Der Kenntnisstand zum Schadensfall Staufen ist in zwei LGRB-Sachstandsberichten zusammengefasst (LGRB, 2010c; LGRB, 2012b).
Übersicht
Im September 2007 wurden in der Stadt Staufen i. Br. (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) Bohrungen für sieben bis 140 m tiefe Erdwärmesonden (EWS 1 bis EWS 7) ausgeführt. Sie sollten dazu dienen, das denkmalgeschützte renovierte Rathaus mit Erdwärmetechnologie zu beheizen und zu kühlen. Bereits zwei Wochen nach Fertigstellung der Erdwärmesonden wurden Anfang Oktober 2007 Risse im neu renovierten Rathaus und in benachbarten Gebäuden festgestellt.
Die EWS-Bohrungen lösten Prozesse aus, die zu den seit Ende 2007 zunehmenden Schäden an Gebäuden und Infrastruktur im historischen Altstadtbereich führten (LGRB, 2010c; LGRB, 2012b; Ruch & Wirsing, 2013). Zur Klärung der Ursachen für diese Hebungen sowie als Bewertungsgrundlage für erforderliche Maßnahmen zum Stoppen des Hebungsprozesses führte das LGRB ab 2008 umfassende Erkundungsmaßnahmen durch.
Geologische und hydrogeologische Verhältnisse
Das Stadtgebiet von Staufen im Breisgau liegt geologisch und geomorphologisch am Ostrand des südlichen Oberrheingrabens in der Sulzburg-Staufener Vorbergzone. Sie wird im Osten durch die Schwarzwaldrandverwerfung (Hauptverwerfung) vom kristallinen Schwarzwald (Paragneise mit Gangporphyren) getrennt. Westlich geht die überschotterte randliche Vorbergzone in die äußere Grabenzone und die Grabenrandscholle über.
Die Schichtenfolge in der Vorbergzone bei Staufen reicht über dem kristallinen Grundgebirge vom triassischen Buntsandstein bis zum tertiären (oligozänen) Küstenkonglomerat. Von besonderer Bedeutung für den Schadensfall sind der Obere Muschelkalk sowie die überlagernde Abfolge des Keupers.
Zur Erkundung der geologischen Verhältnisse wurden im näheren Umfeld der Erdwärmesonden die zwei Erkundungsbohrungen EKB 1 und EKB 2 niedergebracht. Die Bohrarbeiten wurden durch intensive geologische, ingenieurgeologische und hydrogeologische Untersuchungen begleitet. Außerdem wurden die Raumlagen der EWS vermessen.
Die Erkundungsmaßnahmen lieferten folgende Ergebnisse:
- Die Erdwärmesonden erschließen eine Schichtenfolge, die unter gering mächtiger, quartärer Überdeckung von der Stuttgart-Formation (Schilfsandstein-Formation) über die Grabfeld-Formation (Gipskeuper-Formation) und die Erfurt-Formation (Unterkeuper) bis in die Obere Hauptmuschelkalk-Formation reicht.
- Sulfat führendes Gebirge wurde in der Grabfeld-Formation zwischen 28,60 m u. GOK (Oberer Gipsspiegel) und 141,70 m u. GOK (Unterer Gipsspiegel), Anhydrit zwischen 61,50 m u. GOK (Oberer Anhydritspiegel) und 126,10 m u. GOK (Unterer Anhydritspiegel) angetroffen.
- Der Untergrund im Bereich des EWS-Felds (mit sieben Erdwärmesonden) besteht aus einem kleinräumigen Mosaik von Gebirgsschollen, die durch tektonische Störungen versetzt und begrenzt sind. Die Schichten fallen generell in nordwestliche Richtung ein.
- Es wurden vier hydraulisch, hydrochemisch und isotopenhydrologisch voneinander getrennte Grundwasserstockwerke identifiziert. Die beiden oberen (in der Stuttgart-Formation und im Gipskarst der Grabfeld-Formation) führen stark gespannte, die beiden unteren (in der Erfurt-Formation und im Oberen Muschelkalk) artesisch gespannte Grundwässer.
