Einleitung
Die Problematik quellender Gesteinsschichten ist im Tunnelbau seit über 150 Jahren bekannt. Dabei treten Gebirgsdrücke auf, die die lithostatische Auflast deutlich übersteigen und zu Hebungen der Tunnelsohle führen. Die Prozesse des Tonquellens und Anhydritschwellens sind für dieses Phänomen verantwortlich. Aufgrund der dadurch entstehenden Probleme bei Untertagebauten, insbesondere im süddeutschen Raum sowie der Schweiz, wurden in der Vergangenheit zahlreiche Untersuchungen zum Quellverhalten verschiedener Formationen im Zuge des Tunnelbaus wie im Labor durchgeführt. Auch im Rahmen der Endlagersuche ist die Fragestellung der Quellfähigkeit einzelner geologischer Formationen von Bedeutung.
Nach Hauber et al. (2005) ist die „Quellung des Gesteins eine zeitabhängige Volumenzunahme, welche auf einer physikalisch-chemischen Reaktion mit Wasser beruht. Der Quellmechanismus ist eine Kombination der physikalisch-chemischen Reaktion mit Wasser und einer Spannungsverminderung.“
Im deutschsprachigen Raum gibt es viele Beispiele für Tunnel- und Straßenbauten, bei denen signifikante Quellerscheinungen auftraten. Beim Wagenburgtunnel Stuttgart (Baubeginn 1941), welcher durch tonhaltige Sulfatgesteine der Grabfeld-Formation (Mittelkeuper) führt, ergaben sich in den Jahren 1942–1970 Sohlhebungen von max. 120 cm (Rauh, 2009).
Nach dem Bau des 17,5 m tiefen Straßeneinschnittes bei Oberndorf (BAB A81) im Jahr 1976 waren innerhalb weniger Monate Hebungen von bis zu 70 cm zu beobachten. Verantwortlich für die Hebungen waren und sind hier die Corrensitquellung, die Anhydrit-Gips-Umwandlung sowie die Austrocknung und Entspannung überkonsolidierter Tonsteinschichten der Grabfeld-Formation. Die Hebungen sind, wenn auch in deutlich schwächerem Maße, bis heute andauernd.
Tonquellen
Bei den zahlreichen unterschiedlichen Tonmineralen wird in quellfähige und nicht quellfähige Minerale unterschieden. Der Unterschied liegt im Wesentlichen bei der für Wasser zugänglichen Oberfläche der Minerale. Als quellfähig gelten die Dreischichtsilikate der Smektit-Gruppe (z. B. Montmorillonit), der Halloysit (Zweischichtsilikat) sowie sog. Mixed-layer Minerale, welche aus zwei bis drei verschiedenen Schichtsilikaten zusammengesetzt werden. Das in Baden-Württemberg häufig vorkommende quellfähige Mixed-layer Mineral Corrensit wird aus einer Chlorit-Vermiculit- oder Chlorit-Smektit-Wechsellagerung gebildet (Rauh, 2009).
Der Quellvorgang der Tongesteine beinhaltet im Wesentlichen die Anlagerung von Wasser an die Oberfläche der Tonminerale und wird in zwei Phasen eingeteilt.
Phase 1 bildet das innerkristalline Quellen. Dabei findet die Hydratation der Kationen zwischen den Elementarschichten der Tonteilchen statt. Wassermoleküle bilden eine Hülle um die Kationen und vergrößern so den Schichtabstand. Bei einer vollkommenen Hydratation verdoppelt das Tonmineral sein Volumen (Rauh, 2009). Nach Madsen & Müller-Vonmoos (1988) können Quelldrücke bis über 100 N/mm2 entstehen.
