Übersicht und Verbreitung
Kalktuffe sind stark poröse bis kavernöse und wechselnd verfestigte, nicht marine Karbonatgesteine. Sie bilden variantenreiche, undeutlich geschichtete bis homogene Massen mit Höhlen, festen Kalkkrusten, Pflanzen- und Schneckeninkrustationen oder mit blumenkohlartigen Strukturen. Nach ihren Bildungsorten werden sie auch als „Quelltuffe“, „Quellkalke“ oder „Bachtuffe“ bezeichnet. Im Gegensatz zu diesen ist vulkanischer Tuffstein ein schwach verfestigtes Gemenge aus vulkanischer Asche, Lapilli und vulkanischen Bomben (z. B. Kaiserstühler Tuffstein). Gemeinsam ist beiden Tuffen, dass sie zu den Weichgesteinen gehören. Weil sie relativ leicht abgebaut werden können und aufgrund des großen Porenvolumens geringes Gewicht, trotzdem aber nach dem Austrocknen = Aushärten relativ hohe Festigkeit aufweisen, sind vulkanische Tuffe und Kalktuffe seit der Antike begehrte Baumaterialien.
Begriffsverwirrung entsteht, wenn der Überbegriff „Kalksinter“ und die Untergruppen „Kalktuff“ und „Travertin“ (von lapis tiburtinus = Stein vom Tiber; Tivoli östlich von Rom (Füchtbauer, 1988)) synonym verwendet werden. In der Natursteinindustrie werden Kalksinter dann als Travertine bezeichnet, wenn sie fest und polierfähig sind. Im Ablauf von Bächen, in denen Karbonat an kleinen Stufen gefällt wird, spricht man von Sinterterrassen. Dabei bestehen wesentliche Unterschiede zwischen den z. B. in den Bächen der Schwäbischen Alb gebildeten Kalktuff-Sinterterrassen, dem Travertin von Rapolano Terme in Italien, den ebenfalls an heiße Quellen gebundenen Sinter-Terrassen von Pamukkale in der Türkei und denen von Bad Cannstatt. Kalktuffe sind genetisch auch mit den Süßwasserkalksteinen des Miozäns verwandt. Die mit bloßem Auge erkennbaren Unterschiede dieser Gesteinstypen gehen vorwiegend auf die an ihrer Bildung beteiligten Pflanzen, das Ablagerungsmilieu – fluvial, lakustrin oder an heißen Quellen – und die Intensität der rein anorganischen Fällung durch Karbonatübersättigung zurück. Die verschiedenen, nachfolgend besprochenen Kalkfällungsmechanismen führen zu unterschiedlichen, charakteristischen Strukturen und Texturen im Gestein.
Kalktuffe treten überwiegend in lockerer bis halb verfestigter Form auf, können aber auch lokal so stark zementiert sein, dass sie ebenso hart und splittrig brechend sind, wie kavernöse Kalksteine des Oberjuras oder wie Süßwasserkalksteine vom Typus Gauinger Travertin. Die pleistozänen Kalktuffvorkommen von Dießen nahe Horb am Neckar sind hierfür ein schönes Beispiel. Im Handstück oder als Quader im Mauerwerk sind die quartären Kalktuffe oft nicht von den z. B. bei Zwiefalten oder im Gebiet von Ulm auftretenden Süßwasserkalken der Süßwassermolasse zu unterscheiden, welche schon im Mittelalter z. B. beim Bau des Ulmer Münsters eingesetzt wurden. Folgerichtig wurden auch quartäre Kalktuffe aus Seeburg sowohl beim Bau als auch später für Renovierungsarbeiten am Münster verwendet.
Die Mächtigkeiten der holozänen Kalktuffablagerungen liegen zumeist zwischen 5 und 8 m, besonders hohe Mächtigkeiten treten örtlich bei Gönningen und Honau mit 14–15 m und bei Seeburg mit max. 30 m auf.
Verbreitung: Vorkommen von Kalktuffen sind in Baden-Württemberg besonders in den Ausstrichgebieten von Kalksteinen des Oberen Muschelkalks und des Oberjuras häufig anzutreffen (s. Übersichtskarte). „Kilometerlange Kalktufflager finden sich z. B. im Echaz-, Wiesaz-, Erms-, Lauter-, Fils- und Glatttal, so bei Geislingen, Wiesensteig, Weißenstein, Urach, Gutenberg, Honau, Vaihingen a. d. E., Sternenfels, Gönningen usw.“ (Reyer, 1927, S. 82). Über die bekannten Vorkommen bei Seeburg, Gönningen und Bärenthal wird nachfolgend beispielhaft berichtet. Die im Echaztal bei Honau gebildeten mächtigen Kalktuffe sind durch die für die Öffentlichkeit zugängliche Olgahöhle erschlossen; auf etwa 170 m Länge können die unterschiedlichsten Kalktuffbildungen studiert werden. Im Muschelkalkgebiet bei Horb am Neckar erlangten besonders die Lagerstätten von Dießen und Dettingen Bedeutung. Nahe Dörzbach (Hohenlohekreis) wurden im Mittel 7 m mächtige Kalktuffablagerungen genutzt (RG 6624‑102 und ‑103).
Kleine Vorkommen gibt es noch an vielen Orten: Bei Zwiefaltendorf wurden Keller in die Kalktuffablagerungen gebaut und das dabei gewonnene Material gleich für die aufgehenden Mauern verwendet, daneben existierten zwei Kalksandgruben. Bei Bauarbeiten am Brauereigasthof „Zum Rössle“ in Zwiefaltendorf wurde um 1892 zufälligerweise eine etwa 26 m lange Kalktuffhöhle entdeckt (vgl. Huth, 2002b); der Brauereikeller liegt ebenfalls vollständig im Kalktuff. Bei Thiergarten im Oberen Donautal, südlich von Stetten am kalten Markt, wurde noch im frühen 20. Jh. Kalktuff in geringem Umfang gewonnen. Als Sonderfall sind die Vorkommen in der würmeiszeitlichen Moränenlandschaft bei Alttann–Weißenbronnen nahe Wolfegg zu nennen. Hier kam es am Fuß von stark kalkigen eiszeitlichen Ablagerungen zur Entstehung von Kalktuffterrassen. Kleine, schon von den Römern fast völlig abgebaute Kalktuffvorkommen treten im Markgräflerland bei Badenweiler entlang des Ausstrichs des mitteljurazeitlichen Hauptrogensteins auf. Viele weitere kleine Vorkommen sind in den Erläuterungen zur Geologischen Karte von Baden-Württemberg 1 : 25 000 genannt.
Kalktuffgewinnung findet derzeit (Stand 2021) noch im Gebiet der mittleren Schwäbischen Alb bei Bärenthal (RG 7919-2) nahe Mühlheim a. d. Donau in 4–5 m mächtigen Kalktuffen statt; im Klettgau wird bei Wutach-Lembach (RG 8216-1) ebenfalls noch (zeitweise) Kalktuffgewinnung betrieben. In der Übersichtskarte sind die insgesamt 63 in der Gewinnungsstellen-Datenbank des LGRB erfassten Kalktuff-Steinbrüche und ‑gruben (Kalktuffgrube: ein Abbau lockerer Kalktuffe („Kalktuffsand“)) dargestellt. An vielen Stellen wurde nur kurzzeitig Abbau betrieben, weshalb davon heute kaum mehr Spuren erkennbar sind. Den in der Karte dargestellten Gewinnungsstellen ist gemeinsam, dass sie überwiegend im 19. und 20. Jh. in Nutzung standen.
Geologisches Alter, Entstehung
Die Kalktuffe in Südwestdeutschland bildeten sich in der jüngeren Erdgeschichte während warmer und niederschlagsreicher Perioden, besonders im Spätpleistozän und Holozän. Nach Stirn (1964) setzte die intensive Bildung von Kalktuffen im Präboreal (8000–7000 Jahre v. Chr.) ein; sie erfolgte bevorzugt in den warmen Zeitabschnitten des Holozäns; postglaziale Klimaschwankungen haben somit auch einen Einfluss auf die Mächtigkeit der Kalktuffe. Die Bildung der Taltuffe erfolgte vorwiegend im Atlantikum (5000–3000 Jahre v. Chr.).
Während die Kalktuffvorkommen im Dießener Tal nahe Horb a. N. wahrscheinlich im Riß-Würm-Interglazial vor ca. 125 000 Jahren entstanden sind, weisen die meisten der Kalktuffvorkommen der Alb ein postglaziales, d. h. holozänes Alter von weniger als 11 500 Jahren auf (Geyer, 1912). Das gleiche gilt für die Kalktuffe bzw. Quellkalke Bayerns (Lagally in: Weinig et al., 1984). Die Forschungsbohrung durch die Seesedimente, die sich mit den Kalktuffablagerungen im Ermstal bei Seeburg verzahnen und somit als etwa gleich alt einzustufen sind, wies nach, dass die Sedimentation unmittelbar nach der Würmeiszeit einsetzte; sie endete erst, als der Fischbach umgeleitet wurde. Die rund 30 m mächtigen Kalktuffablagerungen bei Seeburg sind somit über einen Zeitraum von mehr als 10 000 Jahren entstanden. Die Kalktuffbildung ist nicht abgeschlossen. Besonders in den Wasserläufen der Schwäbisch-Fränkischen Alb kann man ihre Bildung rezent beobachten. Dabei können Pflanzen und Blätter, die umspült werden, innerhalb weniger Jahre mit Kalkablagerungen von Millimeter-Stärke umkrustet werden. In Karsthöhlen im Muschelkalk und Oberjura oder auch in Höhlen innerhalb von mächtigen Kalktuffablagerungen selbst entstehen ebenfalls rezent Kalksinter.
