Übersicht, Bezeichnung und Verbreitung
Beim Angulatensandstein handelt es sich nicht um einen einzelnen, mehr oder weniger geschlossenen Sandsteinkörper, wie es z. B. beim Buntsandstein oder bei den Strängen des Schilfsandsteins der Fall ist. Vielmehr existieren mehrere Sandsteinhorizonte, die jeweils vergleichsweise geringe laterale Erstreckung aufweisen. Man müsste daher eigentlich von „den Angulatensandsteinen“ sprechen. Werksteintaugliche und ausreichend mächtige Abschnitte sind z. B. zu finden beim Ebersbacher Sandstein in der Umgebung von Plochingen, südöstlich Stuttgart, und beim Gmünder Sandstein im Raum Schwäbisch Gmünd (s. Übersichtskarte). Ein größeres Verbreitungsgebiet besitzt der bei Plochingen in vier Horizonten auftretende Hauptsandstein, dessen unterster Horizont vom Stuttgarter Raum bis nach Aalen und Ellwangen reicht.
In den genannten Gebieten wurden aber nicht nur Sandsteine der Angulatensandstein-Formation abgebaut, sondern auch solche, die aus geologisch-stratigraphischer Sicht der Arietenkalk- und Psilonotenton-Formation zugerechnet werden. Hierzu gehören z. B. der Plochinger Sandstein in der Arietenkalk-Formation sowie der Ellwanger, Mutlanger und Esslinger Sandstein in der Psilonotenton-Formation. Die meisten Sandsteinbänke, nämlich der Hauptsandstein und der Gmünder Sandstein, gehören stratigraphisch aber zur Angulatensandstein-Formation des Unterjuras, früher auch als Schwarzer Jura oder Lias bezeichnet. In geologischen Arbeiten verwendete Abkürzungen sind: juAS, früher Lias α2, Hettangium 2. Sie bilden mit den Gesteinen der Psilonotenton- (juPT) und Arietenkalk-Formation (juAK) die unterste Schichtstufe der Schwäbischen Alb von der Westalb bis zum Ries. Die stratigraphische Bezeichnung Angulatensandstein geht auf das Leitfossil dieser Schichten zurück, der Ammonitenart Schlotheimia angulata. Daher wurden die Sedimentgesteine der Angulatensandstein- bzw. Angulatenton-Formation früher als Schlotheimien-Schichten bezeichnet.
Lithologisch sind die Sandsteine der o. g. Horizonte sehr ähnlich, sodass am Hand- oder Werkstück kaum zu entscheiden ist, aus welchem Niveau der verwendete Sandstein stammt. In der Natursteinpraxis werden sie daher alle als Angulatensandsteine bezeichnet. Im Volksmund sind die Sandsteine aber auch als „Buchstein“ oder „Malbstein“ bzw. „Malmstein“ bekannt, da sie in Folge von Verwitterung oftmals in dünnschichtigen Lagen aufspalten oder mehlig absanden (Frank, 1965). Bisweilen kommen in den Sandsteinen rostbraune Bänderungen vor, die auf eisenhaltige Formationswässer zurückzuführen sind und dem sonst gleichmäßigen Gestein eine abwechslungsreiche Struktur verleihen.
Das schematische West–Ost-Profil von Trinkle (1972) zeigt die Lage der Sandsteinhorizonte der Angulatensandstein- und Psilonotenton-Formation im Raum Schwäbisch Gmünd. Die Sandstein- und Tonsteinschichten der oben genannten Formationen überlagern den Knollenmergel und die ebenfalls oft als Naturwerksteine nutzbaren Stubensandsteine des Keupers. Über den Angulatensandsteinen folgen die Kalksteine der Arietenkalk-Formation. Im schematischen geologischen Schnitt sind weiterhin die schwankenden Mächtigkeiten sowie das häufige Auskeilen einzelner Horizonte zu erkennen, wie z. B. beim Gmünder Sandstein. Westlich einer Linie Stuttgart–Tübingen–Hechingen nimmt die Anzahl der Sandsteinhorizonte ab. Sie gehen hier in die Tonsteine der Angulatenton-Formation über (Simon, 2004a). Im Osten setzen die Angulatensandsteine im Bereich des Impaktkraters des Nördlinger Rieses aus und treten erst am Hesselberg bei Wassertrüdingen (Mittelfranken) wieder auf. Die Mächtigkeit der Angulatensandstein-Formation schwankt zwischen 8 und 12 m. Bei Plochingen erreicht sie einen Maximalwert von 20 m (Bloos, 1976). Die darin auftretenden Sandsteinhorizonte sind zwischen 1,5 und 10 m mächtig; die einzelnen Sandsteinbänke selbst sind zwischen 0,2 bis 1,5 m dick (Frank, 1965).
