Verbreitungsgebiete: Östliche Schwäbische Alb, südliche Mittlere Alb, Westalb, südlicher Oberrhein
Erdgeschichtliche Einstufung: Tertiär (t), Oberjura (jo), Mitteljura (jm)
(Hinweis: Die Rohstoffkartierung liegt noch nicht landesweit vor. Der Bearbeitungsstand der Kartierung lässt sich in der Karte über das Symbol „Themenebenen“ links oben einblenden.)
Lagerstättenkörper
1) Die hochreinen Kalksteine der Schwäbischen Alb – mit Fortsetzungen in die Fränkische Alb (Bayern) – sind sowohl schichtig also auch „kirschkernartig“ in die Massenkalkfazies (Massenkalk-Formation) eingeschaltet. Es handelt sich dabei einerseits um Schwamm-Mikroben-Bioherme, also riffartige Strukturen, als auch um karbonatdetritusreiche, unregelmäßige Schüttungskörper. Eine Begrenzung der industriell verwertbaren hochreinen Kalksteinkörper ist meist durch Zonen intensiver Verkarstung, mit Verlehmung und Verbraunung (Eisenzufuhr) oder durch den lateralen wie vertikalen Übergang zu tonigeren Karbonatgesteinen gegeben. In einigen Gebieten auf der mittleren und östlichen Alb treten störende Kieselknollen in großer Zahl in Hochreinkalken auf.
2) Im Mitteljura des Markgräflerlands, d. h. in der Vorbergzone am südlichen Oberrheingraben, bilden die oftmals recht reinen, oolithischen Kalksteine der Hauptrogenstein-Formation plattenförmig-schichtige Körper von 20 bis 60 m Mächtigkeit, die allerdings durch zahlreiche tektonische Störungen in Blöcke getrennt werden. Die Abgrenzung der nutzbaren Kalksteine erfolgt häufig entlang von breiten Störungszonen, die durch intensive Verkarstungen, Verbraunungen und Verlehmungen sowie Dolinen und Karstsenken gekennzeichnet sind.
3) Im Zuge der raschen Heraushebung der Grabenflanken des Oberrheingraben und die damit verbundene Erosion der Gesteine vom Muschelkalk bis in den Oberjura entstanden die Gesteine der Küstenkonglomerat-Formation (tKK) an den Grabenrändern. Diese als Tertiärkonglomerat bekannten Gesteine bildeten sich als Schuttfächer an den Grabenflanken und erreichen 40 bis 90 m Mächtigkeit. Die wirtschaftlich nutzbaren Bereiche sind abhängig von den Mächtigkeiten und der Zusammensetzung und Reinheit des Materials. Zudem können Verkarstung und Verlehmung eine Verwertung des Gesteins erschweren.
4) Die massigen bis grobbankigen Korallen- und Splitterkalke der Korallenkalk-Formation des Oberjuras am südlichen Oberrhein kommen in Störungsschollen in der Vorbergzone zwischen Istein-Huttingen und Liel vor. Der sehr reine Splitterkalk kann Mächtigkeiten von 23–25 m erreichen. Der darunter liegende Korallenkalk ist bei Istein 40–42 m mächtig. Bedingt durch die intensive Tektonik am Grabenrand zeigen die Kalksteinkörper eine unregelmäßige Durchklüftung mit einhergehender Verkarstung, sowie mit der Bildung von Dolinen und Bohnerztonen.
Gestein
1) Bei den hochreinen Kalksteinen der Schwäbischen Alb handelt es sich zumeist um massige, weiße bis leicht gelbliche Kalksteine („Jura-Weiß“). Sie bestehen vor allem aus massig-ungeschichteten Schwamm-Mikroben-Kalksteinen, partikelreichen Schwammkalksteinen und Partikelkalksteinen. Der Kalkgehalt liegt meist bei über 99 %.
2) Die oolithischen, hellbeigen Kalksteine der Hauptrogenstein-Formation mit lagenweise angereichertem Fossilschutt bilden eine plattig–bankige Schichtenfolge. Untergeordnet treten eingeschaltete geringmächtige Mergel-, Kalkmergel- und Tonlagen auf. Der Gesamtkarbonatgehalt liegt meist bei > 96 %.
