Geologie
Als „Fluvioglaziale Kiese und Sande im Alpenvorland“ werden Kiese und Sande im Einflussbereich der Alpengletscher und ihres unmittelbaren Vorlandes zusammengefasst, die unter glazialen oder fluvioglazialen Bedingungen im Pleistozän abgelagert wurden. Es handelt sich um zahlreiche, häufig durch Molasse bzw. Becken‑ oder Moränensedimente getrennte Einzelvorkommen. Zu den Fluvioglazialen Kiesen und Sanden im Alpenvorland zählen folgende Vorkommen:
- Eiszeitliche Schotter im Alpenvorland
- Kiesfüllung der alten Donaurinnen im Norden
- Kiesfüllung des Donautals einschließlich des Langenauer Donaurieds
- überwiegend pleistozäne Kiesfüllung der Klettgaurinne.
Die Fluvioglazialen Kiese und Sande bestehen überwiegend aus gut sortierten sandigen Kiesen mit wechselndem Feinsand‑ und Schluffgehalt (Schluffanteil etwa zwischen 5 und 25 %). Feinsand und Schluff kommen vereinzelt auch in Lagen und Linsen vor. Das Material ist überwiegend alpiner Herkunft mit viel dunklem Kalkstein, Kieselgestein und kristallinen Komponenten. Die Kieskörper sind z. T. durch Diamiktlagen, fossile Böden oder Beckensedimente gegliedert. Im Übergangsbereich zwischen den Kiesen und dem unterlagernden Gestein ist in der Regel ein wenige Meter mächtiger Aufarbeitungshorizont aus lokalem Material entwickelt. Besonders in jungen Talauen kann auch organisches Material in den Kiesen angereichert sein.
Die Fluvioglazialen Kiese und Sande wurden abgelagert
- als Sedimente in den Tälern der Schmelzwasserflüsse (eiszeitliche Schotter). Sie bilden Terrassenablagerungen (Hoch‑, Niederterrasse) in Flusstälern (z. B. Ablachtal, Andelsbachtal, Ostrachtal) und in verlassenen Talzügen ehemaliger pleistozäner Flüsse.
- in Eiszerfallslandschaften. Dies sind Gebiete hinter der ehemaligen Jungendmoräne, in denen sich beim Gletscherabbau durch das abschmelzende Eis subglazial Sedimentakkumulationen bildeten. Die Ablagerungen sind durch eine große horizontale und vertikale Heterogenität gekennzeichnet. Neben Beckensedimenten und Diamikten wurden auch kleinere, unregelmäßig begrenzte Kieskörper abgelagert, die durch bindige Sedimente wiederum vielfältig gegliedert sein können.
- in Beckenstrukturen, die insbesondere im Bodenseeraum verbreitet sind (z. B. Isnyer Becken, Singener Becken).
An der Basis der Kiese und Sande folgen in Oberschwaben die Molasse, ältere Diamikte oder Beckensedimente bzw. im nördlichen Randbereich des Molassebeckens bereichsweise auch der Oberjura (u. a. Langenauer Donauried und Hegau). In der Klettgaurinne stehen an der Kiesbasis mesozoische Gesteine an.
Die Kiese können stellenweise von diamiktischen Sedimenten, lokal auch von Seesedimenten überlagert werden (überdeckte Rinnen). Größere von Moränen überdeckte Kiesvorkommen mit eingeschalteten Diamikten und Beckensedimenten finden sich z. B. im Althauser Becken, in der so genannten Waldseerinne, in der Kanzachrinne bei Dürmentingen/Dürnau oder im Isnyer Becken.
In Talniederungen können über den Kiesen und Sanden wenige Meter mächtige, z. T. humose Auenlehme verbreitet sein. Bei hohen Grundwasserständen – beispielsweise im oberen Rißtal und im Langenauer Donauried – haben sich ausgedehnte Niedermoor-Torfe gebildet.
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Hydrogeologische Charakteristik
Die Fluvioglazialen Kiese und Sande im Alpenvorland bilden Porengrundwasserleiter, die durch Grundwassergeringleiter hydraulisch getrennt und vertikal in Stockwerke gegliedert sein können. Die in Rinnenstrukturen abgelagerten Sedimente sind bei nicht zu großem Feinkornanteil hoch bis mittel durchlässig. Die Ergiebigkeit der Grundwasservorkommen kann hoch sein.
