Übergeordnete Einheit
Känozoikum
Das Quartär ist die jüngste lithostratigraphische Hauptgruppe und umfasst Ablagerungen des Pleistozäns und des Holozäns inklusive der durch menschliche Handlungen veränderten oder neu gebildeten geologischen Einheiten.
Im deutschen Sprachgebrauch wird für das Quartär auch der Begriff „Eiszeitalter“ verwendet. Dies ist darin begründet, dass sich das Klima während des frühen Pleistozäns so stark abgekühlt hat, dass es mehrfach zu Eiszeiten kam. In Baden-Württemberg sind glaziale Sedimente gesichert ab dem Mittelpleistozän bekannt.
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Im Landesgebiet kommen quartäre Ablagerungen fast überall vor. Der Gesteinsuntergrund ist weitverbreitet von verwittertem Material bedeckt, das häufig durch Solifluktion oder Gravitation über eine gewisse Distanz verlagert wurde. In steilem Gelände kam es zu Hangrutschungen oder Bergstürzen. Der Periglazialraum Baden-Württembergs ist großflächig von Windablagerungen bedeckt, hauptsächlich von Löss, der kaltzeitlich vom Wind ausgeblasen wurde. Warmzeitlich kam es im Bereich der Karbonatgesteinsgebiete (Schwäbische Alb, Gäulandschaften) zur Fällung von Kalk aus Karstwässern mit der Bildung von Sinterterrassen und Kalktufffelsen. Fluvial und limnisch abgelagerte Klastika kommen landesweit in oft sehr großer Mächtigkeit vor. Die quartären Schüttungen aus den Vergletscherungsgebieten haben über den Rhein die gesamte Breite des Oberrheingrabens erfasst und planiert. Lokal sind ältere Flussablagerungen als Restvorkommen oberhalb der aktuellen Talsohle erhalten.
Von besonderer Bedeutung für das südliche Landesgebiet ist die eiszeitliche Überformung durch Gletscher und deren Schmelzwässer. Während der Schwarzwald mehr durch glaziale Erosion geprägt ist, dominieren in Oberschwaben Glazialsedimente. Die Spanne an morphologischen Elementen ist sehr breit. Sie reicht von tief erodierten Glazialbecken neben Hochflächen mit Drumlinfeldern über markante Eisrandlagen und vorgelagerte Kiesfelder bis zu Eiszerfallslandschaften mit Toteislöchern und Osern.
Neben den natürlich gebildeten Ablagerungen kommen im Holozän auch die Einheiten hinzu, die durch das Wirken des Menschen entstanden sind. Wir graben ab und schütten auf, wir bauen Rohstoffe ab und verlegen sogar Flussläufe und hinterlassen so unsere Spuren in der Landschaft.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Die quartären Lockergesteine Baden-Württembergs sind lithostratigraphisch in fünf Gruppen geliedert: Anthropogene Bildung, Verwitterungs-/Umlagerungsbildung, Quartäres Windsediment, Quartäre Süßwasserablagerung sowie Glazial geprägte Sedimente.
Bei den vielfältigen Quartärablagerungen des Landes handelt es sich ausnahmslos um terrigene Lockergesteine. Alle Transportmechanismen (äolisch, fluvial, glazial und gravitativ) sind vertreten. Lithologisch dominieren klastische Sedimente, Ausfällungssedimente sind auf lokale Vorkommen beschränkt.
Auch das gesamte Korngrößenspektrum ist vertreten. Es reicht bei den bindigen Sedimenten von limnischen und pedogenen Tonen und Mergeln über äolische Feinsedimente (Löss) bis zu glazilimnischen Beckenschluffen. Bei Rutschungen gebildete Diamikte sind meist von lokaler Bedeutung. Nur in den fluvialen Abfolgen entlang der östlichen Grabenschultern des Oberrheingrabens sind rutschungsbedingte Diamikte häufig lagenweise eingeschaltet. Sub- und proglazialer Till ist in den Vergletscherungsgebieten Baden-Württembergs flächenhaft verbreitet.