Geologisches Alter, Entstehung
Die rund 200 Mio. Jahre alten Angulatensandsteine gehen auf marine Ablagerungen zurück. Im Unterjura lag das heutige Vorland der Schwäbischen Alb im Bereich eines Flachmeeres. Die Küstenlinie war ca. 120 km entfernt und befand sich in der Region von Weißenburg (Mittelfranken; Bloss, 1976). In westliche Richtung nahm die Wassertiefe langsam zu, wie die Tonsteine der Angulatenton-Formation in der Westalb zeigen.
Die Feinsande bestehen aus Verwitterungsprodukten, die aus Skandinavien mit der Meeresströmung antransportiert und in einem breiten Streifen von der westlichen Ostsee bis zum Bodensee und Allgäu abgelagert wurden. Innerhalb dieses Ablagerungsraums änderten sich die Sedimentationsbedingungen immer wieder, weshalb es zu einer Wechselfolge aus Feinsandsteinhorizonten, Tonsteinen, Mergelsteinen und Kalksteinen kam.
Gesteinsbeschreibung, technische Eigenschaften und Verwendung
Die plattigen bis bankigen Sandsteine der Angulatensandstein-Formation sowie der genannten unmittelbar über- und unterlagernden Formationen setzen sich aus Grobsilt- bis Feinsandsteinen, partienweise auch aus fein geschichteten Kalksandsteinbänken zusammen. Angewitterte Werksteine spalten oftmals in dünnen Lagen auf. Durch die Oxidation des im karbonatischen Bindemittel enthaltenen Eisens erhält er im Anschnitt bzw. auf Bearbeitungsflächen seine charakteristische gelblich braune Färbung. Nach Analysen von Bloos (1976) setzt sich der Sandstein zu 93–99 Vol.‑% aus eckigen bis kantengerundeten, z. T. aus gut gerundeten Quarzkörnern zusammen. Nebengemengteile sind mit 0–6 Vol.‑% Feldspäte (vorwiegend Orthoklas). In geringen Mengen treten Muskovit und Biotit, Tonminerale sowie die Schwerminerale Zirkon, Turmalin, Rutil und Granat auf.
Die Kornbindung der Sandsteine ist karbonatisch, tonig-ferritisch oder kieselig. Die kieselige Bindung tritt nur im westlichen Teil des Verbreitungsgebiets, z. B. westlich von Stuttgart, auf. Dagegen ist die Zementierung der Komponenten mit Kalzit weiter verbreitet und kommt in allen Sandsteinhorizonten vor. Nicht kalkige Sandsteine besitzen zumeist ein tonig-ferritisches Bindemittel. Die Sandsteine sind in der Regel gelblich-bräunlich gefärbt und zeigen bisweilen Eisenhydroxidflecken bzw. ‑ringe. Im frischen Zustand sind vor allem die karbonatisch gebundenen Angulatensandsteine blaugrau bis grau.
Untersuchungen an Angulatensandsteinen aus Steinbrüchen bei Vaihingen, Esslingen, Plochingen und Frickenhofen bei Gaildorf ergaben Druckfestigkeiten von 69–75 MPa für karbonatisch bis tonig-ferritisch gebundene Typen (Frank, 1944, 1949). Im Bereich von Stuttgart-Vaihingen wurde ein Kalksandstein mit einer Druckfestigkeit von 188–204 MPa gewonnen; dieser fand als Pflasterstein Verwendung („Vaihinger Pflasterstein“; Frank, 1960; Ströbel & Wurm, 1977). Zu diesem Zweck wurden auch verkieselte Sandsteine aus Plochingen abgebaut, die mit 91–132 MPa ebenfalls recht hohe Druckfestigkeiten besitzen. Die Rohdichte der untersuchten Angulatensandsteine schwankt zwischen 2,1 und 2,6 g/cm3.
