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Wagenburgtunnel

Übersicht

Älteres Bild in Schwarzweiß, von erhöhtem Standpunkt aufgenommen. Das Foto zeigt eine große Tunnelbaustelle in Stuttgart.
Bau des Ostportals des Wagenburgtunnels (Foto: Stadt Stuttgart, 1958)

Der Wagenburgtunnel quert auf 824 m Länge die Uhlandshöhe in Stuttgart. Die maximale Gebirgsüberlagerung über Fahrbahnhöhe beträgt ca. 60 m. Der Straßentunnel verbindet dabei die Stuttgarter Innenstadt mit den östlichen Stadtteilen Gablenberg, Gaisburg und Ostheim. Erste Überlegungen zum Bau des Wagenburgtunnels gehen bis in die 1920er Jahre zurück. 1941 wurde mit dem Bau an beiden Tunnelröhren (Nordröhre und Südröhre) begonnen. Während der Kriegsjahre dienten die beiden Tunnelröhren als Luftschutzraum. Nach Kriegsende wurde in den Jahren 1946 bis 1957 die Südröhre als Straßentunnel ausgebaut und war bei Fertigstellung der längste Straßentunnel Deutschlands. Die Nordröhre hingegen wurde nur auf einem kurzen Streckenabschnitt weiter ausgebaut (Stadt Stuttgart, 1958; Krause & Wurm, 1975). Im Rahmen eines großen Forschungsprojektes (Finanzierung: Straßenbauverwaltung des Bundes, Stadt Stuttgart, Deutsche Bundesbahn) wurden bis 1975 interdisziplinär (sechs beteiligte Institute) die mineralogischen, geologischen und geotechnischen Parameter der quellfähigen Gesteine der Grabfeld-Formation erforscht. Besonders intensive Untersuchungen fanden dabei im Wagenburgtunnel statt.

Ausschnitt einer farbig ausgeführten geologischen Karte des Stadtgebiets von Stuttgart, mit rot eingezeichnetem Verlauf des Wagenburgtunnels.
Lage des Wagenburgtunnels
Mehrfarbiger geologischer Längsschnitt der Südröhre des Wagenburgtunnels bei Stuttgart. Am linken Rand ist eine Verwerfung im Gestein zu erkennen.
Geologischer Längsschnitt des Wagenburgtunnels (Grafik: Abbildung 8 aus Rogowski et al., 2017, umgezeichnet nach Stadt Stuttgart, 1958)

Bauliche Gegebenheiten und beobachtete Hebungen

Einfaches, in Schwarzweiß ausgeführtes Diagramm zu gemessenen Hebungen in der Südröhre des Wagenburgtunnels bei Stuttgart.
Hebungen der Südröhre des Wagenburgtunnels

Ausgeprägte Sohlhebungen wurden in beiden Röhren des Wagenburgtunnels beobachtet. Diese beschränken sich auf den berginneren Kern zwischen Station 0+300 und 0+500. Eindrucksvoll lässt sich dieses Phänomen im 1942 fertiggestellten Sohlstollen der Nordröhre (Ausbruchsquerschnitt: 3,2 m breit, 2,7 m hoch; Betongewölbe 20–30 cm stark; kein Sohlgewölbe) beobachten, welcher heute als Fluchtstollen dient. Bei ungehindertem Quellen/Schwellen wurden im Zeitraum bis 1970 Sohlhebungen von bis zu 120 cm (bei ca. Station 0+391) gemessen. Zeitgleich wurden an der Tunnelfirste Hebungen von bis zu 30 cm festgestellt. Der 1957 fertiggestellte Straßentunnel (Südröhre) wurde im Widerstandsprinzip mit einem 50 cm starken Sohlgewölbe sowie einem Zugband zwischen den Ulmenfußpunkten einschließlich zwei hydraulischen Druckkissen in den Ulmen gebaut. Im Zeitraum von 19 Jahren (1957–1976) wurden in der Fahrbahn Hebungen von bis zu ca. 20 cm festgestellt. Im Ab- und Zuluftkanal führte das Tiefbauamt Stuttgart ab 1962 Messungen durch. Bis März 1974 betrugen dort die Hebungen 9,3 cm (Krause & Wurm, 1975; Krause, 1977). Auch aus dem Jahr 1977 berichtet Krause (1977) noch von einer durchschnittlichen Hebung der gesamten Südröhre bei Station 0+385 von 0,7–0,8 cm pro Jahr. Seit 1982 wiesen zunehmende Hebungsraten in der Sohle auf ein sich abzeichnendes Versagen des Sohlgewölbes hin. 1986 musste daher das Sohlgewölbe im Anhydrit-führenden Gebirgsbereich saniert werden (Paul & Wichter, 1996). Nach erfolgreich durchgeführten Sanierungsmaßnahmen bestehen im Wagenburgtunnel derzeit keine Probleme durch Anhydritschwellen und Corrensitquellen oder sind Schäden gegenwärtig durch dieses Phänomen nicht zu erwarten.

