Die Beurteilung der Gefährdung des Grundwassers durch Schadstoffeinträge von der Geländeoberfläche aus setzt Kenntnisse über den natürlichen Schutz durch Boden und Grundwasserüberdeckung voraus.
Methodik
Grundwasser kann in seiner Beschaffenheit durch verschiedene Einflüsse nachteilig beeinträchtigt werden. Mögliche anthropogene punkt-, linien- oder flächenhafte Belastungsquellen können z. B. Altlasten, Havarien mit Schadstoffen, belastetes Oberflächenwasser, undichte Kanalisationen oder der Eintrag von Pflanzenschutzmitteln bzw. Düngestoffen aus der Landwirtschaft sein.
Für das Land Baden-Württemberg wurden vom LGRB flächendeckende digitale Datensätze zur Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung erstellt. Sie beschreibt den Schutz des Grundwassers durch den Boden und die Grundwasserüberdeckung. Dabei wirken sich die Prozesse der Verdünnung, Filterung, Advektion, mechanischen Dispersion, molekularer Diffusion, Sorption, chemischer Reaktionen und des mikrobiologischen Abbaus in unterschiedlichem Maß aus.
Die Grundwasserüberdeckung besteht aus dem Boden, den bindigen Deckschichten unter dem Boden und dem ungesättigten Bereich des Grundwasserleiters oberhalb der Grundwasseroberfläche. Die Methodik zur Ableitung der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung ist bei Wirsing & Kern (2020) ausführlich beschrieben. Für die Beurteilung wurde ein modifiziertes Verfahren der Staatlichen Geologischen Dienste (SGD) angewendet (Hölting et al., 1995; Wirsing & Kern, 2020). Mit dem intrinsischen Ansatz wird die Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung bei einem Stoffeintrag an der Geländeoberfläche für einen vertikalen Transport bis in das Grundwasser abgeschätzt. Der Hauptfaktor der Betrachtung ist die mittlere Verweilzeit – je länger ein Stoff braucht, um ins Grundwasser zu gelangen, umso stärker nimmt seine Konzentration bei der Untergrundpassage ab. Stoffspezifische Eigenschaften werden nicht berücksichtigt.
Die Methode berücksichtigt nicht die in Karstgebieten vorhandenen direkten schnellen Eintragspfade über Erdfälle, Dolinen, Trockentäler und abflusslose Senken, über die Schadstoffe den Boden und die Grundwasserüberdeckung schnell passieren und ins Grundwasser gelangen können.
Die flächenhafte Bewertung der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung erfolgte in zwei Varianten:
- in Variante 1 wurde die Schutzfunktion für den obersten Grundwasserleiter bewertet. Im Hinblick auf den Grundwasserschutz ist dies die konservative Betrachtungsweise.
- in Variante 2 wurde die Schutzfunktion für den wasserwirtschaftlich genutzten bzw. nutzbaren („relevanten“) Grundwasserleiter bewertet.
Für beide Varianten liegen als Ergebnis der Bewertung digitale Flächendatensätze (40-Meter-Raster) zur Gesamtschutzfunktion der Grundwasserüberdeckung vor.
Wichtige Voraussetzung für die Interpretation der Daten ist die Information, für welchen Grundwasserleiter die Bewertung erfolgt. Sie wird durch entsprechende Datensätze bereitgestellt (getrennt für Variante 1 und Variante 2).
Ergebnisse
Die Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung ist im Bereich der Mittleren Alb insgesamt sehr gering. Zur geringen Schutzfunktion trägt vor allem die schnell fließende Karstgrundwasserkomponente in den Großklüften, Störungen und Karsthohlräumen des Oberjura-Karstgrundwasserleiters bei. Besonders bei direktem Eintrag in dieses System können Schadstoffe in hohen Konzentrationen sehr schnell große Entfernungen zurücklegen und in genutzte Wasserfassungen gelangen (HGK, 2002). Bevorzugte Eintragspfade hierfür sind Erdfälle, Dolinen, Trockentäler und abflusslose Senken (Bayer & Groschopf, 1993; Binder, 1993d).
Weitere Informationen hierzu finden sich unter dem Thema „Vermutete Karststruktur“ in der LGRB-Fachanwendung „Ingenieurgeologische Gefahrenhinweiskarte 1 : 50 000“.