Phase 2 des Quellvorgangs beinhaltet das osmotische Quellen der Tonminerale, die eine weitere Aufweitung der Elementarschichten zur Folge hat. Die treibende Kraft sind hier die Unterschiede in Ionenkonzentrationen zwischen den Elementarschichten und des Porenwassers (Hauber et al., 2005). An der Tonmineraloberfläche herrscht durch die negative Überschussladung ein negatives Potenzial. Dieses wird durch elektrostatische Sammlung positiver Ionen (Kationen) an der Tonmineraloberfläche ausgeglichen. Bei geringerer Ionenkonzentration im umgebenden Porenwasser als in den Tonmineralen findet so ein Ausgleich der Konzentrationsdifferenz durch Einziehen von Wasser zwischen die Elementarschichten statt, was dort zu einer Verdünnung der Ionenkonzentration führt. Der Kationenaustausch führt dazu, dass derselbe Tonstein in Kontakt mit verschieden mineralisierten Wässern unterschiedliches Quellverhalten zeigt (Rauh, 2009). Madsen & Müller-Vonmoos (1988) beziffern die Volumenzunahme bei unbehindertem osmotischem Quellen mit bis zu 20 % bei geringen Quelldrücken von nur 2 N/mm2.
Aufgrund der Anisotropie der Gesteine bzw. der Einregelung der Tonminerale, sind die größten Quellhebungen und Quelldrücke senkrecht zur Schichtung festzustellen (Hauber et al., 2005).
Der Prozess des Tonquellens wird i. d. R. durch eine Entlastung des Gesteins (z. B. beim Tunnelvortrieb) ausgelöst. Die negativ geladenen Tonminerale stoßen sich grundsätzlich voneinander ab. Die Abstoßung befindet sich im natürlichen Zustand im Gleichgewicht mit dem Überlagerungs-/Gebirgsdruck. Wird dieser jedoch verringert, führt dies zur Entlastung des Gesteins und schließlich zu einer Volumenzunahme. Dies bedeutet auch, dass je größer die Überlagerung des Tongesteins ist, die Abstände zwischen den Tonmineralen kleiner sind und somit das Quellpotenzial des Gesteins wächst. Des Weiteren ist daraus zu schließen, dass eine Volumenzunahme bei Aufbringung eines Gegendruckes verhindert werden kann (Hauber et al., 2005).
Der Prozess des Tonquellens gilt als reversibel.
Anhydritschwellen
Die Volumenzunahme bei Anhydritgesteinen resultiert aus der Aufnahme von Wassermolekülen und der Umwandlung des Anhydrits in Gipsminerale. Dies kann aufgrund der unterschiedlichen Kristallstrukturen der Minerale jedoch nicht über eine Hydratation des Anhydrits erfolgen. Vielmehr findet ein Lösungs-Fällungs-Prozess statt. Liegt die Lösungskonzentration des umgebenden Wassers unterhalb der Sättigungskonzentration von Anhydrit, wird dieser gelöst. Somit steigt die Konzentration an Kalzium- und Sulfationen im Wasser. Da unter den oberflächennahen Bedingungen (Druck, Temperatur) Gips die stabile Phase des Kalziumsulfats ist, folgt bei Sättigung bzw. Übersättigung der Lösung die Kristallisation von Gipskristallen.
CaSO4 + 2 H2O → Ca2+ + SO42- + 2 H2O → CaSO4 * 2 H2O
(Anhydrit + Wasser → gelöste Ca- und SO4-Ionen → Gips)
Der Lösungs-Fällungs-Prozess hängt stark von der Wasserzirkulation und der Aktivität (enthaltene Ca2+- und SO42--Ionen) ab. Unter atmosphärischen Bedingungen ist dieser Umwandlungsprozess irreversibel.
Nach mineralogischen Untersuchungen von Reimann (1991) haben auch Kristallform, ‑größe und ‑gefüge große Auswirkung auf die Vergipsungsbereitschaft von Anhydritgesteinen.
Bei einem unbehinderten Schwellen ergibt sich nach Hauber et al. (2005), Rauh (2009) sowie weiteren früheren Publikationen bei der Umwandlung von Anhydrit zu Gips eine kristallografisch theoretische Volumenzunahme von etwa 61 %. Anagnostou (1992) jedoch postuliert, dass diese theoretische Volumenbilanz für offene Systeme (Gebirgsrealität) nicht zulässig ist und eher eine Auslaugung, also Volumenabnahme des Gebirges stattfindet, da die Sättigungskonzentration von Gips im offenen System nicht erreicht werden kann. Somit stellt Anagnostou die Mitwirkung von Anhydrit bei Schwellerscheinungen in Sulfatgesteinen grundsätzlich in Frage und deutet das Vorhandensein von Anhydrit lediglich als Anzeichen für trockene quellfähige Tone.
