Ereignis
Nach Starkniederschlägen im Zuge des Sturmtiefs „Burglind“ kam es abends sowie in der Nacht von Donnerstag auf Freitag (04.–05. Januar 2018) im Südschwarzwald zu einem Hochwasserereignis. Nach örtlicher Auskunft gingen in St. Blasien innerhalb von 24 Stunden lokal bis zu 127 mm, bzw. in drei Tagen lokal bis zu 187 mm Niederschlag nieder. Die nächstgelegenen Messstationen des Deutschen Wetterdienstes (Messstation Feldberg, Messstation Todtmoos, Messstation Lenzkirch) erfassten für den 04.01.2018 zwischen 59 mm und 82 mm Niederschlag, bzw. für einen dreitägigen Zeitraum zwischen 69 mm und 125 mm Niederschlag. Verstärkt wurde die Hochwassersituation durch abschmelzende Schneemassen. Am nordöstlichen Rand des St. Blasiener Ortsteiles Menzenschwand-Hinterdorf (Lkr. Waldshut) verwandelte sich der ansonsten unscheinbare Obere Großbach in ein reißendes Fließgewässer. Zusätzlich verschärfte sich die Hochwassersituation durch eine Hangmure, die sich auf rund 1000 m ü. NHN im Einzugsgebiet des Oberen Großbachs löste. Auf einer Fläche von ca. 20 m x 20 m und einer Tiefe von ca. 1,5 m wurde insgesamt 600 m3 stark aufgeweichtes Lockergestein mobilisiert, welches in den Bach gelangte und bis zu mehrere Meter über der Bachsohle an der gegenüberliegenden Böschung anbrandete. Als Murgang ergossen sich sodann größere Mengen an Holz, Geröll und Feinsedimenten ins Tal. Rückstände des mobilisierten Lockergesteins konnten bei Tageslicht am 05.01.2018 beidseitig des Fließgewässers beobachtet werden, wodurch sich ein maximaler Abflussquerschnitt von fast 11 m2 ermitteln ließ.
Am nordöstlichen Rand der bebauten Ortslage des Ortsteils Menzenschwand-Hinterdorf quert der Schwarzenbachweg mit einer kleinen Brücke (lichte Höhe ca. 0,8 m) den Bach. Das mitgeführte Geschiebematerial, insbesondere ein Wurzelstock, verstopfte den Brückendurchlass, wodurch sich das Wasser zurückstaute und sich Fließpfade durch die bebaute Ortslage von Menzenschwand-Hinterdorf suchte.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag (04.–05. Januar 2018) lagen noch keine genaueren Kenntnisse zur Gefährdungslage vor, insbesondere zu potentiellen Hanginstabilitäten im Einzugsgebiet des Oberen Großbachs. Angesichts der akuten Hochwassersituation sowie der vorhandenen Hangrutschungs- bzw. Murganggefährdung konnte nicht ausgeschlossen werden, dass dabei Personen zu Schaden kommen könnten. Folgerichtig hat die Einsatzleitung noch in der Nacht ca. 120 Personen des Ortsteils Menzenschwand-Hinterdorf evakuiert.
Am Freitag, kurz nach Mitternacht, kontaktierte der zuständige Katastrophenschutz das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB), um die erforderlichen Sofortmaßnahmen ingenieurgeologisch zu beraten. Kurz nach Tagesanbruch konnten sich der Einsatzstab sowie ein Mitarbeiter des LGRB mithilfe einer Hubschrauberbefliegung durch die Polizeihubschrauberstaffel Baden-Württemberg und eingehenden Ortsbegehungen einen Überblick über die tatsächliche Gefährdungssituation verschaffen. Die Evakuierung konnte am Morgen des 05.01.2018 nach Klärung der Sachlage wieder aufgehoben werden.
Geologische Gegebenheiten und Ausgangssituation
Das oberirdische, ca. 1,1 km2 große Einzugsgebiet des Oberen Großbachs erstreckt sich ostnordöstlich der bebauten Ortslage von Menzenschwand-Hinterdorf. Es umfasst einen trichterförmigen Grundriss zwischen den Gipfeln „Klingelefelsen“, „Kapellenkopf“ und „Silberfelsen“ und erstreckt sich auf einer Höhe von rund 900–1270 m ü. NHN.
