Übersicht
Die Hangrutschung „Wildenberger Hang“ befindet sich ca. 1,5 km nordöstlich des Autobahnkreuzes Weinsberg.
Beim Bau der Autobahn A81 in den Jahren 1968–1972 wurde der nördliche Hangfuß des Wildenbergs durch zwei tiefe Einschnitte innerhalb der Grabfeld-Formation (Mittelkeuper) angeschnitten. Dabei wurde ein basaler Abschnitt einer fossilen Rutschscholle abgetragen, was zu einer Destabilisierung des Hanggleichgewichtes führte. Noch während der Erdarbeiten setzten Rutschbewegungen ein, die bislang noch nicht vollständig abgeklungen sind (Wagenplast, 2005; Brodbeck, 2010). Abrisskanten im Hangbereich oberhalb der Einschnitte markieren das Abgleiten mehrerer Teilschollen. Die alte Hauptabrisskante der fossilen Rutschung liegt oberhalb der neuen Abrisskanten, unmittelbar unterhalb der Grenze der Grabfeld-Formation zur Stuttgart-Formation (Mittelkeuper).
Westlicher Einschnitt
Der westliche der beiden großen Einschnitte (E 2, BAB-km 3+450) liegt direkt am Hangfuß des Wildenbergs am Rand des Eberbachtals. Die Hauptgleitfläche der eiszeitlichen Rutschung wird hier in geringer Tiefe unterhalb der Fahrbahn vermutet. Durch die Herstellung des Einschnitts fand eine starke Störung des Hanggleichgewichtes statt, welches zur Reaktivierung der Großschollenrutschung führte. Durch Sanierungsarbeiten (Entwässerung des Rutschkörpers mittels Sickerstützscheiben und Abflachung der Einschnittsböschung auf 1:2,5) konnten die Rutschbewegungen reduziert, jedoch nicht vollständig zum Stillstand gebracht werden.
Östlicher Einschnitt
Im östlichen Einschnitt (E 1, BAB-km 4+800) liegt die Fahrbahn ca. 10 m höher und befindet sich nicht unmittelbar am Hangfuß des Wildenbergs. Die fossilen Gleitflächen innerhalb der Grabfeld-Formation (Grundgipsschichten) verlaufen hier im Vergleich zum westlichen Einschnitt tiefer unter der A 81. Zusätzlich tragen die ins Tal vorspringenden Ausläufer des Hangfußes talwärts der Autobahn als natürliches Widerlager zur Stabilisierung des Hangs bei. Dadurch waren die Rutschbewegungen im östlichen Einschnitt vergleichsweise leicht beherrschbar und konnten durch Abflachung der Einschnittsböschung von 1:1,5 auf 1:2,5 sowie Stabilisierung und Entwässerung durch Einbringung von Drahtschotterstützkörpern gestoppt werden.
Mit der Erstellung der Drahtschotterstützkörper entstanden 15 m tiefe Großaufschlüsse, in denen die Rutschkörper noch genauer erkundet werden konnten. So wurden einerseits antithetisch verstellte Schollen der Grabfeld-Formation beobachtet. Andererseits waren Folgerutschungen in mehreren Phasen zu erkennen, welche sich unter extremen klimatischen Bedingungen der letzten Eiszeit ereigneten. Offenbar kam es während der Taleintiefung schon vor Erreichen der heutigen Talsohle immer wieder zu Rutschungen innerhalb der Grabfeld-Formation, welche mit sehr flach verlaufenden Gleitflächen vom jeweils zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Hangfuß ausgingen.
Erkundung der Gleitfläche
Die Gleitfläche der reaktivierten Großschollenrutschung am Wildenberg wurde mittels Inklinometermessungen erkundet. Demnach verläuft die Hauptgleitfläche im Niveau der A81 innerhalb der Grabfeld-Formation (Grundgipsschichten) zunächst nahezu horizontal bis zu ca. 200 m in den Berg hinein und steigt dann über mehrere steil geneigte Flächen 20–45 m nach oben bis zur Geländeoberkante an. Der Abriss der Scholle ist am höheren Berghang deutlich erkennbar (Brunner et al., 1990). Auch nach den Sanierungsarbeiten kam es als Reaktion auf extreme Niederschlagsereignisse zu Rutschbewegungen. Die Horizontalbewegungen lagen dabei im cm- bis dm-Bereich (Brunner et al., 1990). Der Zusammenhang zwischen Niederschlägen und Bewegungsgeschwindigkeit konnte durch Inklinometermessungen mit Bewegungen von mehr als 4 m in 20 Jahren nachgewiesen werden (Brodbeck, 2010) . Aufgrund der großen Dimensionen der Rutschung ist eine technische Stabilisierung mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht möglich.
Schäden
Auch nach Fertigstellung der Autobahn kam es aufgrund anhaltender Massenbewegungen zu erheblichen Bauschäden im Bereich des Wildenberger Hangs. So musste z. B. ein Parkplatz geschlossen und die Entwässerungsleitung der Autobahn erneuert werden.
