Geologie
Der Oberjura in schwäbischer Fazies ist durch die Vergesellschaftung von Gesteinen in Massenkalk-Fazies und in gebankter Fazies charakterisiert. Die Lochen-Formation und die Oberjura-Massenkalk-Formation bilden die Oberjura-Schwammkalkfazies, die aus Massenkalk besteht. Sie ist durch undeutlich bis nicht geschichtete, riffartige Sedimentkörper geprägt, die bereichsweise als hochreine Kalksteine ausgebildet sind. Sie entstanden unter Beteiligung kalkig erhaltener Kieselschwämme. Aus dolomitischen Bereichen kann durch Rekalzitisierung (Dedolomitisierung) hydrogeologisch bedeutsamer Lochfels entstehen.
Die übrigen Formationen im Oberjura (vergleiche Tabelle: Hydrogeologische Gliederung der Oberjuragesteine in gebankter Fazies) liegen überwiegend in gebankter Fazies vor. Sie bestehen aus einer Wechselfolge von Kalkstein, Mergelstein und Kalkmergelstein.
Eine lokale Ausbildung der Liegenden-Bankkalke-Formation und der Zementmergel-Formation ist der Brenztal-Trümmerkalk (BTK) der Ostalb. Die bis über 50 m mächtigen klastischen Kalksteine ersetzen örtlich die Normalausprägungen.
Die Lacunosamergel-Formation bildet den obersten nahezu durchgehenden Horizont im Oberjura in gebankter Fazies. Alle höher gelegenen Grenzflächen können aufgrund häufigen Fazieswechsels zwischen Bank- und Massenkalken und den dadurch hervorgerufenen starken Mächtigkeitsschwankungen nur sehr unsicher lithostratigraphisch parallelisiert werden.
Die Massenkalk-Fazies findet sich vorwiegend auf der Mittleren Alb und der Ostalb. Sie ersetzt dort vielerorts die gebankten Gesteine der Unteren-Felsenkalke-Formation bis einschließlich die der Hangenden-Bankkalke-Formation. In der Westalb tritt die Massenkalk-Fazies schon ab der Impressamergel-Formation auf und wird dort nach der Typlokalität als Lochen-Formation bezeichnet.
Der Oberjura in schwäbischer Fazies steht entlang eines bis zu 35 km breiten Streifens zwischen Aalen–Ulm im Nordosten und Blumberg–Engen im Südwesten auf einer Fläche von ca. 4600 km2 über Tage an. Dabei wird er bereichsweise von quartären Deckschichten überlagert. Im äußersten Südwesten nimmt die Ausstrichbreite auf wenige Hundert Meter ab. Nach Norden hin wird der Oberjura durch die Schichtstufe des Albtraufs begrenzt, nach Süden hin taucht er unter die tertiären Sedimente des Molassebeckens ab.
Die Mächtigkeit des Oberjuras in schwäbischer Fazies nimmt von Nordwesten nach Südosten zu und erreicht im Molassebecken am Übergang zur helvetischen Fazies über 500 m. Im Ausstrichbereich liegen die maximalen Restmächtigkeiten auf der Westalb bei 250 m, auf der Mittleren Alb bei 400 m und auf der Ostalb bei 170 m.
Hydrogeologische Charakteristik
Die überwiegend kalkigen Gesteinsabfolgen des Oberjuras bilden einen großräumig zusammenhängenden Kluft- und Karstgrundwasserleiter. Innerhalb der Schichtenfolge sind Wohlgeschichtete-Kalke-Formation, Untere- und Obere-Felsenkalke-Formation, die Liegende- und Hangende-Bankkalke-Formation und die Oberjura-Massenkalk-Formation Grundwasserleiter.
Die überwiegend mergelig ausgebildeten Gesteinsabfolgen der Impressamergel-Formation, Lacunosamergel-Formation und Zementmergel-Formation sind meist Grundwassergeringleiter. Davon abweichend kann die Zementmergel-Formation oberflächennah schwach verkarstet sein. Die Mergelstetten-Formation als ihr kalkiger ausgebildetes Äquivalent neigt zu stärkerer Verkarstung und nimmt dadurch die Eigenschaften eines Grundwasserleiters an (Plum et al., 2008).
