Ereignis
Am Nachmittag des 10. Januar 1954 ereignete sich im Ortsteil Göschweiler (Stadt Löffingen) im Gewann Roßhag ein eindrucksvoller Erdfall, bei dem eine ca. 20 m breite Doline einstürzte und einen ca. 40 m tiefen, nahezu senkrechten Schlot freigab. Der Einsturz wurde durch ein dumpfes Grollen wahrgenommen und konnte sogar von der Erdbebenwarte Basel registriert werden. 2013 stürzte ein 70-jähriger Mann in die Doline Göschweiler, der von der Bergwacht mit einem Helikopter gerettet werden musste.
Geologische Verhältnisse
Der Erdfall liegt auf dem orographisch höchsten, die Umgebung beherrschenden Punkt, etwas östlich der Ortschaft Göschweiler (Gewann Roßhag) im Alb-Wutach-Gebiet (Gäulandschaften). Die auf etwa 900 m ü. NHN gelegene Hochfläche baut sich aus Gesteinen des Oberen Muschelkalks auf. Diese mesozoischen Sedimentgesteine sind auf der Kuppe von einer mehrere Meter mächtigen Decke eiszeitlicher Schotter überlagert. Es handelt sich dabei um bindige, stark verwitterte, aus gut gerundeten Buntsandstein- und Kristallingeröllen bestehende Höhenschotter (Göschweiler Schotter), die dort von der eiszeitlichen Feldbergdonau, der Vorläuferin der heutigen Wutach, hinterlassen wurden. Unter den Schottern stehen einige Meter mächtige Gesteine der Rottweil-Formation (Trigonodusdolomit) an, die von ca. 40 m mächtigen Kalksteinabfolgen der Meißner-Formation und Trochitenkalk-Formation unterlagert werden. Unter diesen vorwiegend kalkigen Abfolgen des Oberen Muschelkalks schließen sich ca. 10 m mächtige Dolomitgesteine der Diemel-Formation an, unterlagert von bis zu 50 m mächtigen Sulfatgesteinen (Gips, Anhydrit, evtl. Steinsalzlagen) des Mittleren Muschelkalks. Darunter folgen die Gesteine des Unteren Muschelkalks sowie des Buntsandsteins und schließlich Granit und Gneis des kristallinen Schwarzwalds.
Doline vom 10.01.1954
Am Ereignistag wurde der Erdfall (Einsturzdoline) durch einen Jäger als „großes schwarzes Loch“ mit einem Durchmesser von 10 m beschrieben, welches sich markant von der mit Schnee bedeckten Umgebung abhob (Sauer, 1954). Als eine Zwischentauperiode einsetzte, vergrößerte sich der Durchmesser. Mit dem Ende des Winterfrostes wiederholte sich dieser Effekt. Am 22.03.1954 hatte das runde Loch einen N–S-Durchmesser von etwa 18 m und einen O–W-Durchmesser von ca. 20 m. Im Laufe des Frühjahrs und Frühsommers gefallene Niederschläge förderten ein weiteres Abbrechen der Ränder.
In der Vertikalen verengte sich die Doline unter Beibehaltung der Kreisform trichterförmig bis etwa 14 m unter Gelände, wo der kreisförmige Querschnitt in ein Trapez übergeht. Die Gestaltänderung des Querschnittes beruht im Wesentlichen auf dem vorherrschenden Kluft- bzw. Trennflächensystem, welches in den liegenden Partien des Oberen Muschelkalks besonders deutlich wird. Die Wände sind mehr oder weniger saiger (vertikal). Die sichtbare Sohle der Doline liegt bei 38 m unter Gelände. Diese stellt jedoch nur das Dach des beim Einbruch eingestürzten Gesteinsmaterials dar, unter dem sich die wahre Tiefe des Erdfalls verbirgt.
