Übersicht, Bezeichnung und Verbreitung
Der als „Schilfsandstein“ bezeichnete, überwiegend tonig gebundene Feinsandstein des unteren Mittelkeupers (Stuttgart-Formation) gehört zu den wichtigsten und am häufigsten als Bildhauermaterial verwendeten Werksteinen unseres Landes. Seine Farbenvielfalt reicht von gelblichen und bräunlichen bis zu grünlich grauen, braunrötlichen und violettroten Tönen. Diese Farbtöne können auf engstem Raum variieren, wodurch fleckige, gestreifte oder geflammte Muster entstehen. Im Maßstab eines Werkstücks lassen sich die gelblichen Varietäten vom wenig älteren Lettenkeupersandstein jedoch oft nur mit Mühe unterscheiden; die Schilfsandsteinlagerstätten aber sind in der lateralen Erstreckung ausgedehnter und insgesamt mächtiger als die im Unterkeuper.
Während die meisten anderen Werksandsteintypen Baden-Württembergs wie der Buntsandstein, der Stubensandstein, der Rhätsandstein und der Eisensandstein auch in anderen Regionen Deutschlands weite Verbreitung besitzen und oft sogar noch intensivere Nutzung erfahren haben, ist der Schilfsandstein ein besonders typisches, überwiegend in Südwestdeutschland gewonnenes und genutztes Naturwerksteinmaterial. Bräuhäuser (1915b, S. 322) beschreibt den Schilfsandstein so: „Gleichmäßig feines Korn und gefällige Farbtönung im Verein mit genügend Härte und Druckfestigkeit haben den Schilfsandstein mit Recht beliebt gemacht. Gut bewährt an vielen alten Bauten, geeignet zu feiner Bildhauerarbeit und leicht zu bearbeiten, haben sich diese Steine einen großen Absatz gesichert ….“ In großen Lagerstätten dieses Sandsteins haben sich daher seit Jahrhunderten betriebene Abbauzentren entwickelt. Besonders durch die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Klosteranlage von Maulbronn ist er über die Grenzen des Landes hinaus berühmt geworden, aber auch durch zahlreiche Kirchenbauten wie die Stiftskirchen in Herrenberg und Stuttgart, die Frauenkirche in Esslingen, die St. Kilianskirche in Heilbronn und das Heilig-Kreuz-Münster in Schwäbisch Gmünd. Bedeutende Schilfsandsteinbauten sind auch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe und das Wahrzeichen von Mannheim, der Wasserturm. Doch nicht nur an historischen Bauten ist dieser gleichmäßige, feinkörnige Sandstein mit den warmen Farbtönen verwendet worden. Modernen Bauten mit klarer, nüchterner Architektur gibt dieser Keupersandstein durch Variationen in Farbe und Struktur ein unverwechselbares Erscheinungsbild.
Bergrat C. L. Hehl betrachtete im Jahr 1825 die Feinsandsteine dieser Formation wegen der vielen Steinbrüche und der umfangreichen baulichen Nutzung als eines der „Hauptglieder“ im „württembergischen Flözgebirge“. Der heute verwendete Name geht auf G. F. Jäger zurück, der im Jahr 1827 den damals als „Bausandstein von Stuttgart“ bekannten Sandstein wegen der darin auftretenden Pflanzenfossilien (die er für Schilfreste hielt) „Schilfsandstein“ nannte. Tatsächlich handelt es sich bei diesen Pflanzenresten überwiegend um Stiele des Schachtelhalms Equisetites arenaceus (Nitsch, 2008).
Die Schilfsandsteine mit den sie begleitenden Ton- und Schluffsteinen werden heute zur Stuttgart-Formation zusammengefasst. Die Sedimentgesteine dieser Formation lassen sich in zwei Fazieszonen gliedern, nämlich in
- geringmächtige Sedimente der Normalfazies und
- mächtigere Ablagerungen der Rinnenfazies mit ihren sog. Sandsteinsträngen.