Die natürlichen Hänge des Einzugsgebiets sind größtenteils nach Nordwesten, Westen bis Südwesten exponiert. Die Generalneigung dieser Hänge beträgt zumeist etwa 20–30°. Die Hangbereiche versteilen sich unmittelbar zum Gewässerrand des Oberen Großbachs lokal bis auf 50° Neigung. Nahe den oberen Rändern des Bacheinzugsgebiets flachen sich die Hänge zum Teil sehr stark ab.
Das Einzugsgebiet des Oberen Großbachs wird zumeist forstwirtschaftlich genutzt. Daneben sind kleine Waldlichtungen und Wiesen vorhanden.
Im Bacheinzugsgebiet steht kristallines Grundgebirge, in erster Linie Gesteine des Bärhalde-Granits an (Formation als Teil der Granitplutone im Südschwarzwald). Als Ganggesteine sind darin Granitporphyre (Heller Gangmagmatit) während der variskischen Orogenese eingedrungen. Zumeist sind die Gesteine des kristallinen Grundgebirges von einer größtenteils wenige Dezimeter, in Hangmulden und Klingen auch wenige Meter mächtigen Schicht aus Hangschutt bzw. Verwitterungs-/Umlagerungsbildung überdeckt. Dabei handelt es sich um schluffig/sandiges Material („Grus“) mit in aller Regel Zentimeter bis Dezimeter großen Festgesteinskomponenten. Gelegentlich lassen sich im Hanggelände Aufschlüsse mit anstehendem Festgestein beobachten. Nach Ortsbefund sind in der Gewässersohle zwischen dem ehemaligen Wehr und dem Schwarzenbachweg immer wieder Festgesteinsausstriche („Wasserfall“) zu beobachten, welche eine weitere Tiefenerosion limitieren. Ansonsten sind im Gerinne des Oberen Großbachs Grobkomponenten mit meist 10–40 Zentimeter, im Maximum bis einem Meter Kantenlänge enthalten.
Talwärts quert auf etwa 900 m ü. NHN am Hangfuß der Schwarzenbachweg mit einer kleinen Brücke den Oberen Großbach. Ab hier entfernt sich der Bachlauf von der bebauten Ortslage in nordwestlicher Richtung und mündet schließlich in der Talebene in die Menzenschwander Alb.
Die vom Hochwasserereignis betroffenen Häuser in Menzenschwand-Hinterdorf wurden am Hangfuß auf dem natürlichen, flachen Schuttfächer (Schwemmkegel) an der Mündung des Oberen Großbachs in das Tal der Menzenschwander Alb errichtet. Im Tal der Menzenschwander Alb stehen Jüngere Schwarzwald-Glazialsedimente als Ablagerungen des Feldberg-Gletschers an. Zusätzlich sind in der Talebene holozäne Ablagerungen aus Auensand und Niedermoortorfe entstanden.
Schäden
Auf etwa 950 m ü. NHN quert ein Wirtschaftsweg mit einer kleinen Brücke den Bach. Diese Überfahrt wurde durch den Murgang stark beschädigt bis zerstört. Wenig unterhalb der Wirtschaftswegüberfahrt zeigt sich in der Böschungskrone der nördlichen Uferböschung (etwa 947 m ü. NHN) ein Hanganbruch auf ca. 5 m Länge. 20 Höhenmeter unterhalb der Wirtschaftswegüberfahrt befindet sich auf etwa 930 m ü. NHN ein inzwischen baufälliges Wehr, welches ursprünglich als Ausleitungsbauwerk für eine Triebwasser-Fallrohrleitung zur einer ehemaligen Steinschleiferei diente. Sowohl das Wehr als auch der seitliche Durchfluss des Oberen Großbachs wurden durch das Schadensereignis stark beschädigt.
