Hergang des Ereignisses
Am frühen Morgen des 05.05.2002 ereignete sich am Ostrand der Gemeinde Ammerbuch-Breitenholz unmittelbar hinter einem Wohngebäude in der Steilwand eines ehemaligen Steinbruchs ein Felssturz, bei dem sich ≥ 100 m3 Felsmaterial der Grabfeld-Formation (Mittelkeuper) abgelöst haben. Dem Schadensereignis ist nach Angabe des Ortsbaumeisters bereits am 24.04.2002 der Ausbruch einer Wandschale im selben Bereich vorausgegangen, unmittelbar nachdem Schuttmassen am Wandfuß der Steilwand durch Gemeindearbeiter entfernt worden waren.
Etwa drei Viertel der Sturzmasse wurde von einer 1991 hinter dem Wohngebäude errichteten Gabionenmauer aufgefangen. Die übrige Sturzmasse ist über den verfüllten Auffangraum hinweg gerutscht und kam hinter einem Brennholzstapel zur Ruhe. Das Wohngebäude wurde durch den Felssturz nicht beschädigt, ein Personenschaden entstand glücklicherweise nicht.
Geländebeobachtungen
In der ehemaligen, bis zu ca. 15 m hohen Steinbruchwand ist an (Entspannungs-) Klüften und Schichtfugen stark aufgelockertes, brüchiges Ton- und Gipsgestein des Mittleren Gipshorizonts der Grabfeld-Formation aufgeschlossen. Die Qualität des in der Felswand aufgeschlossenen Gesteins ist denkbar schlecht. Der Felsausbruch erfolgte entlang einer wandparallelen, nahezu senkrechten und weit durchhaltenden Trennfläche vermutlich infolge von Kluftwasserdruck nach länger anhaltenden Niederschlägen. Zur Erkundung auf etwaige weitere, wandparallele Spalten im Fels wurden drei horizontale Probebohrungen durchgeführt. Aufgrund der Befunde musste davon ausgegangen werden, dass in der Steilwand etwa 3,2–3,7 m hinter der aktuellen Ausbruchstelle noch eine weitere, mächtige Wandscheibe entlang einer weit durchhaltenden wandparallelen Spalte abgetrennt ist.
Empfohlene Beräumungs- und Sicherungsmaßnahmen
Im Zuge der Sofortmaßnahmen erfolgte nach der Evakuierung zunächst eine umgehende Sicherung des Wohngebäudes durch einen umfangreichen, bis zum Dachtrauf reichenden Strohballenverbau. Anschließend wurden die Sturzmassen sukzessive entfernt sowie am Nord- und Südrand der Ausbruchstelle Reste der nach dem Felssturz verbliebenen Wandschale abgetragen.
Der zur Verfügung stehende Abstand des Wohngebäudes zur Steilwand war zu gering, um einen ausreichenden Auffangraum für weitere großvolumige Sturzmassen herstellen zu können. Auf Grund der ungünstigen Felsqualität mussten oberflächennahe Sicherungen (z. B. Systemvernagelungen) ausscheiden. Auch konstruktive Sicherungen (z. B. verankerte Stützwand) hätten Kosten verursacht, die den Wert des Wohngebäudes bei weitem überstiegen hätten.
Zum Schutz gegen rückschreitende Erosion sowie gegen den Absturz einer weiteren großvolumigen Felsscheibe durch Kippen wurde empfohlen, einen Stützkeil aus Kalkschroppenmaterial anzuschütten, der die unteren zwei Drittel der bisherigen freien Wandhöhe (gemessen ab Hauseingang) abstützt. Der Stützkeil wird talseitig von einer statisch bemessenen 2 m hohen Gabionenmauer gesichert. Da nach der Ausbildung des Stützkeils kein Auffangraum mehr vorhanden war, wurde der obere, freie Wandabschnitt mit einem hochscherfesten Stahldrahtgeflecht dauerhaft gesichert. Die Befestigung des Stahldrahtgeflechts erfolge mittels mit Spiralseilanker rückverankerter Tragseile und einer Systemvernagelung des Stahldrahtgeflechts nach Angabe des Systemherstellers. Die Standsicherheit des Stützkeils für tiefliegende Gleitflächen (mit Fußpunkt unterhalb und oberhalb der Gabionenmauer wurde nachgewiesen und empfohlen, den Stützkeil an ausgewählten Objektpunkten in jährlichem Abstand auf etwaige Verformungen geodätisch zu überwachen.
Nachfolgend sind die wichtigsten Punkte des Felssturzes in Ammerbuch-Breitenholz tabellarisch aufgelistet:
Stammdaten:
Objekt-ID |
7419_St00001 |
Objektname |
Felssturz Breitenholz |
Lokalität |
Breitenholz |
Gemeinde |
Ammerbuch-Breitenholz |
Stadt-/Landkreis |
Tübingen |
TK25-Nr. |
7419 |
TK25-Name |
Herrenberg |
Datengrundlage |
|
Lage-Bezugspunkt |
Höchster Punkt der Abbruchkante |
Ostwert |
497212 |
Nordwert |
5379852 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
430 |
Höhenermittlung |
Karte, DGM |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
2002 |
Geländenutzung während der Entstehung |
Ehem. Steinbruch |
Schäden |
Geländeschaden |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Prozess der Hauptbewegung |
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Max. Reichweite [m] |
15 |
|
Max. Breite [m] |
10 |
|
Schattenwinkel [°] |
ca. 28 |
|
Geometrisches Gefälle (Fahrböschungswinkel) [°] |
80 |
|
Kubatur der Sturzmasse [m3] |
≥ 100 |
|
Höchster Punkt der Abbruchkante [m ü. NHN] |
430 |
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Höchster Punkt des Ablagerungsbereichs [m ü. NHN] |
424 |
|
Tiefster Punkt des Ablagerungsbereichs [m ü. NHN] |
413 |
|
Max. Höhenunterschied (H) zwischen dem höchsten Punkt der Abbruchkante und dem tiefsten Punkt des Ablagerungsbereichs [m] |
17 |
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Exposition zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
270 |
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Hangneigung im Abbruchbereich [°] |
80 |
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Ursache |
geogen |
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Auslöser |
geogen/natürlich |
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Geologie |
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Grabfeld-Formation (kmGr) |
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Gefahrenbeurteilung |
geringe Gefahr |
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Überwachungsmaßnahmen |
nein |
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Sicherungsmaßnahmen |
Gabionenmauer, Stützkeil, Steinschlagschutznetz |
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Sonstige Anmerkungen |
provisorischer Schutz durch Strohballenverbau |