Die Werksteinvorkommen sind grundsätzlich an die Bereiche der Rinnenfazies gebunden, welche auf Ablagerungen in einem ausgedehnten System flacher Flusstäler zurückgehen. Wurster (1964a) spricht von der Fazies der Sandsteinstränge, wenngleich auch in dieser sog. Flutfazies Schluff- und Tonsteine häufig sind. Entsprechend der Position eines Steinbruches zu diesem keuperzeitlichen Flussrinnensystem schwankt die Mächtigkeit der Stuttgart-Formation auf relativ kurzer Distanz zwischen 5 und 50 m, die Mächtigkeit der Sandsteine variiert zwischen wenigen Dezimetern und über 30 m.
Die Sande der verfüllten Täler grenzen mit scharfer Diskordanz gegen die dunklen, tonigen und tonig-dolomitischen Sedimente der unterliegenden Grabfeld-Formation oder sind rinnenartig in sie eingekerbt. Die Grabfeld-Formation entspricht dem Gipskeuper nach südwestdeutschem Sprachgebrauch (Beutler & Nitsch, 2005; Villinger, 2011). Zwischen den Estherienschichten und den ältesten Ablagerungen der Stuttgart-Formation ist auch biostratigraphisch ein Altersunterschied von mehreren Millionen Jahren festgestellt worden (Mitt. E. Nitsch). In diesem Zeitraum wurden demnach die obersten Teile der Gipskeuper-Ablagerungen abgetragen und eine Landschaft aus flachen Tälern und Hügeln geformt, wie es die paläogeographische Karte verdeutlichen soll. Die Täler wurden mit schluffig-tonigen und sandigen Flussablagerungen aufgefüllt. Aus den Sanden entstand nach ihrer Verfestigung der Schilfsandstein.
Die hangenden, oft noch sandigen Dunklen Mergel sind in den meisten Schilfsandsteinbrüchen gut aufgeschlossen, häufig auch noch die roten Tonsteine („Rote Wand“) der darüber folgenden Steigerwald-Formation. In seit langem auflässigen Brüchen sind sie dafür verantwortlich, dass die darunterliegende Werksteinzone heute kaum oder gar nicht mehr erkennbar ist, da die Ton- und Schluffsteine zur Verwitterung, Wasseraufnahme und Rutschung neigen. Die unter den Sandsteinen liegenden Estherienschichten sind in den Steinbrüchen hingegen nur äußerst selten aufgeschlossen, was abbautechnische Gründe hat: Zum einen sind die unteren Meter der Sandsteinlager bereits meist toniger, sondern daher plattig bis dünnbankig ab und sind oft auch wellig und somit unregelmäßig geschichtet, weshalb sie selten genutzt wurden. Zum anderen wurde stets darauf geachtet, dass die untere Sohle eines Bruches aus einem stabilen Gestein besteht, welches das Befahren der Steinbruchsohle auch mit schweren Fahrzeugen und bei starker Durchfeuchtung erlaubt. Bei den Aufnahmen in den letzten Jahren waren gute Aufschlüsse in den Oberen Estherienschichten z. B. in Güglingen im Steinbruch der Fa. Haass kurzzeitig vorhanden, weil der Unternehmer hier mittels Bagger die Gesamtmächtigkeit des Sandsteins erkundete. Im Steinbruch am Jägerhaus bei Heilbronn führen die hangabwärts gerichteten Transportwege aus den Steinbrüchen sowie die zahlreichen Weinbergswege der Umgebung durch die Estherienschichten, ebenso die Landstraße von Freudental nach Bönnigheim, direkt beim Werk der Fa. Melchior. Ansonsten sind sie aus zahlreichen Bohrungen, Wegeböschungen und Baugruben gut bekannt.
Die beiden genannten Faziestypen werden von folgenden Gesteinen aufgebaut:
Die sog. Normalfazies ist durch einen mehrfachen Wechsel von Tonsteinen, Silt- bzw. Schluffsteinen, tonigen, glimmerreichen Sandsteinen und einzelnen Dolomitsteinlagen charakterisiert (Wurster, 1964a; Brunner, 1986a). Diese Sedimentgesteine werden meist nur etwa 5–10 m, bei Heilbronn auch fast 20 m mächtig und enthalten gelegentlich Wurzelhorizonte.