Der kalkig ausgebildete obere Abschnitt der Impressamergel-Formation (Bimammatumschichten) kann grundwasserleitend sein. Steht die Lacunosamergel-Formation oberflächennah an, ist sie ebenfalls als Grundwasserleiter zu betrachten.
Einen Vergleich der Verhältnisse in den verschiedenen Teilen der Schwäbischen Alb zeigen die folgenden Tabellen.
Hydrogeologische Gliederung der Oberjuragesteine in gebankter Fazies (früher auch Schichtfazies genannt)
Kürzel |
Mächtigkeit [m] |
hydrogeologische Beschreibung |
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joHB |
Kalkstein, gebankt, mit Mergelfugen |
bis 200 |
Kluft- und Karstgrundwasserleiter |
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joZ |
Zementmergel-Formation |
Mergelstetten-Formation (joME) bis > 200m |
Mergel-, Kalkmergel- und Kalkstein; z. T. dünnplattig, bankig; lokal verschwammt |
Wechselfolge von Mergelsteinen mit Kalksteinbänken |
bis 170 |
Grundwassergeringleiter; in kalkiger Fazies (Zwischenkalke) Kluftgrundwasserleiter
|
Kluft- und Karstgrundwasserleiter |
joLB |
Liegende- Bankkalke-Formation |
Kalkstein, gebankt mit Mergelfugen |
10–150 |
Kluft- und Karstgrundwasserleiter |
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joFO |
Obere-Felsenkalke-Formation |
Kalkstein, gebankt, mit dünnen Mergelfugen und Kieselknollen, z. T. verkarstet |
10–40 |
Kluft- und Karstgrundwasserleiter |
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joFU |
Untere-Felsenkalke-Formation |
20–60 |
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joL |
Lacunosamergel-Formation |
Mergelstein mit Kalk- und Kalkmergelsteinbänken |
10–75 |
überwiegend Grundwassergeringleiter |
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joW |
Wohlgeschichtete-Kalke-Formation |
Kalkstein, gebankt, mit Mergelsteinfugen, z. T. verkarstet |
10–150 |
Kluft- und Karstgrundwasserleiter |
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joI |
Impressamergel-Formation |
Mergelstein mit Kalk- und Kalkmergelsteinbänken |
10–125 |
Grundwassergeringleiter |
grün = Festgesteinsgrundwasserleiter, braun = Grundwassergeringleiter
Hydrogeologische Gliederung der Oberjuragesteine in Massenkalk-Fazies (früher auch Schwamm- oder Rifffazies genannt)
Kürzel |
Mächtigkeit [m] |
hydrogeologische Beschreibung |
||||||
Gesamte Schwäbische Alb |
||||||||
joMKo |
joMK
|
Oberer Massenkalk |
Oberjura-Massenkalk-Formation |
Massige Schwamm-Kalksteine, massiger Dolomitstein, bei Re- kalzitisierung löchrig (Lochfels), mit wechselnd starker Klüftung und Verkarstung. Ersetzt die gebankten Gesteine von Untere-Felsenkalke-Formation (JoFU) bis Liegende-Bankkalke-Formation (joLB) |
bis > 100 |
Kluft- und Karst- grundwasserleiter |
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joMKu |
Unterer Massenkalk |
bis > 100 |
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Westalb |
||||||||
joLOo
|
joLO |
Obere Lochen-Schichten
|
Lochen-Formation |
Im Bereich der Westalb tritt vielerorts die massige Lochen-Formation an die Stelle der gebankten Gesteine von Impressamergel-Formation (joI) bis Lacunosamergel-Formation (joL). Sie ist verkarstungsfähig und wird daher als Grundwasserleiter angesprochen. Im Bereich der Mittleren Alb und der Ostalb treten in diesen Einheiten nur lokal in kleinerem Umfang, oft nur schicht- oder lagenweise, Schwammwachstum und Riffbildung auf. Diese verändern die Mächtigkeit und die hydrogeologischen Eigenschaften gegenüber der ausschließlich gebankten Fazies nicht nennenswert. |
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joLOm
|
Mittlere Lochen-Schichten |
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joLOu
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Untere Lochen-Schichten |
grün = Festgesteinsgrundwasserleiter
Die Gesteine des Oberjuras in schwäbischer Fazies sind in unterschiedlichem Maße verkarstet. Randbedingungen für die lokale und regionale Karstentwicklung sind:
- Lithologie der Gesteine (Karbonat- und Tongehalt, Dolomitisierung, Rekalzitisierung mit Lochfelsbildung)
- Schichtlagerung, tektonische Beanspruchung und Entlastung
- Wasserhaushalt, Vorflutsituation und Landschaftsentwicklung
- Deckschichten, Vegetation, Eintrag von Kohlendioxid.