Trotz des großen Grundwasserumsatzes werden Schadstoffe in den Deckschichten, im Epikarst und im Karstgrundwasserleiter auch langfristig zwischengespeichert. Beim Transport in Klüften oder Karsthohlräumen diffundiert ein Teil entsprechend dem Konzentrationsgefälle in die mikroskaligen Klüfte und das Porenwasser der Gesteinsmatrix. Auch Kluftbestege und feinkörnige Sedimente in Karsthohlräumen (eingeschwemmter Kluft- und Höhlenlehm) können untergeordnet als Zwischenspeicher für Schadstoffe dienen. Findet ab einem bestimmten Zeitpunkt kein Schadstoffeintrag mehr statt, nimmt die Schadstoffkonzentration in den Klüften entsprechend ab und die in der Matrixporosität gespeicherten Substanzen diffundieren allmählich wieder in das Kluftsystem zurück. Dieser Effekt äußert sich in einer lang anhaltenden Schadstoffbelastung im Karstgrundwasser auch noch lange nach der Beendigung des Schadstoffeintrags, wie am Beispiel des Pflanzenbehandlungsmittels Atrazin nachgewiesen wurde (Flinspach, 1998; Selg et al., 2005).
Oberster Grundwasserleiter (Wasserwirtschaftlich genutzter Grundwasserleiter über Layer-Symbol darstellbar)
Die quartären und tertiären Grundwasserleiter sind wasserwirtschaftlich von eher untergeordneter Bedeutung. Sie werden deshalb bei der Schutzfunktionsbetrachtung nur in Variante 1 als oberste Grundwasserleiter berücksichtigt.
Der weit verbreitete Oberjura-Karstaquifer ist der relevante wasserwirtschaftlich genutzte Grundwasserleiter. Er ist großflächig mit dem obersten Grundwasserleiter identisch. Ausnahmen bilden die Gebiete mit quartären Porengrundwasserleitern sowie mit Molasseüberdeckung.
Grundwasserleiter in der Hydrogeologischen Region Mittlere Alb (Variante 1: Oberster Grundwasserleiter, OGWL, Variante 2: wasserwirtschaftlich genutzter Grundwasserleiter, WWGWL)
Grundwasserleiter |
Kürzel |
Fläche [km2] |
Flächenanteil [in %] an der HR |
||
Variante 1 (OGWL) |
Variante 2 (WWGWL) |
Variante 1 (OGWL) |
Variante 2 (WWGWL) |
||
Bach- und Flussablagerung |
qbf |
6,5 |
0,2 |
||
Terrassensedimente (Mittelgebirge) |
qpTS |
23,8 |
0,9 |
||
Flussbettsand |
qfbs |
17,2 |
0,6 |
||
Rheingletscher-Niederterrassenschotter |
qRTN |
141,1 |
5,3 |
||
Beckensedimente des Rheingletschers |
qBRG |
4,6 |
|
0,2 |
|
Eiszeitliche Schotter im Alpenvorland |
qES |
48,2 |
|
1,8 |
|
Glazialsedimente |
qGS |
35,8 |
0,008 |
1,3 |
0,0003 |
Obere Süßwassermolasse, ungegliedert |
tOS |
89,0 |
3,4 |
||
Obere Brackwassermolasse, ungegliedert |
tOB |
45,6 |
|
1,7 |
|
Obere Meeresmolasse, ungegliedert |
tOM |
0,8 |
0,03 |
||
Untere Süßwassermolasse |
tUS |
149,2 |
0,5 |
5,6 |
0,02 |
Jüngere Magmatite und Begleitsedimente |
tJM |
15,1 |
15,1 |
0,6 |
0,6 |
Oberjura, ungegliedert |
jo |
1977,8 |
2443,3 |
74,5 |
92,1 |
Ostreenkalk- und Gosheim- Formation |
jmOK |
96,2 |
106,0 |
3,6 |
4,0 |
Wedelsandstein-Formation |
jmWS |
2,7 |
4,4 |
0,1 |
0,2 |
Eisensandstein-Formation |
jmES |
0,6 |
1,4 |
0,02 |
0,1 |
Gesamtschutzfunktion (Variante 1)
In der Hydrogeologischen Region Mittlere Alb ist die Gesamtschutzfunktion der Grundwasserüberdeckung auf einer Fläche von 1813 km2 sehr gering (Variante 1; Variante 2: 1688 km2). Das entspricht 68 % der Gesamtfläche (Variante 1; Variante 2: 64 %). Eine geringe Schutzfunktion liegt für 326 km2 (Variante 1; Variante 2: 281 km2, bzw. 12 % der Gesamtfläche für Variante 1 und 11 % für Variante 2), eine mittlere für 136 km2 (Variante 1; Variante 2: 152 km2, bzw. 5 % der Gesamtfläche für Variante 1 und 6 % für Variante 2) vor.