Auch in der Rinnenfazies sind Ton- und Schluffsteine mit unterschiedlichem Sandgehalt häufig. Die darin auftretende Werksteinfazies ist durch eine vergleichsweise homogene Zusammensetzung aus Fein- und Mittelsandsteinen charakterisiert, in die einige dünne Tonsteinlagen oder umgelagerte Tonsteinfetzen eingeschaltet sind. Die Bindung ist fast ausschließlich tonig-kieselig, d. h. die Quarz- und Feldspatkörner sind durch Tonminerale oder Quarzanwachssäume miteinander verbunden; nur in tieferen Bohrungen sind auch spätdiagenetische Anhydritzemente im Schilfsandstein angetroffen worden (Mitt. E. Nitsch). Bankungsfugen in den mächtigen, homogenen Sandsteinen der Werksteinfazies entstehen entweder durch Einlagerungen von Tonen und kohliger Substanz oder durch „regelmäßig flache, nur selten stylolithisch verzahnte Drucklösungssäume, die das Gestein in dezimeter- bis metermächtige Bänke zerlegen und dabei oft die primären Schichtungsgefüge, soweit überhaupt welche erkennbar sind, durchschneiden“ (Beutler et al., 1999, S. 149). Rechnet man die meist über- oder unterlagernden plattigen Sandsteine dazu, so erreichen diese Sandsteinpakete örtlich bis 45 m Mächtigkeit. Brunner (1986a) betont, dass in diesem Faziestyp auch mächtige, sandige Tonsteinfolgen als Zwischenlagen auftreten können. Meist liegen die Mächtigkeiten in der Werksteinfazies um 8–10 m, z. T. um 20 m.
Viele Schilfsandsteinbrüche wurden nicht innerhalb der eigentlichen Rinnenfazies („Sandsteinstränge“), sondern in randlichen Überflutungsbereichen angelegt, die neben gering mächtigen Feinsandablagerungen auch tonig verfüllte Altarme aufwiesen (Aigner & Etzold, 1999). Solche Situationen sind in Aufschlüssen bei Wendelsheim und Sulzfeld oder bei Renningen anzutreffen. Der Grund für die Anlage von Brüchen in der Rinnenrandfazies liegt im früheren großen Bedarf an leicht abzubauenden Mauersteinen und Platten.
Als bedeutende Abbaugebiete von Schilfsandstein sind zu nennen (teilweise wird in diesen Gebieten noch Abbau betrieben):
Neben den Heilbronner Bergen sind die wichtigsten Abbaugebiete die von Eppingen-Mühlbach, Niederhofen, Pfaffenhofen und Güglingen im Zabertal sowie das Gebiet östlich von Maulbronn; alle liegen in der Umrandung des Strombergs. Geologisch gesehen handelt es sich bei der Keuperlandschaft des Strombergs um eine weit gespannte tektonische Mulde. Diese Einmuldung der Schichten führte dazu, dass jüngere Gesteine bis zum Stubensandstein erhalten geblieben sind, während im Umland (Bretten, Pforzheim, Vaihingen a. d. Enz, Besigheim) die älteren Gesteine des Muschelkalks zu Tage treten; hier sind die Keupersedimentgesteine schon abgetragen. Eine Übersicht über die geologischen Verhältnisse gibt die geologische Karte im Maßstab 1 : 50 000 für den Naturpark Stromberg-Heuchelberg (Brunner, 2001a).
Die lokale Geologie und die Gesteinseigenschaften der aus heutiger Sicht wichtigen Abbaustandorte, der dortige Abbau sowie die frühere und aktuelle Nutzung werden in Kapiteln unter „Schilfsandstein“ behandelt. Natürlich können die meisten der vielen Hundert alten Schilfsandsteinbrüche in diesen und den nicht näher betrachteten Gebieten im Folgenden nicht behandelt werden. Informationen sind vielfach in geologischen und rohstoffgeologischen Karten (GK25, KMR50) und den zugehörigen Erläuterungen sowie im Archiv des LGRB verfügbar.
Geologisches Alter, Entstehung, Gestein (Übersicht)
Alter: Die Stuttgart-Formation gehört stratigraphisch in den Mittelkeuper (Obertrias) und wird in der internationalen Chronostratigraphie in das Karn gestellt, welches die Zeitspanne von 229 bis 222 Mio. Jahren umfasst. Innerhalb des Karns fällt die Ablagerungszeit des Schilfsandsteins in einen wahrscheinlich kaum mehr als eine Million Jahre dauernden Zeitabschnitt vor etwa 225 Mio. Jahren (Bachmann et al., 1999; DSK, 2002).