Entstehung: (A) Allgemeine Aspekte
Den auf dem Festland gebildeten Süßwasser- und Sauerwasserkalken, die im Gegensatz zu den Karbonatsedimenten der tropischen Flachmeere stehen, ist gemeinsam, dass sie aus fließenden Wässern ausgefällt werden, die reich an gelöstem Kalk sind. Karbonatreiche Wässer können in unseren Breiten überall dort entstehen, wo kalkige Sedimente bzw. Sedimentgesteine von sauerstoff- und kohlendioxidreichen Wässern durchflossen werden und die in den Gesteinen enthaltenen Karbonatminerale dabei in Lösung gehen.
Bei der Abscheidung von Karbonaten aus dem fließenden Gewässer und der Bildung von lockeren oder festeren Kalktuffen spielen ebenso wie bei den Süßwasserkalken vom Typus des Gauinger Travertins pflanzliche Organismen wie Moose, Algen und Cyanobakterien eine große Rolle, vermutlich weil der CO2-Verbrauch der Pflanzen zur Kalkfällung beiträgt (Koban, 1993; Schweigert, 1996a). Der Prozess der Kalkfällung wird auch durch Druckentlastung (CO2-Partialdruck) und Erwärmung beeinflusst. Die anorganische Fällung wird durch das Karbonatgleichgewicht und die Dissoziation der Kohlensäure H2CO3 in HCO3- und CO32- bei verschiedenen pH-Wert-Stufen gut definiert. Dabei ist die höhere Löslichkeit von CO2 in kaltem Wasser, die wiederum druckabhängig ist, von entscheidender Bedeutung, steuert sie doch die anorganische Fällung z. B. beim Austritt von kaltem, karbonatreichem Wasser aus einer Bergquelle in eine offene, flache Ebene mit normalen Tagestemperaturen (Erwärmung).
Allgemein gilt, dass sich bei der Bildung von Kalktuffen der Wasserchemismus von der Quelle bachabwärts ändert; im Verlauf eines Jahres unterliegt er zusätzlichen Schwankungen. Karbonathärte und Leitfähigkeit nehmen mit wachsender Entfernung von der Quelle meist konstant ab, während sich der pH-Wert oft auf 6,5–8,5 erhöht. Temperaturänderungen sind in Abhängigkeit von der Jahreszeit zu sehen. Da die Wassertemperatur im Berginneren bzw. am Quellaustritt z. B. auf der Schwäbischen Alb meist konstant um 10 °C liegt, nimmt die Temperatur bei höherer Außentemperatur (Sommer) im Verlauf des Baches konstant zu. Bei geringerer Außentemperatur im Winter geht die Temperatur im Fließgewässer hingegen kontinuierlich zurück. Daraus ergeben sich gemäß der temperaturabhängigen Löslichkeit von CO2 in Wasser und dem Karbonatgleichgewicht unterschiedliche anorganische Fällungsbedingungen für Kalk.
Zusätzlich kann auch die Evaporation eine Rolle für das Karbonatgleichgewicht im Fließgewässer spielen. Die Daten von Bögli (1978) zeigen den von der Witterung abhängigen Verbrauch von Ca2+-Ionen durch Karbonatausfällung in einem Karstquellbach. Bei trockener Witterung ist der Entzug bereits auf einer Strecke von nur 240 m unterhalb der Quelle merklich intensiver. Das gleichzeitig leichte Ansteigen des Magnesiumgehalts im Wasser spiegelt die Fällung von Niedrig-Magnesium-Calcit wider, was bei dem geringen Magnesium/Calcium-Verhältnis entsprechend den von Irion & Müller (1968) gezeigten Beispielen für Karbonatfällung in Seen die einzig mögliche Karbonatphase sein kann.
(B) Spezielle Aspekte: Beobachtungen an Kalktuffen der Schwäbisch-Fränkischen Alb
Für die Erklärung der Bildung von Kalktuffen in den Tälern dieses ausgedehnten, oberjurazeitlichen Karbonatgesteinszugs stellen die Publikationen von Wallner (1934; weitere Arbeiten von 1933–1935, s. Literatur in: Stirn 1964), Stirn (1964) und Hermann (1957) die wichtigsten dar. Während Wallner (1934) und Hermann (1957) für südbayerische Vorkommen Modelle für die fazielle Entwicklung (laterale und vertikale Verbandsverhältnisse, Pflanzenbeteiligung, Stratigraphie) von Kalktuffen präsentieren, konzentriert sich Stirn (1964) auf Pflanzen und sonstige Organismen, die faziesspezifisch an der Bildung von Kalktuffen beteiligt sind.
Die Kalktuffe der Alb gehen letztlich auf die Lösung von Kalk auf dem unterirdischen Weg des Wassers durch das Karstsystem, den Austritt an Quellen über wasserstauenden, tonigen Zwischenschichten und der Ausfällung im Fließgewässer unter Oberflächenbedingungen zurück. Dabei entstehen die besonders mächtigen Kalktuffvorkommen in Bereichen mit starkem Gefälle (1); darüber hinaus haben (2) der Karbonatgehalt der Quelle in Abhängigkeit vom Einzugsbereich der Fließgewässer, (3) das Verhältnis der Wassertemperatur im Berg zur Außentemperatur (jahreszeitliche Unterschiede) und (4) die Druckentlastung des Wassers großen Einfluss auf die Kalktuffbildung.
Nach Stirn (1964) handelt es sich bei der Kalktuffbildung um ein Zusammenspiel physikalischer Faktoren und der physiologischen Funktion von Wasserpflanzen. So lagern sich Kalzitkristalle um Algenthalli und Moossprösschen, die nach vollständiger Inkrustierung absterben. Die Benennung der verschiedenen biogenen Tuffe nach den an ihrer Bildung beteiligten Pflanzen wie Oscillatoriaceen-, Schizothrix-, Vaucheria-, Cladophora- und Laubmoos-Tuffe (z. B. Cratoneurum-Tuff, Eucladium-Tuffe) durch Stirn (1964) weist bereits darauf hin, dass innerhalb eines Bachverlaufes von der Quelle bachabwärts verschiedene Bildungsbedingungen wie Kaskaden, flache Becken, langsam fließende Bereiche und Mäander vorliegen müssen, die sich in unterschiedlichen Kalktufftypen widerspiegeln.
Typen von Kalktuffen
Die schalenartig übereinander lagernden Schichten der sog. Oscillatoriaceen-Tuffe umgeben meist einen Kern, der aus lockerem Kalktuffsand, inkrustierten Blättern und Stängeln oder einem Gesteinsstück bestehen. Die abwechselnden hellen und dunklen Lagen spiegeln den jahreszeitlichen Wechsel wider. Dabei sind fast ausschließlich in der Frühjahrsschicht, die aufgrund intensiverer Kalkfällung härter ist, die Larven von Zuckmücken (Chironomiden) anzutreffen. In der dickeren Sommer- und Herbstschicht entsteht ein lockeres Gitterwerk aus überwiegend in einer Richtung angeordneten, umkrusteten, schichtig aufgebauten, vielzelligen Vegetationskörpern (Thalli). Oscillatoriaceen-Tuffe entstehen häufig in Fließrinnen kleiner Bäche, besonders in deren Oberlauf; sie können eine Länge von mehreren Metern bei einer Mächtigkeit von 10–30 cm aufweisen (Stirn, 1964). Mit zunehmendem Gefälle des Baches treten die für die Kalkfällung weitaus bedeutenderen Moostuffe auf. Eine Gattung der Oscillatoriaceen-Tuffe, die Schizothrix-Tuffe, die auch als „Blumenkohltuff“ bezeichnet werden, ist in fossilen Kalktuffen häufig zu finden.
Die Gelbgrünalge Vaucheria (Schlauchalge) bildet meist längliche Polster, die sog. Vaucheria-Tuffe, in denen die Thalli durch fließendes Wasser ausgerichtet sind. Die Makroalge verkalkt in vivo durch Nukleation, Wachstum und Verbindung von Kalzitkristallen auf ihrer Oberfläche, bis sie ganz von Kalzit eingeschlossen ist. An kleinen Wasserfällen können sich, ähnlich wie bei Moostuffen, Vaucheria-Vorhänge durch Abwärtswuchs bilden und charakteristische Knubbel auf der Kante von Kaskaden formen (Stirn, 1964; Sanders et al., 2007).
Moostuffe sind von besonderer Bedeutung und können im Bachbett mächtige Riegel bilden (Cratoneurum-Tuff; Stirn, 1964). Bei intensiver Kalktuffbildung folgen zahlreiche Moostuffwälle aufeinander. Dabei wirkt sich die starke Oberflächenvergrößerung des Wassers durch den verästelten Bau der Laubmoose wahrscheinlich besonders günstig auf die Kalkfällung aus. Hinter diesen Barren wird in kleinen Becken Wasser gestaut und feine Seekreide abgelagert. Seekreide stellt ein sehr feinkörniges, loses Kalksediment dar, das in stehenden Gewässern abgelagert wird und vorwiegend auf Cyanophyceen und Characeen zurückgeht. Stirn (1964) unterteilt die Kalktuffvorkommen der Schwäbischen Alb gemäß den verschiedenen Lagerungsbedingungen in Taltuffe, Bachtuffe, Gehängetuffe und Mündungskegel. Dabei weisen die Kalktufflager in den rheinisch gerichteten Flüssen der mittleren Schwäbischen Alb wie Erms, Echaz und Wiesaz die größten Mächtigkeiten auf.