Die stärkste Verkarstung findet sich in den Massenkalken und dort in den dolomitischen und rekalzitisierten Lochfelszonen (Zuckerkornbereiche).
Eine ebenfalls starke Verkarstung tritt in gebankten Kalksteinen in der Auflockerungszone bis in Tiefen von etwa 100 m auf. In größerer Tiefe ist sie an Großklüfte, Spalten und Störungen gebunden.
Bereiche intensiver Verkarstung sind durch eine hohe Grundwasserführung gekennzeichnet. Die stark schüttenden Karstquellen am Südrand der Schwäbischen Alb (u. a. Blautopf) werden aus großen Einzugsgebieten mit hoch durchlässigen gerinne‑ und teilweise höhlenartigen Karstsystemen gespeist.
Die Grundwasserbewegung erfolgt ganz überwiegend auf Trennfugen (Klüfte, Störungen) und in lösungserweiterten Karsthohlräumen. In der Regel endet die Verkarstung an der Oberfläche der Lacunosamergel-Formation bzw. Impressamergel-Formation. Fehlt eine Gesteinsporosität weitgehend und nimmt die Öffnungsweite der Trennflächen mit zunehmender Tiefe unter Gelände ab, endet die Verkarstung oberhalb davon.
Das Hauptverkarstungsniveau verlagert sich nach Südosten zunehmend in stratigraphisch jüngere Horizonte, da die Oberjuraschichten in diese Richtung einfallen. Die Verkarstung nimmt im Molassebecken mit zunehmender Überdeckung allmählich ab. Dies ist durch die Abnahme der Transmissivität und der Spülungsverluste beim Abteufen von Bohrungen belegt (Stober & Villinger, 1997).
Die Karstlandschaft der Schwäbischen Alb lässt sich von Nordwesten (Neckar‑/Rheineinzugsgebiet) nach Südosten (Donaueinzugsgebiet) nach den hydrogeologischen Verhältnissen gliedern (Villinger, 1972). Je nach Lage der Grundwasserleiterbasis in Bezug auf das Vorflutniveau wird zwischen seichtem und tiefem Karst unterschieden.
Seichter Karst
Der Seichte Karst ist charakterisiert durch die Lage der Grundwasserleiterbasis über dem Vorflutniveau. Derartige Verhältnisse finden sich am Nordrand der Schwäbischen Alb (Albtrauf). Dort ist die Lacunosamergel-Formation infolge offener Klüftung und z. T. auch Verkarstung durchlässig. Die Basis des Grundwasserleiters liegt deshalb im oberen Bereich der Impressamergel-Formation, die durch Erosion der Neckarzuflüsse angeschnitten ist. Über der Lacunosamergel-Formation gibt es kein eigenständiges Grundwasserstockwerk, obwohl aus der Unteren-Felsenkalke-Formation Schichtquellen vereinzelt saisonal oder episodisch austreten. Stattdessen entwässert der Oberjura-Aquifer im Seichten Karst typischerweise über Schichtquellen, die an der Grenze Wohlgeschichtete-Kalke-Formation zu Impressamergel-Formation entspringen oder über tiefer liegende Hangschuttquellen.
Tiefer Karst
Im Tiefen Karst liegt die Basis des Grundwasserleiters unter dem Vorflutniveau. An vielen Stellen ist die Grenze zwischen dem Tiefen und Seichten Karst mit dem Verlauf der Karstgrundwasserscheide Rhein/Donau deckungsgleich. In Süd-Ost-Richtung rückt die Grundwasserleiterbasis mit zunehmender Überdeckung an die Schichtobergrenze der Lacunosamergel-Formation. Dazwischen sind zwei Situationen denkbar:
- Die Obere- und Untere-Felsenkalke-Formation bildet zusammen mit der Wohlgeschichteten-Kalke-Formation ein gemeinsames Grundwasserstockwerk; die Lacunosamergel-Formation hat keine trennende Wirkung.