Entstehung: Die Ablagerungen der für die Werksteingewinnung bedeutsamen Rinnenfazies sind Auffüllungen von einigen 100 m bis wenige Kilometer breiten und bis 40 m tiefen Tälern, die sich in die unterlagernden Schichten des oberen Gipskeupers (Estherienschichten) eingeschnitten hatten. Die Rinnennatur der Sandsteinkörper im Schilfsandstein war schon früh erkannt worden (Thürach, 1888/89). Erkannt hat die Rinnennatur der Sandsteine und deren hauptsächliche Bindung an die „Fluthbildung“ Hans Thürach (1888/89). Von ihm stammt auch die Fazieseinteilung in Flut- und Normalfazies, und er beschreibt bereits das Erosionsrelief („Auswaschungen“), das Wurster später bestritt. Auf S. 139 der Arbeit von 1888 (!) findet sich eine Karte der Sandsteinstränge Frankens. Wurster (1964a) hat diese Kartierung dann verfeinert und auf ganz Deutschland ausgedehnt. 1888 (S. 141) schreibt Thürach zur Entstehung: „Die ausserordentlich häufig zu beobachtende diagonale Schichtung der einzelnen Bänke entspricht aber vollkommen der gleichartigen Structur der Sand- und Kiesablagerungen der heutigen Flüsse und ist ebenso wie diese durch die wechselnde Strömung entstanden.“ (Mitt. E. Nitsch). Wurster (1964a) kommt das Verdienst zu, dass er die Talfüllungen der „Sandsteinstränge“ deutschlandweit in Karten erfasst hat. Nach seinen Messungen von Strömungsindikatoren, wie z. B. von Schrägschüttungskörpern, in den vielen Steinbrüchen erfolgte der Transport der Sande generell von Nordost nach Südwest, lokal traten auch Strömungen von Nord nach Süd oder sogar nach Südost auf. Die Mineral- und Gesteinskörner stammen überwiegend aus den Skandinavischen Faltengebirgen sowie, nahe der Beckenränder, von den Grundgebirgsaufbrüchen der Böhmischen Masse im Osten und der im Südosten gelegenen Vindelizischen Schwelle (Wurster, 1964a; Dittrich, 1989). Wurster interpretierte die Sedimente der Stuttgart-Formation, die in ihrem weiten Verbreitungsgebiet in Deutschland sowie in Polen und Nordost-Frankreich sehr einheitlich aufgebaut sind, als Ablagerungen im Übergangsbereich zwischen Land und Meer. Heute deutet man die oben genannten Faziestypen und ihre räumliche Beziehung als Ablagerungen von Flussrinnen und den sie begleitenden Uferdämmen und Überflutungsflächen, die jene zuvor ausgewaschenen flachen Täler wieder mit Sedimenten auffüllten (Beutler et al., 1999) (s. paläographische Karte und Ablagerungsmodell für die Stuttgart-Formation). Uferbereiche und Niederungen waren mit Riesenschachtelhalmen bewachsen. Das Klima war subtropisch-trocken.
In den Sedimenten der Stuttgart-Formation treten vergleichsweise wenig Tierfossilien auf, weil die Erhaltungsbedingungen bei geringer Sedimentationsrate im sauerstoffreichen Milieu ungünstig waren. Gelegentlich aber wurden beim Abbau der Sandsteine in den zahlreichen großen Brüchen doch Knochen, Zähne und Panzerreste von Amphibien und Reptilien geborgen. Als spektakulär wurde der Fund des Brustpanzers des Dachschädlerlurchs („Panzerlurchs“) Cyclotosaurus robustus in den Brüchen bei Maulbronn empfunden, der heute in der Steinhauerstube des Dorfmuseums in Schmie ausgestellt ist. Diese bis 5 m langen Lurche waren Fischjäger, die in den ausgedehnten Sümpfen und Flüssen des Unter- und Mittelkeupers lebten (Schoch & Wild, 1999). In den tonigen Ablagerungen sind vereinzelt auch Flussmuscheln gefunden worden.