Im Jahr 1988 wurden 20 m lange Großbohrpfähle bergseitig einer Feldwegbrücke im Einschnitt 1 zur Abschirmung des Kriechdruckes hergestellt. Zur Überwachung der Bewegungen wurden in den Bohrpfählen Inklinometer installiert. Die weiter stattfindenden Hangbewegungen führten zu irreparablen Schäden an dem Bauwerk, sodass dieses im Jahr 2005 abgebrochen werden musste (Brodbeck, 2010).
Nachfolgend sind die wichtigsten Punkte der Rutschung am Wildenberger Hang tabellarisch aufgelistet:
Stammdaten:
Objekt-ID |
6821_Ru00001 |
Objektname |
Hangrutschung Wildenberger Hang |
Lokalität |
nördlicher Wildenberger Hang, nördlich des Autobahnkreuzes Weinsberg A 81 |
Gemeinde |
Eberstadt |
Stadt-/Landkreis |
Heilbronn |
TK25-Nr. |
6821 |
TK25-Name |
Heilbronn |
Datengrundlage |
|
Lage-Bezugspunkt |
Höchster Punkt der Abrisskante/Hangbewegung |
Ostwert |
523036 |
Nordwert |
5446072 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
300 |
Höhenermittlung |
Karte |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
1968–1972 |
Aktivität |
andauernder Prozess |
Geländenutzung während der Entstehung |
Wald, Ackerland, Grünland, Feldweg, Forststraße, Autobahn, Parkplatz |
Schäden |
Straßenschäden, Schäden an Wasserleitungen, Bauwerksschäden (Feldwegbrücke), Schäden im Waldbestand |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Folgeereignis |
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Prozess der Hauptbewegung |
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Max. Länge [m] |
ca. 365 |
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Max. Breite [m] |
ca. 1700 |
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Fläche der Hangbewegung [m²] |
ca. 472 000 |
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Max. Tiefe der Gleitfläche [m] |
45 |
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Durchschn. Tiefe der Gleitfläche [m] |
20–45 |
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Fläche der Rutschmasse [m²] |
ca. 425 000 |
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Kubatur der Rutschmasse [m³] |
ca. 8 500 000 |
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Höchster Punkt der Abrisskante [m ü. NHN] |
300 |
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Höchster Punkt der Rutschmasse [m ü. NHN] |
290 |
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Max. Höhenunterschied zwischen Abrisskante und Rutschmassentop [m] |
ca. 25 |
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Tiefster Punkt der Rutschmasse [m ü. NHN] |
195 |
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Max. Höhenunterschied (H) zwischen höchstem und tiefstem Punkt der Rutschung [m] |
105 |
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Exposition [°] |
340 |
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Durchschnittliche Hangneigung zwischen Abrisskante und Rutschmassenfuß [°] |
15 |
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Hangneigung [°] |
Oben (zwischen Abrisskante und Rutschmassentop) |
75 |
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Mitte (oberer Teil der Rutschmasse) |
25–40 |
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Unten (unterer Teil der Rutschmasse) |
5–25 |
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Ursache |
geogen |
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Auslöser |
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Geologie |
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Stuttgart-Formation (kmSt) |
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Grabfeld-Formation (kmGr) |
Tonstein, Gips, Anydrit, (Dolomitstein) |
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Gefahrenbeurteilung |
unbekannt |
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Überwachungsmaßnahmen |
temporär (geodätische Messungen und Inklinometermessstellen, bis 2005 bekannt) |
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Sicherungsmaßnahmen |
15 m tiefe Drahtschotterstützkörper, Stützscheiben (Entwässerung), Abflachen der Einschnittsböschungen (1968–1972), 20 m lange Großbohrpfähle mit Messeinrichtungen zur Abschirmung des Kriechdruckes (1988) |
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Sonstige Anmerkungen |
Festgesteinsschollen, antithetische Rutschschollen, z. T. gespanntes Grundwasser, fossile Gleitflächen, Nackentäler, tiefe flach verlaufende Gleitflächen |
Literatur
- (2010). Klima und Hangkinematik am Beispiel der Großschollenrutschung „Wildenberger Hang“ (BAB A 81, nördl. Heilbronn), 42. Erfahrungsaustausch des Bundes und der Länder über Erdarbeiten im Straßenbau (EAT) am 05. und 06. Mai 2010 in Nürnberg-Wetzendorf, 2018, S. 39 (Regierungspräsidium Stuttgart, Referat 42 Sachgebiet Straßenbau- und Geotechnik). Verfügbar unter https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Verkehrssicherheit/Publikationen/Veranstaltungen/S2-EAT2010/S2-EAT2010-Brodbeck.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
- (1990). Trias, Tektonik und Ingenieurgeologie in Nordostwürttemberg (Exkursion B am 19. und 20. April 1990). – Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins, N. F. 72, S. 57–94.
- (2016b). Homepage LGRB » Informationssysteme » Geoanwendungen » Geogefahren » Ingenieurgeologische Gefahrenhinweiskarte von Baden-Württemberg, verfügbar unter http://www.lgrb-bw.de/informationssysteme/geoanwendungen/geogefahren.
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.