- Die Obere- und Untere-Felsenkalke-Formation bildet ein oberes, die Wohlgeschichtete-Kalke-Formation ein unteres Grundwasserstockwerk. Die Grundwasserstockwerke werden durch die Lacunosamergel-Formation hydraulisch voneinander getrennt.
In der Ostalb endet die Grundwasserführung bereits in einigem Abstand über der Lacunosamergel-Formation in der Unteren-Felsenkalke-Formation oder sogar im Unteren Massenkalk. In diesem Fall ist die Wohlgeschichtete-Kalke-Formation unverkarstet und grundwassergeringleitend. In der Westalb ersetzt die verkarstungsfähige Lochen-Formation die gebankte Fazies der drei unteren Schichtglieder des Oberjuras (Impressamergel-, Wohlgeschichtete-Kalke-, Lacunosamergel-Formation). Da dort die Schwäbische Alb höher herausgehoben wurde, liegt die Grundwasserleiterbasis innerhalb der Impressamergel-Formation.
Flächendeckende Aussagen über die genaue Lage der Oberjura-Aquiferbasis sind für den Bereich der Schwäbischen Alb wegen der zu geringen Anzahl an Bohrungen nicht möglich.
Die Entwässerung erfolgt im Tiefen Karst in Überlaufquellen, durch Grundwasserübertritte in das Donautal (und Langenauer Donauried) sowie durch Unterströmung der Donau mit Grundwasserabstrom nach Süden in das Molassebecken. Hydraulische Kontakte bestehen zu den Grundwasservorkommen in den Kiesen der Talablagerungen und pleistozänen Rinnen. Sie wirken bereichsweise als Vorflut, werden z. T. aber auch vom Karstwasser durchströmt.
Nach der Überlagerungssituation lassen sich die folgenden Zonen unterscheiden:
Offene Zone
Als Offene Zone wird der Bereich bezeichnet, in dem verkarstete Oberjuragesteine an der Erdoberfläche ausstreichen. Die Offene Zone umfasst das Verbreitungsgebiet des Seichten Karsts und Teile des Tiefen Karsts.
Teilweise Überdeckte Zone
Als Teilweise Überdeckte Zone wird der Bereich bezeichnet, in dem verkarstete Oberjuragesteine durch meist geringdurchlässige tertiäre Schichten (Molassesedimente, Riestrümmermassen bzw. Impaktgesteine) lückenhaft überdeckt werden. Die Teilweise Überdeckte Zone umfasst das Verbreitungsgebiet des Tiefen Karsts unmittelbar nördlich der Donau und Teile im Umfeld des Rieskraters.
Überdeckte Zone
Als Überdeckte Zone wird der Bereich bezeichnet, in dem Oberjuragesteine flächendeckend von tertiären Molasseschichten überlagert werden. Die Überdeckte Zone beginnt etwa auf Höhe des Donautals und setzt sich nach Süden fort, wobei die Mächtigkeit der überlagernden Molasseschichten zum Beckeninneren stetig zunimmt.
Hydraulische Eigenschaften
Merkmale des Oberjura-Karstgrundwasserleiters sind eine ausgeprägte Heterogenität und Anisotropie der hydrogeologischen Eigenschaften.
Die mittlere Gebirgsdurchlässigkeit T/H – ermittelt aus hydraulischen Versuchen sowie dem Zustrom zu Quellen – schwankt zwischen T/H = 5,0 · 10‑5 m/s und T/H = 5,0 · 10‑3 m/s (Sauter, 1992). Bei kleinräumiger Betrachtung ist die Spannweite wesentlich größer. Für hochdurchlässige Kluft- und Karstzonen wurden Durchlässigkeiten mit einem arithmetischen Mittel von T/H = 1,4 · 10‑1 m/s bei einer Spannweite von 9,1 · 10‑2 m/s bis 2,7 · 10‑1 m/s berechnet (Jakowski, 1995; Jakowski & Ebhardt, 1997a).
In der Überdeckten Zone südlich der Donau nehmen die Durchlässigkeiten mit zunehmender Überlagerung ab. Sie erreichen mit Übergang zur helvetischen Fazies Werte von T/H = 1 · 10‑9 m/s (Stober & Villinger, 1997).