Die sandigen Uferdämme der Flussrinnen wurden bei episodischen Überflutungen gelegentlich durchbrochen, wobei sich Sandfächer auf den tonigen Sedimenten der Überflutungsebenen ausbreiteten. In dieser paläogeographischen Position sind die geringmächtigen, plattigen bis dünnbankigen Werksteinhorizonte anzusiedeln, wohingegen die mächtigen Sandsteinpakete aus verschachtelten bzw. übereinander gestapelten Sandschüttungen aufgebaut werden, die einem über längere Zeit mehrfach aktivierten Flusssystem zugehörig sind. Die meisten Steinbrüche mit mächtigen, tonarmen Sandsteinpaketen liegen in dieser Rinnenposition, so z. B. die Steinbrüche bei Mühlbach, Heilbronn, Maulbronn und Trichtingen.
Detailliertere sedimentologische Untersuchungen im Gebiet Eppingen-Mühlbach bestätigen, dass es sich um ein verzweigtes, überwiegend von Nordost nach Südwest gerichtetes Flusssystem gehandelt hat, das ausgeprägte sandige Seitenbarren aufwies (s. Ablagerungsmodell für die Stuttgart-Formation); bei Hochwasserereignissen wurden diese Barren kurzzeitig durchbrochen und es entstanden breite Dammbruchfächer (Müller, 2007).
Gestein: Die detaillierte Gesteinszusammensetzung und die gesteinsphysikalischen Eigenschaften sind nachfolgend bei den einzelnen Varietäten und Abbaugebieten beschrieben. Eingangs wurde ausgeführt, dass die Stuttgart-Formation zwei Faziestypen beinhaltet. Die Normalfazies wird aus einem Wechsel von meist dünnbankigen, z. T. auch dünnblättrigen bis plattigen mittelsandigen Feinsandsteinen, schluffigen Sandsteinen bzw. sandigen Schluffsteinen aufgebaut, welche im Allgemeinen reichlich Feinglimmer führen und oft stark absanden. Diese plattigen Sandsteine weisen aus heutiger Sicht keine oder nur geringe Eignung als Naturwerkstein auf, taugen aber für Mauersteine und einfache, naturbelassene Bodenplatten. Sie zeigen meist eine rostbraune, ockerbraune oder graubraune Farbe und sind überwiegend tonig, z T. auch dolomitisch gebunden.
Auch in der Flutfazies herrschen tonig-schluffige Gesteine und plattige Sandsteine vor, jedoch in größerer Mächtigkeit, und vor allem befindet sich innerhalb dieser alten Talfüllungen auch an vielen Stellen die Werksteinfazies. Diese ist hinsichtlich der Korngrößenverteilung und Mineralzusammensetzung über große Erstreckung sehr einheitlich, kann aber in Farbe und Textur schon innerhalb eines Steinbruchs rasche Variationen aufweisen. Wurster (1964a, S. 17) schreibt: „Man sieht mattviolette, rostbraune, lichtbeige, olivgrüne und dunkelgrüne Varietäten. Sehr häufig sind gefleckte und gesprenkelte Gesteine. Nach ihrem Schichtungsgefüge unterscheidet man ungeschichtete, horizontalgeschichtete und vor allem schräggeschichtete Maserungen“. Charakteristisch sind neben den häufigen Schrägschüttungskörpern kleindimensionale Kreuz- und Rippelschichtungsgefüge, welche in dieser Häufigkeit und Gleichmäßigkeit sonst in keinem anderen Werksandstein Südwestdeutschlands auftreten. Es handelt sich um löffel- oder zungenförmige Schichtelemente mit linsenförmigem Querschnitt, sog. Zungenrippeln. Nach den Untersuchungen von Wurster (1964a) sind sie nur mm dick, dafür 2–10 m breit und 5–30 m lang. Diese Zungenrippeln sind das einfachste Erkennungsmerkmal für diesen Sandstein am Bauwerk. Daneben treten nahezu schichtungslose, „massige“ Sandsteinkörper wie in Heilbronn oder horizontal geschichtete wie in Mühlbach auf. In der homogen gelblich braunen Beschaffenheit, d. h. ohne farblich abgehobene Gefüge der beschriebenen Art und ohne Pflanzenreste, ist der Schilfsandstein vom Lettenkeupersandstein bzw. dem Hauptsandstein des Unterkeupers (Erfurt-Formation) kaum zu unterscheiden.
