Hergang der Ereignisse
Am frühen Morgen des 14. Januars 2019 entdeckten die Mitarbeiter eines Verbrauchermarktes in Schramberg (Schwarzwald), dass aus einer angrenzenden Hangklinge geringe Mengen Schlamm auf das Parkplatzgelände des Marktes gelangt waren. Der Markt blieb daraufhin geschlossen und es wurde begonnen den Schlamm zu entfernen. Im Laufe des Vormittags kam es dann zu einem größeren Murgangereignis, bei dem Murgangmassen die Betriebsfläche des Verbrauchermarktes und dessen Parkplatz bis zu 4,5 m Höhe überdeckten. Durch die Murgangmassen wurde zudem ein kleinerer Gebäudeteil zerstört und das Betriebsgebäude geflutet. Glücklicherweise kam es zu keinen Personenschäden.
Die Stadt Schramberg informierte das LGRB im Laufe des Vormittags und bat um Notfallberatung. Die Schadenstelle wurde noch am selben Tag mit Vertretern der Stadt, der Feuerwehr sowie dem bereits anwesenden Technischen Hilfswerk (THW) untersucht und gemeinsam Sofortmaßnahmen zur weiteren Schadensabwehr festgelegt. Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfolgte in den folgenden Tagen unter fachtechnischer Begleitung des LGRB.
Geologie und Ursache
Der Murgang hatte seinen Ursprung an einem asphaltierten Plateau, welches in den 1950er Jahren als anthropogene Ablagerung (Aufschüttung/Auffüllung) am oberen Ende einer Hangklinge hergestellt wurde. Der Untergrund des umliegenden Hanggeländes wird von Gesteinen des kristallinen Grundgebirges (Triberg–Granit, Granitplutone) gebildet, welche im Hanggelände von Hangschuttablagerungen variabler Mächtigkeit überdeckt sind. In der Hangklinge sind die Gesteine des Triberg-Granits teilweise aufgeschlossen.
Der ca. 20 m hohe und ca. 42 m breite Hauptabriss des Murgangs befand sich im Bereich der plateauförmigen Aufschüttung. Innerhalb des Abrisses waren am Ereignistag drei stärkere, freie Wasseraustritte erkennbar. Zwei davon traten im Bereich des vermuteten Übergangs zum unterliegenden Grundgebirge auf. Ein weiterer erfolgte aus einem Rohr, das frei in die Abrisskante entwässerte. Im Hang oberhalb des Abrisses waren zudem mehrere freie Wasseraustritte erkennbar. In der Nacht vor dem Schadensereignis hatte es nach Schneefällen in der vorangegangenen Woche einen deutlichen Temperaturanstieg und starke Niederschläge gegeben.
Die starke Wasserzufuhr infolge der Schneeschmelze sowie der Niederschläge führten zu einer Aufsättigung des Aufschüttungs- und Hangschuttmaterials, welches sich vermutlich zunächst in Form einer Rutschung löste und sich im Anschluss völlig aufgesättigt, breiartig durch die Hangklinge auf den Parkplatz des Verbrauchermarktes ergoss. Dabei wurden zahlreiche in der Hangklinge stehende Bäume (teilweise mit Wurzelstock) mitgerissen. Auch Fremdmaterial (Brenn- und Bauholz, Material eines Unterstands), welches auf dem Plateau gelagert war, fand sich in den Murgangmassen. Stumme Zeugen (Spuren des Murgangmaterials und Bäume) ließen erkennen, dass die Murgangmassen die Hangklinge im oberen Bereich bis zu 7,5 m hoch und im unteren Bereich bis zu 4 m hoch durchflossen haben. Die Kubatur des Materials wurde überschlägig auf ca. 2500 m3 abgeschätzt.