Unbestritten ist, dass massiger Anhydrit aufgrund seiner Undurchlässigkeit nur in sehr geringem Maße zur Vergipsung neigt und das Vorhandensein von Tonschichten, ‑linsen oder ‑schlieren zu einer Beschleunigung der Schwellvorgänge führt (Madsen & Nüesch, 1990).
Tonquellen vs. Anhydritschwellen
Die Prozesse im Ton-Anhydrit-Wasser-Gips-System werden in der Fachliteratur, wie oben bereits erläutert, kontrovers diskutiert. Da schwellende Sulfatgesteine immer auch Tonminerale beinhalten, führen Hauber et al. (2005) mögliche Einflussfaktoren der Tonminerale auf eine Anhydrit-Gips-Umwandlung auf. Als wichtigster Faktor wird erstens die initiale Rissbildung durch quellende Tonminerale genannt. In diesem Fall ginge das Tonquellen der Vergipsung voraus und ermöglicht so das Eindringen von Wasser in die Sulfatgesteinslagen. Als zweiter Faktor werden die adsorbierenden und retardierenden Eigenschaften der Tonminerale genannt. Durch das Quellen des Tongesteins nimmt der Porenraum zwar zu, die Durchlässigkeit nimmt jedoch ab. Dies begünstigt eine Stagnation der zirkulierenden Wässer, sodass eine Zunahme der Sulfatkonzentration in den Bereich der Gipsfällung stattfinden kann.
Zu unterscheiden ist grundsätzlich, ob der Anhydrit-Gips-Umwandlung eine passive (Kristallwachstum nur in durch Tonquellen geschaffenem Kluft- und Porenraum) oder aktive Rolle (Kristallisationsdruck des Umwandlungsprozesses trägt neben dem Tonquellen zum Schwellen des Gesteins bei) zugeschrieben wird.
In tonigen Sulfatgesteinen bestimmt die Mineralogie das Quellpotenzial. Hauber et al. (2005) fassen die Versuche von Madsen & Nüesch (1991) zusammen, bei denen der Einfluss des Tongehaltes in Sulfatgesteinen auf Quelldrücke untersucht wurde. Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass bei Tongehalten < 5 % und > 50 % die maximalen Quelldrücke zwischen tonhaltigen und tonfreien Sulfatgesteinen keinen nennenswerten Unterschied aufweisen. Im Bereich von 5–50 % Tongehalt waren die maximalen Quelldrücke jedoch gegenüber sulfatfreien Proben vergleichsweise erhöht, mit maximal erhöhten Werten bei Tongehalten zwischen 5 % und 25 %.
Anlässlich des Baus des Freudensteintunnels führten im Auftrag der DB die Universitäten Karlsruhe und Darmstadt Langzeitquellversuche an Sulfatgesteinen durch. Die Proben besaßen im Ausgangszustand unterschiedliche Zusammensetzungen bzw. Anhydritgehalte. Wittke & Wittke-Gattermann (2015) und Wittke et al. (2017) gelangen nach Interpretation der Versuchsergebnisse zu der Erkenntnis, dass sogar Quelldrücke bis maximal 10 MN/m2 bei vollständiger Umwandlung von Anhydrit in Gips möglich sind.
Einflussfaktoren bei Quellvorgängen
Verschiedene Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Quellvorgänge bzw. eine Volumenzunahme des Gesteins stattfinden können. Die Prozesse werden von verschiedenen Faktoren in ihrem Ausmaß und zeitlicher Entwicklung beeinflusst.
