Verbreitungsgebiet: Albtrauf der Schwäbischen Alb
Erdgeschichtliche Einstufung: Massenkalk- (joMK), Untere-Felsenkalke- (joFU), Lacunosamergel- (joL), Wohlgeschichtete-Kalke- (joW), Impressamergel-Formation (joI), Oberjura
(Hinweis: Die Rohstoffkartierung liegt noch nicht landesweit vor. Der Bearbeitungsstand der Kartierung lässt sich in der Karte über das Symbol „Themenebenen“ links oben einblenden.)
Lagerstättenkörper
Die zur Herstellung von Zementrohstoffen nutzbaren Bankkalksteine und Mergeksteine des Oberjuras formen den markant aufragenden Albtrauf der Schwäbischen Alb. Sie bilden einen flächenhaften, schichtig aufgebauten Rohstoffkörper, der am östlichen Albtrauf mit wenigen Grad in südliche bis südöstliche Richtung und auf der westlichen schwäbischen Alb nach Osten bis Südosten einfällt. Die für die Zementproduktion im kombinierten Abbau wirtschaftlich nutzbare Gesteinsabfolge besteht vorwiegend aus bankigen Kalksteinen und Mergelsteinen, bisweilen können auch undeutlich gebankte bis massige Kalksteine am Top der Folge hinzugenommen werden (s. u.). Durch Mischung dieser Gesteine, i. d. R. ergänzt durch Zuschlagstoffe wie z. B. Quarzsand und Ton, kann die erforderliche Zusammensetzung des ofenfertigen Rohmehls erreicht werden (77–82 % CaCO3 und 20–22 % Ton; MgCO3-Gehalt < 3 %; CaO, SiO2, Al2O3 und Fe2O3 im Verhältnis 9 : 3 : 1 : 0,5). Die rohstoffgeologische Abgrenzung der Vorkommen berücksichtigt die nutzbare Mindestmächtigkeit (30‒40 m) und den geforderten Mindestvorrat, welcher bei Zementrohstoffen über 100 Mio. t liegen sollte. Die Abgrenzungen der dargestellten Lagerstättenkörper sind von verschiedenen Kriterien abhängig Zu den Ausschlusskriterien zählen Eintalungen, Störungszonen, ein zu hoher Grad der Dolomitisierung, häufiges Auftreten von Kieselknollen, Dolinen und Senken sowie ein ungünstiges Abraum-Nutzschicht-Verhältnis.
Gestein
In der Schwäbischen Alb können am Albtrauf vom Liegenden zum Hangenden folgende Gesteine des Oberjuras in Kombination als Zementrohstoffe gewonnen werden:
1) Am Fuß des Albtraufs graue Mergelsteine mit eingeschalteten Kalk- und Kalkmergelsteinbänken der Impressamergel-Formation (Mächtigkeit Westalb: 25–30 m, Ostalb: 50–80 m)
2) Monotone, dichte, feinkörnige, weißlich graue bis graubeige Bankkalksteine (0,1 bis max. 1,3 m) mit dünnen (0,5–25 cm) Mergelsteinzwischenlagen der Wohlgeschichtete-Kalke-Formation (Mächtigkeit Westalb: 80–90 m, Ostalb: 20–25 m)
3) Graue bis grauschwarze Mergelsteine mit eingeschalteten, plattig bis dünnbankigen Kalksteinlagen der Lacunosamergel-Formation (Mächtigkeit: Westalb: 15–55 m, Ostalb: 40–50 m)
4) Dünnplattige, bankige bis dickbankige (0,3−1,5 m), feinkörnige, z. T. auch massige, harte, graubeige Kalksteine, z. T. mit deutlichen Mergelsteinlagen, der Unteren-Felsenkalke-Fm. (Mächtigkeit Westalb: 10–45 m, Ostalb: 20–60 m)
5) In der westlichen Schwäbischen Alb bilden z. T. massige bis meist dickbankig ausgebildete (Bankstärken 20–90 cm), hellgrauweißbeige, dichte bis feinkörnige Kalksteine des Unteren Massenkalks den Top der Abfolge. Untergeordnet treten auch hellbraune, feinkörnige, harte Kalksteine (= Braunkalke) auf (Mächtigkeit: 50 m). AUf der Ostalb setzt sich der Top der Abfolge aus massigen, splittrig brechenden, gelbbeigen bis braunen Schwamm-Mikroben-Kalksteinen der Massenkalk-Formation zusammen (Mächtigkeit: 2‒15 m); häufig sind sie verkarstet und/oder verlehmt und weisen Umwandlungen zu Dolomit (ggf. Ausschlusskriterium; s. o.) oder Dedolomit (Zuckerkornlochfels) auf.