Steht an der Basis Oberjura oder Oberer Muschelkalk an, sind die Porengrundwasserleiter mit dem unterlagernden Kluft‑/Karstgrundwasserleiter hydraulisch verbunden. Liegen grundwasserführende Fluvioglaziale Kiese und Sande direkt an der Geländeoberfläche oder sind sie nur von gering mächtigen holozänen Deckschichten überlagert, ist die Grundwasseroberfläche häufig frei (z. B. Leutkircher Heide, Ablachtal, Argental). Werden ältere Schotterkörper z. B. in tiefen Becken von geringer durchlässigen Sedimenten überlagert, kann das Grundwasser in den Kiesen und Sanden gespannt bis artesisch gespannt sein. Dies ist z. B. im Isnyer Becken der Fall (HGK, 2010).
Die Kiesvorkommen in den Eiszerfallslandschaften bilden kleinräumige und aufgrund der schnell wechselnden geologischen Verhältnisse schwer zu erkundende, heterogen aufgebaute Grundwasserleiter.
Hydraulische Eigenschaften
Für die Fluvioglazialen Kiese und Sande im Alpenvorland beträgt der (geometrische) Mittelwert der Durchlässigkeit 1,3 · 10‑3 m/s (bei n = 217) und der Transmissivität 9,5 · 10‑3 m2/s (bei n = 303). Die Variationsweite dieser Werte ist größer als die der quartären Kiese und Sande im Oberrheingraben. Dies dürfte vor allem auf die z. T. höheren Anteile von Feinsediment mit Übergängen zu komponentengestützten Diamikten zurückzuführen sein (Armbruster et al., 2002).
In der vertikalen Abfolge wechseln vielfach Lagen hoher und geringerer Durchlässigkeit einander ab. Bevorzugte Wasserwegsamkeiten bilden Rollkieslagen mit guter Sortierung und nur geringen Anteilen an Feinsedimenten. Geringere Durchlässigkeiten treten in Horizonten mit höheren Gehalten an Sand und Schluff sowie im Bereich von Nagelfluhbildungen auf.
Für die Beurteilung des effektiven Porenvolumens in den Fluvioglazialen Kiesen und Sanden gibt es bisher nur vergleichsweise wenige Angaben. Die Werte schwanken etwa zwischen 10 und 15 %. Sie betragen in Einzelfällen auch über 20 %. Die wenigen Werte für die kinetische Porosität liegen meist etwas niedriger (etwa bei 7 bis 12 %) (Plum et al., 2008).
Markierungsversuche wurden im Rahmen verschiedener hydrogeologischer Kartierungen durchgeführt (HGK, 1982, 1989, 1992). Die maximalen Abstandsgeschwindigkeiten reichen bis 252 m/d, die dominierenden Abstandsgeschwindigkeiten bis 60 m/d. Aus den Versuchen ergaben sich longitudinale Dispersionen zwischen 13 und 38 m2/h und longitudinale Dispersivitäten zwischen 13 und 73 m.
Ergebnisse von Markierungsversuchen in den fluvioglazialen Kiesen und Sanden im Alpenvorland
Grundwasserleiter |
Markierungsversuch |
vmax |
vCmax |
DL |
αL |
Leutkircher Heide/Aitrachtal |
Leutkirch-Unterzeil 1976 |
54 |
21 |
- |
- |
Herlatzhofen-Urlauer Tal 1986 |
252 |
60 |
- |
- |
|
Klettgaurinne |
TB 3 Klettgau 1998 |
144 |
24 |
13 |
13 |
Erolzheimer Feld/Illertal |
Tannheim 1972 |
113 |
21 |
35 |
30 |
Tannelesäcker 1972 |
96 |
16 |
13 |
15 |
|
Erolzheim II 1979/1980 |
94 |
32 |
30 |
46 |
|
Unteropfingen 1979/1980 |
100 |
24 |
38 |
73 |
vmax maximale Abstandsgeschwindigkeit
vCmax dominierende Abstandsgeschwindigkeit
DL longitudinale Dispersion
αL longitudinale Dispersivität
Hydrologie
Die Neubildung des oberflächennahen Grundwassers erfolgt in den an der Geländeoberfläche oder unter geringmächiger Überdeckung liegenden Kiesvorkommen durch
- Infiltration von Niederschlag
- Infiltration aus Oberflächengewässern (z. B. Donau, Iller, Riß, Argen)
- randliche Zuflüsse aus den angrenzenden Moränen- oder Festgesteinsgebieten.