3) Die Schichten der Küstenkonglomerat-Formation setzten sich aus verschiedenen Schüttungen zusammen: grobe Kalkstein-Konglomeraten, die hauptsächlich aus Geröllen der Hauptrogenstein-Formation bestehen, verzahnen sich kleinräumig lateral und vertikal mit plattigen Kalksandsteinen und geröllführenden mergeligen Schuttkalken. Zwischen den Schüttungskörpern tritt Kalk- bis Tonmergelstein auf. Die Karbonatgehalte sind abhängig von der Zusammensetzung der Gesteine und können deutlichen Schwankungen unterworfen sein, so dass sich die Gesteine der Küstenkonglomerat-Formation nur lokal als reine bis hochreine Kalksteine eignen.
4) Die Kalksteine der Korallenkalk-Formation bestehen aus hellweißem bis gelblichem, schichtungslos dichtem Splitterkalk mit Ooiden und Fossilführung sowie dem unregelmäßig bankigen bis massigen Korallenkalk mit Rasenkorallen und großen Einzelkorallenstöcken. Der Kalkgehalt liegt bei rund 98 %, der MgO-Anteil bei 0,4–0,5 %, der Gehalt an SiO2, Al2O3 und K2O zusammen bei deutlich unter 1 %, der Eisenanteil ist mit 0,1–0,2 % Fe2O3 ebenfalls niedrig (Istein).
Petrographie
Kalksteine bestehen vor allem aus dem Mineral Calcit (CaCO3). Sie enthalten i. d. R. Beimengungen von Dolomit, Quarz und Tonmineralen. Sehr helle, eisen- und tonarme Varietäten werden als Weißkalkstein bezeichnet. Während „normale“ Kalksteine mit guter Kornbindung aufgrund ihrer Festigkeit zur Rohstoffgruppe „Natursteine für den Verkehrswegebau, für Baustoffe und als Betonzuschlag“ (Hartgesteine) gerechnet werden, spricht man bei solchen mit mehr als 98,5 % Calciumkarbonat von „hochreinen Kalksteinen“, da sie aufgrund ihrer chemischen und mineralischen Reinheit verschiedenen hochwertigen Nutzungen in der Baustoff-, Papier-, chemischen Industrie usw. zugeführt werden können (s. Diagramm). Sind hochreine Kalksteine zusätzlich reinweiß, werden sie als Weißkalksteine bzw. Weißkalke bezeichnet.
Mächtigkeiten
Geologische Mächtigkeiten: Stark wechselnd, überwiegend aber zwischen 25 und 50 m, z. T. bis 80 m.
Gewinnung und Verwendung
Gewinnung: In den Steinbrüchen der Schwäbischen Alb treten Kalksteine mit CaCO3-Gehalten von über 98,5 % nur partienweise auf (s. Lagerstättenkörper). Deshalb müssen beim Abbau die hochreinen Partien ausgehalten und von den tonigen, dolomitischen oder stärker eisenhaltigen Kalksteinen getrennt werden. Der reine Kalkstein wird anschließend gesiebt, gebrochen, gewaschen, getrocknet, z. T. auch gemahlen.
Wo ein Aushalten hochreiner Partien beim Abbau aufgrund starker Verlehmung nicht möglich ist, wird das gesamte Haufwerk mittels spezieller Aufbereitung (Trocknen, mehrfaches Brechen und Sieben mit Abtrennen der Feinanteile) der lehmige Anteil vom reinen Kalkstein getrennt. Teilweise wird der Kalkstein in einem Ofen gebrannt und Branntkalk (CaO) oder Kalkhydrat (Ca(OH)2) hergestellt. Am Oberrhein werden bei Merdingen am Tuniberg Kalkoolithe der Hauptrogenstein-Formation (Mitteljura) gewonnen; im traditionsreichen Kalkwerk bei Istein werden die Korallenkalke (auch Rauracien-Kalke) und Splitterkalke des Unteren Oberjuras genutzt.
Verwendung:
A) Weiß- und Branntkalke
B) Körnungen für Baustoffindustrie (Putze, Mörtel, Terrazzo etc.)
C) Körnungen für Glasindustrie, Wasseraufbereitung, Futtermittelindustrie etc.
D) Mehle für chemische und sonstige weiterverarbeitende Industrie (Kunststoff, Farben, Lacke etc., Papierindustrie, Rauchgasentschwefelung)
E) Weißfeinkalk (gemahlener gebrannter Kalkstein), z. B. für Kalksandstein und Porenbetonstein oder zur Rauchgasentschwefelung
F) Weißkalkhydrat (pulvrig) z. B. für Baustoffindustrie (Putz- und Maurermörtel), z. T. als Kalkmilch (Weißkalkhydrat-Suspension) für Wasseraufbereitung.