Bei näherer Betrachtung am 12. Februar 1954 mittels einer Seilwinde und daran befestigtem Förderkorb ergab sich, dass von dieser Sohle ein natürlicher Schrägabwärtsschacht in NNO-Richtung in einen in derselben Richtung streichenden, ca. 30 m hohen Hohlraum führt. In dieser Nebenkammer ist die Grenze von Oberem zum Mittleren Muschelkalk deutlich aufgeschlossen. Bankige, dunkle Kalke der Trochitenkalk-Formation liegen hier über hellen, mergelig-dolomitischen Ablagerungen der Diemel-Formation, die von zahlreichen, bis mehrere Zentimeter hohen Hornsteinbändern durchzogen oder von einzelnen Hornsteinknollen durchsetzt sind. Die Sohle des natürlichen Schrägschachtes wird von sehr großen, bis Kubikmeter großen Blöcken herabgestürzten Felsmaterials gebildet. Die Halde hat ein Gefälle von 30–40° nach Norden. Der First des Schachtes wird von einer horizontalen bzw. schräg nach NW ansteigenden Schichtfläche in der Trochitenkalk-Formation gebildet, sodass der Schrägschacht nach unten divergiert. In der Decke sind rheinisch und erzgebirgisch (variskisch) streichende Klüfte zu beobachten. An einigen ihrer Kreuzungspunkte haben sich kleine, fast senkrecht nach oben fortsetzende Röhren gebildet, auf denen Wasser in den Hohlraum dringt.
Die im Bereich des Schlotes zu beobachtenden Phänomene (Karrenbildungen, ausgeprägte Karstschlotten, Eisen-Mangan-Ausfällungen, ausgeprägte Verwitterung etc.) zeigen an, dass der Hohlraum in den klüftigen Kalken schon lange bestand und dass beim Einsturz im Januar 1954 nur noch die wesentlich aus bindigem Material aufgebaute Decke von 8 m Dicke nachgebrochen ist.
Der aufgetretene Erdfall ist das Ergebnis natürlicher Verkarstungsprozesse, die innerhalb der lösungsfähigen Gesteine des Mittleren und Oberen Muschelkalks ablaufen und an der Erdoberfläche als Einsturz- und Lösungsdolinen in Erscheinung treten. Ursache zur Bildung von Dolinen ist der von der Oberfläche her einsickernde Niederschlag, der sowohl kalkaggressiv als auch fähig ist, große Mengen von in 50 bis 100 m Tiefe anstehendem Sulfat sowie ggf. Steinsalz zu lösen und mit dem Grundwasserstrom abzuführen. Der ablaufende Verkarstungsprozess ist somit eine Kombination von Karbonat-, Sulfat- und ggf. auch Chloridkarst. Beginnend an den Klüften entstehen im Untergrund durch Auslaugung im Zeitraum von Jahrhunderten bis Jahrtausenden unterschiedlich große Hohlräume, die ab einer bestimmten Größe instabil werden und entweder schlagartig zur Tagesoberfläche durchbrechen oder sukzessive über Jahre und Jahrzehnte nach oben brechen.
Der Einbruch von 1954 liegt am Nordrand einer alten, 80 m nach Süden langgestreckten, vermutlich 1903 eingestürzten Doline, die teilweise verfüllt und zwischenzeitlich mit alten Bäumen bewachsen ist. Grundsätzlich ist eine Verbindung nach Süden, also zur Wutach hin, zu mutmaßen. So konnte z. B. der Wirt der Schattenmühle in den Tagen unmittelbar nach dem Einbruch 1954 eine Trübung seiner Quelle beobachten, welche im Tobel zwischen Schelmenhalde und Glöcklerhalde im Grenzgebiet vom Mittleren zum Oberen Muschelkalk austritt. Da zum Ereigniszeitpunkt die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt lagen, ist eine Trübung durch Niederschläge auszuschließen. Darüber hinaus existieren zwei deutliche Senken in der streichenden Fortsetzung nach Südwesten sowie im Gewann „Lochäcker“. So besteht die berechtigte Annahme, dass es sich bei dem Dolineneinbruch um ein beachtliches Ergebnis eines nach Nordosten fortschreitenden, unterirdischen Zubringers der Wutach handelt, der das lebendige geologische Geschehen in dieser Gegend eindrücklich dokumentiert.