Eine Verkarstung der Gesteine oder eine Dedolomitisierung sind für die Zementproduktion kein Ausschlusskriterium. Dagegen sind dolomitische Kalksteine bzw. Dolomitsteine, die einen MgO-Gehalt > 5 % aufweisen, in der Zementproduktion nicht erwünscht (LGRB, 2006b).
Petrographie
Die oben beschriebene Gesteinsfolge wurde auf der Ostalb durch die 101 m tiefe LGRB-Rohstofferkundungsbohrung Ro 7324/B2 (LGRB-Archivnr. BO7324/305) untersucht (LGRB, 2001a). Sie liegt südöstlich von Auendorf, nur ca. 3,5 km südöstlich des Albtraufs. Die geochemischen Kennwerte wurden an Mischproben (n = 7) von Kernen dieser Bohrung ermittelt (Calcitanteil berechnet):
Intervall [m] |
Stratigraphisches Niveau |
Calcit [%] |
CaO [%] |
MgO [%] |
Fe2O3 [%] |
SiO2 [%] |
P2O5 [%] |
Al2O3 [%]
|
MnO [%] |
0,60 – 8,70 |
Untere Felsenkalke 2 |
ca. 89 |
49,15 |
0,81 |
0,66 |
6,42 |
0,08 |
2,16 |
0,03 |
8,70 – 16,60 |
Untere Felsenkalke 1 |
ca. 94 |
52,02 |
0,59 |
0,48 |
3,55 |
0,08 |
1,28 |
0,02 |
16,60 – 41,50 |
Lacunosamergel-Fm. |
ca. 73 |
39,76 |
1,02 |
1,89 |
16,70 |
0,12 |
5,66 |
0,06 |
41,50 – 63,00 |
Lacunosamergel-Fm. |
ca. 65 |
35,68 |
1,20 |
2,31 |
20,76 |
0,14 |
6,69 |
0,07 |
63,00 – 70,15 |
Lacunosamergel-Fm. |
ca. 82 |
45,40 |
0,75 |
1,25 |
10,26 |
0,11 |
3,78 |
0,07 |
70,15 – 92,20 |
Wohlgeschichtete-Kalke-Fm. |
ca. 94 |
52,36 |
0,50 |
0,55 |
3,05 |
0,07 |
1,20 |
0,03 |
92,20 – 101,6 |
Impressamergel-Fm. |
ca. 84 |
46,30 |
0,93 |
1,08 |
9,34 |
0,08 |
3,44 |
0,03 |
Aus der Analyse ergibt sich, dass die CaO-Gehalte innerhalb der Lacunosamergel-Formation (joL) am niedrigsten, im tieferen Anteil der Untere-Felsenkalke-Formation (joFU1) und in der Wohlgeschichtete-Kalke-Formation (joW) am höchsten sind; unter Berücksichtigung der Mächtigkeitsverhältnisse lässt sich aus den CaO-Werten für die ganze, 101 m mächtig durchteufte Abfolge, ein gewichteter durchschnittlicher CaCO3-Wert von 79,2 % errechnen. Die Abfolge weist in der Mischung somit einen für die Portlandzementherstellung optimalen CaCO3-Gehalt auf.
Auf der Westalb betragen die Gesamtkarbonatgehalte für die Wohlgeschichtete-Kalke-Fm. (Bankkalksteine inklusive Mergelsteinlagen) 91–94 % (Calcit), für die Mergelsteine mit eingeschalteten Kalksteinbänken der Lacunosamergel-Fm. 79–82 % (Calcit 77–79 %; Dolomit 0–5 %) und der Impressamergel-Fm. 78–84 % (Calcit 68–78 %; Dolomit 6–10 %).