Die Arbeit von Kiessling (1993) über die Kalktuffe der Nördlichen Fränkischen Alb befasst sich neben den bereits oben diskutierten auch mit weiteren, die Kalktuffbildung beeinflussenden Parametern wie Gefälle, Bachbreite, Bachtiefe, Fließgeschwindigkeit, Quellschüttung, Verdunstung, Wassertemperatur, CO2-Gehalt der umgebenden Luft und Pflanzenbewuchs im Bachbett. Diese Faktoren können in den Kalktuffen von Bärenthal sowie von Gönningen und Seeburg gut studiert werden. So ist die Bildung von Kalktuff zu allen Jahreszeiten dort am intensivsten, wo die größten Höhenunterschiede überwunden werden, und in flachen Abschnitten deutlich geringer – eine Beobachtung, die schon Stirn (1964) machte. Die Austauschfläche zwischen Wasser und Luft (Erwärmung, CO2-Entgasung) beeinflusst die Kalktuffbildung. Dabei ist dieser Effekt bei geringer Quellschüttung am größten, da dann das Wasser länger mit der Luft in Kontakt tritt. Auch Schürmann (1918, in: Stirn, 1964) erkennt Beziehungen zwischen Kalkfällung und Gefälle des Wasserlaufs sowie Druckentlastung des Wassers. Dieses Verhältnis wird auch bestimmt von der Breite und Tiefe eines Bachs. Nur bei länger einwirkender Verdunstung kommt es zu nennenswertem Kalkniederschlag.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass wir es bei den nachfolgend exemplarisch abgehandelten holozänen Bildungen mit Kalktuffen in ihrer reinsten Ausbildung zu tun haben. Der Begriff „Travertin“ ist hier nicht angebracht. Zur besseren Erläuterung wurde im Kapitel: Varietäten und wichtige Abbaugebiete die Reihenfolge Bärenthal–Gönningen–Seeburg gewählt, weil es sich hierbei um eine genetische Reihe mit zunehmend komplexer werdenden morphologischen und zeitlichen Bildungsbedingungen handelt.
Gesteinsbeschreibung, technische Eigenschaften
Kalktuffe sind zellig-poröse, stark kavernöse, lockere bis halbfeste Karbonatgesteine. Aus technischer Sicht ist ein Kalktuff ein leichter, poröser, löchriger Kalkstein, der als Werkstein in der Bauindustrie Verwendung finden kann (Schiele & Behrens, 1972). Aufgrund der sehr zahlreichen Hohlräume liegt die Rohdichte meist zwischen 1,7 und 1,9 g/cm3 (Oberjura-Kalkstein der Schwäbischen Alb zum Vergleich: 2,5–2,6 g/cm3). Von Interesse ist der Kalktuff für Bauzwecke vor allem deshalb, weil das mit Hacke, Säge oder Bagger abzubauende Material nach der Gewinnung aushärtet und dabei langfristig hohe Stabilität erreicht, wie viele historische Bauten eindrucksvoll belegen. Nach Frank (1944) ist die Erhärtung an der Luft darauf zurück zu führen, dass das in feuchtem Zustand noch vorhandene Calciumhydrogenkarbonat Ca(HCO3)2 schrittweise in Kalk CaCO3 umgewandelt wird.
Typisch sind zahlreiche Inkrustationen von Moosen, Blättern, Pflanzenstängeln und Schnecken. Die Kalktuff- bzw. Quellkalkablagerungen bilden einerseits kompakte Massen in lagerartiger oder unregelmäßiger Form; z. T. treten sie als lockere Kalktuffsande auf. Übergänge zwischen diesen Typen erfolgen in lateraler wie vertikaler Richtung oft auf wenigen Metern. In den Tälern unterhalb der kalkhaltigen Quellaustritte bildeten sich meist mehrere quer zum Tal verlaufende Barren aus festen Kalktuffen, zwischen denen sich längere Abschnitte mit lockeren Kalksanden befinden. Nicht selten wechseln lockere Kalksande und festere Kalktufflagen auch in vertikaler Richtung innerhalb eines Profils ab. Die Kalktuffe bestehen überwiegend aus Calcit und einem kleinen Anteil an Salzsäure-unlöslichem Material (meist 1–6 % Tonminerale, Quarz, organische Anteile), das von den umliegenden Bereichen in den Bildungsraum der Kalktuffe eingetragen wird, sowie aus dem in situ gebildeten organischen Material von Algenthalli und Moosen. Durch Flechten, Moose und Staubeintrag erhalten die gelblich weißen Kalksinter mit der Zeit eine graue Patina. Braunfärbungen gehen auf geringe Limonitbeimengungen zurück. Die chemische Zusammensetzung der Kalktuffe von Wutach-Lembach ist im Kapitel: Varietäten und wichtige Abbaugebiete angegeben. Wie zahlreiche schon im Mittelalter erbaute Kirchen und Profanmauerwerke auf der Schwäbischen Alb und im Vorland zeigen, haben die Kalktuffsteine auch als tragende Elemente die Jahrhunderte weitgehend unbeschadet überstanden. Von all denen im Zeitraum 1377–1543 verwendeten Baumaterialien am Ulmer Münster zeigen sie die geringsten Verwitterungsschäden.
Tabelle: Technische Kenndaten der Kalktuffe von Bärenthal, Gönningen, Seeburg und Dießen nach Frank (1944), Lukas (1990b), Fa. Beck, Schreiner (LGRB-Archiv, 1951) und 2012 an der Universität Erlangen bearbeiteten eigener Proben (Bä.1‑3a, G.1–G.3, S.1, S.2 und S.5) sowie weiterer Kalktuffe und Travertine unterschiedlicher Quellen (Grimm, 1990; Ibach et al., 1999; Fa. Traco; Werner, 2009b). WA = Wasseraufnahme
Lokation
|
Rohdichte (g/cm3) |
Porosität (Vol.‑%) |
WA unter Atmosphärendruck (M.‑%) |
WA unter Vakuum (M.‑%) |
Sättigungsgrad (s‑Wert) |
Druckfestigkeit (MPa) |
HCl-Unlösliches (M.‑%) |
Schallgeschw.(km/sec) |
Bärenthal, Stbr. Beck, Proben Bä.1–3a |
1,82–2,2 |
18,5–28,3, Mittelwert: 22,6 |
21,1 |
– |
– |
50,0 |
1,9–4,0 |
2,0–3,1 |
Gönningen 1) (Lukas) |
1,70 |
35,1 |
14,83 |
20,67 |
0,72 |
– |
– |
– |
Gönningen 1) (Frank) |
1,54–1,97 |
– |
– |
– |
0,71 |
7,15–25,98 |
– |
– |
Gönningen 1), Proben G.1–3 |
– |
15,2–32,1 |
– |
– |
– |
– |
1,8–3,4 |
2,1–3,3 |
Seeburg (Frank und Proben |
– |
19,3–34,0, Mittelwert: 27,1 |
9,12 |
– |
0,71 |
9,21–14,2 |
2,9–5,8 |
2,2–2,5 |
Wutach-Lemberg (LGRB) | 1,52 | – | – | – | – | – | – |
– |
Dießen |
2,47 |
– |
– |
– |
– |
83,3 |
– |
– |
Huglfing (Grimm) |
2,11 |
21,29 |
6,49 |
10,09 |
0,64 |
– |
– |
– |
Polling, Bayern |
1,70–2,0 |
– |
bis 20,0 |
– |
– |
27,0 |
– |
– |
Gauingen (Grimm) |
2,48 |
6,33 |
0,87 |
2,55 |
0,34 |
– |
– |
– |
Cannstatt (Grimm) |
2,36 |
12,0 |
2,10 |
5,08 |
0,41 |
– |
– |
– |
Cannstatt (Werner, 2009b) |
2,35 |
11,6 |
2,10 |
4,87 |
– |
48,5–72 144–161 |
– |
– |
Mühlhausen, Stbr. Traco [verwittert] |
– |
– |
[5–20] |
[12–32] |
– |
83,9 |
– |
– |
Bad Langensalza, Stbr. Traco [verw.] |
– |
– |
[4–6] |
[7–15] |
– |
69,0 |
– |
– |
Terme di Rapolano, Italien (Koch) |
– |
– |
– |
4–24 |
– |
– |
– |
– |
Carpis, Rumänien (Koch) |
2,40 |
11,4 |
– |
– |
0,46–0,54 |
– |
– |
– |
Pierre Lègnes, Frankreich (Koch) |
2,45 |
8,8 |
– |
– |
0,38 |
62,6 |
– |
– |
1) Durchschnittswert für Proben aus Gönningen: Porosität: 22,6 Vol.‑%
Aus der Zusammenstellung wird deutlich, dass bei gering porösen Varietäten Druckfestigkeiten in der Größenordnung von Sandsteinen erreicht werden können.
Zusammenhang zwischen Fazies der Kalktuffe und Gesteinsqualität: Aus der Literatur, Datenblättern, Internetpublikationen und aus eigenen Tests vorliegende technische Daten lassen einen deutlichen Zusammenhang zwischen Gesteinsqualität und Ablagerungsräumen (Fazies) erkennen. Dabei sind die verschiedenen Faziestypen jeweils durch spezifische organische Bestandteile und dem daraus resultierenden Typ der Kalktuffbildung (dicht, porös, lagig, etc.) charakterisiert. Die verschiedenen, in der Tabelle (s. o.) zusammengestellten Kalktuffe und „Travertine“ zeigen deutliche Unterschiede selbst innerhalb ihrer Gruppe. Dabei müssen auch die hier angeführten Travertine in echte Travertine und durch intensive Zementation aufgrund größeren geologischen Alters festere Kalksinter (z. B. Gauingen und Sonderbuch) eines speziellen Bildungsmilieus unterschieden werden.
Die Reindichte (Mineraldichte; Kalzit 2,71 g/cm3, Quarz 2,65 g/cm3) der Kalktuffe bewegt sich zumeist zwischen 2,62 und 2,71 g/cm3. Sie kann aber noch geringer werden, je nachdem wie hoch der Anteil spezifisch leichter Minerale (Silikatphasen, Quarz, Tonminerale) und besonders von organischem Material (Blätter, Holz) in einem Kalktuff ist. Während Kalktuffe eine Rohdichte von 1,52–2,0 g/cm3 aufweisen, liegt die von Travertinen zwischen 1,70–2,48 g/cm3, was mit einer stark variablen Porosität bei Kalktuff von 15,2–32,1 Vol.‑% und von nur 6,3–12,0 Vol.‑% bei Travertinen korrespondiert.
