Ereignis
Die Rutschung im Kirchsteigtobel bei Urbach am Abend des 07.04.2001 war ein spektakuläres, landschaftsprägendes Ereignis. Nach einem Augenzeugen bewegten sich die Erdmassen mit zunehmender Geschwindigkeit und dumpfem Grollen innerhalb von ca. 80 Minuten talwärts. Nebel, vermengt mit feinem Staub, gab nach einiger Zeit den Blick frei auf einen ca. 240 m langen und bis 17 m hohen bogenförmigen Abriss im klüftigen, stark nachbrüchigen Sandstein der Hassberge-Formation (Mittelkeuper). 200 m talwärts kamen breiartig ausfließende Massen ca. 80 Höhenmeter tiefer am Gegenhang zum Stillstand. In dem nach Südsüdwest exponierten Garten- und Obstbaumgelände wurden auf 3,2 Hektar insgesamt rund 100 Grundstücke von ca. 45 Grundstücksbesitzern beeinträchtigt und mehrere Geschirrhütten zerstört.
Geologische Gegebenheiten
Der wahrscheinliche Bewegungsablauf der 2001 erfolgten Rutschung im Kirchsteigtobel bei Urbach wird im Schnittbild (links) skizziert. Die Rutschungsmorphologie mit dem grabenartigen Bruch nahe der Abrisskante lässt auf einen tief liegenden Auslöser in den Tonsteinen der Steigerwald-Formation (Mittelkeuper) schließen. Die tonigen, verwitterungsempfindlichen Gesteine wurden durch Wasserzutritte aus den überlagernden, härteren und zeitweise Wasser führenden Sandsteinschichten der Hassberge-Formation entfestigt. Somit unterschritten die rückhaltenden Kräfte in einer schon früher angelegten und in einem Luftbild von 1968 angedeuteten Bruchfläche den kritischen Grenzwert. Vermutlich bauten sich zusätzlich Kluftwasserdrücke durch Grundwasserzufluss aus den geklüftenen Sandsteinen der Stuttgart-Formation (Mittelkeuper) auf, welche die Scherfestigkeit verminderten.
Innerhalb der tonigen Gesteine der Steigerwald-Formation ereignete sich ein etwa schichtparalleles Gleiten (Translationsrutschung). Daraufhin sank der darüber liegende, am Hang auskeilende Sandstein der Hassberge-Formation entlang einer tiefgreifenden, schaufelförmigen Gleitfläche grabenartig nach (Rotationsrutschung).
Dass gespanntes Wasser im mittleren Teil des Rutschgeländes am Bewegungsablauf beteiligt war, zeigte der rasche Übergang zu stark wassergesättigten Gesteinen in der unteren Hälfte der Translationsrutschung. Im östlichen Teil der Rutschung wurden dort von Gartenbesitzern auch früher schon Sickerwasseraustritte beobachtet.
Sanierung
Eine Sicherung und Sanierung des Geländes zur Wiederbewirtschaftung ohne große Gefährdung des arbeitenden Personals war am Kirchsteigtobel nicht möglich. Aus diesem Grund wurde im Rutschungsbereich ein unter Naturschutz stehendes Geotop ausgewiesen. Ständige Nachbrüche aus der Abrisswand und gefährliche Spalten im Rutschgelände rechtfertigen ein strenges Betretungsverbot. Derzeit findet man in Südwestdeutschland kein vergleichbares Naturereignis im dicht besiedelten Keuperbergland.
Nachfolgend sind die wichtigsten Punkte der Rutschung im Kirchsteigtobel bei Urbach tabellarisch aufgelistet:
Stammdaten:
Objekt-ID |
7123_Ru00001 |
Objektname |
Hangrutschung Kirchsteigtobel bei Urbach |
Lokalität |
Kirchsteigtobel, ca. 500 m nordöstlich von Urbach |
Gemeinde |
Urbach |
Stadt-/Landkreis |
Rems-Murr-Kreis |
TK25-Nr. |
7123 |
TK25-Name |
Schorndorf |
Datengrundlage |
|
Lage-Bezugspunkt |
Höchster Punkt der Abrisskante/Hangbewegung |
Ostwert |
542949 |
Nordwert |
5408616 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
391 |
Höhenermittlung |
Karte |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
07.04.2001 |
Aktivität |
Einstufung Aktivität unsicher |
Geländenutzung während der Entstehung |
Naturschutzgebiet |
Schäden |
Gebäudeschäden, Schäden an beweglichen Gütern, Straßen-/Wegeschäden |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Primär- ggf. Folgeereignis |
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Prozess der Hauptbewegung |
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Max. Länge [m] |
ca. 255 |
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Max. Breite [m] |
ca. 240 |
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Fläche der Hangbewegung [m²] |
ca. 38 000 |
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Max. Tiefe der Gleitfläche [m] |
unbekannt |
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Durchschn. Tiefe der Gleitfläche [m] |
unbekannt |
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Fläche der Rutschmasse [m²] |
ca. 35 000 |
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Kubatur der Rutschmasse [m³] |
unbekannt |
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Höchster Punkt der Abrisskante [m ü. NHN] |
390 |
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Höchster Punkt der Rutschmasse [m ü. NHN] |
375 |
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Max. Höhenunterschied zwischen Abrisskante und Rutschmassentop [m] |
ca. 17 |
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Tiefster Punkt der Rutschmasse [m ü. NHN] |
312 |
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Max. Höhenunterschied (H) zwischen höchstem und tiefstem Punkt der Rutschung [m] |
79 |
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Exposition [°] |
210 |
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Durchschnittliche Hangneigung zwischen Abrisskante und Rutschmassenfuß [°] |
20 |
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Hangneigung [°] |
Oben (zwischen Abrisskante und Rutschmassentop) |
70 |
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Mitte (oberer Teil der Rutschmasse) |
20–35 |
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Unten (unterer Teil der Rutschmasse) |
10–20 |
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Ursache |
geogen |
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Auslöser |
geogen |
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Geologie |
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Hassberge-Formation (kmHb) |
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Steigerwald-Formation (kmSw) |
Tonstein, (Dolomitstein, Gips, Anhydrit) |
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Gefahrenbeurteilung |
unbekannt |
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Überwachungsmaßnahmen |
unbekannt |
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Sicherungsmaßnahmen |
nein |
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Sonstige Anmerkungen |
Festgesteinsschollen, antithetische Rutschschollen, gespanntes Grundwasser, fossile Gleitflächen, Nackentäler, tiefe flach verlaufende Gleitflächen, Blockrutschung, Fließrutschung |
Literatur
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.