Typisch für die Grundwasserströmung im Oberjura-Karstgrundwasserleiter sind hohe Abstandsgeschwindigkeiten bei Markierungsversuchen. Die dominierenden Abstandsgeschwindigkeiten vCmax (für den Zeitpunkt des Konzentrationsmaximums) erreichen bei Fließstrecken bis 20 km etwa vCmax ≤ 120 m/h, Einzelwerte liegen auch darüber. Die maximale Abstandsgeschwindigkeit vmax (für den Ersteinsatz des Markierungsstoffs) ist für Versuche mit vCmax = 40 m/h um den Faktor 1,0–2,2, im Mittel um den Faktor 1,25 höher als die dominierende Abstandsgeschwindigkeit vCmax. Hohe Abstandsgeschwindigkeiten und hohe Wiederfindungsraten treten bevorzugt in den Einzugsgebieten stark schüttender Karstquellen auf. Geringe Abstandsgeschwindigkeiten oder Markierungsversuche ohne Austritt des Tracers kommen in Gebieten mit diffusem Grundwasserabstrom und unklaren Vorflutverhältnissen vor.
Folglich wird mit einem Markierungsversuch in einem Karstgrundwasserleiter fast ausschließlich das hochdurchlässige Kluft- und Karstsystem untersucht. Die Versuchsergebnisse sind deshalb für die feingeklüftete Gesteinsmatrix, d. h. den großräumigen Grundwasserspeicher, nicht repräsentativ.
Die aus Markierungsversuchen ermittelten longitudinalen Dispersivitäten αL schwanken zwischen αL = 1 m und αL = 500 m. Die niedrigeren Werte wurden für Gebiete mit überwiegend gebankter Fazies (Mittelwert αL = 49 m), die höheren für Gebiete mit überwiegend Massenkalk-Fazies ermittelt (Mittelwert αL = 175 m) (Jakowski, 1995).
Hydrologie
Da im Oberjura in schwäbischer Fazies kein nennenswerter Oberflächen- bzw. Zwischenabfluss auftritt, wird die Grundwasserneubildungsrate aus Niederschlag der Sickerwasserrate gleichgesetzt. Die Grundwasserneubildung beträgt im Bereich der Schwäbischen Alb (Offene und Teilweise Überdeckte Zone) im langjährigen Mittel (Periode 1981 bis 2010) Gm = 12,0 l/(s · km2), das sind – bezogen auf die Ausstrichfläche von ca. 4595 km2 – Gf = 55 100 l/s.
Im Molassebecken (Bereich der Überdeckten Zone) nimmt die Grundwasserneubildung durch vertikale Zusickerung mit zunehmender Mächtigkeit der tertiären Überdeckung ab und ist im Beckeninnern vermutlich äußerst gering.
Zur Grundwasserneubildung im Oberjura trägt auch die Infiltration aus oberirdischen Gewässern bei. In Schwinden und Schlucklöchern kann ein Teil oder die gesamte Wasserführung oberirdischer Gewässer in den Untergrund versinken. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die Donauversinkung zwischen Immendingen und Fridingen.
Der Grundwasserumsatz im Oberjura-Karstgrundwasserleiter ist in den verschiedenen Speicher- und Fließsystemen unterschiedlich:
- In Kleinklüften, Poren und im Lochfels wird das Grundwasser hauptsächlich durch flächenhafte Infiltration von Niederschlag neu gebildet. Es fließt im Untergrund vergleichsweise langsam und weist entsprechend hohe Verweilzeiten auf.
- Die auf Großklüften, tektonischen Störungszonen und Karsthohlräumen fließende Grundwasserkomponente wird vorwiegend durch Versinkung von oberirdisch abfließendem Wasser in Dolinen und Schwinden neu gebildet. Sie hat hohe Abstandsgeschwindigkeiten und kurze Verweilzeiten im Untergrund.
Die beiden Hohlraumsysteme treten regional in unterschiedlichen quantitativen und strukturellen Verhältnissen auf. Ausmaß und Richtung des Grundwasseraustauschs zwischen den Fließsystemen werden von den hydrologischen Verhältnissen gesteuert.