Die Sättigungswerte (s‑Werte), die sich aus der freiwilligen Wasseraufnahme unter Atmosphärenbedingungen und der Wasseraufnahme unter Vakuum ergeben, variieren für Kalktuffe zwischen 0,64 und 0,72, während der s‑Wert für Travertin meist zwischen 0,34 und 0,54 liegt, dieser also frostbeständiger sein sollte. Doch wirkt hier das oft feinlagige Gefüge und die damit verbundene lagige Anordnung von Porenräumen im Travertin (Koch et al., 1999) der Frostbeständigkeit entgegen und es kann zum Aufspalten entlang der Schichtflächen kommen. Kalktuffe mit völlig unregelmäßig verteilten Porenräumen unterschiedlichster Größe sind dagegen vergleichsweise widerstandsfähiger gegenüber Frostbeanspruchung.
Wie nach den Werten der Rohdichte und der Porosität zu erwarten ist, folgt die Druckfestigkeit ähnlichen Gesetzmäßigkeiten. Während Kalktuffe zwischen 7,15 und 50,0 MPa aufweisen, zeigen Travertine zwischen 48,5 und 83,9 MPa (max. bis 161 MPa). Der „Kalktuff“ von Dießen ist in die Gruppe der stärker zementierten „Travertin-ähnlichen“, älteren Sinterkalke zu stellen, was sich in der Rohdichte von 2,47 g/cm3 und in der Druckfestigkeit von 83,3–96,7 MPa widerspiegelt.
Die Schallgeschwindigkeit, die mit dem E-Modul und der Druckfestigkeit im Zusammenhang steht (Sobott & Koch, 2009), zeigt trotz der geringen untersuchten Probenzahl eine Korrelation zum Anteil an HCl-unlöslichem Material, wie in den Mittelwerten deutlich wird. Der Seeburger Kalktuff hat eine Schallgeschwindigkeit von 2,3 km/sec (HCl-Unlösliches = 4,5 M.‑%), der Kalktuff von Bärenthal 2,5 km/sec (HCl-Unlösliches = 3,15 M.‑%) und der Kalktuff aus Gönningen 2,9 km/sec (HCl-Unlösliches = 2,4 M.‑%). Die Werte der Schallgeschwindigkeit lassen ebenso den Zusammenhang zum Grad der Kalkzementation erkennen. Dünnschlifffotos, bei denen durch Blaufärbung des Einbettungsmittels der Porenraum hervorgehoben ist, zeigen den Kalktuff aus Seeburg mit der geringsten, den Kalktuff aus dem Bärenthal mit mittlerer und den Kalktuff aus Gönningen mit meist intensiver Kalkzementation. In den technischen Daten spiegelt sich der Grad der Karbonatfällung (Verfestigung) wider.
Schlussfolgerungen aus den sedimentologischen Untersuchungen der Kalktuffe bei Bärenthal, Gönningen und Seeburg: Kalktuffe sind ein gutes, aber sehr variables Naturwerksteinmaterial. Fehlende Anisotropie, fehlende bevorzugte Spaltbarkeit, hohe Porosität bei geringerem spezifischen Gewicht und damit verbundene gute Isolierung gegen Schall und Kälte machen Kalktuff zu einem ausgezeichneten Baumaterial, wie durch seine umfangreiche historische Nutzung belegt ist. Doch gibt es nicht nur festen Kalktuff sondern viele Varietäten, die unterschiedliche bautechnische Eigenschaften und Verwitterungsstabilität aufweisen. Die verschiedenen Qualitäten der Kalktuffe hängen mit den Bildungsbedingungen zusammen, die sich flussabwärts, oft auf kleinstem Raum, ändern. Dies sollte bei der Suche nach Ersatzmaterial und bei der Beurteilung der Gesteinsqualität beachtet werden.
Aufgrund der meist systematischen Abfolge der Bildungsbereiche kann mittels Faziesanalyse ein Anhaltspunkt auf die zu erwartenden Gesteinsqualitäten gewonnen werden. Gerade bei Kalktuffen können auch hochporöse Gesteine hohe Festigkeit aufweisen. Die Beurteilung der Qualität von Kalktuffen sollte daher nicht nach denselben Kriterien wie für marine Kalksteine erfolgen. Fazieskriterien können z. B. helfen, zu vermeiden, dass Kalktuffe unterschiedlicher Verfestigung nebeneinander verbaut werden; dies kann aufgrund von Unterschieden im Wasserhaushalt zu Schäden im Mauerwerk führen. Neben den Faziesmerkmalen müssen hierfür auch die technischen Kenndaten der verbauten Kalktuffe ermittelt werden. Dann kann man zielgerichtet auf die Suche nach Ersatzmaterial für historisch wertvolle Bauten gehen.
Gewinnung und Verwendung
Die Gewinnung erfolgte früher mit händischer Schrämarbeit unter Verwendung von Hacken und Beilen, später mit Bohren, Seil- und Schwertsägen, z. T. sogar mit Sprengen. Im alten Steinbruchgebiet bei Gönningen wurde zuletzt mit der heute noch gebräuchlichen Korffmann´schen Schrämsäge gearbeitet. Die Spuren der Schwertsäge sind an den verbliebenen Wänden noch gut zu erkennen. Das Tuffsteinwerk Wilhelm Schwarz betrieb im Wiesaztal zwischen den 1920er Jahren und 1975 Gewinnung im industriellen Maßstab. Im Jahr 1951 beispielsweise waren in den vier Brüchen und im zugehörigen Steinwerk bei Gönningen 80 Arbeiter beschäftigt, die Tuffblöcke abbauten und verarbeiteten (A. Schreiner, LGRB-Archiv). Mit Vollgatter- und Kreissägen wurden die Blöcke formatiert, der lockere Kalktuff und die Reststücke wurden mit Stampf- und Rüttelmaschinen zu Kunststeinen verarbeitet.
Aus den Gönninger Brüchen stammen u. a. die Mauerquader für die Kirchen in Gönningen und Bad Urach (erbaut 1475–1501, http://www.kirchen-panoramen.de/amanduskirche%20bad%20urach/bu_aman_gesc..., abgerufen am 16.03.2020), möglicherweise auch für das untere Tor von Schloss Hohentübingen. Frank (1944) berichtet, dass in den 1930er Jahren aus Gönningen viel Material für den Bau des Olympiastadions und der Reichskanzlei in Berlin verwendet wurde. Über die Gewinnung in den anderen Kalktuffabbaugebieten wird, sofern Informationen vorlagen, in den nachfolgenden Gebietsbeschreibungen berichtet.
Der aktuelle Abbau (Stand 2020) bei Bärenthal (RG 7919-2) findet mit Schwertsäge und Radlader auf mehreren Sohlen statt, die sich den Hang auf etwa 22 m Höhe hinaufziehen. Rohblöcke mit 0,5–1 m Kantenlänge können regelmäßig gewonnen werden, größere Blöcke von mehreren Kubikmetern Volumen sind seltener.
Verwendung: Feste Kalktuffe sind als Massivmauersteine geeignet, wenig kavernöse Varietäten auch für Skulpturen- und Ornamentsteine, große Blöcke für Brunnen und Denkmäler. Kavernöse Varietäten werden gerne im Garten- und Landschaftsbau verwendet. Schon römische Baumeister verwendeten Kalktuffe häufig und zwar besonders für Gewölbekonstruktionen in Wasserleitungstunneln und Bädern, so z. B. in der Römerstadt Augusta Raurica bei Basel oder im Badegebäude von Badenweiler, oder zur dekorativen Verkleidung von Gebäuden, wie dem Limestor von Rainau-Dalkingen.
Auf der Schwäbischen Alb und in ihrem Vorland sowie im Verbreitungsgebiet des Oberen Muschelkalks und auch des Hauptrogensteins im Oberrheingraben wurden Kalktuffe vom Mittelalter bis in das frühe 20. Jh. in großem Umfang für Wohngebäude, Ställe, Brücken, Stadtmauern, Tore, Türme, Kirchen und Repräsentativbauten eingesetzt. Als bekanntes Beispiel kann das Kloster Beuron angeführt werden, für das in großer Menge Kalktuffe aus Bärenthal für Mauern und Säulen verwendet wurden. Aus den Kalktuffvorkommen von Bärenthal, Dießen und Gönningen wurden in den 1930er und 40er Jahren zahlreiche Blöcke nach München (Flughafen Riem), Berlin (Reichssportfeld, Olympiastadion, Schwimmstadion) oder Fallersleben bei Braunschweig (Volkswagenfabrik, heute Wolfsburg) verkauft. Von den Brüchen bei Gönningen wurde natürlich auch die Umgebung beliefert; Reyer (1927) nennt als Verwendungsbeispiele für den Gönninger Tuffstein die Uracher Stadtkirche St. Amandus (1475–1501) und die dortige neue katholische Kirche, die Kirchen in Gönningen und Winzeln bei Oberndorf, die Erlöser- und Heilandskirche in Stuttgart sowie das Postgebäude in Friedrichshafen. Das neoromanische Portal an der Herz-Jesu-Kirche in Friedenweiler-Göschweiler belegt, dass der hochporöse Kalktuff auch für figürliche Arbeiten eingesetzt werden kann. Wahrscheinlich stammt auch der am unteren Tor des Schlosses Hohentübingen im frühen 17. Jh. verbaute Tuffstein aus Gönninger Brüchen. Teile des Schlosses Lichtenstein wurden aus den Kalktuffen des Echaztals errichtet, das z. B. durch die Kalktuffe der Olgahöhle bei Lichtenstein-Honau bekannt ist.