1. Gebirge
- Art und Gehalt der quellfähigen Inhaltsstoffe sowie deren Verteilung
- Mineralogie der quellfähigen Minerale (Art der Schichtsilikate, Kornform/‑größe/‑gefüge)
- Lagerung, Schichtung (z. B. Wechsellagerung Anhydrit – quellfähige Tonminerale und Überlagerung der Quellprozesse)
- Einfluss nicht quellfähiger Bestandteile (kompetente Lagen behindern Quellpotenzial)
- Wasserwegsamkeiten je nach Ausprägung natürlicher Trennflächen (Schichtung, Klüftung)
- Diagenese-/Metamorphosegrad (Porosität, stark richtungsabhängiges Quellverhalten durch Einregelung der Minerale)
2. Wasser
- Voraussetzung für Quellvorgang
- Zuführung anthropogen (defekte Leitungen oder unzureichend abgedichtete Bohrlöcher) oder als Grundwasser/Bergwasser oder Oberflächenwasser
- chemisch-physikalische Eigenschaften des Wassers sind entscheidend, Salze können Quellvorgang anregen (Sulfate) oder verzögern (Nitrate, Chloride)
3. Spannungen
- Höhe des Überlagerungsdrucks
- Entspannungen und Auflockerungen im Gebirge gelten als Auslöser von Quellvorgängen
4. Zeit
- Schnelleres Anlaufen und Abklingen der Quellvorgänge in Tongesteinen als im Anhydrit-Gips-System
- Langsamerer Ablauf der Reaktion auch in Tonsteinen bei langsamem stetigen Wasserzufluss möglich
Aufgrund der zahlreichen genannten Faktoren verlaufen die Quellerscheinungen je nach Zusammenwirken in ihrem Einsetzen, Geschwindigkeit und Ausmaß der Quellung oft sehr unterschiedlich.
Problematik bei Untertagebauten
Untertagebauten stellen einen großen Eingriff in das sich üblicherweise im Gleichgewicht befindende Gebirge dar. Die Veränderungen der lokalen hydraulischen und felsmechanischen Spannungszustände können zu Quellvorgängen führen. Auslöser sind insbesondere die lokale Reduktion des Gebirgsdruckes sowie die Zerklüftung/Auflockerung des Gesteins durch den Vortrieb, die Wasserwegsamkeiten entstehen lässt. Des Weiteren haben Tunnelbauten durch ihre Drainagewirkung großen Einfluss auf die hydrologischen Gegebenheiten. Durchörtert ein Tunnel sowohl nasse als auch trockene Schichten, kann das Wasser entlang des Tunnels in trockene Bereiche ablaufen (Längsläufigkeit) und dort Quellvorgänge auslösen. Für diesen Vorgang ist der bereits erwähnte Wagenburgtunnel ein bekanntes Beispiel. Ebenso kann, je nach Berg-/Grundwasserspiegel, Brauchwasser aus dem Tunnelbau oder durch defekte Rohrleitungen etc. in das durchörterte Gestein gelangen.
Je nach Lage der quellfähigen Gesteine in Bezug auf den Tunnel können sich die Quellprozesse unterschiedlich auf das Gewölbe auswirken. Besonders gefährdet sind Tunnel, deren Sohlbereiche sich in quellfähigen Schichten befinden. Liegen Tunnel auf Höhe der Ulmen innerhalb einer quellfähigen Schicht, werden nur Quelldehnungen parallel zur Schichtung entstehen. Meist sind die Ulmen jedoch trocken und es treten dort Spannungskonzentrationen auf, die dem Quelldruck entgegenwirken (Rauh, 2009).
Die Geschwindigkeit des Quellvorgangs kann sehr unterschiedlich sein, vielfach verlaufen diese meist sehr langsam. Teilweise treten aber bereits während der Bauphase starke Quellerscheinungen auf, insbesondere bei künstlicher Wasserzufuhr oder hergestellter Längsläufigkeit (Anagnostou, 1992).
In der Vergangenheit wurden teilweise jahrzehntelang anhaltende Quellvorgänge in Tunnelbauten beobachtet (Hauber et al., 2005). Im 1880 fertiggestellten Kappelisbergtunnel musste die ungesicherte Sohle mehrfach abgetragen und das Gleisbett tiefer gelegt werden. Insgesamt wurden hier bis zu 430 cm Sohlhebung festgestellt (Anagnostou, 1992).
