aus, lokal konnten durch spezielle Gegebenheiten Reste der Aufschotterung erhalten bleiben. Wenn dieselbe Abflussrichtung weiter benutzt wurde, sind jüngere Sedimente oft in die älteren Talverschüttungssedimente eingeschnitten.
Talverschüttungssedimente sind in Baden-Württemberg aus dem Maintal bei Wertheim, aus dem Neckartal bei Heilbronn, aus der aufgegebenen Neckarschleife bei Mauer, aus dem Murrtal und aus der Baar bei Donaueschingen-Hüfingen bekannt. Hinzu kommen die Ablagerungen der Urbrenz im Raum Ellwangen-Aalen (Geyer et al., 2011).
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Die fluvialen und seltener auch lakustrinen Talverschüttungssedimente werden nach ihrem Verbreitungsraum in sieben Formationen untergliedert:
- Die Sande und Schotter über der Erosionsbasis des Murrtals werden als Steinheim-Murrtalverschüttung bezeichnet. Sie liegen unter den in sie eingeschachtelten jüngeren Terrassen und Talsedimenten und sind Fundsediment des Homo h. steinheimensis.
- Die Sand- und Schotterablagerungen der Urbrenz werden als Goldshöfe-Sand bezeichnet. Sie setzen sich aus mächtigen quarzreichen Sedimenten zusammen und stellen die jüngsten Zeugen der nach Süden gerichteten danubischen Entwässerung im Albvorland dar (Simon, 1988a; Zeese, 1972). Die Süd- oder Südost-Schüttungsrichtung ist gegenläufig zur heutigen Abflussrichtung und abweichend vom heutigen Talverlauf. Die in den Sanden enthaltenen Quarze stammen überwiegend aus spättriassischen Sandsteinen des nördlich gelegenen Keuperberglands (Pahl, 1924). Durch die später einsetzende rhenanische Erosion sind die Goldshöfe-Sande heute nur noch auf Hochflächen entlang von Lein, Kocher und Jagst vorhanden.
- Die im Raum Heilbronn verbreiteten Sand- und Schotterablagerungen des Neckars werden als Frankenbach-Schotter bezeichnet. Die Frankenbach-Schotter wurden als Hochterrassenschotter in einem früheren breiten Tal des Neckars abgelagert, wo im Bereich der Heilbronner Mulde durch tektonische Absenkung Raum für die Ablagerung von Sediment entstanden war. Sein Einzugsgebiet hatte der Neckar zur Zeit der Ablagerung der Frankenbach-Schotter bis zum Bereich der Schwäbischen Alb erweitert, da Kalksteingerölle aus dem Oberjura abgelagert wurden.
- Die Sand- und Schotterablagerungen des Neckars im Raum Eberbach werden als Eberbach-Neckartalverschüttung bezeichnet. Dort bildete der Neckar eine Schlinge um einen Umlaufberg, die er im Mittleren Pleistozän durch Abschnürung und somit eine Verkürzung des Flusslaufs wieder verlassen hat.
- In der aufgegebenen Talschleife von Mauer wurden die Mauer-Sande, sandige, tonige Feinsedimente und Schotter abgelagert. Sie entstanden ebenfalls durch Aufschotterung eines alten Neckarlaufs und enthalten Weißjuragerölle als Leitgeröll für Neckarschotter. Nach der Ablagerung der Schotter konnte der Neckar auch hier seinen Lauf verkürzen und die Schlinge abschnüren, weshalb sie vor erneuter Erosion geschützt war. Die Mauer-Sande bilden eine Randfazies zur Ludwigshafen-Formation im Oberrheingraben, sind also zeitgleich entstanden.
- Die Sand- und Schotterablagerungen des Mains bei Wertheim werden als Wertheim-Maintalverschüttung bezeichnet. Die Basis der Schotter liegt im Bereich der heutigen Mainaue, während die Aufschüttungsfläche (A-Terrasse) über den mittelpleistozänen Terrassen liegt.