Die mächtigen Kalktufflager von Seeburg erlangten z. B. dadurch Berühmtheit, dass die hier gewonnenen Blöcke schon in der Zeit von 1430 bis 1494 am Ulmer Münster verbaut wurden (Frank, 1944). Nach Rosendahl & Sahm-Stotz (2005) wurde das Material aus dem Ermstal auch am Straßburger Münster, der Dettinger Stiftskirche und dem Alten Schloss in Stuttgart verwendet. Schöne Verwendungsbeispiele findet man auch in Bad Urach an der o. g. spätgotischen Basilika St. Amandus sowie an der Josefskirche, dem benachbarten Residenzschloss und dem Haus der Jugend in der Beim-Tiergarten-Straße sowie mit der Turn- und Festhalle von 1913/14. Weitere schöne, gut erreichbare Beispiele sind die im Tal der Erms gelegenen Gebäude der Albwasserversorgung (Erms-Gruppe), die um 1896 komplett aus Tuffstein errichtet wurden, und das ehem. „Doktorhaus“ in Böhringen von 1910, direkt an der Dorfstraße gelegen, das nach Renovierungsarbeiten wieder im alten Habitus erscheint. Überhaupt ist festzustellen, dass diese historischen Natursteinbauten wieder zunehmend gepflegt werden; sie stellen ein landschaftstypisches Charakteristikum der Ferienregion und des Naturparks Schwäbische Alb dar.
Reyer (1927, S. 83) setzte sich unter dem Eindruck der in den 1920er Jahren aufkommenden Mechanisierung von Abbau und Verarbeitung besonders für den Kalktuff als günstiges, haltbares und vorteilhaftes – heute würde man sagen: ökologisches – Baumaterial ein: „Der Stein dürfte besonders bei Siedlungsbauten und Einfamilienhäusern zweckmäßig ausgedehnte Verwendung finden, da er im Preis mit Backstein- und Fachwerksbau durchaus wettbewerbsfähig ist, an Schönheit des Aussehens diese bei weitem übertrifft und an Güte und Dauerhaftigkeit diesen nicht nachsteht. (…) Besonders hervorzuheben ist, daß er ein rasches Bauen ermöglicht (großes Format der Steine) und daß die Wohnungen infolge der Porosität im Sommer kühl und im Winter warm sind. Der geringe Verbrauch an Heizmaterial fällt heute besonders in die Waagschale. Diese Eigenschaften sichern dem Stein eine große Zukunft, wenngleich die Architekten ihm vielfach noch ablehnend gegenüberstehen.“ Interessant, wie aktuell diese über 80 Jahre zurückliegende Aussage ist.
Lockere Kalktuffe und Sägeabfälle von Tuffstein wurden in entsprechend ausgerüsteten Betrieben, wie dem der Fa. Wilhelm Schwarz aus Gönningen, mit Kalkmörtel zu künstlichen Tuffsteinmassen verarbeitet. Früher diente der Tuffsand auch als Mauerer- und Gipsersand. Heute werden Kalktuffbrocken auf wenige Millimeter heruntergebrochen und können so z. B. als feuchtigkeitsspeichernde Tragschicht in Sportanlagen verwendet werden, wodurch die Staubentwicklung verringert wird.
Aus den Blöcken des in Betrieb befindlichen Steinbruchs Bärenthal (RG 7919-2) werden heute (Stand 2021) vornehmlich 8–20 cm dicke Abdeckplatten und Mauersteine erzeugt, daneben Dekorationssteine für den Gartenbau. Kleinere Stücke gehen z. B. in den Aquarienbedarf. Auch für die Renovierung historischer Bauten aus Tuffstein wird das Material aus Bärenthal verwendet. Nachgefragt werden Blöcke und Sägeware der Fa. Beck aus ganz Baden-Württemberg. Beispiele für Bauten aus Kalktuff sind das Bärenthaler Pfarrhaus, das mittelalterliche Stadttor in Mühlheim an der Donau, die Stadtpfarrkirche in Spaichingen und die Kirche in Stetten an der Donau.
Varietäten und wichtige Abbaugebiete
Gebiet Wutach–Lembach bei Stühlingen (Klettgau)
Im Oberen Muschelkalk bei Stühlingen, nordwestlich vom Ortsteil Weizen, befinden sich nutzbare Kalktuffvorkommen im Gebiet des schmalen Rohrbachtals; die zwei kleinen Steinbrüche liegen schon auf Gemeindegebiet von Wutach, Ortsteil Lembach. Eines der Vorkommen wird im Steinbruch Wutach-Lembach (RG 8216‑1) in einer Mächtigkeit bis 10 m genutzt (Stand 2021). Karstwasser tritt an den gering durchlässigen Schichten im Grenzbereich zwischen Oberem und Mittlerem Muschelkalk zu Tage aus und bildete während des Holozäns die nachfolgend beschriebenen Sinterterrassen. Die Kalke sind wechselnd locker und fest. Die kavernösen, in ihren Strukturen sehr vielgestaltigen Kalktuffsteine können in Blöcken von 1–2,5 m3 gewonnen werden.
Röhren aus verkrusteten Schilfstängeln und Ästen, Abdrücke von Blättern sowie Schneckenschalen sind häufig anzutreffen. Mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind Characeen (Armleuchteralgen), die offensichtlich wesentlich zur Kalkfällung beigetragen haben. Lagenweise treten zahlreiche Süßwasserschnecken auf; häufig sind Schlamm- und Bernsteinschnecken, Achat-, Dolch- und Tellerschnecken, aber auch Kugelmuscheln sind dabei (Mitt. M. Franz, LGRB). Daneben finden sich auch nierig-traubige Sinterstrukturen, der sog. Blumenkohltuff. Innerhalb der Sinterterrassen treten auch lehmige Einschwemmungen und Verzahnungen mit Kalksteinhangschutt auf. Die Kalktuffe werden im Steinbruchbereich von max. 2 m mächtigen Hangschutt des Oberen Muschelkalks überlagert.
Chemische und mineralische Zusammensetzung |
SiO |
Al2O3 |
Fe2O3 |
MnO |
MgO |
CaO |
K2O |
HCl-lösliches Karbonat |
0,53 % |
0,11 % |
0,08 % |
< 0,002 % |
0,57 % |
55,04 % |
0,03 % |
98,5–99,42 % (fast ausschließlich Kalzit) |
Erkundung: Bei der Bearbeitung der KMR50 Stühlingen wurden die Vorkommen des Rohrbachtals vom LGRB näher untersucht und die unter Boden und Talschutt verborgenen Kalktufflager mittels Georadar erkundet (LGRB, 2002b). Dabei zeigte sich, dass verhärtete, potenziell werksteinfähige Sinterkalksteine mittels Georadar gut erkannt werden können; lockere Tuffe liefern hingegen keine klaren Reflektoren. So konnten drei linsenförmige, möglicherweise ausreichend verfestigte Kalktuffkörper im Taltiefsten nachgewiesen werden. Die Grenzen der Terrassen ließen sich durch Luftbildauswertung und Geländekartierung feststellen. Bereits abgebaute Bereiche wurden mit Hilfe alter topographischer Karten und Luftbilder ermittelt. Die Mächtigkeit der Tuffe ist an stufenförmigen Terrassenkanten am höchsten, hangaufwärts nimmt sie aus morphologischen Gründen und wegen der Verzahnung mit Muschelkalk-Hangschutt rasch ab. Die einzelnen, im Mittel 0,5 m mächtigen Schichten fallen mit 4–5° nach Süden zum Talausgang ein, an Terrassenkanten kann die Schichtung aber sogar mit 45° einfallen. Die alten Brüche nehmen große Teile der oberen Terrassen ein. Der noch nicht abgebaute Bereich der mittleren Terrasse lässt nutzbare Mächtigkeiten zwischen ungefähr 2 und 6 m erwarten. In der unteren Terrasse kann mit einer Mächtigkeit bis ca. 5 m gerechnet werden.
Abbau von Kalktuff findet im Rohrbachtal (RG 8216-1) mindestens seit Mitte der 1950er Jahre statt. Abgebaut wird der Kalktuff heute (Stand 2021) von der Fa. Walter Rehm, Lottstetten. Der überwiegende Teil des Kalktuffs wird zu Kalksand 0/3 mm für Tragschichten von Sportplätzen und zu Gartensteinen verarbeitet. Etwa 20 % der gelösten Menge bestehen aus ausreichend festen Sägeblöcken, welche z. B. für Brunnen und Denkmäler verwendet werden können. Liefergebiete sind Süddeutschland und die Schweiz.
Bärenthal (Oberes Donautal)
Das Bäratal nordöstlich von Mühlheim a. d. Donau zählte viele Jahrzehnte zu den bedeutendsten Gewinnungsorten von Kalktuffen auf der Schwäbischen Alb. Aufschwung erhielt ihre Nutzung im Zusammenhang mit dem Bau der Donautal-Eisenbahn um 1890. Im Steinbruch an der Ölmühlenquelle (RG 7919‑2) westlich von Fridingen-Bärenthal, zugleich auch Kalksandgrube, wird seit Ende des 19. Jh. Kalktuff abgebaut. In den 1930er Jahren waren im Steinbruch und im benachbarten Werk des Gründers Wilhelm Beck zwischen 30 und 40 Leute beschäftigt. Sein Enkel gleichen Namens betreibt seit 2004 Abbau, Verarbeitung und Verkauf im Nebenerwerb.
Flussabwärts beim Weiler Ensisheim sind noch Reste eines Steinbruchs erhalten. Dort wurde eine mehrere Meter mächtige Schicht von Kalktuff der söhlig gelagerten Talaue genutzt. Zwei Wände sind noch erhalten und geben einen Einblick in den Aufbau der holozänen Kalktuffe des Bäratals (Huth & Junker, 2003).
Lagerstättenverhältnisse, Sedimentologie: Auf der westlichen Talseite des Bäratals bei der Ortschaft Fridingen-Bärenthal treten am Hangfuß über eine Erstreckung von rund 700 m holozäne Quelltuffe auf. Das Vorkommen besteht aus einem aufgewölbten, lang gestreckten, linsenförmigen Körper aus Kalktuffen unterschiedlicher Qualitäten, die für verschiedene Einsatzbereiche genutzt werden. Die Gesamtmächtigkeit der nach Osten einfallenden Kalktuffablagerung beträgt etwa 8–9 m, mit einer nutzbaren Mächtigkeit von 4–5 m. Werksteinfähige Abschnitte treten in unregelmäßigen Körpern mit mehrere Hundert Kubikmeter umfassender Werksteinmasse auf. Darin können auch kleine, irreguläre Höhlen, z. T. sogar mit tropfsteinartigen Sinterbildungen sowie größere Löcher von eingeschwemmten Baumstämmen enthalten sein. Das Liegende besteht aus Hangschutt bzw. Sanden der Talfüllung.