Im Bereich des Abrisses waren am Tag des Schadensereignisses weitere Hinweise auf Instabilitäten (Öffnungen hangparalleler Spalten, Nachrutschen von Material) ersichtlich. In dem oberhalb der Aufschüttung gelegenen Hanggelände gab es dagegen keine Hinweise auf neu entstandene Instabilitäten. Auch innerhalb der Hangklinge zeigten sich in den Flanken nur lokale, kleinräumige Oberflächenrutschungen.
Sofortmaßnahmen
Noch am selben Tag wurde mit der Umsetzung von Sofortmaßnahmen begonnen. Diese hatten zum Ziel, den Zutritt von weiterem Hangwasser sowie von Oberflächenwasser in den Abrissbereich zu verhindern und diesen zu stabilisieren. Des Weiteren ging es darum, geordnete Abflussbedingungen am Ausgang der Hangklinge zur Vorflut der Schiltach wieder herzustellen. Aufgrund der akuten Gefahrenlage erließ die örtliche Polizeibehörde ein umfassendes Betretungsverbot für das gesamte Gelände des Verbrauchermarktes und das Plateaugelände.
Am Ereignistag und in den darauffolgenden zwei Wochen wurden folgende Sofortmaßnahmen umgesetzt:
1. Erstellung von drei temporären Pumpensümpfen
Die Feuerwehr errichtete einen ersten Pumpensumpf in einem Becken, von dem aus eine Rohrleitung in den Abrissbereich führte. Das Becken wurde an seiner Sohle mittels Plane abgedichtet, um etwaige Wasserzusickerungen in den Abrissbereich zu verhindern. Einen zweiten Pumpensumpf errichtete die Feuerwehr im Bereich einer benachbarten Nebenklinge. Dieser diente dazu, das aus dem weiteren Hanggelände zufließende Wasser sicher zu fassen. Das Wasser beider Pumpensümpfe wurde mithilfe von Schlauchleitungen über die Straßen des angrenzenden Wohngebietes gesichert der Vorflut zugeführt. Die permanente Überwachung beider Pumpensümpfe erfolgte in den ersten Tagen durch Personal vor Ort. Das THW errichtete einen dritten Pumpensumpf an der Rückseite des Verbrauchermarktes, welcher dazu diente, einen weiteren Durchfluss von Wasser durch das Gebäude zu unterbinden. Nachdem sich die anfallende Wassermenge im Laufe des nächsten Tages gänzlich reduzierte, konnte der dritte Pumpensumpf rückgebaut werden.
2. Hangwärtige Drainage oberhalb des Abrissbereiches
Ausgehend vom Becken des ersten Pumpensumpfs wurde mithilfe eines Schreitbaggers auf ca. 65 m Länge eine ca. 80 cm tief in den Hangschutt einbindende Hangdrainage in dem rückwärtig an das Plateau anschließenden Hanggelände errichtet. Die Drainage besteht aus einem geschlitzten Filterrohr mit Sohlwanne (Ø 150 mm), welches mit Filterkies (Körnung 16–32 mm) umhüllt wurde. Das nördliche Ende der Drainage verfügt über einen Spülschacht, um künftig die in die Drainage eingeschwemmten Feinanteile bei Bedarf entfernen zu können. Die Hangdrainage entwässert in freiem Gefälle zum ersten Pumpensumpf. Im Zuge der Sofortmaßnahmen wurde der Pumpensumpf durch Mitarbeiter des örtlichen Bauhofs mit einer schwimmergesteuerten Tauchpumpe ausgestattet, die über Schlauchleitungen in einen Kanal im benachbarten Wohngebiet entwässert. Nach Herstellung der Drainage konnte der temporäre Pumpensumpf in der Nebenklinge aufgegeben werden und das noch anfallende Wasser über eine Ablaufrinne in die dortige Klingenstruktur geleitet werden.
3. Instabiler Baumbestand und unsicher lagerndes Material
Auf Empfehlung des LGRB wurden an der Südflanke des Abrissbereichs zahlreiche hohe, durch den Murgang instabil gewordene Bäume entfernt und im seitlichen Unterhang in sichere Lagerung gebracht. Diese Maßnahme dient dem Schutz gegen eine unerwünschte zukünftige Verklausung der Hangklinge. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde auch Material, welches noch auf dem asphaltierten Plateau lagerte und aufgrund der Nähe zur Abrisskante absturzgefährdet war, entfernt.