Als größtes Abflusshindernis für das ablaufende Hochwasser erwies sich das zu geringe Durchlassprofil der kleinen Brücke am Schwarzenbachweg. Dieser Durchlass (lichte Höhe bis 0,8 m) wurde durch Totholz sowie durch mitgeführte Steine alsbald verstopft (Verklausung). Auf seinem Weg durch die Bebauung hat das Hochwasser neben seiner Fracht aus Geröll und Schluff/Sand-Gemisch auch charakteristische Erosionsschäden entlang der entstandenen Fließpfade hervorgerufen. Insbesondere der Schwarzenbachweg wurde dabei sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Nach örtlicher Auskunft wurden auf Grund des Schadensereignisses ca. 300 m3 Geröll- und Lockergesteinsmaterial aus der bebauten Ortslage abgefahren.
Anhand der Luftbildaufnahmen konnten die Haupt- und Nebenfließpfade durch die Bebauung nachgezeichnet werden. Diese Fließpfade umschreiben letztlich den Bereich des natürlichen Schwemmkegels am Ausgang der Oberen Großbachklinge. Abseits der bebauten Ortslage wurden noch zwei weitere Hangmuren nördlich des Oberen Großbachs sowie westlich der Menzenschwander Alb gesichtet. Nachdem es sich dabei nur um sehr flachgründige Massenbewegungen abseits von Infrastruktur und Bebauung handelt, wurden diese jedoch nicht weiter untersucht.
Sofortmaßnahmen
Als unmittelbar vorrangig von den Einsatzkräften erkannt wurde die umgehende Freilegung der durch Holzreste und Geröllmassen verstopften Brückenüberfahrt am Schwarzenbachweg. Diese Arbeiten konnten bereits am Morgen des 05.01.2018 erfolgreich abgeschlossen werden, so dass wieder ein ungehinderter Abfluss zur Menzenschwander Alb hergestellt war. Als weitere Sofortmaßnahme wurde ein Wall entlang des Bachufers auf Grundstück Nr. 8 geschüttet, um ein weiteres Abfließen des Oberen Großbachs durch die bebaute Ortslage zu unterbinden.
Empfehlungen
Nachdem diese Schwachstelle auch in künftigen Hochwasserfällen zu vergleichbaren Problemen führen kann, empfahl das LGRB die niedrige Brücke zu beseitigen und stattdessen an dieser Stelle im Schwarzenbachweg eine für den geordneten Gewässerabfluss ausreichende Furt herzustellen. Der bereits geschüttete Wall sollte erhöht und bis zu der Furt angrenzend verlängert werden. Auch an dem gegenüber liegenden Grundstück Gebäude Nr. 5 sollte ein Wall errichtet werden, um dem Bach im Hochwasserfall eine klare Abflussrichtung vorzugeben. Am jeweiligen Wallende beidseitig des Schwarzenbachwegs sollte jeweils ein Beton-Begrenzungspfeiler einbinden, in dem U-Träger als Nut für Hochwasserdielen eingelassen werden. Im Hochwasserfall kann man so die Furt an der Südseite schließen und damit verhindern, dass es zu einem erneuten Ausbrechen des Oberen Großbachs in die bebaute Ortslage kommt.
Zur besseren Energieumwandlung im Gewässerabschnitt vor der Furt war zu prüfen, inwieweit in der Strecke zwischen Wasserfall und Furt Felsblöcke versetzt werden können, die mittels GEWI-Stäben ortsfest in kompaktem Mutterfels fixiert werden sollten.
Ferner wurde empfohlen, den beschädigten Wehrbereich vollständig zu beräumen und durch den Aufbau einer Geröllfangsperre in Form eines dynamischen Murgangnetzes zu ersetzen. Dadurch ließe sich ein Auffangraum für allfälliges Geröllmaterial realisieren. Zur Herstellung und weiteren Unterhaltung der Geröllfangsperre muss eine eigene Zuwegung in Erweiterung des vorhandenen Forstweges geschaffen werden.
Die durch das Hochwasserereignis beschädigte Wirtschaftswegbrücke auf etwa 950 m ü. NHN sollte ebenfalls beseitigt und stattdessen eine Furt angelegt werden.
Außerdem wurde empfohlen, sämtliches Totholz aus der Bachklinge zu entfernen. Zur Stabilisierung der Uferbereiche sollte eine Bestockung in Abstimmung mit der Forstverwaltung realisiert werden.