Maßnahmen
Aufgrund der aufgeführten Problematiken ist es unerlässlich, bei neu geplanten Tunneln das Auftreten von quellfähigen Gesteinen zu berücksichtigen. Da alle konstruktiven Maßnahmen Quellvorgänge verzögern und verringern, jedoch nicht vollständig unterbinden können, sollte das oberste Ziel die Vermeidung quellfähiger Formationen bzw. deren Durchörterung auf möglichst kurzer Strecke sein (Hauber et al., 2005).
Heute wird zur Verzögerung und Verringerung der Quellprozesse ein möglichst schonender Vortrieb durch bekannte Problemzonen gewählt, um die Auflockerung des Gebirges so gering wie möglich zu halten. Außerdem wird durch entsprechende Maßnahmen dem Zufließen von Wasser in quellfähige Abschnitte (Tonsperren verhindern z. B. Längsläufigkeit) oder der Versickerung des Stollenwassers vorgebeugt.
Als konstruktive Maßnahme wird heute meist das sog. Widerstandsprinzip praktiziert. Dabei soll ein steifer Ausbau der Tunnelröhre Quellhebungen entgegenwirken. Eine ausreichende und an die örtlichen Gegebenheiten angepasste Dimensionierung ist dabei erforderlich, um Beschädigungen an der Tunnelschalung vorzubeugen. Um starke Sohlhebungen zu verhindern, ist grundsätzlich auch eine systematische Sohlankerung möglich. Da dies jedoch hohe Kosten verursacht, wird dies nur selten angewandt, insbesondere bei überraschend auftretenden Hebungserscheinungen (Rauh, 2009).
Eine weitere Möglichkeit zur Sicherung eines Tunnels stellt das Ausweichprinzip dar. Dabei wird der auf das Bauwerk wirkende Quelldruck durch Zulassen von Quellhebungen reduziert, indem im Sohlbereich eine Knautschzone aus Schaumstoff oder Blähton eingebaut wird.
Nach Wittke (2004) ist innerhalb der Grabfeld-Formation in Baden-Württemberg das Widerstandsprinzip zu bevorzugen, sofern genügend „gesteinsharter Fels“ oberhalb der Tunnelröhre vorhanden ist, gegen die sich diese abstützen kann. Sollten oberhalb des Tunnels ausgelaugte Gesteine der Grabfeld-Formation liegen, wäre das Ausweichprinzip vorzuziehen.
Quellfähige Gesteinsformationen in Baden-Württemberg und IGHK
Die Anhydritgesteine der Germanischen Trias sind, auch aufgrund ihrer Feinkristallinität, besonders geeignet für die Vergipsung und somit anfällig für Volumenzunahme. Insbesondere sind die stark quellfähigen Sulfatgesteine der Grabfeld-Formation (Mittelkeuper) und des Mittleren Muschelkalks hervorzuheben. Im Jura sind die Opalinuston-Formation sowie die Ornatenton-Formation aufgrund von Tonquellprozessen als quellfähig zu nennen. Die Grabfeld-Formation besitzt in Baden-Württemberg aufgrund der tonhaltigen Sulfatgesteine und der Überlagerung von Tonquell- und Anhydritschwellprozessen mit das größte Quellpotenzial. Aus diesem Grund ist in diesem Zusammenhang auch häufig von „Gipskeuperquellen“ die Rede (nach der ehemaligen Bezeichnung der Grabfeld-Formation).
In Oberflächennähe liegen die quellfähigen Tonminerale durch die Wirkung des eindringenden Oberflächenwassers bzw. des Schicht- und Kluftgrundwassers bereits in gequollenem Zustand vor und die Sulfatgesteine sind bereits stärker ausgelaugt oder stehen als Gips, der stabilen Phase des Kalziumsulfats, an.
Aufgrund der geringen Bedeutung und Gefährdung für übliche oberflächennahe Baumaßnahmen werden hinsichtlich Hebungen durch Tonquellen und Anhydritschwellen in der IGHK50 von Baden-Württemberg keine eigenen Gefahrenhinweisflächen ausgewiesen.