Mehrere Bäche entwässern aus den Massen- und Bankkalksteinen sowie Kalkmergelsteinen des Oberjuras (Kimmeridge und Oxford) und setzen ihre Kalkfracht auf den sich lateral verzahnenden Hangschuttkörpern ab. Verwirbelungen an Ästen, Moosen und Gräsern, die mit eingespült wurden, bewirkten die Entgasung von CO2 und führten zur Fällung von Kalktuff gemäß des eingangs beschrieben Modells. Dabei wurden in den flacheren, oberen Bereichen des zusammenhängenden Hangschuttkörpers mehr lagige Kalktuffe abgeschieden. Ihre Bildung wurde durch immer wiederkehrende Einschüttungen von Hangschuttmaterial unterbrochen. Daraus ergibt sich die heute geringere Qualität der Kalktuffe in dem Bereich der „Hochfläche“ des Hangschuttkegels hinter der Kaskaden-Kante. Aufgrund der Einschüttungen können hier auch nur Blöcke geringerer Größe (bis mehrere dm) abgebaut werden. Kalktuffbildungen an den Rändern des Schüttungskörpers führten durch intensivere Verwirbelung bald zur Bildung einer ausgeprägten Kaskaden-Kante, an der dann die Abscheidung von mehreren Meter mächtigen Kalktuffen stattfand. Hier ist oft auch Übergussschichtung zu erkennen.
An der Steilkante ist noch immer ein Wasserfall ausgebildet, an dem nach wie vor Kalktuff ausfällt. In dem darunter befindlichen Bach sind schöne Kalktuffterrassen zu finden. Die Schichtung der Tuffe schwankt daher meist zwischen horizontaler und hangparalleler Lagerung (0–40°). An steilen Gefällstufen kommen auch etwa 80° in Richtung Tal einfallende Kalktuffschichten vor, wie Aufschlüsse im Frühjahr 2012 zeigten. Die Gesamtmächtigkeit der nach Osten einfallenden Kalktuffablagerung beträgt etwa 8–9 m. Feste Bänke und lockere bis halb verfestigte Kalksande wechseln auf der Hochfläche des Schuttkegels mehrfach ab. Es kann eine deutliche Zonierung vom festen Kalktuff am Rand der Struktur (Kaskadenkante) hin zu lockeren Tuffen auf der Fläche des ehemaligen Hangschuttkörpers im Westen festgestellt werden.
Werksteinfähige Abschnitte treten hinter der Kaskadenkante meist in < 1–1,5 m mächtigen, linsenartigen Körpern auf. Im Bereich der Steilkante (Wasserfall; Übergussschichtung) sind die besonders massigen Bereiche anzutreffen. Die Kalktuffe von Bärenthal sind bräunlich und hochporös (19–28 %). Sie weisen überwiegend denselben internen mikroskopischen Bau auf. Der nicht karbonatische Anteil beträgt 1,9–4,0 % und setzt sich überwiegend aus organischem Material sowie aus Siltquarz und Tonmineralen zusammen. Vorherrschend sind sphärolithische, onkolithische Umkrustungen und verkalkte Thalli von Moosen mit gebänderten, radialen Zementgenerationen. Im Bereich von lagigen Cyanophyceen mit mehreren gebänderten Kalzitgenerationen im Wechsel mit organischen Lagen ist der Kalktuff gut zementiert und fest. Moostuffe können hingegen sehr porös und locker sein.
Zusammensetzung: Das Kalkskelett des grobzelligen Kalktuffs aus dem Steinbruch der Fa. Beck (RG 7919‑2) besteht aus gut verzahnten Kalzitkristallen, die waben- oder schwammartige Kornaggregate bilden. Nach der chemischen Analyse besteht der Kalktuff im Mittel aus rund 99 % CaCO3; neben 0,8 % MgCO3 waren auch Spuren von Quarz, Feldspat und Illit (Staubeintrag?) feststellbar.
Technische Eigenschaften: Die Rohdichte beträgt 1,8–2,2 g/cm3, die Porosität liegt nach der Bestimmung an der Univ. Erlangen (Tabelle s. o.) und optischer Abschätzung an geschnittenen Blöcken bei 20–40 %; berücksichtigt man die gesamte Kalktuffmasse mit ihren zahlreichen großen Kavernen (Baumstämme!), so liegt sie sicher deutlich höher. Die Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck wurde zu 21,1 % bestimmt. Weitere Daten liegen z. Zt. nicht vor, jedoch ist davon auszugehen, dass die Kalktuffe aus Bärenthal denen aus Gönningen und Seeburg in ihren Gesteinseigenschaften sehr ähnlich sind.
Gönningen (Wiesaztal)
Bei Gönningen wurde im Wiesaztal über mehrere Jahrhunderte hinweg umfangreicher Kalktuffabbau betrieben. Im Jahr 1975 wurde die Gewinnung eingestellt. Nach den heute noch erkennbaren Spuren erstreckten sich die Tuffsteinbrüche über eine Fläche von mindestens 16 ha. Die Lagerstättenmächtigkeiten schwanken zwischen 8 und 14 m. Der bekannte Kalktuff-Lehrpfad beginnt in Gönningen; Rathaus und ehemaliges Schulhaus sind aus Kalktuffquadern errichtet worden. Aufschlussreich ist besonders der Rundweg in der „Kalktufflandschaft im Wiesaztal“ zwischen Talmühle und Eschle, der auch Erläuterungstafeln zur Entstehung und Nutzung dieses überall im weiten Umfeld verbauten Tuffsteins enthält. Hier sind noch bis 10 m hohe Kalktuffwände erhalten, die zeigen, wie die Tufflager aufgebaut sind.
Auf einer Strecke von etwa 3,5 km ist das enge Tal der Wiesaz im Oberlauf von der Talmühle bis Gönningen durch fünf deutlich erkennbare Terrassen gekennzeichnet, die jeweils in meterhohen Stufen enden, an denen sich die ehemaligen Steinbrüche befinden. Das Tal der Wiesaz verläuft zunächst etwa 1,5 km von der Quelle nach Norden, um dann am Rösslesberg nach Nordost und Ostnordost bis nach Gönningen umzubiegen. Dabei wird ein Höhenunterschied von etwa 140 m überwunden. Die Wiesaz fließt durch die Gönninger Seen, die bei Renaturierungsmaßnahmen im Bereich ehemaliger Kalksteinbrüche künstlich angelegt wurden. Die Schichtlagerung in den Aufschlüssen deutet die ehemals hier herrschenden Gefälleverhältnisse (Terrassen, Steilkanten, Kalktuffbarren) an. Über längere Strecken sanft geneigte Lagen fallen häufig plötzlich steil ab. Der Bach hatte neben den vier großen Kaskaden zahlreiche Kalktuffbarren zu überwinden. Talabwärts nimmt der Anteil an strukturlosen und sekundären Lockertuffen zu. Im Steinbruch am Ende der dritten Terrasse steht nur noch vereinzelt Festmaterial an (Stirn, 1964).
An der unscheinbaren Quelle selbst, die aus mehreren kleinen Wasseraustritten besteht, welche aus dem Schutt der Malmkalke hervortreten, ist keine Kalktuffbildung zu beobachten. Etwas unterhalb des Quellbereichs weisen einige Malmkalkbrocken dünne Kalkkrusten aus. Nach einem längeren Verlauf über die erste Terrasse, auf der sich das Wasser aufgrund der weiten Fläche erwärmen konnte, sind an der ersten Kalktuffbarre oberhalb der Talmühle bis zu 6 m hohe Abbauwände aus massivem Kalktuff zu finden. Dieser Bereich mit steiler Kante ist auch aufgrund eines größeren Steinbruchareals deutlich erkennbar. Im Steinbruch an der Talmühle herrschen primäre Festtuffe vor. Schizothrix-Tuffkalotten und Sinterbeläge überziehen die Moostuffblöcke. Das Gestein ist hart und klingt fast durchwegs hell. Es sind keine sandigen Partien eingeschaltet. Vereinzelt sind dünne, leicht talabwärts geneigte Fugen zu erkennen, was darauf hinweist, dass man sich hier inmitten der Kalktuffbarre bis hin zum leicht talabwärts geneigten vorderen Bereich befindet.
Wenige 100 m unterhalb der Talmühle treten deutlich geschichtete Kalktuffe auf, die eine Wechselfolge aus Kalktuffsanden und festen, meist großknolligen, linsenförmigen Bereichen darstellen. Horizontale Einlagerungen weisen darauf hin, dass man sich hier wieder in einem lateral ausgedehnten Becken mit geringerer Wasserenergie hinter der nächsten Kalktuffbarre befindet. Die weiträumig abgebauten Kalktuffe des Beckens gehen nach etwa 200 m nach Westen in die nächste Kalktuffbarre von etwa 10 m Höhe über. Während an der nach Nordosten ausgerichteten Wand aus festem Kalktuff die Spuren des Abbaus mit der Schrämsäge zu sehen sind, weist die Südwestwand eine durch eingeschaltete sandige Lagen gekennzeichnete Übergussschichtung auf, sowie Schichtfugen und Hohlräume mit Blumenkohltuff.
Weiter Wiesaz abwärts liegen die Gönninger Seen – geflutete ehemalige Steinbrüche. Am nordwestlichen Ufer des größeren Sees kann man aufgrund der ausgeprägten Bankung und kalksandiger Einschaltungen erkennen, dass hier vorwiegend Kalktuffe eines wahrscheinlich terrassenförmigen Bereichs abgebaut wurden. Vor den ersten Häusern von Gönningen befindet sich der ehemalige Steinbruch an der dritten Stufe, an der sich auch die Produktionsstätte der Gönninger Kalktuffwerke befand. Hier standen neben einigen qualitativ meist geringwertigen Kalktuffen vor allem lockere Kalksande an, aus denen Kunststein hergestellt wurde.