Aktuelle Ereignisse
Die beschriebenen Lösungsprozesse dauern bis heute an und führen immer wieder zu Problemen. Neben dem eindrücklichen Tagbruch der Einsturzdoline vom Januar 1954 ist es auf den Acker- und Wiesenflächen in den Gewannen Roßhag, Lautenlinden, Oberholz und Lochäcker immer wieder zu kleineren Bodeneinsenkungen und Einbrüchen gekommen, die rasch verfüllt und häufig nicht weiter gemeldet wurden. Am 27.09.2013 brach auf dem als Acker genutzten Flurstück Nr. 1230/1 im Gewann Roßhag bzw. Lautenlinden der Gemarkung Göschweiler beim Befahren mit einem Traktor eine Doline ein.
Dabei gab der Untergrund während der Feldarbeiten mit der Egge plötzlich nach, sodass der Traktor leicht zu einer Seite einsank, aber keinen Schaden nahm. Entstanden war ein längsovaler, etwa 1,4 m auf 0,8 m großer Einbruch. An zwei Seiten waren die Ränder des Erdfalls deutlich überhängend. Nach genauerer Untersuchung wurde die Tiefe des sogenannten „Schulerschachts“ auf ca. 35 m bestimmt. Damit ist der Schulerschacht der tiefste natürliche Direktschacht im Muschelkalk-Karst von Südwestdeutschland. Der Schacht wurde im Frühjahr 2014 verschlossen, ist für die Forschung aber weiterhin zugänglich.
Nachfolgend sind die wichtigsten Merkmale des Erdfalls Göschweiler tabellarisch aufgelistet:
Stammdaten:
Objekt-ID |
8115Ka00001 |
Objektname |
Erdfall Göschweiler |
Lokalität |
Gewann Roßhag |
Gemeinde |
Löffingen |
Stadt-/Landkreis |
Breisgau-Hochschwarzwald |
TK25-Nr. |
8115 |
TK25-Name |
Lenzkirch |
Datengrundlage |
Dokumentenrecherche, Geländebegehung, DGM |
Lage-Bezugspunkt |
Zentrum des Subrosionsobjekts |
Ostwert |
449600 |
Nordwert |
5301260 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
900 |
Höhenermittlung |
Karte |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
1900–1999 |
Aktivität |
Aktivität unbekannt |
Geländenutzung während der Entstehung |
Ackerland |
Schäden |
keine |
Spezielle Fachdaten Verkarstung/Subrosion/Suffosion:
Primär-/Folgeereignis |
Primärereignis |
||
Subrosions-/Suffosionsobjekt |
|||
Ursache |
Karbonatkarst |
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Geologie |
Entstehungshorizont |
Stratigraphie |
|
Mittlerer und Oberer Muschelkalk |
|||
Geländeoberfläche |
Stratigraphie |
Petrographie |
|
Buntsandstein- und Kristallingerölle |
|||
Entstehungstiefe [m. u. GOK] |
Obere Grenze |
8 |
|
Untere Grenze |
> 38 |
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Max. oberer (oberflächennaher) Durchmesser [m] |
20 |
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Max. unterer (basaler) Durchmesser [m] |
unbekannt |
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Max. Tiefe [m] |
38 |
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Hohlraumvolumen [m3] |
ca. 10 000 |
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Aufsichtsform an der GOK |
rundlich |
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Profilform |
trichterförmig |
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Zustand zum Zeitpunkt der Aufnahme |
unbeeinflusst |
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Letzter bekannter Zustand |
unbeeinflusst |
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Hydrografischer Zustand zum Zeitpunkt der Aufnahme |
trocken |
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Letzter bekannter hydrografischer Zustand |
trocken |
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Sicherungsmaßnahmen |
ja |
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Sonstige Anmerkungen |
Absperrung des Gefahrenbereichs durch Zaun |
Literatur
- (2014). Der Schulerschacht bei Löffingen (8115/3). – Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Muschelkalkkarst e. V., 31, S. 15–19, 1 Plan.
- (1954). Pleistozänes und holozänes geologisches Geschehen aus dem Wutachgebiet. – Mitteilungen des Badischen Landesvereins für Naturkunde und Naturschutz, N. F. 6(2), S. 82–84.