Geochemische Analysen ergaben folgende Werte:
Chemie | Anteil [%] | ||
Wohlgeschichtete-Kalke-Fm. aus den Steinbrüchen Geisingen (RG 8018-1) und Dotternhausen (RG 7718-1) an zwei Proben |
Lacunosamergel–Fm. (15 Proben aus der LGRB-Rohstofferkundungsbohrung Ro7819/B3 bei Michelfeld/Oberdigisheim, GLA 1995) |
Impressamergel–Fm. (8 Proben aus der LGRB-Rohstofferkundungsbohrung Ro7819/B1 bei Geyerbad/Oberdigisheim, GLA 1995) |
|
CaO |
50,36–51,4 |
42,2–44,2 |
41,9–45,4 |
MnO |
0,01–0,02 |
0,05 | 0,04 |
MgO |
0,60–0,72 |
1,2–1,6 |
1,60–2,26 |
Fe2O3 |
0,55–0,91 |
1,1–1,7 |
1,10–1,65 |
SiO2 |
3,90–4,73 |
11,8–13,8 |
9,4–11,6 |
Al2O3 |
1,45–1,82 |
3,4–4,1 |
3,4–3,9 |
K2O |
0,30–0,36 |
1,1 |
0,9–1,0 |
Na2O |
0,01–0,21 |
0,03 |
0,25 |
TiO2 | 0,08 | 0,2 |
0,18 |
P2O5 |
0,04–0,07 |
0,09–0,10 |
0,08–1,10 |
Mächtigkeiten
Geologische Mächtigkeit: Die genannte Gesteinsfolge ist zwischen 130 und 180 m mächtig. Da an einigen Stellen die oberen Gesteinseinheiten bereits abgetragen wurden, ist die Mächtigkeit entsprechend reduziert.
Genutzte Mächtigkeit: Je nach Überdeckung mit Hangschutt (ungünstig bei einem reinen Hangabbau), den Aufschlussverhältnissen und dem Einsetzen der z. T. nicht nutzbaren Massenkalk-Formation (Dolomitisierung, s. o.) schwankt die nutzbare Mächtigkeit zwischen 60 und 150 m.
Gewinnung und Verwendung
Gewinnung: Eine Gewinnung ist im Hangabbau oder im kombinierten Hang-/Kesselabbau (z. B. zur Wahrung der Landschaftskulisse des Albtraufs) mittels Bohren und Sprengen, oft aber auch mittels Reißen möglich. Das Material kann über eine Brecheranlage im Steinbruch zerkleinert und mit Bandanlagen zum Zementwerk transportiert werden. Die Dosierung der aufgemahlenen Gesteine für das ofenfertige Rohmehl erfolgt üblicherweise aus Silos und die Homogenisierung auf einem Mischbett, sodass die Produktanforderungen eingestellt werden können.
Verwendung: Die Eignung dieser Serie ist durch ihre jetzige und frühere Nutzung durch Zementwerke am Albtrauf nachgewiesen, z. B. im:
- Zementwerk Dotternhausen (in Betrieb; genutzte Oberjura-Gesteinsfolge: Lochenfazies = Schwamm-Mikroben-Biohermfazies im Niveau der Wohlgeschichtete-Kalke-Formation) sowie in den stillgelegten Zementwerken
- Geisingen (genutzte Oberjura-Gesteinsfolge: Wohlgeschichtete Kalke bis Untere Felsenkalke)
- Nürtingen (Stbr. Hörnle bei Neuffen; genutzte Oberjura-Gesteinsfolge: Lacunosamergel- bis Impressamergel-Fm.).
Die Gesteine können zu Portlandzementen und Spezialzementen verarbeitet werden, die im Hoch- und Tiefbau, für Normalbeton und für sonstige Zementprodukte Verwendung finden.
Externe Lexika
Litholex
Literatur
- (2001a). Blatt L 7324 Geislingen an der Steige, mit Erläuterungen. – Karte der mineralischen Rohstoffe von Baden-Württemberg 1 : 50 000, 91 S., 7 Abb., 5 Tab., 1 Kt., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg). [Bearbeiter: Wagenplast, P. & Werner, W.]
- (2016a). Blatt L 8118/L 8318 Tuttlingen/Singen, mit Erläuterungen. – Karte der mineralischen Rohstoffe von Baden-Württemberg 1 : 50 000, 273 S., 49 Abb., 9 Tab., 1 Kt., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau). [Bearbeiter: Kleinschnitz, M., m. Beitr. v. Bock, H., Werner, W.]
- (2006b). Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2006 – Gewinnung, Verbrauch und Sicherung von mineralischen Rohstoffen. – LGRB-Informationen, 18, S. 1–202, 1 Kt.
- (1998). Bewertungskriterien für Industrieminerale, Steine und Erden, Teil 2: Karbonat- und Sulfatgesteine. – Geologisches Jahrbuch, Reihe H, 4, S. 1–97.
- (1995b). Lagerstättenpotentialkarte für die Region Neckar-Alb. Rohstoffgeologische Untersuchung der Kalksteinvorkommen des Weißen Juras. 161 S., 5 Anl., Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [unveröff.]