Kalksteine mit unter 90 % liegenden, aber gleichmäßigen Gehalten an CaCO3, können für Branntkalk und für nicht weiße Putze Verwendung finden. Ein möglichst hoher CaCO3-Gehalt und eine rein weiße Farbe sind für den Einsatz als Farbpigment, in der Glasindustrie (Weißglas) oder chemischen Industrie (Füllstoffe) von Bedeutung. Schon Eisenoxid-Gehalte im Gestein von 0,05 % können eine optisch deutlich erkennbare Färbung des Produkts hervorrufen. Ebenfalls stark färbend wirken Mangan-Beimengungen. Jedes Produkt hat seinen eigenen, vom Hersteller garantierten Weißgrad, der anhand eines firmeneigenen Standards überwacht wird.
Lagerstättenpotenzial
Das Lagerstättenpotenzial der Vorkommen von Hochreinen Kalksteinen für Weiß- und Branntkalke wird folgendermaßen definiert:
Sehr geringes LP:
- Ausreichende Materialreinheit und Verbandsfestigkeit, geringe Mergelanteile, Zerklüftung kann aber deutlich erhöht sein alt: Gesteinsqualität mittel bis hoch (d. h. Mergelanteil gering, Kalkanteil hoch)
- Zuckerkörnige Umwandlung oder Verkarstung sind örtlich intensiv ausgeprägt oder müssen aufgrund der geologischen Verhältnisse aus der Nachbarschaft als möglicherweise lokal intensiv prognostiziert werden
- Nutzbare Mächtigkeiten
- Oberjura: zwischen 30 und 50 m
- Korallen- und Nerineenkalk- sowie Hauptrogenstein-Formation: im Mittel 15–30 m
- Geringe bis mittlere flächenhafte Erstreckung von 10–20 ha
- Störungen mit größerem Versatz oder Zerrüttungszonen nachgewiesen
- Am Südlichen Oberrhein tektonische Verkippung der Schichten stellenweise bis über 30°
Geringes LP:
- Ausreichende Materialreinheit und Verbandsfestigkeit, keine oder geringe Mergelanteile, Zerklüftung kann aber deutlich erhöht sein
- Zuckerkörnige Umwandlung und Verkarstung sind örtlich deutlich ausgeprägt oder müssen aufgrund der geologischen Verhältnisse aus der Nachbarschaft als möglicherweise lokal intensiv prognostiziert werden
- Nutzbare Mächtigkeiten
- Oberjura: im Mittel zwischen 50 und 60 m, teilweise deutlich darüber und darunter
- Korallen- und Nerineenkalk- sowie Hauptrogenstein-Formation: im Mittel 30–45 m
- Küstenkonglomerat-Formation: im Mittel 20−50 m
- Geringe bis mittlere Erstreckung von 20–40 ha, bei geringer Mächtigkeit auch deutlich darüber, bei großer Mächtigkeit auch darunter
- Keine bedeutenden tektonischen Störungen nachgewiesen oder vermutet, aber randlich zum Vorkommen möglich; Hinweise auf Zonen mit intensiver Zerklüftung (Bretterklüftung) sind vorhanden
- Am Südlichen Oberrhein tektonische Verkippung der Schichten stellenweise 20–30°
- Das Vorkommen ist verkehrs- und abbautechnisch gut erreichbar und überwiegend im Hangabbau gewinnbar, jedoch ist z. T. auch ein kombinierter Hang-/Kesselabbau notwendig, um die wirtschaftlich notwendige Abbaumächtigkeit zu erreichen
- Unmittelbare Konflikte mit Siedlungsflächen sind nicht zu erwarten
Mittleres LP:
- Vorwiegend hohe Materialreinheit und Verbandsfestigkeit, keine oder geringe Mergelanteile, meist geringe Zerklüftung, lokal aber deutlich erhöht
- Örtlich geringfügige Umwandlung (Zuckerkornlochfels / Dedolomit, Dolomitstein) oder kleinere Vorkommen von Dedolomit, die beim Abbau aber meist ausgehalten werden können; die Verkarstung kann örtlich intensiv sein
- Hohe bis mittlere nutzbare Mächtigkeiten
- Oberjura: im Mittel um 60 m und darüber
- Korallen- und Nerineenkalk- sowie Hauptrogenstein-Formation: im Mittel 30–45 m
- Küstenkonglomerat-Formation: im Mittel > 50 m
- Mittlere bis große flächenhafte Erstreckung von 40–60 ha
- Keine bedeutenden tektonischen Störungen nachgewiesen oder vermutet