Bei den körnigen Ablagerungen reicht die Spanne von Dünensanden (im mittleren Oberrheingraben) über sandig-kiesige Flussablagerungen bis hin zu grobem Kies und Schotter. Hervorzuheben sind die verstreut vorkommenden, bis zu mehrere kubikmetergroßen Blöcke, die als Findlinge oder Dropstones vom Eis transportiert wurden.
Fast überall fällt es leicht, die quartären Ablagerungen von älteren Einheiten zu unterscheiden. Die Oberfläche der mesozoischen oder paläozoischen Festgesteine ist immer erosiv und leicht erkennbar. Nur die Abgrenzung von den nur mäßig verfestigten tertiären Sedimenten kann schwierig sein, wenn die jüngeren Einheiten konkordant geschüttet wurden.
Mächtigkeit
Allein die lithologische Variabilität der Quartärsedimente legt nahe, dass die Vorkommen sehr unterschiedliche Mächtigkeiten (< 1 m bis über 500 m) erreichen. Hinzu kommt die Verbindung mit aktiver Bruchschollentektonik im Oberrheingraben sowie die immense Tiefenerosionskraft von Gletschereis. Beide Prozesse können in kurzer Zeit, meist lokale Akkommodationsräume schaffen, die im kontinentalen Umfeld schnell aufgefüllt werden.
Die vorwiegend fluvialen Ablagerungen des Oberrheingrabens haben durchgehend sehr große Mächtigkeiten von meist über 100 Metern, bei Heidelberg wurden sogar 500 m Oberrheintal-Quartär erbohrt. Auch die Sedimente des Rheingletschers erreichen großflächig Meter- bis Zehnermeter-Mächtigkeiten. Besonders in den glazial übertieften Becken Oberschwabens sind oft weit über 200 m Glazialsedimente plus limnische bis fluviale Klastika und teilweise palustrische Süßwasserablagerungen erhalten. Der Bodensee ist das größte und tiefste süddeutsche Glazialbecken. Er entstand in seiner heutigen Form beim jüngsten Gletschervorstoß in der Würm-Eiszeit und füllt sich seither langsam mit Sedimenten. Dies ist im Südosten des Sees besonders deutlich erkennbar, wo der Alpenrhein sein großes Delta in den See schüttet. In der Gegend von Feldkirch erreicht der vom Rhein mitgebrachte Kies über 900 Meter Mächtigkeit. In der Seemitte liegt die eigentliche Felsoberfläche mehr als 200 m unter dem aktuellen Seegrund.
Alterseinstufung
Ältere Bezeichnungen
Im frühen 19. Jahrhundert wurden die Begriffe „Alluvium“ für die jüngsten Sedimente (lateinisch „das Angeschwemmte“) im Gegensatz zum (vor-)sintflutlichen „Diluvium“ (lateinisch, „die Überschwemmung“) geprägt. Sie finden sich häufig als Sedimentbezeichnungen in älteren Karten und Texten und können mit der Untergliederung in holozäne und pleistozäne Einheiten gleichgesetzt werden.
Sonstiges
Im deutschen Sprachraum werden chronostratigraphische und lithostratigraphische Bezeichnungen oft gleichlautend angewandt. Es wird also kein Unterschied gemacht zwischen der Benennung eines Zeitalters (zu Chronostratigraphie) und der in dieser Zeit gebildeten Gesteinseinheiten (zu Lithostratigraphie).
Die Begriffe Quartär, Pleistozän und Holozän werden sowohl zeitlich, als auch für die geologischen Bildungen aus diesen Zeitabschnitten verwendet. Umgangssprachlich werden quartäre Einheiten auch als Ablagerungen des „Eiszeitalters“ bezeichnet. Dies ist darin begründet, dass sich das Klima während des frühen Pleistozäns so stark abgekühlt hat, dass es später mehrfach zu Eiszeiten kam. Das Holozän dagegen steht für „Nacheiszeit“, und meint die jüngste Erwärmungsphase des Erdklimas bis zum heutigen Optimum.
Zwischen den eigentlichen Eiszeiten oder Glazialen im Pleistozän gab es lange Zeiträume der langsamen Klimaerwärmung, die jeweils in Warmzeiten endeten. Für den süddeutschen Raum wird die in unten stehender Tabelle dargestellte chronostratigraphische Gliederung verwendet.