Quellvorgänge bei Erdwärmesonden-Anlagen
Seit einigen Jahren sind Phänomene des „Gipskeuperquellens“ nicht mehr nur durch Infrastrukturprojekte bekannt. Zwischen 2007 und 2012 kam es an den im Land zahlreich ausgeführten Erdwärmesonden-Anlagen (EWS) zu einzelnen Schadensfällen (z. B. EWS-Schadensfall Staufen), die große mediale Aufmerksamkeit erlangten. Auslöser für die Quellvorgänge und darauffolgende Hebungserscheinungen war stets das (unbeabsichtigte) Herstellen von Wasserwegsamkeiten zwischen wasserführenden Schichten und quellfähigen Gesteinsschichten aufgrund fehlerhafter undichter Ringraumhinterfüllungen. Dabei wurden ursprünglich voneinander getrennte Grundwasserstockwerke durchteuft und hydraulisch miteinander verbunden. Im Fall Staufen gelangte so artesisch gespanntes Grundwasser aus den tiefer liegenden Schichten des Unterkeupers und des Oberen Muschelkalks in die darüber liegenden anhydrithaltigen Gesteinsschichten der Grabfeld-Formation. Dort wurden schließlich die oben beschriebenen Quellprozesse in tonhaltigem Sulfatgestein mit so hohen Quelldrücken ausgelöst, dass diese zu Hebungserscheinungen führten, die teils erhebliche Gebäude- und Infrastrukturschäden an der Erdoberfläche zur Folge hatten.
Literatur
- (1992). Untersuchungen zur Statik des Tunnelbaus in quellfähigem Gebirge. – Institut für Geotechnik ETH Zürich, Band 201, 288 S., Zürich (Verlag der Fachvereine an den schweizerischen Hochschulen und Techniken AG).
- (2005). Tonminerale und Sulfate als Ursache für druckhaftes Verhalten von Gesteinen. Ursachen und Wirkungen des Quellvorganges. 90 S., Basel (Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Bundesamt für Strassen, ASTRA, Schweiz).
- (1988). Das Quellverhalten der Tone. – Mitteilungen des Instituts für Grundbau und Bodenmechanik ETH Zürich, 133, S. 39–50.
- (1990). Langzeitquellverhalten von Tongesteinen und tonigen Sulfatgesteinen. Technischer Bericht 90-17. – Mitteilung Nr. 140 des Institutes für Grundbau und Bodenmechanik, ETH Zürich, 96 S., Baden (Schweiz) (NAGRA).
- (2009). Untersuchungen zum Quellverhalten von Anhydrit und Tongesteinen im Tunnelbau. – Münchner Geowissenschaftliche Abhandlungen, Reihe B, 11, S. 1–110.
- (1991). Geologisch-lagerstättenkundliche und mineralogische Untersuchungen zur Vergipsung und Volumenzunahme der Anhydrite verschiedener geologischer Formationen unter natürlichen und labormäßigen Bedingungen. – Geologisches Jahrbuch, Reihe D, 97, S. 21–125.
- (2015). Grundlagen der Bemessung und des Entwurfs für Tunnel in anhydritführendem Gebirge. – Felsmechanische Fragestellungen beim Bahnprojekt Stuttgart–Ulm, Vorträge anlässlich des Felsmechanik-Tages 2015 im WBI-Center Weinheim, 16.04.2015, S. 103–117.
- (2004). Planung, Bau und Überwachung von Tunneln in quellfähigem Gipskeuper. – Geotechnik, 27/2, S. 104–111.
- (2017). Stoffgesetz, Berechnungsverfahren, felsmechanische Kennwerte und Ausführungsstatik für Tunnel im anhydritführenden Gebirge. – Felsmechanische Fragestellungen beim Bahnprojekt Stuttgart–Ulm und anderer Großprojekte im In- und Ausland, Vorträge anlässlich des 3. Felsmechanik- und Tunnelbautages 2017 im WBI-Center Weinheim, 11.05.2017, S. 33–61.