- Die EWS-Bohrungen EWS 1 bis 7 wurden nicht vertikal abgeteuft, sondern ihre Bohrspuren weichen in ihrer Raumlage stark nach Südosten ab (im tiefsten Abschnitt bis 40° aus der Vertikalen).
- Die Temperaturprofile der EWS lassen charakteristische Temperaturanomalien im Anhydrit- und quellfähige Tonminerale führenden Gebirge im Bereich des Mittleren Gipshorizonts der Grabfeld-Formation (Gipskeuper-Formation) erkennen. Sie werden auf die exotherme Reaktion bei der Umwandlung von Anhydrit in Gips zurückgeführt.
- Die Temperaturanomalie ist in der EWS 7 am stärksten ausgeprägt. Das Temperaturprofil in der EWS 7 deutet auf einen Aufstieg von gespanntem Grundwasser aus tieferen Schichten der Erfurt-Formation (Unterkeuper) über eine undichte Ringraumverfüllung in den Anhydrit-führenden Gebirgsabschnitt hin.
Die umfangreichen Untersuchungen ergaben somit, dass eine missglückte Ringraumabdichtung zumindest einer der sieben Erdwärmesonden ursächlich für die eingetretenen Schäden war. Hierdurch gelangte über den Ringraum der EWS artesisch gespanntes Grundwasser aus der unterlagernden Erfurt-Formation des Unteren Keupers und aus dem Oberen Muschelkalk in Anhydrit führende Gebirgsabschnitte der Grabfeld-Formation. Dort löste es den Prozess des so genannten „Gipskeuperquellens“ aus.
Maßnahmen zum Stoppen des Hebungsprozesses
Die durchgeführten Untersuchungen dienten auch dazu, verschiedene Möglichkeiten zu prüfen, die geeignet sind, den Quellhebungsprozess schadensbegrenzend zu beeinflussen. Insbesondere muss hierfür der weitere Zufluss von Grundwasser in den in Quellung befindlichen Gebirgsabschnitt verhindert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden folgende Maßnahmen durchgeführt:
- Nachverpressung: nachträgliche technische Abdichtung der Ringräume der EWS-Bohrungen EWS 1 bis 7
- hydraulischer Abwehrbetrieb: Dauerpumpmaßnahme in der zum Brunnen ausgebauten Erkundungsbohrung EKB 2 und den nachfolgend ausgeführten Brunnenbohrungen BB 3 und BB 4
Die durch die Dauerpumpmaßnahme über insgesamt drei Förderbrunnen erzeugte hydraulische Drucksenke verhindert einen unerwünschten Aufstieg von artesisch gespanntem Grundwasser über sekundäre, durch den Quellhebungsprozess verursachte Fließpfade in den quellfähigen Gebirgsabschnitt.
Die Entnahmerate betrug zu Beginn des gleichzeitigen Absenkbetriebes im April 2012 aus EKB 2 und BB 3 zusammen ca. 5,5 l/s. Seitdem nimmt sie kontinuierlich ab. Im Juni 2022 betrug sie aus EKB 2, BB 3 und BB 4 zusammen ca. 2,2 l/s. Sie liegt damit deutlich unter der wasserrechtlich genehmigten Entnahmerate von 6 l/s.
Begleitend zum Dauerabsenkbetrieb werden die Entnahmeraten und Absenkbeträge, die Vor-Ort-Parameter Leitfähigkeit und Temperatur sowie die Trübung des geförderten Wassers im Online-Betrieb kontinuierlich gemessen. Daneben werden die geförderten Grundwässer in vierteljährlichem Abstand umfangreich hydrochemisch, in größeren Abständen auch isotopenhydrologisch untersucht.