- Im Bereich der Baar bei Donaueschingen-Hüfingen und im Unterlauf der Donau-Quellflüsse (Brigach, Breg) kommen Talverschüttungssedimente bzw. Ältere Schwarzwaldschotter mit einem hohen Anteil an zersetzten Geröllen vor, diese werden unter dem Begriff Donaueschingen-Schotter zusammengefasst. Die Herkunft dieser Schotter ist lokal (Schwarzwald).
Mächtigkeit
Als Ursache einer Talverschüttung kommt eine anhaltende tektonische Absenkung eines Talabschnittes oder starke Anhebung des Vorflutniveaus in Frage. Dabei können sich mehrere Talkieszyklen übereinander ablagern. Am Main bei Wertheim wurden so bis zu 50 m mächtige cromerzeitliche Sedimente abgelagert. Die Goldshöfe-Sande sind bis zu 20 m mächtig, ähnlich wie die bis 25 m mächtigen Frankenbach-Schotter oder die Mauer-Sande mit einer Mächtigkeit von über 30 m. Die jüngeren Murrsedimente der Steinheim-Murrtalverschüttung weisen eine Mächtigkeit bis 15 m auf.
Alterseinstufung
Das Alter des Großteils der Talverschüttungssedimente reicht vom Früh- bis zum Mittelpleistozän. Die Eberbach-Neckartalverschüttung und die Mauer-Sande haben mittelpleistozänes Alter (Cromer).
Sonstiges
Durch den jahrzehntelangen Rohstoffabbau der Talverschüttungssedimente von Hand wurde eine große Anzahl von quartären Fossilien, unter anderem Großsäuger wie Flusspferde, Waldnashörner, Waldbisons, Bären, Säbelzahnkatzen oder Löwen, gefunden. Viele der Fossilien wurden in Zusammenarbeit mit dem heutigen staatlichen Museum für Naturkunde für die ehemals königliche (nachmals Württembergische) Naturaliensammlung geborgen (Sauer, 1985). Die Mauer-Sande und die Sande und Schotter der Steinheim-Murrtalverschüttung sind bekannt für ihre Urmenschenfunde. Der Fund eines Unterkiefers bei Mauer gehört zu einem der ältesten bekannten Vertreter der Spezies Homo heidelbergensis. Der im Jahr 1933 in der Alten Kiesgrube Sigrist bei Steinheim an der Murr entdeckte fossile, als Homo steinheimensis beschriebene Schädel stammt aus der Holstein-Warmzeit (Brunner, 1994). Zudem fand sich bei Steinheim ein vollständiges Mammutskelett neben Resten von Auerochsen, Steppenwisent, Wasserbüffeln, Wildpferden, Nashörner, Flusspferden sowie Rothirschen und Riesenhirschen (Geyer et al., 2011).
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (1994). Erläuterungen zu Blatt 7021 Marbach am Neckar. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 218 S., 9 Taf., 10 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (2011). Geologie von Baden-Württemberg. 5. völlig neu bearb. Aufl., 627 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (2008). Paläo- und umweltmagnetische Untersuchungen an Sedimenten der Bohrung Frankenbach. – Hansch, W. & Rosendahl, W. (Hrsg.). Der erste Mensch in Mitteleuropa – 600 000 Jahre Zeitgeschichte am Neckar am Beispiel der Kiesgrube „Ingelfinger“ in Frankenbach bei Heilbronn, S. 68–77, Heilbronn (museo, 24).
- (1924). Die Goldshöfer Sande und die Höhensande der Ostalb. – Dissertation Universität Tübingen, 100 S.
- (1985). Erläuterungen zu Blatt 6618 Heidelberg-Süd. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 110 S., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1988a). Flussgeschichte von Kocher und Jagst. – Hagdorn, H. (Hrsg.). Neue Forschungen zur Erdgeschichte von Crailsheim, S. 241–254, Stuttgart, Korb (Sonderbände der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg, 1).
- (1972). Die Talentwicklung von Kocher und Jagst im Keuperbergland: Flussgeschichte als Beitrag zur Deutung der Schichtstufenmorphogenese. – Tübinger Geographische Studien, 49, S. 1–121.