Angulatensandsteine mit hohen Druckfestigkeiten wurden im Straßenbau nicht nur als Pflastersteine, sondern auch als Vorlagesteine und Schotter verwendet. Schon die Römer nutzten dieses Material, um damit Straßen zu befestigen und Mauern für Kastelle und Stützpunkte zu errichten, wie Grabungen bei Schwäbisch Gmünd belegen. Besonders zwischen dem Mittelalter und dem letzten Jahrhundert wurden die Angulatensandsteine als Mauersteine verwendet. Aus ihnen wurden mittelalterliche Stadtmauern, Kirchen und Türme errichtet, wie vor allem große, steinsichtige Bauwerke in Schwäbisch Gmünd belegen. Ein weiteres schönes Beispiel stellt die Esslinger Burg dar. Im Mittelalter wurde der Angulatensandstein bisweilen auch für figürliche Arbeiten verwendet. Eine der frühesten bekannten Steinmetzarbeiten ist die staufische Madonna, die aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert stammen dürfte („Pfeilermadonna“; Kissling, 2000). Auch heute wird der Angulatensandstein noch gelegentlich als Bildhauermaterial genutzt, so z. B. vom Steinbildhauermeister Franz Huber in Schwäbisch Gmünd.
Schleifsteine aus Angulatensandstein waren sehr geschätzt und wurden weit über die Grenzen von Württemberg gehandelt. Ferner wurden Fundamente, Keller, Wohnhäuser, Schulen und Amtsgebäude aus diesen Feinsandsteinen errichtet. Schöne Beispiele bietet die Umgebung von Schwäbisch Gmünd und Stuttgart-Vaihingen (Frank, 1960; Mayer, 2010; Ströbel & Wurm, 1977). In Stuttgart-Vaihingen sind einige gut erhaltene, steinsichtige Villen aus Angulatensandstein zu finden. Das Material ist hier sehr hart und verwitterungsbeständig. Für den Wiederaufbau der Burg Hohenzollern im 19. Jahrhundert wurde Angulatensandstein aus der Umgebung von Hechingen verarbeitet; er fand sowohl für die Fassaden als auch für die Treppen Verwendung (Schmierer, 1925a).
Gewinnung und Verarbeitung
Abgebaut wurde der Angulatensandstein in einer Vielzahl von Steinbrüchen entlang der Schwäbischen Alb sowie westlich von Stuttgart. Zentren der Gewinnung lagen bei Balingen, Stuttgart-Vaihingen, Esslingen, Plochingen und in der Umgebung von Schwäbisch Gmünd. Für die Lagerstättenkartei des LGRB von Nordwürttemberg sowie von Württemberg-Hohenzollern nahmen F. Weidenbach und Mitarbeiter um 1947 sowie A. Schreiner im Zeitraum 1950–52 insgesamt 44 Abbaustellen auf, in denen zu dieser Zeit noch Angulatensandsteine (zeitweise) abgebaut wurden. Eine aktuelle Auswertung geologischer Karten und des digitalen Geländemodells (DGM) ergab, dass noch 32 weitere Steinbrüche in der Region Ostwürttemberg auffindbar sind, in denen Sand- und Kalksteine der Angulatensandstein- und Arietenkalk-Formation (oft aus den selben Brüchen) gewonnen wurden.
Von den somit insgesamt 76 Steinbrüchen waren zur Zeit der Erhebung durch Weidenbach und Schreiner noch zehn Steinbrüche, einige nur gelegentlich, in Betrieb. Beschäftigt waren in dieser Zeit jeweils zwischen einem und acht Arbeitern. Nach dem Lösen der Quader aus dem Verband fand das Vorrichten zu Werksteinblöcken bzw. die Bearbeitung zu Mauersteinen und die Zerkleinerung von Reststücken zu Vorlagesteinen für den Wegebau statt. In der genannten Lagerstättenkartei sind zwei Steinbrüche aufgeführt, in denen eine Brecheranlage zur Herstellung von Schottern vorhanden war. Im Gebiet bei Stuttgart-Vaihingen wurden aus dem dort harten Angulatensandstein Mauer- und Pflastersteine gefertigt. Nach Ströbel & Wurm (1977) waren die Steinbrüche bei Stuttgart-Vaihingen im Gewann Heßäcker und beim Jägerhof am längsten zur Gewinnung von Pflaster- und Mauersteinen in Betrieb; der letzte verschwand um 1977 beim Ausbau der B14.
Potenzial
Der Angulatensandstein wird heute nirgends mehr abgebaut, auch für Restaurierungsmaßnahmen steht zurzeit kein Steinbruch zur Verfügung. Die alten Brüche sind verbrochen und oft mit Abraum bedeckt, verfüllt oder überbaut. Die im Hangenden der Sandsteinbänke auftretenden Tonsteine führen zu einer geringen Standfestigkeit der Steinbruchwände, so dass schon wenige Jahre nach der Stilllegung die einst genutzten Sandsteinbänke kaum mehr erkennbar sind. Gelegentlich treten verwertbare Angulatensandsteinblöcke bei Tunnel- und Straßenbaumaßnahmen oder in Baugruben auf. Rührige Steinmetz- und Restaurierungsbetriebe sichern sich gerne diese selten gewordenen Sandsteine als Bildhauermaterial.