Die Kontrollanalysen zeigen leichte Verschiebungen in der Mineralisation der Wässer aus den drei Entnahmestellen, die Gesamtfracht der geförderten gelösten Stoffe blieb jedoch über die letzten Jahre weitgehend konstant. Isotopisch zeichnet sich eine leichte Zunahme eines Jungwasseranteils aus dem weiteren Umfeld ab.
Die kontinuierlich aufgezeichneten Parameter sind in ein Online-Warnsystem eingebunden. Dieses meldet Abweichungen von den festgelegten Entnahmeraten bzw. vom Absenkziel in Echtzeit an eine zentrale Stelle. Von dort aus kann nach vorab definierten Handlungsanweisungen kurzfristig situationsabhängig reagiert werden. Eine Ersatzpumpe wird redundant vorgehalten. Damit ist sichergestellt, dass eventuelle Ausfallzeiten im Absenkbetrieb möglichst kurz sind.
Zeitliche Entwicklung der Geländedeformation
Die Hebungsgeschwindigkeiten haben in der Anfangsphase schnell und stark zugenommen. Danach blieben sie über einen Zeitraum annähernd gleich. Mit Beginn der schadensbegrenzenden Maßnahmen (Oktober 2009) setzte zunächst eine starke, annähernd lineare Abnahme der Hebungsgeschwindigkeit ein. Daran schließt eine Phase mit geringerer Abnahme an.
Die Hebungsfigur hat bereits seit Juni 2008 weitgehend ortsfest ihre markante elliptische Ausbildung angenommen. Die Hebung erfolgt überwiegend senkrecht zur Schichtung, sodass sich der Quellhebungsvorgang stark anisotrop verhält.
Entsprechend dem vorhandenen Schichteinfallen liegt das Hebungszentrum an der Geländeoberfläche deshalb nicht im Bereich des Erdwärmesondenfeldes bzw. nicht senkrecht über dem in Quellung befindlichen Gebirgsbereich, sondern es ist nach Nordwesten versetzt.
Die maximale Hebungsgeschwindigkeit lag anfangs bei rd. 11 mm/Monat und hat bis März 2021 auf maximal 1,39 mm/Monat abgenommen. Insgesamt beträgt der maximale Hebungsbetrag im Hebungszentrum ca. 64 cm (Stand März 2022).
Neben den Vertikalbewegungen wurden in Staufen westlich der Hauptverwerfungszone Horizontalverschiebungen von maximal ca. 46 cm in nordwestliche Richtung und östlich davon ca. 13 cm in südöstliche Richtung festgestellt (Stand Ende 2018), wobei die Geschwindigkeit der Lageverschiebung ebenso wie die Hebungsgeschwindigkeit abnimmt.
Zu den Horizontalverschiebungen gibt es keine neueren Daten. Weitere Messungen sind diesbezüglich auch nicht vorgesehen.
Zur zeitlichen Entwicklung der Geländedeformation s. a. Slideshow zur Hebungsentwicklung
Literatur
- (2010c). Geologische Untersuchungen von Baugrundhebungen im Bereich des Erdwärmesondenfeldes beim Rathaus in der historischen Altstadt von Staufen i. Br. . – Sachstandsbericht, Az.: 94-4763//10-563, S. 1–304, 7 Anl., 01.03.2010, Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau), verfügbar unter https://lgrb-bw.de/geothermie/staufen/schadensfall_staufen_bericht/pdf/bericht_staufen_lgrb.pdf.
- (2012b). Zweiter Sachstandsbericht zu den seit dem 01.03.2010 erfolgten Untersuchungen im Bereich des Erdwärmesondenfeldes beim Rathaus in der historischen Altstadt von Staufen i. Br. . – Sachstandsbericht, Az.: 94-4763//12-2487, S. 1–108, 5 Anl., 01.06.2012, Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau), verfügbar unter https://lgrb-bw.de/geothermie/staufen/schadensfall_staufen_bericht_2012.
- (2013). Erkundung und Sanierungsstrategien im Erdwärmesonden-Schadensfall Staufen i. Br. – geotechnik 36, 3, S. 147–159.