Insbesondere hinsichtlich der sehr geringen Schwankungen der Korngrößen unterscheiden sich die Werksteinbänke des Schilfsandsteins wesentlich von denen im Buntsandstein und im Stubensandstein. Die durchschnittliche Korngröße der generell sehr einheitlichen Sandsteine liegt meist zwischen 0,1 und 0,2 mm. Körner < 0,02 mm und > 1 mm sind sehr selten. Nach vergleichenden Untersuchungen von Grassegger et al. (1990) schwankt die mittlere Korngröße der Sandsteine der Werksteinfazies von Maulbronn, Pfaffenhofen, Niederhofen, Weiler und Mühlbach zwischen 0,17 und 0,25 mm, die Porositäten liegen zwischen 15 und 24 Vol.‑% und die Werte für die Rohdichte zwischen 2,0 und 2,19 g/cm3.
Oft sind die einzelnen Sandsteinbänke durch mm bis cm dicke Ton- und Siltsteinlagen voneinander getrennt. Die einzelnen Bänke der heute genutzten Steinbrüche sind 0,3–3,5 m, meist 1–2 m mächtig. Die Kluftabstände sind in vielen Werksteinbrüchen weitständig (1–6 m) und damit günstig für die Werksteingewinnung. Es fällt aber auf, dass in mächtigen, monotonen Sandsteinpaketen, die wenig tonige Zwischenmittel enthalten, die Klüftung oft stärker ausgebildet ist als in Abfolgen mit weniger dicken Bänken. In letztgenannten konnten die Massenbewegungen im Gebirge (Tektonik, gravitative Gleitung in Hanglagen) auf den Schichtflächen erfolgen, weshalb die dünnen Bänke weniger Kluftflächen aufweisen.
Charakteristisch ist ferner der hohe Anteil an Feldspäten, der örtlich den von Quarz erreicht oder sogar übertrifft (Maulbronn). Die von Heling (1965) untersuchten Proben enthielten 37–42 % Quarz, 23–33 % Feldspäte, 15–17 % winzige Gesteinsbruchstücke, welche wiederum vornehmlich aus Quarz und Feldspat oder feinkörnigem Serizitschiefer bestehen, ferner 4–5 % Glaukonit (in den grünlichen Typen) und 8–16 % Glimmer. Bei den Glimmern handelt es sich um Muskovit und Biotit, die oft in Illit und Chlorit umgewandelt wurden. Der Schilfsandstein ist also ein Arkosesandstein bzw. ein feldspatreicher Sandstein in der Klassifikation von Füchtbauer & Müller (1970). Das Bindemittel des Schilfsandsteins ist überwiegend tonig-ferritisch, z. T. sind auch Quarzanwachssäume und Karbonate (Kalzit, Dolomit) beteiligt.
Tabelle: Zusammenstellung physikalisch-technischer Kennwerte des Schilfsandsteins aus Baden-Württemberg (für das Gebiet Murrhardt–Gaildorf–Crailsheim liegen keine Werte vor); k. A.: keine Angabe
Lokalität |
Rohdichte |
Porosität |
Wasseraufnahme (atm.) (M.‑%) |
Wasseraufnahme (Vakuum) (M.‑%) |
s‑Wert |
Druckfestigkeit (MPa) |
Biege- |
Sinsheim-Weiler |
1,9–2,15 |
14,1–29,6 |
5,5–16,0 |
10,5–21,3 |
0,70–0,75 |
58–75 |
7,5 |
Mühlbach |
2,1–2,2 [2,6–2,7] |
15,9–21,6 |
6,0–14,6 |
8,8–10,2 |
0,67–072 |
71,0–99,8 |
5,8–6,6 |
Niederhofen |
1,97–2,2 [2,61] |
17,9–25 |
5,8–17,7 |
7,6–24,8 |
0,66–0,85 |
50–80 |
k. A. |
Güglingen-Pfaffenhofen |
1,97–2,5 |
21,1–23,5 |
1,8–7,9 |
11,5 |
0,65–0,66 |
41–83,4 |
6,4 |
Maulbronn |
2,08–2,2 |
15,3–22,2 |
6,1–14,0 |
10,7–18,6 |
0,68–0,75 |
63,7–83,0 |
6,2–10,3 |
Freudental |
1,95–19,7 |
k. A. |
k. A. |
k. A. |