Wegen der schlechten Aufschlussverhältnisse können derzeit keine Aussagen zu Gebieten mit interessanten Vorräten an Angulatensandsteinen gemacht werden; Schurf- und Bohrarbeiten wären erforderlich. Einige der oben genannten fast 80 Steinbrüche würden sich dafür sicher eignen. Aufgrund der geringen Mächtigkeit der Werksteinhorizonte von oft nur einigen Metern, sind zum Auffinden geeigneter Bereiche zur Wiederaufnahme einer Gewinnung in den meisten Fällen zahlreiche Kernbohrungen erforderlich. Das Potenzial im Umfeld der auf der Übersichtskarte dargestellten Steinbruchgebiete ist bislang nicht geprüft worden.
Kurzfassung
Der unterjurassische Angulatensandstein ist ein gelblich brauner, bankiger bis plattiger Grobsilt- bis Feinsandstein, der im Vorland der Schwäbischen Alb von Stuttgart bis Ellwangen in verschiedenen Horizonten auftritt. Nicht alle der 1,5 bis 10 m mächtigen Sandsteinhorizonte gehören der stratigraphischen Angulatensandstein-Formation an. Es wurden auch Feinsandsteine der Arietenkalk- bzw. Psilonotenton-Formation gewonnen. Die Sandsteine wurden für Mauerwerk von der Römerzeit über das Mittelalter bis in die Neuzeit genutzt. Im 19. und 20. Jahrhundert verwendete man insbesondere die harten Sandsteine aus dem Raum Stuttgart als Pflaster- und Vorlagesteine. Heute ist kein Steinbruch im Angulatensandstein in Betrieb. Wichtige Bauwerke: Reste römischer Wachtürme und Stützpunkte im Raum Aalen–Schwäbisch Gmünd, Königsturm, Stadtmauer, Kirchen und Häuser in Schwäbisch Gmünd und Umgebung, Burg Esslingen und Burg Hohenzollern bei Hechingen.
Literatur
- (1976). Untersuchungen über den Bau und Entstehung der feinkörnigen Sandsteine des Schwarzen Jura α (Hettangium u. tiefstes Sinemurium) im schwäbischen Sedimentationsbereich. – Arbeiten aus dem Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Stuttgart, N. F. 71, 277 S., 27 Taf., Stuttgart (Institut für Geologie und Paläontologie). [60 + IX Abb.]
- (1944). Die natürlichen Bausteine und Gesteinsbaustoffe Württembergs. 340 S., Stuttgart (Schweizerbart). [17 Abb.]
- (1949). Technologische Geologie der Bodenschätze Württembergs. 446 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (1960). Erläuterungen zu Blatt 7221 Stuttgart-Südost. – 2. Aufl., Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 72 S., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [Nachdruck 1990, 1994]
- (1965). Erläuterungen zu Blatt 7222 Plochingen. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 198 S., 1 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [Nachdruck 1991]
- (2000). Die Pfeilermadonna der Gmünder Johanniskirche, ein singuläres Werk der schwäbischen Kunstgeschichte. – Gmünder Studien, 6, S. 7–24.
- (2010). Der Unterjura in der Umgebung von Schwäbisch Gmünd. 255 S., München (Pfeil). [300 Abb., 14 Tab.]
- (1925a). Blatt Haigerloch (Binsdorf), Gradabteilung 84, Nr. 39, No. 3639 (119). – Erl. Geol. Kt. v. Preußen u. benachb. dt. Ländern, Lieferung 228, 64 S., Berlin (Preußische Geologische Landesanstalt). [Nachdruck 1985, 1995: Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., Bl. 7618 Haigerloch; Stuttgart]
- (2004a). Erläuterungen zu Blatt 7321 Filderstadt. – 4. völlig neu bearbeitete Aufl., Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 160 S., 2 Beil., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg).
- (1977). Erläuterungen zu Blatt 7220 Stuttgart-Südwest. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 191 S., 3 Taf., 6 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [Nachdruck 1994]
- (1972). Die Geologie des Landkreises Schwäbisch Gmünd. 121 S., Stuttgart (Gmünder Geschichtsverein).