Schutzfunktionsklassen für die Gesamtschutzfunktion in der Hydrogeologischen Region Mittlere Alb (Variante 1: Oberster Grundwasserleiter, Variante 2: wasserwirtschaftlich genutzter Grundwasserleiter)
SF Klasse sehr gering |
SF Klasse gering |
SF Klasse mittel |
SF Klasse hoch |
SF Klasse sehr hoch |
|
Fläche [km2] * |
|||||
Variante 1 |
1813,7 |
326,2 |
136,4 |
92,5 |
93,3 |
Variante 2 |
1687,9 |
280,9 |
152,1 |
130,3 |
210,9 |
Flächenanteil [in %] an der Hydrogeologischen Region * |
|||||
Variante 1 |
68,3 |
12,3 |
5,1 |
3,5 |
3,5 |
Variante 2 |
63,6 |
10,6 |
5,7 |
4,9 |
7, |
* Nicht bewertet wurden Siedlungen, Dolinen, Gewässerflächen, Deponieflächen und Rohstoffabbauflächen. Sie machen insgesamt ca. 192 km2 bzw. 7,2 % der Gesamtfläche der Mittleren Alb aus.
Der Vergleich der Gesamtschutzunktion der Grundwasserüberdeckung zwischen dem Obersten Grundwasserleiter (Variante 1) und dem wasserwirtschaftlich genutzten Grundwasserleiter (Variante 2) zeigt, dass sich die beiden Varianten nur gering voneinander unterscheiden.

Vergleich der Gesamtschutzfunktion der Variante 1 und 2 in der Hydrogeologischen Region Mittlere Alb. Prozentualer Flächenanteil der Schutzfunktionsklassen 1 (sehr gering) bis 5 (sehr hoch) an der Gesamtfläche (Klassifikation nach Hölting et al., 1995). Sonderflächen (Siedlungen, Dolinen, Gewässerflächen, Deponieflächen und Rohstoffabbauflächen) wurden nicht bewertet.
Der Grund für den etwas größeren Unterschied in der Schutzfunktionsklasse „sehr hoch“ besteht darin, dass in Variante 2 insbesondere die tertiären Molasseeinheiten eine schützende Wirkung für den bewerteten Oberjura als wasserwirtschaftlich relevanten Grundwasserleiter haben, während sie in Variante 1 als oberster Grundwasserleiter bewertet wurden.
Literatur
- (1993). Karstwannen auf der Ostalb. – Binder, H. (Hrsg.). Karstlandschaft Schwäbische Ostalb (Karst und Höhle, 1993), S. 295–304, München (Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V.).
- (1993d). Dolinen und Erdfälle. – Binder, H. (Hrsg.). Karstlandschaft Schwäbische Ostalb (Karst und Höhle, 1993), S. 305–312, München (Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V.).
- (1998). 25 Jahre Wasserwerk Langenau – seine Entwicklung zur Zentrale der Landeswasserversorgung. – LW-Schriftenreihe, 17, S. 3–5.
- (2002). Ostalb. – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 131 S., 10 Karten, 1 CD-ROM, Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg).
- (1995). Konzept zur Ermittlung der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung. – Geologisches Jahrbuch, Reihe C, 63, S. 5–24.
- (2005). Die Altersstruktur des Kluft- und Karstgrundwassers im Oberjura der Schwäbischen Alb und ihre Bedeutung für den anhaltenden Atrazinaustrag. – Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br., 95(1), S. 1–45.
- (2020). Landesweiter digitaler Datensatz zur Bewertung der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung in Baden-Württemberg. – LGRB-Fachbericht 2020/1, 108 S., Freiburg i. Br., verfügbar unter https://lgrbwissen.lgrb-bw.de/sites/default/files/public/lgrbwissen/dokumente/lgrb-dokumente-hydrogeologie-fachbericht-1-2020-schutzfunktion.pdf.