Die Schüttungsraten der Quellen im Seichten Karst betragen meist unter 20 l/s, sie können maximal über 500 l/s erreichen. Die Quellen im Tiefen Karst schütten bis ca. 1000 l/s. Durch starke Schwankungen des Karstgrundwasserstandes können Hungerquellen und Übereichsysteme auftreten.
Die Aachquelle entspringt am Rand der Südwestalb. Sie ist mit einer mittleren Schüttung von 8080 l/s die größte Quelle Deutschlands und steht mit dem Übertritt der Donau in den Untergrund zwischen Immendingen und Fridingen karsthydrogeologisch in Verbindung. Es handelt sich dabei um die bedeutendste Flussversinkung Deutschlands.
Nach Ergebnissen von Tritiumanalysen ist im Oberjura-Karstgrundwasserleiter der Schwäbischen Alb generell eine Zunahme der mittleren Verweilzeiten des Grundwassers von Norden nach Süden festzustellen. Sie betragen im Norden nahe der Karstwasserscheide im Bereich des Seichten Karsts und der Offenen Zone des Tiefen Karsts ca. 2–6 Jahre. Im mittleren Teil der Schwäbischen Alb liegen die mittleren Verweilzeiten für Brunnen und Quellen mit größeren Einzugsgebieten bei 5–15 Jahren. Am Südrand der Schwäbischen Alb im Grenzbereich zum Überdeckten Karst betragen die mittleren Verweilzeiten 10–20 Jahre. Zusätzlich tritt dort eine über 50 Jahre alte Grundwasserkomponente mit Anteilen über 30 % auf. Sie kommt vor allem in Brunnen mit vergleichsweise schlechtem Grundwasseranschluss bzw. mit Anschluss an aufsteigende Tiefenwassersysteme entlang der Donau vor (HGK, 2002; Armbruster et al., 2008).
Geogene Grundwasserbeschaffenheit
In der Offenen und Teilweise Überdeckten Zone gehört das Karstgrundwasser im Oberjura einheitlich dem hydrochemischen Grundwassertyp hydrogenkarbonatisch-erdalkalisches Süßwasser bzw. Ca-HCO3-Süßwasser an. Der mittlere gelöste Feststoffinhalt eines anthropogen weitgehend unbeeinflussten Oberjura-Grundwassers beträgt ca. 500 mg/l. Überwiegend gesteinsbürtig sind die medianen Konzentrationen von Calcium (110 mg/l) und Hydrogenkarbonat (320 mg/l) als Folge der Lösung von Kalzit. Die Karbonathärte beträgt etwa 14,7 °dH, die mediane Gesamthärte 5,88 mmol(eq)/l, das entspricht ca. 16,5 °dH (Plum et al., 2009a). Die übrigen Hauptinhaltstoffe im Grundwasser werden zum größten Teil mit dem Sickerwasser eingetragen oder sind anthropogenen Ursprungs.
Im Vergleich zu den Grundwässern in anderen hydrogeologischen Einheiten zeichnet sich das Oberjura-Karstgrundwasser durch geringe Konzentrationen von Arsen, Barium, Kalium und Silizium aus (LfU, 2001a; Plum et al., 2009a).
Im überdeckten Oberjura des Molassebeckens ändert sich die Zusammensetzung des Karstgrundwassers allmählich in einen Na-Ca-HCO3-Cl-Typ (Aulendorf). Gründe hierfür könnten die Zusickerung von Grundwasser aus den überlagernden Molassesedimenten oder Ionenaustausch sein. Südöstlich von Bad Waldsee übersteigt der Gehalt gelöster Inhaltstoffe 1000 mg/l.
Nach Südosten steigt die Temperatur des Karstgrundwassers mit zunehmender Tiefenlage an. Eine Temperatur von 20 °C wird bereits auf der Höhe von Riedlingen erreicht (Bertleff, 1986; Bertleff et al., 1993; Bertleff & Watzel, 2002; Prestel, 1990).
Geschütztheit des Grundwassers
Wegen des geringen Schutzpotenzials der Grundwasserüberdeckung im Bereich der Offenen Zone und des geringen Reinigungspotenzials des Grundwasserleiters ist das Karstgrundwasser im Oberjura anfällig für Verunreinigungen. In Karstquellen kommt es häufig zu Trübungen und mikrobiologischen Verunreinigungen. Sie treten vor allem nach Starkniederschlagsereignissen auf.