Die flächenhafte Neubildungsrate aus Niederschlag beträgt im Verbreitungsgebiet der Fluvioglazialen Kiese und Sande ohne Bereiche, die von Moränensedimenten oder Beckensedimenten überdeckt sind, im langjährigen Mittel (Periode 1981 bis 2010) ca. 8,9 l/s · km2. Bezogen auf die Fläche von ca. 1 365 km2 ergibt sich langfristig ein Grundwasserdargebot aus der Infiltration von Niederschlag von ca. 12 100 l/s.
In den tiefen Grundwasserstockwerken erfolgt die Grundwasserneubildung insbesondere im Bereich hydraulischer Fenster durch Zusickerung aus den oberflächennahen Grundwasserleitern. Zum Teil trägt auch ein Randzufluss oder im südlichen Molassebecken ein Aufstieg von Grundwasser aus der Molasse zur Neubildung der tiefen Grundwasservorkommen bei.
Wurden eiszeitliche Rinnen auch während der Würmzeit durchflossen, bilden Hoch‑und Niederterrassenkiese häufig einen gemeinsamen zusammenhängenden Grundwasserleiter (z. B. Klettgaurinne, Rißtal, Argental) (HGK, 1992, 2010). In den würmzeitlichen Kiesen wirken die hydraulisch angeschlossenen Fließgewässer generell als Vorfluter. Im östlichen Teil der Klettgaurinne weichen die Verhältnisse davon ab. Dort infiltrieren die hoch über dem Grundwasserspiegel verlaufenden oberirdischen Gewässern in den Untergrund (HGK, 1992).
Schneidet die Erosion in den Rinnen das Grundwasser an, kommt es zu Quellaustritten (z. B. Vorkommen von Eichen/Alleshausen, Wolfental).
Am Nordrand des Molassebeckens (Langenauer Donauried, z. T. Donautal, alte Donaurinnen, Hegau) besteht ein hydraulischer Kontakt zwischen Oberjura und quartären Kiesgrundwasserleitern. Dort strömt Karstgrundwasser in die Porengrundwasserleiter und erhöht dadurch deren Grundwasserdargebot teilweise beträchtlich. Ein Abstrom von Porengrundwasser zurück in den Karstgrundwasserleiter wird in vielen Fällen (Langenauer Donauried, Hegau, z. T. Donautal) durch die Druckverhältnisse und die weiter südlich zwischen Quartär und Oberjura eingeschaltete Molasse eingeschränkt. Nur die alten Donaurinnen und stellenweise das Donautal werden von Karstgrundwasser durchströmt. In der Klettgaurinne fließt westlich der Wutacheinmündung Karstgrundwasser aus dem Oberen Muschelkalk zu.
Das Grundwasserdargebot bedeutender Grundwasservorkommen in den Fluvioglazialen Kiesen und Sanden im Alpenvorland erreicht bis zu 3,5 m3/s.
Grundwasserdargebot bedeutender Grundwasservorkommen in Fluvioglazialen Kiesen und Sanden im Alpenvorland (Plum et al., 2006)
Grundwasservorkommen |
Grundwasserdargebot [m3/s] |
Leutkircher Heide |
≈ 2,3 |
Erolzheimer Feld |
≈ 1,6 |
Oberes Risstal |
> 0,5 |
Argen-Aach-Rinne und Isnyer Becken |
≈ 1,2 |
Alte Donaurinne mit Ablachrinne |
≈ 0,7 |
Singener Kiesfeld |
= 0,5 |
Argendelta |
≈ 0,2 |
Illertal |
> 2,0 |
Klettgaurinne (ohne Zufluss aus der Schweiz) |
= 0,25 |
Langenauer Donauried |
≈ 3,5 |
Die Grundwasserstände schwanken in den kiesigen Grundwasserleitern in Oberschwaben im Jahresgang in der Größenordnung von einigen Dezimetern bis wenigen Metern. Eine abweichende Gangliniencharakteristik zeigt sich in vorflutnahen Grundwassermessstellen. Dort überprägen die größeren und kurzfristigen Wasserstandschwankungen der Vorfluter den jahreszeitlichen Grundwassergang. Größere Grundwasserstandsschwankungen bis über 10 m können in den Kiesvorkommen in unmittelbarem Kontakt zu unterlagenden Kluft‑ und Karstgrundwasserleitern vorkommen.
Im östlichen Teil der Klettgaurinne ergeben sich wegen der vorflutfernen Situation besondere Verhältnisse, wo ein ausgeprägter Jahresgang von rund 2 m Amplitude mehrjährige Schwankungen von über 10 m Amplitude überlagert (HGK, 1992).
