Übersicht, Geologie
Beim Freudentaler Schilfsandstein handelt es sich um einen überwiegend hellbraunen, oft gelblich braunen, z. T. auch rötlich geflammten Feinsandstein (Mittelkeuper, Stuttgart-Formation). Das Schilfsandstein-Abbaugebiet nördlich von Freudental gehört zu den kleinsten in Baden-Württemberg. Die Gemeinde Freudental (Landkreis Ludwigsburg), westlich von Erligheim, wird erstmals urkundlich im Jahr 1304 erwähnt. Sie ist bekannt durch ihre noch erhaltene Synagoge (heute das Pädagogisch-Kulturelle Zentrum ehem. Synagoge Freudental) und den beiden in den Zeiträumen 1723–1811 und 1811–1943 genutzten jüdischen Friedhöfen (s. weiterführende Links: Die Synagoge in Freudental) mit Grabsteinen aus gelbem und z. T. aus rot geflammtem Freudentaler Schilfsandstein. Aus Freudental kamen auch besonders große und hochwertige Blöcke für den Wiederaufbau des Alten Schlosses in Stuttgart. Die Gebäude im Ort Freudental, selbst das Schloss, sind fast vollständig verputzt. Den besten Eindruck vom Material erhält man daher im Werksgelände der Fa. Melchior oder auf dem zweiten jüdischen Friedhof westlich außerhalb des Ortes.
Das Schilfsandsteinvorkommen von Freudental liegt am Ostrand des in West–Ost-Richtung gestreckten Bergrückens des zuoberst aus Stubensandstein aufgebauten Strombergs, geologisch betrachtet somit am Ostrand der gleichnamigen geologischen Mulde. Am westlichen Rand dieser weitspannigen Muldenstruktur befinden sich die Steinbruchgebiete bei Maulbronn, Freudenstein und Schmie, am Nordrand das von Mühlbach. Im Zabertal, das sich von Osten her in die Muldenstruktur Stromberg–Heuchelberg einschneidet und den Stromberg im Norden begrenzt, liegen die Brüche von Güglingen-Pfaffenhofen.
Die genutzten Vorkommen am äußersten Ostrand des Strombergs liegen paläogeographisch in einer Nord–Süd-verlaufenden und bei Freudental nach Südosten abbiegenden, etwa 2 km breiten Schilfsandsteinrinne (Heling & Wurster, 1971); von Wurster (1964a) wurde dieser Sandsteinstrang als „Michaelsberg-Strang“ bezeichnet; bei diesem dürfte es sich um die westliche Fortsetzung des Heilbronner Stranges handeln. Nach seinen Gefügemessungen erfolgte der fluviatile Materialtransport von Nordnordwesten nach Südsüdosten. Der heute nicht mehr betriebene Steinbruch Freudental (RG 6920-1), oberhalb des Ortes an der Straße nach Bönnigheim gelegen, ist im Besitz des Natursteinwerks Helmut Melchior, das nach der Fa. Arthur Gräf in diesem Bruch in Freudental und in der Wolfsgrube bei Schwaigern Gewinnung von Schilfsandstein betrieb. Die Firma baut (Stand 2021) im Badischen Odenwald Neckartäler Hartsandstein ab und verarbeitet ihn zusammen mit Schilfsandstein aus Güglingen im Freudentaler Bruch.