Fazies und Qualität der Gönninger Kalktuffe: Diese Kalktuffe sind in ihrer Beschaffenheit so vielseitig wie ihre Bildungsräume. Überwiegend konnte aufgrund der großen Vorkommen von Kalktuffbarren auf mehreren Sohlen gut verfestigtes Material abgebaut werden. Doch zeigt sich auch, dass der Kalktuff nicht überall dieselbe Qualität hat. So sind bereits am Rathaus Kalktuffplatten zu sehen, die aufgrund eines höheren feinsandigen Anteils im Gegensatz zu dichten Partien rasch verwittern. Massive Bereiche klingen hell und sind scharfkantig, während absandende Bereiche dumpf klingen und wenig witterungsstabil sind. Beide Merkmale unmittelbar nebeneinander in einem Block weisen darauf hin, dass dieses Material aus dem Übergangsbereich einer Kalktuffbarre mit festen Moostuffen in das dahinter befindliche flache Becken mit sandigen Einschaltungen stammt. Bei den weniger festen Kalktuffen handelt es sich vor allem um Ablagerungen der Terrassen, während die Moostuffe, Schizothrix-Tuffe und auch Blättertuffe gut verfestigt sind und beim Anschlagen hell klingen. Andere Bereiche weisen gut verfestigte Schizothrix-Tuffe mit onkolithischer Umkrustung der Algenröhrchen und/oder nur schwach verfestigte, mehr netzartig wirkende Kalktuffe auf.
Seeburg (Ermstal)
Bis über 30 m Mächtigkeit erreichen die Kalktuffablagerungen im Ermstal beim kleinen Ort Seeburg. Die heute noch zugänglichen Abbauwände zeigen, dass es sich um feste, etwa horizontal gelagerte Kalke handelt. An den sieben Gefällstufen entlang der Erms bildeten sich besonders mächtige Kalktuffe, die in tiefen Gruben – bei kanalartiger Umleitung des Flusses – abgebaut wurden (Gwinner, 1998). Die Blütezeit des Tuffsteinabbaus in Seeburg lag in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert. 1885 waren etwa 60 Steinhauer mit der Gewinnung und Herstellung von Quadern befasst. Im Zeitraum 1948–1952 wurden aus Reststücken und minderwertigem Material unter Zugabe von Sand und Zement Hohlblocksteine produziert (Rosendahl & Sahm-Stotz, 2005); danach wurde der Abbau eingestellt.
An einigen Stellen erlauben die verbliebenen Abbauwände einen Einblick in die Lagerstättenverhältnisse, so direkt beim Rathaus in Seeburg. Die alten Abbauwände direkt an der B465, unmittelbar nördlich der ehem. Burgen Blankenhorn und Baldeck (südöstlich von Sirchingen), zeigen, dass hier ein 3,5 m mächtiges, festes Kalktufflager abgebaut wurde, das Richtung Talmitte in zwei Lager mit 1,5–2 m Mächtigkeit und eingeschaltete Tuffsande übergeht. Die 5–8 m mächtigen Vorkommen bei Seeburg sind besonders dadurch bekannt geworden, dass die hier gewonnenen Kalktuffe vermutlich schon in der Zeit von 1430 bis 1494 am Ulmer Münster verbaut wurden (Frank, 1944). Weitere Verwendungsbeispiele sind im Kapitel: Gewinnung und Verwendung beschrieben.
Die im Ermstal gebildeten Bach- und Hangkalke weisen, wie für die Kalktuffe von Bärenthal und Gönningen bereits beschrieben, unterschiedliche organische Bestandteile (Cyanophyceen, Lyngbya; Phycophyta, Vaucheria, Cladophora; Gwinner, 1998), Laubmoose und Stängel von Pflanzen sowie Blätter auf, die umkrustet wurden (Blättertuffe). Je nach Lokation – Quellbereich, Kalkbarre oder Becken – sind auch hier verschiedene Typen von Kalktuffen mit unterschiedlichen bautechnischen Eigenschaften ausgebildet.
Die erste, bis zu 25 m mächtige Terrasse mit deutlicher Übergussschichtung, welche die Fließrichtung des Wassers anzeigt, befindet sich im Ort Seeburg und ist unterhalb der Kirche aufgeschlossen. Dort sind auch mergelige Schichten eingeschaltet, die das Lager teilen. An der Seeburger Kalktuffbarre wurde der von Osten kommende Fischbach aufgestaut; es bildeten sich an dieser Stelle überwiegend Moostuffe (Stirn, 1964), während in kleineren Höhlen Schizothrix-Tuff entstanden. Eine Zone von Kalktuffbarren mit kleinen Stufen und Wasserfällen verriegelte das Fischbachtal auf seiner ganzen Breite (Rosendahl & Sahm-Stotz, 2005). In der Barre selbst entstanden an Gefällestufen kleinere und größere Höhlen, wie es heute am Uracher Wasserfall zu beobachten ist, in denen u. a. Blumenkohltuff abgeschieden wurde und die sich meist quer zur Fließrichtung des Wassers erstrecken. Diese Höhlen können recht groß sein, wie neben zahlreichen beim Bau von Kellern angeschnittenen Höhlen im Ortsgebiet von Seeburg besonders an dem bis zu 36 m langen „Hannesloch“ deutlich wird (Rosendahl & Sahm-Stotz, 2005); große Kalktuffhöhlen sind auch die Olgahöhle bei Honau und die im Gasthof „Zum Rössle“ in Zwiefaltendorf.
Hinter der Barre wurde der Fischbach gestaut und es bildete sich der sogenannte „bodenlose See“. Mit dem Emporwachsen des Dammes und zunehmender Aufstauung des Fischbaches vergrößerte sich auch der See weiter talaufwärts. Am Ende des Atlantikum, also vor etwa 5000 Jahren, hatte er wohl eine Länge von fast 1 km und erstreckte sich bis zur Einmündung des Bohntales (Rosendahl & López-Correa, 2002). Während sich nach Westen die Barre mit Übergussschichtung in das nächste Erms abwärts gelegene Becken entwickelte, wurden im „bodenlosen See“ Kalktuffsande, Tone, Faulschlamm und Torf abgelagert.
Die Entwicklung der Kalktuffbarren und der flacheren Bereiche zeigt von Seeburg bis nach Urach eine ähnliche Entwicklung in der Ausbildung von Kalktuffen, wie sie zuvor von Gönningen beschrieben wurde. Im Seeburger Tal wird dieses generelle Bild allerdings durch den „bodenlosen See“ sowie durch mehrere kleine Zuflüsse in das Haupttal modifiziert. So bildeten sich in diesen Bereichen immer wieder Kalktuffbarren unterschiedlicher Position, was zu einem sich ständig verändernden Lauf der Erms führte. Während am großen Aufschluss in Seeburg Moostuffe mit Cyanobakterienlagen und Schizothrix-Tuffe zu finden sind, verändert sich die Tuffbildung talabwärts. Es bildeten sich Stillwasserbereiche aus, in denen Seekreide abgelagert wurde. Diese feinkörnigen Sedimente finden sich daher talabwärts immer wieder als mikritische Füllungen in Moos- und Vaucheria-Tuffen und verleihen den Kalktuffen im Seeburger Tal häufig eine hellgraue bis weißliche Farbe.
Diese Kalktuffe sind durchwegs feinporiger als die Kalktuffe aus dem Bärenthal und aus Gönningen. In etwas größeren Poren (bis 2 cm) ist häufig eingeschwemmte Seekreide zu finden. Bei den unterhalb von Seeburg an Barren gebildeten Kalktuffen handelt es sich häufig um Cyanophyceen-Tuff mit Röhrchen und sphärolithischen, bakteriellen Mikrostrukturen.
Gebiet Dießen–Oberiflingen (Horb a. N.)
Aus dem Verbreitungsgebiet des Muschelkalks östlich von Freudenstadt bzw. westlich von Horb am Neckar sind zahlreiche alte Kalktuffabbaue bekannt. Bei Horb-Dießen wurde noch in den 1940er Jahren Kalktuff von der Fa. Schwarz abgebaut. Die Tuffe waren zwischen 5 und 8 m mächtig. Aufschlüsse befinden sich an der Einmündung des Dießener Bachs in den Neckar nördlich von Dettingen, bei der Unteren Sägemühle an der L398 und am alten Steinbruch an der Oberen Sägemühle. Im Dießener Tal kam es in der letzten Zwischeneiszeit zur Bildung von mindestens drei Kalktufflagern. Bemerkenswert ist, dass die Lager mit 10–20° nach Norden und somit entgegen der heutigen Fließrichtung des Baches einfallen; möglicherweise entwässerte der Fluss im Riß-Würm-Interglazial in Richtung Norden.
Der Steinbruch (RG 7517‑302) bei der Oberen Sägmühle, direkt an der Straße oberhalb von Dießen, ist rund 150 m lang und erschließt ein 7–8 m mächtiges Kalktufflager. Im Bereich des Steinbruchs dürften noch Vorräte in der Größenordnung von 45 000 m3 zu erwarten sein (LGRB, 2006a). Die hier anstehenden harten, splittrig brechenden Kalksinter bilden große, massige Blöcke. Typisch ist der lagen- bis fleckenweise Wechsel von dichtem und stark kavernösem Kalkstein. Der Kalktuff ist so gut gebunden, dass er auch poliert werden kann. Der weißlich gelbe, gelblich braun gefleckte Süßwasserkalk enthält viele Pflanzen- und Molluskenschalenreste. Untersuchungen der Molluskenfauna legen eine Entstehung im Riß-Würm-Interglazial nahe (Geyer, 1912), vergleichbar mit einem Vorkommen an der Unteren Sägmühle.