Besondere Schwächezonen sind:
- Bereiche, in denen der Oberjura oberflächennah als Massenkalk ausgebildet ist
- Dolinen und Dolinenhäufungsgebiete
- Versinkungsstellen
- Trockentäler und oberirdisch abflusslose Karstsenken.
Eine mittlere Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung liegt in Gebieten vor, in denen
- die Zementmergel-Formation ansteht
- der Oberjura-Grundwasserleiter unter gering durchlässigen Gesteinen der Molasse liegt
- der Oberjura-Grundwasserleiter von Impaktgesteinen in größerer Mächtigkeit und Verbreitung überdeckt wird.
Grundwassernutzung
Die Gesteine des Oberjuras bilden den bedeutendsten und ergiebigsten Festgesteinsgrundwasserleiter des Landes mit einem Grundwasservorkommen von überregionaler Bedeutung. Der Grundwasserinhalt des Karstaquifers der Schwäbischen Alb nördlich der Donau wird auf etwa 6 bis 8 Mrd. m3 geschätzt (Villinger, 1997).
Die Wasserversorgung auf der Alb erfolgte früher vorwiegend über gefasste Quellen. Diese Wässer sind aufgrund des geringen Reinigungsvermögens des Untergrundes oft für mikrobiologische Verunreinigungen anfällig. Deshalb ging man dazu über, Karstgrundwasser mit z. T. tiefen Brunnen zu erschließen. Der Schwerpunkt dieser Neuerschließungen liegt auf der Ostalb und entlang des Albsüdrandes, da dort die Aquifermächtigkeiten groß sind.
Die Ergiebigkeit der Brunnen im Oberjura-Karstgrundwasserleiter reicht bis 500 l/s und variiert in Abhängigkeit von der Anbindung der Brunnen an das regionale Kluft- und Karstfließsystem stark. Die größeren Ergiebigkeiten sind dementsprechend eher in vorflutnahen Zonen zu finden. In der Überdeckten Zone beträgt die technische Ergiebigkeit der Brunnen lediglich noch weniger als 70 l/s (HGK, 2002).
Die Versorgung der Region mit Trinkwasser erfolgt über zahlreiche Albwasser-Versorgungsgruppen. Daneben wird Karstgrundwasser aus der Schwäbischen Alb über Fernleitungen des Zweckverbandes Landeswasserversorgung (LW) auch in wasserarme Gebiete im Albvorland und in Nordwürttemberg geliefert. Die drei großen Fassungsanlagen der LW fördern auf der Ostalb direktes oder indirektes Karstgrundwasser.
Bekanntestes Beispiel für die Gewinnung von indirektem Karstgrundwasser ist das Donauried. Dort steht das Grundwasser aus dem Karstaquifer mit dem Grundwasser im Kiesaquifer der quartären Talfüllung in hydraulischem Kontakt bzw. tritt in diesen über. Die Grundwassergewinnung im Donauried erfolgt aus 204 Brunnen und 6 Fassungsanlagen, aus denen maximal 2500 l/s Grundwasser entnommen werden können. Aus der Buchbrunnenquelle der LW (mittlere Schüttung von 914 l/s) können je nach Wasserführung der Egau bis 800 l/s entnommen werden. Aus den drei Brunnen des Wasserwerks Burgberg (Hürbetal) der LW können bis zu 500 l/s Karstgrundwasser gefördert werden (Zweckverband Landeswasserversorgung; Link s. u.).
Neben ihrer Funktion als wasserwirtschaftlich bedeutender Festgesteinsgrundwasserleiter sind die Kalksteine im Oberjura – gemeinsam mit den Kalksteinen aus dem Oberen und Unteren Muschelkalk und den quartären sandigen Kiesen – eine der mengenmäßig wichtigen Gruppen der Steine und Erden-Rohstoffe. Hieraus können sich Zielkonflikte hinsichtlich der langfristigen Sicherung abbauwürdiger Rohstoffe einerseits und dem Schutz genutzter und nutzbarer Grundwasservorkommen andererseits ergeben.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (2008). Verweilzeiten des Grundwassers in oberflächennahen Grundwasserleitern in Baden-Württemberg. – LGRB-Fachbericht, 01/08, S. 1–31, Freiburg i. Br. (Regierungspräsidium Freiburg – Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (1986). Das Strömungssystem der Grundwässer im Malm-Karst des West-Teils des süddeutschen Molassebeckens. – Abhandlungen des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, 12, S. 1–271, 8 Anl.