Weiterführende Maßnahmen
Nach Auskunft der Stadt St. Blasien wurde zwischenzeitlich die bestehende Brücke des Schwarzenbachweges durch eine Furt ersetzt und der Fließweg oberhalb des Schwarzenbachweges begradigt und um wenige Meter nach Norden verlegt, um zukünftig Hochwasser schadlos durchleiten zu können. In der Furt wurde eine Niederwasserrinne zur Gewährleistung der ökologischen Durchgängigkeit erstellt.
Das sanierungsbedürftige Wehr auf etwa 930 m ü. NHN wurde abgebrochen. Das durch Lockergestein verfüllte Staubecken wurde ausgebaggert. Zum Rückhalten zukünftigen Geschiebematerials wurde ein dynamisches Murgangnetz installiert. Anfang Februar 2020 ereignete sich das erste Starkregenereignis nach dem Murgang vom Januar 2018. Die umgesetzten Maßnahmen haben sich bewährt. Schäden an der bebauten Ortslage sind nicht entstanden.
Nachfolgend sind die wichtigsten Merkmale des Murgangs bei Menzenschwand-Hinterdorf tabellarisch aufgelistet:
Stammdaten:
Objekt-ID |
8114_Fl00001 |
Objektname |
Murgang Menzenschwand-Hinterdorf |
Lokalität |
Oberer Großbach, bei Menzenschwand-Hinterdorf |
Gemeinde |
St. Blasien |
Stadt-/Landkreis |
Waldshut |
TK25-Nr. |
8114 |
TK25-Name |
Feldberg (Schwarzwald) |
Datengrundlage |
GK50, Geländebegehung, DGM, Luftbild |
Lage-Bezugspunkt |
Höchster Punkt des Abrissbereiches |
Ostwert |
Ostwert des Lage-Bezugspunktes |
Nordwert |
Nordwert des Lage-Bezugspunktes |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
1003 |
Höhenermittlung |
Karte |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
04.–05.01.2018 |
Geländenutzung während der Entstehung |
Wald, Grünland, Wohngebiet, Feldweg, Forststraße, Gemeindeweg, Stromleitung, Wasserleitung, Abwasserleitung |
Schäden |
Straßenschäden, Gebäudeschäden, Schäden an beweglichen Gütern, Schäden an fließenden Gewässern |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Primärereignis |
||
Prozess der Hauptbewegung |
Fließprozess: Murgang |
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Max. Länge [m] |
900 |
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Max. Breite [m] |
Abrissbereich |
20 |
|
15 |
|||
Ablagerungsbereich |
Ca. 400 |
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Betroffene Fläche [m2] |
Ca. 30 000 |
||
Max. Mächtig-keit [m] |
Abrissbereich |
1,5 |
|
Transportbereich |
2 |
||
Ablagerungsbereich |
0,5 |
||
Fläche des Abrissbereiches [m2] |
400 |
||
Kubatur der Abrissmasse [m3] |
600 |
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Höchster Punkt des Abrissbereiches [m ü. NHN] |
1003 |
||
Höchster Punkt des Ablagerungsbereiches [m ü. NHN] |
995 |
||
Max. Höhenunterschied zwischen Abrissbereich und Top des Ablagerungsbereiches [m] |
8 |
||
Tiefster Punkt des Ablagerungsbereiches [m ü. NHN] |
880 |
||
Max. Höhenunterschied (H) zwischen höchstem Punkt des Abrissbereiches und tiefstem Punkt des Ablagerungsbereiches [m] |
123 |
||
Exposition zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
215 |
||
Durchschnittliche Hangneigung zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
8 |
||
Hang-neigung [°] |
Abrissbereich |
25–30 |
|
Transportbereich |
10–20 |
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Ablagerungsbereich |
3–8 |
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Ursache |
geogen |
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Auslöser |
geogen |
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Geologie |
|||
Bärhalde-Granit (GBA) |
Granit |
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Sicherungsmaßnahmen |
Murgangsperre (Netz), Begradigung des Bachs im Bereich der bebauten Ortslage, Ersetzen der Brücke durch Furt |
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Sonstige Anmerkungen |
Hangmure als Auslöser, Verklausung Brückenbauwerk, Hanganbrüche |