k. A. |
43,0 |
6,3 |
Heilbronn |
2,08–2,3 [2,67] |
22,2 |
5,0–8,2 |
10,75 |
0,68 |
77,0–110,7 |
4,6–7,8 |
Stuttgart |
2,29–2,3 |
k. A. |
k. A. |
k. A. |
k. A. |
64,9–68,1 |
k. A. |
Wendelsheim |
k. A. |
k. A. |
k. A. |
k. A. |
k. A. |
46,9–59,2 |
k. A. |
Renfrizhausen |
2,14–2,2 |
18,0 |
5,6–6,3 |
8,2 |
0,69–0,82 |
k. A. |
5,5–7,6 |
Trichtingen |
2,20–2,23 |
k. A. |
6,7–14,3 |
k. A. |
k. A. |
65–74 |
5,6–7,5 |
Die Tabelle (s. o.) zeigt, dass die untersuchten Schilfsandstein-Varietäten besonders bei der Porosität und damit auch bei der Wasseraufnahme deutliche Schwankungen aufweisen; die Datenzusammenstellung in den nachfolgenden Kapiteln belegt, dass diese Variationen schon innerhalb eines Aufschlusses auftreten können. Die Gesteinsporositäten liegen meist über 15 Vol.‑%, oft über 20 Vol.‑%. Die Rohdichte beträgt meist 2,1–2,2 g/cm3.
Literatur
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- (2002). Stratigraphische Tabelle von Deutschland 2002 (GeoForschungsZentrum Potsdam; Courier Forschungsinst. Senckenberg, Frankfurt). [Koordination und Gestaltung: Menning, M. & Hendrich, A.]
- (1989). Der Schilfsandstein als synsedimentär-tektonisch geprägtes Sediment – eine Umdeutung bisheriger Befunde. – Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, 140, S. 295–310.
- (1970). Sedimente und Sedimentgesteine. XV + 726 S., Stuttgart (Schweizerbart). [326 Abb., 66 Tab.]
- (1990). Die Schilfsandsteine Baden-Württembergs. Teil I: Technische Eigenschaften (Teile 1 und 2). – Bautenschutz und Bausanierung, 13, S. 53–55 und 68–70. [6 Abb., 2 Tab.]
- (1825). Beiträge zur geognostischen Kenntniß von Würtemberg. Entworfen im Jahre 1822 (Fortsetzung). – Correspondenzblatt des Württembergischen Landwirthschaftlichen Vereins, 8, S. 75–100.
- (1965). Zur Petrographie des Schilfsandsteins. – Beiträge zur Mineralogie und Petrographie, 11, S. 272–296. [9 Abb.]
- (2007). Der Schilfsandstein des Mühlbacher Stranges – Fazies, Rohstoffgeologie, 3D-Modell. – Dipl.-Arb. Univ. Tübingen, 104 S., Tübingen. [unveröff.]
- (2008). Wortgeschichten aus der Keuperstratigraphie, IV: Schilfsandstein. – Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, 159(4), S. 651–656.
- (1999). Die Wirbeltierfauna im Keuper von Süddeutschland. – Hauschke, N. & Wilde, V. (Hrsg.). Trias – Eine ganz andere Welt – Mitteleuropa im frühen Erdmittelalter, S. 395–408, München (Pfeil). [15 Abb.]
- (1888). Uebersicht über die Gliederung des Keupers im nördlichen Franken im Vergleiche zu den benachbarten Gegenden. Erster Theil. – Geognostische Jahreshefte, 1, S. 75–162. [2 Abb.]
- (1889). Uebersicht über die Gliederung des Keupers im nördlichen Franken im Vergleiche zu den benachbarten Gegenden. Zweiter Theil. – Geognostische Jahreshefte, 2, S. 1–90. [1 Abb.]
- (2011). Erläuterungen zur Geologischen Übersichts- und Schulkarte von Baden-Württemberg 1 : 1 000 000. 13. Aufl., 374 S., 1 Karte, Freiburg i. Br.
- (1964a). Geologie des Schilfsandsteins. – Mitteilungen aus dem Geologischen Staatsinstitut in Hamburg, 33, S. 1–140, 4 Taf., 15 Kt. [57 Abb.]