Mehrteilige, in Schwarzweiß ausgeführte Grafik zum Thema Sohlhebungen in der Nordröhre des Wagenburgtunnels in Stuttgart.
Sohlhebungen im Wagenburgtunnel
Ältere Aufnahme in Schwarzweiß von einem schmalen, nach oben runden Tunnel. Der Tunnelboden ist leicht nach oben gewölbt, die Tunnelwände sind gemauert. Auf beiden Seiten sind die Schatten des Fotografen zu erkennen.
Sohlhebungen im Wagenburgtunnel infolge Anhydritschwellens der Grabfeld-Formation

Erkundungen im Wagenburgtunnel

Im Zuge der interdisziplinären Untersuchung des Phänomens der Sohlhebung von Tunnel in den Gesteinen der Grabfeld-Formation wurden in den 1970er Jahren im Wagenburgtunnel u. a. Bohrungen abgeteuft, Schürfe angelegt und Versuchsstollen (zwei 20 m lange, 3 m breite und 2,7 m hohe Versuchsquerschläge) gegraben.

Mehrteilige, in Schwarzweiß ausgeführte Zeichnung von Erkundungsschurfen in der Nordröhre des Wagenburgtunnels bei Stuttgart.
Erkundungsschurfe im Anhydrit-führenden Gebirgsabschnitt

Literatur

  • Einfalt, H. C. (1975). Ergebnisse der Untersuchungen an den Calciumsulfatmineralien aus dem Gipskeuper Stuttgarts. – Bundesverkehrsministerium (Hrsg.). „Durchführung eines felsmechanischen Großversuches in der Nordröhre des Wagenburgtunnels in Stuttgart“, S. 95–118, Bonn (Band 184 der Schriftenreihe „Straßenbau und Straßenverkehrstechnik“, Forschungsberichte aus dem Forschungsprogramm des Bundesverkehrsministeriums und der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen e. V.).
  • Henke, K. F. (1975). Magnitude and rate of heave in tunnels in calcium sulphate bearing rocks. – Bulletin of the International Association of Engineering Geology, 14(1), S. 61–64.
  • Henke, K. F., Kaiser, W. & Nagel, D. (1975). Geomechanische Untersuchungen im Gipskeuper. – Bundesverkehrsministerium (Hrsg.). „Durchführung eines felsmechanischen Großversuches in der Nordröhre des Wagenburgtunnels in Stuttgart“, S. 149–162, Bonn (Band 184 der Schriftenreihe „Straßenbau und Straßenverkehrstechnik“, Forschungsberichte aus dem Forschungsprogramm des Bundesverkehrsministeriums und der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen e. V.).
  • Kirchmayer, M. (1975). Die Sulfide in den Bohrungen innerhalb der Sohlhebung, die Verteilung der Verwitterungsfarben auf den Gesteinsoberflächen und die Gefügeregelung der Gesteine des Gipskeupers im Fensterinhalt Wagenburgtunnel-Großversuch, Stuttgart. – Bundesverkehrsministerium (Hrsg.). „Durchführung eines felsmechanischen Großversuches in der Nordröhre des Wagenburgtunnels in Stuttgart“, S. –, Bonn (Band 184 der Schriftenreihe „Straßenbau und Straßenverkehrstechnik“, Forschungsberichte aus dem Forschungsprogramm des Bundesverkehrsministeriums und der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen e. V.).
  • Krause, H. (1977). Zur Geologie und Statistik des Tunnelbaus in Baden-Württemberg unter besonderer Berücksichtigung der Keupertunnel. – Jahreshefte des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, 19, S. 35–57.
  • Krause, H. & Wurm, F. (1975). Geologische Grundlagen und Untersuchungen zum Problem der Sohlhebungen in Keupertunneln Baden-Württembergs. – Bundesverkehrsministerium (Hrsg.). „Durchführung eines felsmechanischen Großversuches in der Nordröhre des Wagenburgtunnels in Stuttgart“, S. –, Bonn (Band 184 der Schriftenreihe „Straßenbau und Straßenverkehrstechnik“, Forschungsberichte aus dem Forschungsprogramm des Bundesverkehrsministeriums und der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen e. V.).
  • Lippmann, F. & Schürle, F. (1975). Mineralogische Untersuchungen an Keupergesteinen unter besonderer Berücksichtigung der Tonminerale. – Bundesverkehrsministerium (Hrsg.). „Durchführung eines felsmechanischen Großversuches in der Nordröhre des Wagenburgtunnels in Stuttgart“, S. –, Bonn (Band 184 der Schriftenreihe „Straßenbau und Straßenverkehrstechnik“, Forschungsberichte aus dem Forschungsprogramm des Bundesverkehrsministeriums und der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen e. V.).
  • Paul, A. & Wichter, L. (1996). Das Langzeitverhalten von Tunnelbauwerken in quellfähigem Gebirge – Neuere Meßergebnisse vom Stuttgarter Wagenburgtunnel. – DGGT – Deutsche Gesellschaft für Geotechnik (Hrsg.). Taschenbuch für den Tunnelbau 1996, 20, S. 135–164, Essen (Glückauf).
  • Rogowski, E., Bauer, E. & Wiedenmann, J. (2017). Der Baugrund von Stuttgart – Erläuterungstext und digitale Baugrundgeologische Karten. 157 S., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau; Landeshauptstadt Stuttgart).
  • Stadt Stuttgart (1958). Der Wagenburgtunnel in Stuttgart. – Die Arbeiten des Tiefbauamtes. Folge 1, 66 S., Stuttgart.
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