An der Straße von Freudental nach Bönnigheim, kurz vor der Zufahrt zum Werksgelände der Fa. Melchior, ist die Erosionsdiskordanz zwischen dem Schilfsandstein und den liegenden dunkelgrauen Estherienschichten gut aufgeschlossen. Nach LGRB-Berichten war noch 1988 im Steinbruch ein fast 10 m umfassendes Profil aufgeschlossen: Unter 0,5 m Boden und Hangschutt traten zunächst 2,5–3 m mächtige, plattige Sandsteine auf. Darunter folgten eine obere Werksteinbank mit 2,3 m und eine untere mit fast 5 m Mächtigkeit. Die Bänke fallen mit 3–5° nach Südwesten ein. Mehrere Meter weite Kluftabstände von senkrecht zueinander orientierten Hauptkluftsystemen (80/75° NNW, 170/55° WSW) ermöglichten die Gewinnung großer Rohblöcke. Um 1995 wurden kleinere Blöcke aus einer Bank mit einer Mächtigkeit von 2,5–3 m unterhalb der Plattenzone abgebaut. Aufgrund der Tatsache, dass auf dem Plateau nördlich von Freudental, also auch im Steinbruchbereich, keine überlagernden tonigen Schichten mehr erhalten sind (welche den Sandstein vor Verwitterung schützen könnten), reicht die plattige bis dünnbankige Aufwitterung auch in den dicken Bänken oft relativ tief. Dies führt durch die geringe erschlossene Gesamtmächtigkeit der Lagerstätte zu ungünstigen durchschnittlichen Blockgrößen. Ca. 70 % der Bänke waren zur letzten Betriebszeit weniger als 40 cm mächtig.
Gesteinsbeschreibung
Es handelt sich um einen ockerbraunen bis gelblich braunen, feldspatreichen, karbonatfreien Feinsandstein, der im frischen Anschnitt reichlich Limonit und feine Manganflecken enthält. Parallel zu Lagern und Klüften sind schalige bis schlierenartige Limonitanreicherungen nicht selten. Hauptminerale sind Quarz (50–60 %), die Feldspäte Plagioklas und Alkalifeldspat (30–35 %), Tonminerale und Eisenoxide/‑hydroxide; Chlorit tritt untergeordnet auf, ebenfalls Schwerminerale. Die Feldspäte sind stark serizitisiert. Die Kornbindung der meist eckigen bis angerundeten, 0,1–0,5 mm großen Körner ist überwiegend tonig-ferritisch.
Das Gestein eignet sich gut für Bildhauerarbeiten und die Produktion von Fassadenplatten. Aufgrund der makroskopischen Beschaffenheit und der bisherigen Verwendung an den Gebäuden der Umgebung ist davon auszugehen, dass der Freudentaler Sandstein in seinen Eigenschaften dem Schilfsandstein von Güglingen-Pfaffenhofen und dem von Heilbronn weitgehend entspricht, zumal der Michaelsberg-Strang, in dem die Vorkommen bei Freudental liegen, die westliche Fortsetzung des Heilbronner Stranges – unterbrochen durch die Erosionskerbe des Neckartals – darstellen.
Technische Eigenschaften
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Stbr. Freudental, Prüfzeugnis der Landesgewerbeanstalt Bayern, MPA Würzburg, das die Fa. Arthur Gräf 1980 in Auftrag gegeben hatte (28 Proben) |
1,95–1,97 g/cm3 |
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Verlust durch Schleifen auf einer Fläche von 50 cm2 |
29 cm3 |
43 MPa (41–44 MPa) |
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6,3 MPa (4,7–7,6 MPa) |
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Beständigkeit nach 25 Frost-Tau-Wechseln |
Gegen Frost beständig. Beim Befrosten lösen sich die Wadeinschlüsse, weshalb bewitterte Oberflächen die im frischen Bruch typische braune Fleckung nicht mehr zeigen. |
Gewinnung
Der Steinbruch Freudental (RG 6920‑1) wurde bis ca. 1985 von der Fa. Arthur Gräf betrieben, dann von der Fa. Melchior Natursteinwerke übernommen. Die Blöcke wurden mit Bohren und Keilen oder mit Reißen mittels Bagger gelöst. Anfang der 1990er Jahre waren in Bruch und Werk noch fast 50 Mitarbeiter beschäftigt (Mitt. H. Melchior). Ende 1995 wurde der Bruch stillgelegt. Die Fa. Helmut Melchior betreibt im alten Bruchgelände noch ihr Sägewerk sowie die Steinmetz- und Bildhauerwerkstatt.