- Am Südlichen Oberrhein tektonische Verkippung der Schichten stellenweise 10–20°
- Das Vorkommen ist verkehrs- und abbautechnisch gut erreichbar und überwiegend im Hangabbau gewinnbar, jedoch ist z. T. auch ein kombinierter Hang-/Kesselabbau notwendig, um die wirtschaftlich notwendige Abbaumächtigkeit zu erreichen
- Unmittelbare Konflikte mit Siedlungsflächen oder Hauptverkehrswegen sind nicht zu erwarten, die flächenhafte Ausdehnung des Vorkommens ist ausreichend groß, um den erforderlichen Abstand zu Wohngebieten ohne Einschränkung der Rohstoffgewinnung einhalten zu können
Hohes LP:
- Hohe Materialreinheit und Verbandsfestigkeit, also keine oder sehr geringe Mergelanteile und geringe Zerklüftung
- Keine oder nur sehr geringfügige Umwandlung in Dedolomit bzw. Zuckerkornlochfels oder Dolomitstein und geringe Verkarstung
- Hohe nutzbare Mächtigkeiten
- Oberjura: im Mittel über 80 m
- Korallen- und Nerineenkalk- sowie Hauptrogenstein-Formation: im Mittel > 45 m
- Große bis sehr große flächenhafte Erstreckung von 60–80 ha
- Keine tektonischen Störungen nachgewiesen oder vermutet
- Am Südlichen Oberrhein tektonische Verkippung der Schichten < 10°
- Das Vorkommen ist verkehrs- und abbautechnisch gut erreichbar und überwiegend im Hangabbau gewinnbar
- Unmittelbare Konflikte mit Siedlungsflächen oder Hauptverkehrswegen sind nicht zu erwarten, die flächenhafte Ausdehnung des Vorkommens ist ausreichend groß, um den erforderlichen Abstand zu Wohngebieten ohne Einschränkung der Rohstoffgewinnung einhalten zu können
Sehr hohes LP:
- Hohe bis sehr hohe Materialreinheit und Verbandsfestigkeit, also keine oder sehr geringe Mergelanteile und geringe Zerklüftung
- Keine oder nur sehr geringfügige Umwandlung in Dedolomit bzw. Zuckerkornlochfels oder Dolomitstein und geringe Verkarstung
- Korallen- und Nerineenkalk- sowie Hauptrogenstein-Formation: nutzbare Mächtigkeiten im Mittel > 45 m
- Sehr große flächenhafte Erstreckung von > 80 ha
- Keine bedeutenden Störungen nachgewiesen oder vermutet
- Am Südlichen Oberrhein tektonische Verkippung der Schichten < 10°
Hinweis: Für die seltene Situation, dass das überwiegend aus Kalksteingeröllen aufgebaute Küstenkonglomerat zusammen mit den unterlagernden Kalksteinen der Hauptrogenstein-Formation gewonnen werden kann (Bsp. Vorkommen L 8112-13), ist die Aufstellung eines eigenen Lagerstättenpotenzials nicht erforderlich. Für die Bewertung entscheidend ist hier der mengenmäßig deutlich vorherrschende Rohstoff, im Falle des genannten Vorkommens ist dies das rd. 60 m mächtige tertiäre Küstenkonglomerat.
Literatur
- (2011). Geologie von Baden-Württemberg. 5. völlig neu bearb. Aufl., 627 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (2001). Hochreine Kalksteine im Oberjura der Schwäbischen Alb – Zusammensetzung, Verbreitung, Einsatzmöglichkeiten. – Zeitschrift für Angewandte Geologie, 47, S. 101–108.
- (1994). Mittlere Schwäbische Alb (Blautal-Geislingen): Neue Interpretation der Massenkalke. – 146. Jahrestagung DGG „Beckenbildung und -inversion in Europa; Endogene und Exogene Faktoren“. 30 S., Heidelberg. [Exkursionsführer]
- (1994). The Late Jurassic „Massenkalk Fazies“ of Southern Germany: Calcareous sand piles rather than organic reefs. – Facies, 31, S. 179–208.
- (2006b). Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2006 – Gewinnung, Verbrauch und Sicherung von mineralischen Rohstoffen. – LGRB-Informationen, 18, S. 1–202, 1 Kt.
- (2013b). Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2012/2013: Bedarf, Gewinnung und Sicherung von mineralischen Rohstoffen – Dritter Landesrohstoffbericht. – LGRB-Informationen, 27, S. 1–204.