- (2002). Tiefe Aquifersysteme im südwestdeutschen Molassebecken – Eine umfassende hydrogeologische Analyse als Grundlage eines zukünftigen Quantitäts- und Qualitätsmanagements. – Abhandlungen LGRB, 15, S. 75–90.
- (1993). Interpretation of hydrochemical and hydroisotopical measurements on paleogroundwaters in Oberschwaben, South German Alpine foreland, with focus on Quaternary geology. . Isotope techniques in the study of past and current environmental changes in the hydrosphere and the atmosphere – Proceedings of a Symposium, Vienna 1993, S. 337–357, Vienna (Austria) (IAEA - International Atomic Energy Agency). [IAEA-SM-329/63]
- (2003a). Mittlere Alb – Mappe 1. Hydrologische Grundkarte. – Hydrogeologische Erkundung Baden-Württemberg, 85 S., 1 Karte, 1 CD-ROM, Ulm (Gewässerdirektion Donau/Bodensee Bereich Ulm).
- (2004a). Mittlere Alb – Mappe 2. Grundwasserdynamik, Grundwassergleichen. – Hydrogeologische Erkundung Baden-Württemberg, 68 S., 2 Karten, 1 CD-ROM, Ulm (Gewässerdirektion Donau/Bodensee Bereich Ulm; Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg; Büro für Hydrogeologie E. Funk, Staufen i. Br.).
- (2009). Mittlere Alb – Mappe 3. Hydrogeologischer Bau, Grundwasserhaushalt. – Hydrogeologische Erkundung Baden-Württemberg, 23 S., 4 Kt., 1 CD-ROM, Tübingen (Regierungspräsidium Tübingen; Regierungspräsidium Freiburg – Abteilung 9 Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau; Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg).
- (2010). Mittlere Alb – Mappe 4. Markierungsversuche, Abwassereinleitungen. – Hydrogeologische Erkundung Baden-Württemberg, 71 S., 2 Karten, 1 CD-ROM, Tübingen (Regierungspräsidium Tübingen; Regierungspräsidium Freiburg – Abteilung 9 Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau; Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg).
- (2002). Ostalb. – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 131 S., 10 Karten, 1 CD-ROM, Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg).
- (1995). Ermittlung der Dispersion und anderer geohydraulischer Parameter aus Markierungsversuchen in Karst und Kluftgrundwasserleitern Baden-Württembergs. – Diss. TH Darmstadt, 153 S., Darmstadt.
- (1997a). Geohydraulische Parameter aus Markierungsversuchen in mesozoischen Grundwasserleitern Baden-Württembergs. – Jahreshefte des Geologischen Landesamts Baden-Württemberg, 37, S. 157–182.
- (2001a). Atlas des Grundwasserzustandes in Baden-Württemberg. 124 S., Karlsruhe (Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg).
- (2009a). Natürliche geogene Grundwasserbeschaffenheit in den hydrogeologischen Einheiten von Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 23, S. 1–192.
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- (1990). Untersuchungen zur Diagenese von Malm-Karbonatgesteinen und Entwicklung des Malm-Grundwassers im süddeutschen Molassebecken. – Diss. Univ. Stgt., 217 S., Stuttgart.
- (1992). Quantification and Forecasting of Regional Groundwater Flow and Transport in a Karst Aquifer (Gallusquelle, Malm, SW Germany). – Tübinger Geowissenschaftliche Arbeiten, Reihe C, 13, S. 1–150.
- (1997). Hydraulisches Potential und Durchlässigkeit des höheren Oberjuras und des Oberen Muschelkalks unter dem baden-württembergischen Molassebecken. – Jahreshefte des Geologischen Landesamts Baden-Württemberg, 37, S. 77–96.
- (1972). Seichter Karst und Tiefer Karst in der Schwäbischen Alb. – Geologisches Jahrbuch, Reihe C, 2, S. 153–188.