Die mittels Bohren und Sprengen gewonnenen Blöcke wurden z. B. für Bauten in Berlin, Augsburg und Meersburg am Bodensee verwendet (Frank, 1944). Als lokale Bauten aus bzw. mit Kalktuffstein sind neben gut erhaltenen Wohnhäusern in der näheren Umgebung die Andreas-Kirche in Aach (Baujahr 1897), die Obere Sägmühle nordwestlich von Dießen und die Aussegnungshalle in Dießen zu nennen.
Das Vorkommen südwestlich von Oberiflingen liegt am Hang, ca. 125 m oberhalb des Glatt-Tals (Beschreibung in: LGRB, 2006a). Es handelt sich um einen festen, kavernösen, weißlich gelben Kalktuff mit vielen Blattresten. Drei Aufschlüsse auf einer Strecke von ca. 100 m lassen erkennen, dass der Tuff wahrscheinlich als Baumaterial geeignet ist. Die Mächtigkeit des festen Kalksinters beträgt mindestens 2–4 m, jedoch muss stellenweise mit weicheren, sandigen Partien gerechnet werden. Der kleine Bruch mit einer Wandhöhe von 3–6 m ist seit 1939 nicht mehr in Betrieb.
Alttann–Weißenbronnen (östlich von Weingarten)
Beispiele für Kalktuffbildungen in Oberschwaben sind die zwischen Wolfegg und Bergatreute im Tal der Wolfegger Ach gelegenen Vorkommen bei Alttann. In drei noch gut erkennbaren alten Gruben bei Alttann und Weißenbronnen stehen 3–7 m mächtige Kalktuffe an (RG 8124‑114, ‑115 und ‑300, Heinz et al., 2002). Die Werksteinbänke sind meist 1–3 m mächtig. Die Kalktuffbildung dauert hier bis heute an. Die geologische Situation der mächtigen Hangkaskade bei Weißenbronnen, die rißzeitlichen Schottern vorgelagert ist, ist im schematischen geologischen Schnitt dargestellt. Viele Bauernhäuser und Wirtschaftsgebäude der Umgebung wurden früher aus diesem beim Abbau recht weichen Naturstein errichtet, der einerseits gut isoliert, zugleich aber den Feuchtigkeitsaustausch ermöglicht. Die meisten Kalktuffmauern sind später verputzt worden.
Aktuelle Gewinnung und Bezugsmöglichkeiten
Am Rand der Ortschaft Bärenthal bei Beuron (Schwäbische Alb, Lkr. Tuttlingen) betreibt die Fa. Wilhelm Beck seit Anfang des 20. Jh. einen Hangabbau zur Gewinnung von holozänen Kalktuffen (RG 7919-2). Es handelt sich um die derzeit beste Bezugsmöglichkeit von Kalktuffen zur Werksteinbearbeitung in Baden-Württemberg. Da viele historische Gebäude mit Kalktuffen errichtet oder verblendet wurden, ist zu hoffen, dass dieser Steinbruch noch lange erhalten bleibt. Die Rohblockgrößen liegen zwischen etwa 3 und 0,1 m3, meist bei 0,3–0,5 m3. Wegen der einfachen Gewinnung und Bearbeitbarkeit benötigt der Betrieb nur eine Schwertsäge, einen Radlader, eine Kreis- und eine Gattersäge. Die Fa. Beck produziert vor allem Mauersteine und Abdeckplatten (meist 8–10 cm stark, Schichthöhen bis 30 cm), Rohblöcke bis 150 cm Durchmesser, Gartensteine sowie sog. Tuffsand und Tuffkies. Der Kalktuffabbau bei Wutach-Lembach (Kreis Waldshut) der Fa. Walter Rehm, Lottstetten (RG 8216-1), liefert überwiegend Kalktuffsande und ‑kiese, seltener Blöcke von mehr als 1 m3 Größe.
Potenzial
Das für einen künftigen Abbau noch zur Verfügung stehende Potenzial an festen Kalktuffen, welche z. B. zu Renovierungszwecken an den zahlreichen historischen Bauten Verwendungen finden könnten, ist nur durch detaillierte Kartierung unter Verwendung geophysikalischer Methoden zu ermitteln. Für das Vorkommen Wutach-Lembach bei Stühlingen z. B. ließen sich mit Karten- und Luftbildauswertungen sowie mittels Georadar höffige Bereiche mit guter Verfestigung der Taltuffe abgrenzen; ein im Prinzip ähnliches Verfahren ist auch bei anderen Taltuffen möglich. Vorkommen an steilen Talrändern wie im Bäratal oder bei Dießen können durch detaillierte Kartierung und flache Sondierbohrungen mittels tragbarer Bohrgeräte erkundet werden. Wie weit die historische Nutzung heute verfüllter, überwachsener oder unter Wasser stehender Vorkommen vorangeschritten ist, lässt sich meist nur in groben Zügen ermitteln. Mit Hilfe von sedimentologischen, faziellen Untersuchungen lassen sich aber die Bereiche prognostizieren, die den größten Anteil an gut zementierten Kalktuffen bzw. an lockeren Kalktuffsanden enthalten dürften.
Von den hier näher betrachteten Gebieten könnte das Vorkommen bei der Oberen Sägmühle nahe Dießen im Muschelkalkgebiet südlich von Bittelbronn, Lkr. Horb a. N., das größte Potenzial auf kleinem Raum aufweisen; hier lassen sich durch Kartierung entlang der Talkante mindestens 45 000 m3 an überwiegend festem, sogar splittrig brechendem Kalktuff abschätzen (LGRB, 2006a); wegen seiner großen Härte war er wohl für frühere überwiegend händische Abbautechniken wenig geeignet. Leichter zu gewinnen sind die drei durch Erkundung abgegrenzten Kalktuffkörper bei Wutach-Lembach, welche Flächen zwischen 0,8 und 1,4 ha einnehmen; die Beschaffenheit der Kalktuffablagerungen im Rohrbachtal ist im dortigen, zeitweise betriebenen Steinbruch gut zu erkennen.
Große Ausdehnung und beachtliche Mächtigkeiten weisen die Kalktuffe bei Gönningen im Wiesaztal auf. Aufgrund des jahrhundertelangen Abbaus ist die Vorhersage von noch verbliebenen Kalktuffkörpern mit fester Bindung aber schwierig; nach der Beendigung des Abbaus im Jahr 1975 wurden die alten Brüche rekultiviert und geflutet, ein Erholungsgebiet mit Lehrpfad entstand. Bei Bedarf müssten durch Auswertung alter Flurkarten und Ortsakten sowie durch die zuvor geschilderten karbonatfaziellen Untersuchungen Bereiche für eine geophysikalische Untersuchung (Georadar, geoelektrische Kartierung) abgegrenzt werden. Für geringere Abbaumengen z. B. zur Renovierung von Baudenkmälern bieten aber die noch zugänglichen Tuffwände mehrere Ansatzpunkte. Die noch zugänglichen Vorkommen von Seeburg im Ermstal dürften zum größten Teil abgebaut sein, andere Bereiche sind durch Straßen und Häuser der Ortschaft Seeburg überbaut.
Die am steilen Weißjura-Hang des Bäratals westlich der kleinen Ortschaft Bärenthal entstandenen Kalktuffkaskaden zeichnen sich durch rasche Materialwechsel und die Verzahnung mit Kalksteinblockschutt aus, wie der bestehende Abbau zeigt. Für den kleinen Betrieb, der sowohl feste als auch lockere Kalktuffe verwertet, dürfte die Vorratsmenge aber noch viele Jahrzehnte ausreichen.
Kurzfassung
Kalktuffe in Naturwerksteinqualität treten in Baden-Württemberg besonders in den Tälern im Oberen Muschelkalk und im Oberjura auf. Die wichtigsten sind die Vorkommen von Gönningen, Seeburg und Bärenthal auf der Schwäbischen Alb und in den Muschelkalkgebieten von Dießen bei Horb a. N. und Wutach-Lembach im Klettgau. Es handelt sich vorwiegend um 5–30 m mächtige Taltuffe. Die bis ca. 8 m mächtigen Kalktuffe von Bärenthal sind Bildungen einer Hangkaskade. Die Kalktuffe entstanden an rasch fließenden Bächen und an Wasserfällen während warmer und niederschlagsreicher Perioden im Spätpleistozän und Holozän. Rezente Kalktuffbildung kann in vielen Bächen und Wasserfällen besonders der Schwäbischen Alb studiert werden.
Aufgrund der meist sehr zahlreichen Hohlräume – die Porosität liegt i. d. R. zwischen 15 und 35% – sind Kalktuffe relativ leicht, aber durch ihr schwammartiges Kalkgerüst sehr stabil. Von Interesse ist der Kalktuff für Bauzwecke seit römischer Zeit vor allem deshalb, weil das mit Hacke, Säge oder Bagger abzubauende Material nach der Gewinnung aushärtet und dabei langfristig hohe Stabilität erreicht. Stattliche Häuser und Hallen, Kirchen und selbst Wehrmauern wurden aus Kalktuff gebaut; die Römer verwendeten ihn bevorzugt für Gewölbekonstruktionen. Feste Kalktuffe sind als Massivmauersteine geeignet, wenig kavernöse Varietäten auch für Skulpturen- und Ornamentsteine sowie Verblendungen, große Blöcke für Brunnen und Denkmale. Stark kavernöse Varietäten werden gerne im Garten- und Landschaftsbau verwendet. Gewinnung findet derzeit (Stand 2021) nur noch bei Bärenthal nahe Mühlheim a. d. Donau und im Klettgau bei Wutach-Lembach statt. Die Erkundung dieser in Aussehen und Festigkeit sehr wechselhaften Gesteine erfolgt sinnvollerweise mittels einer Kombination aus Karbonatfaziesanalyse, Geophysik (bes. Georadar) und Flachbohrungen. Interessantes Potenzial dürften die Kalktuffvorkommen bei Dießen, Wutach-Lembach und Gönningen aufweisen.
Weiterführende Links zum Thema
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