Geogene Grundwasserbeschaffenheit
Aufgrund des großen Anteils an karbonatischen Geröllen in den Fluviatilen Kiesen und Sanden im Alpenvorland findet man als geogene hydrochemische Grundwassertypen nahezu ausschließlich hydrogenkarbonatisch-erdalkalische Süßwässer. Im nördlichen Teil der Klettgaurinne fließt sulfatreiches Grundwasser aus der Grabfeld-Formation aus dem Bereich des Rechberg-Hallau-Rückens zu. Dadurch bildet sich eine Sulfat-Fahne aus, die bis nach Lauchringen verfolgt werden kann. Dort überlagert sie sich mit sulfatreichen Zuflüssen aus dem Südschwarzwald, die aus dem Salinar des Mittleren Muschelkalks stammen (HGK, 1992).
Die mittleren Konzentrationen liegen für die überwiegend aus der Karbonatlösung stammenden Inhaltsstoffe Calcium bei 116 mg/l, Magnesium bei ca. 21 mg/l und Hydrogenkarbonat bei 378 mg/l. Nahezu ausschließlich über das Sickerwasser gelangen Natrium, Kalium, Chlorid und Sulfat in das Grundwasser. Die mittlere Konzentration der gesamten gelösten Stoffe beträgt 603 mg/l (Plum et al., 2009a).
Lokal erhöhte Gehalte an organischer Substanz im Gestein bewirken reduzierende Verhältnisse im Grundwasser, die mit erhöhten Eisen‑ und Mangankonzentrationen einhergehen.
Geschütztheit des Grundwassers
Die Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung ist für die Grundwasserkörper in den Kiesen und Sanden im Alpenvorland in starkem Maße vom Vorkommen schützender Deckschichten abhängig. Sie variiert deshalb stark. Die anstehenden Kiese können lehmige Kiesverwitterungsbildungen besitzen, deren Mächtigkeit für die eiszeitlichen Schotter der Dietmanns- und Illmensee-Formation etwa 2 bis 2,5 m und für die Schotter der Hasenweiler-Formation 1 bis 1,5 m beträgt. Insgesamt ist die Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung bei fehlender Überlagerung durch Deckschichten gering. Werden die Kiese von Moränen‑ oder Beckensedimenten überlagert, ist das Schutzpotenzial der Grundwasserüberdeckung je nach Mächtigkeit der Deckschichten mittel bis hoch.
Grundwassernutzung
Die Fluvioglazialen Kiese und Sande im Alpenvorland enthalten einige der bedeutendsten Grundwasservorkommen in den Lockergesteinen Baden-Württembergs. Sie werden zu Trink- und Brauchwasserzwecken intensiv genutzt (z. B. Leutkircher Heide, Aitrachtal, Klettgaurinne, Donauried).
Neben ihrer Funktion als wasserwirtschaftlich bedeutender Lockergesteinsgrundwasserleiter bilden die Fluvioglazialen Kiese und Sande im Alpenvorland eine der mengenmäßig wichtigen Gruppen der Steine und Erden-Rohstoffe (Kiese, sandig). Hieraus können sich Zielkonflikte hinsichtlich der langfristigen Sicherung abbauwürdiger Rohstoffe einerseits und dem Schutz genutzter und nutzbarer Grundwasservorkommen andererseits ergeben.
Literatur
- (2002). Hydrogeologische Einheiten in Baden-Württemberg. – LGRB-Bericht i. A. des UVM, S. 1–30, 5 Tab., 15 Kt., 11 Anl., Freiburg i. Br. [unveröff.]
- (1982). Oberschwaben – Erolzheimer Feld/Illertal. – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 100 S., 7 Karten, Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg).
- (1989). Leutkircher Heide und Aitrachtal. – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 122 S., 6 Karten, Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg).
- (1992). Klettgau. – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 93 S., 11 Karten, Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg; Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg; Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz Waldshut).
- (2010). Argen-Ach-Rinne und Isnyer Becken. – Hydrogeologische Karte Baden-Württemberg, 142 S., 17 Karten, 1 CD-ROM (Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, Baden-Württemberg; Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg; Regierungspräsidium Freiburg – Abteilung 9: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (2009a). Natürliche geogene Grundwasserbeschaffenheit in den hydrogeologischen Einheiten von Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 23, S. 1–192.
- (2008). Hydrogeologische Einheiten in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 20, S. 1–106.
- (2006). Hydrogeologische Grundlagen für eine Optimierung der Trinkwasserversorgung aus Grundwasser. – LGRB-Bericht i. A. des UVM, S. 1–26, 3 Abb., 5 Tab., 1 Kt., 10 Anl., Freiburg i. Br. [unveröff.]