Verwendung
Wie eingangs berichtet, wurde der Freudentaler Sandstein für Schloss, Synagoge und Profanbauten in Freudental verwendet; das schönste Beispiel bietet der zweite jüdische Friedhof außerhalb des Ortes mit den zahlreichen, oft fein ornamentierten Grabsteinen aus Sandstein. Otto Wölbert (Landesamt f. Denkmalpflege, Esslingen) berichtet, dass die Fa. Arthur Gräf zahlreiche großformatige Werkstücke für den Wiederaufbau des Alten Schlosses in Stuttgart geliefert hat. Nach Angaben der Fa. Melchior wurde der Freudentaler außerdem z. B. an folgenden Bauwerken im Rahmen von großen Renovierungsprojekten verwendet: Seeschloss Monrepos in Ludwigsburg, Musikhalle Ludwigsburg (Schmuckelemente und Mauerquader), Ritterstiftskirche in Bad Wimpfen im Tal, Stadtkirche in Vaihingen a. d. Enz, Schiff der Johanniskirche in Weinsberg und Friedenskirche in Ludwigsburg.
Potenzial
Im Vergleich zu den anderen beschriebenen Schilfsandsteinvorkommen im Naturpark Stromberg-Heuchelberg erscheint das Potenzial zur Erschließung weiterer nutzbarer Werksandsteinvorkommen bei Freudental gering. Mangels Steinbruchaufschlüssen und Bohrungen können derzeit keine Aussagen gemacht werden. Immerhin erstreckt sich der noch nicht von der Erosion erfasste Teil des über 2 km breiten Schilfsandsteinstrangs etwa 4 km in nördliche Richtung bis an den Ostrand von Cleebronn, so dass durchaus ein größeres Erkundungsgebiet zur Verfügung stünde.
Kurzfassung
Im kleinen Schilfsandstein-Abbaugebiet nördlich der Gemeinde Freudental (Landkreis Ludwigsburg) wurde bis 1995 der ockerbraune bis gelblich braune Sandstein des „Michaelsberg-Stranges“ abgebaut, bei dem es sich um die westliche Fortsetzung des Heilbronner Stranges handeln dürfte. Unter bis 3 m mächtigen, plattigen Sandsteinen folgen zwei Werksteinlager, welche zusammen eine Mächtigkeit bis 7 m erreichen können. Der alte Bruch Freudental wird noch von der Fa. Melchior als Verarbeitungsstätte genutzt. Verwendungsbeispiele sind besonders in unmittelbarer Nähe anzutreffen, wie z. B. Schloss und Synagoge in Freudental und die Grabsteine auf dem zweiten jüdischen Friedhof. Ab den 1950er Jahren wurde der Freudentaler Sandstein zu zahlreichen Renovierungsprojekten wie z. B. am Alten Schloss in Stuttgart, der Friedenskirche und dem Barockschloss Monrepos in Ludwigsburg verwendet.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (2005). Paläogeographischer Überblick. . Stratigraphie von Deutschland IV – Keuper, S. 15–30, Frankfurt a. M. (Courier Forschungsinstitut Senckenberg, 253).
- (1971). Deltaic sediments of the Keuper basin in SW-Germany. – Müller, G. (Hrsg.). Sedimentology of Parts of Central Europe, Guidebook to excursions. 8. International Sedimentology Congress, S. 133–146, Frankfurt a. M. (Waldemar Kramer).
- (2007). Der Schilfsandstein des Mühlbacher Stranges – Fazies, Rohstoffgeologie, 3D-Modell. – Dipl.-Arb. Univ. Tübingen, 104 S., Tübingen. [unveröff.]
- (1964a). Geologie des Schilfsandsteins. – Mitteilungen aus dem Geologischen Staatsinstitut in Hamburg, 33, S. 1–140, 4 Taf., 15 Kt. [57 Abb.]