4. Abflussöffnung am Klingenausgang in Richtung Schiltach
Mithilfe eines Schreitbaggers und eines Kettendumpers konnte ein provisorisches Abflussgerinne am Fuße der nördlich an den Parkplatz angrenzenden Steilwand geschaffen werden. Dies gestaltete sich insofern als schwierig, da sich die Murgangmassen bis zu einer Höhe von 4,5 m auf dem Parkplatz abgelagert hatten und viel, teils ineinander verkeiltes Fremdmaterial beinhalteten. Zudem verursachte die noch hohe Wassersättigung der Murgangmassen bei den hohen Aufschüttungen Probleme, da sich diese beim Baggern teilweise wieder verflüssigten. Diese Maßnahme stellte eine wichtige Grundvoraussetzung für den Beginn weiterer Aufräumarbeiten und schließlich die Freigabe des Verbrauchermarktes dar. Am 24. Januar war die provisorische Abflussöffnung in Richtung der Schiltach fertig erstellt.
Endgültige Maßnahmen
Nach Abschluss aller Sofortmaßnahmen endete die Notfallberatung des LGRB. Es wurde vereinbart, dass alle Maßnahmen zur weiteren Stabilisierung und Reprofilierung des Abrissbereichs sowie die Herstellung eines dauerhaft offenen Abflussgerinnes zur Schiltach in Abstimmung mit einem privaten Ingenieurbüro erfolgen sollten. Zudem wurde vereinbart, dass nach Fertigstellung der oben beschriebenen Sofortmaßnahmen und nach anschließender Begutachtung und Freigabe des Gebäudes durch einen Statiker, das erlassene Betretungsverbot des Gebäudes und Betriebsgeländes des Verbrauchermarktes aufgehoben werden kann.
Inzwischen wurde der Abrissbereich des Murganges abgeflacht. Das mit der Hangdrainage gefasste Hangwasser wird über eine Rohrleitung in die Klinge geführt, so dass einer erneuten Aufsättigung des Abrissbereiches vorgebeugt wird. Am Klingenausgang wurde eine Murgangbarriere mit Ringnetzen installiert. Bei eventuell zukünftig auftretenden Murgängen ist somit ein Schutz für den unterliegenden Parkplatz vorhanden.
Nachfolgend werden die wichtigsten Punkte des Murgangs in Schramberg/Schilteck tabellarisch zusammengefasst:
Stammdaten:
Objekt-ID |
7716_Fl00001 |
Objektname |
Murgang Schramberg Schichteck |
Lokalität |
Gewann Schilteck am nördlichen Ortsausgang der Gemeinde Schramberg |
Gemeinde |
Schramberg |
Stadt-/Landkreis |
Rottweil |
TK25-Nr. |
7716 |
TK25-Name |
Schramberg |
Datengrundlage |
Geländebegehung, Fachgutachten |
Lage-Bezugspunkt |
Höchster Punkt des Abrissbereiches |
Ostwert |
453433 |
Nordwert |
5342804 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
473 |
Höhenermittlung |
Karte |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
14.01.2019 |
Geländenutzung während der Entstehung |
Altablagerung, Wald, Parkplatz, Gewerbegebiet |
Schäden |
Gebäudeschäden |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Primärereignis |
||
Prozess der Hauptbewegung |
Murgang |
||
Max. Länge [m] |
235 |
||
Max. Breite [m] |
Abrissbereich |
42 |
|
10 |
|||
Ablagerungsbereich |
70 |
||
Betroffene Fläche [m2] |
ca. 6000 |
||
Max. Mächtigkeit [m] |
Abrissbereich |
20 |
|
Transportbereich |
7,5 |
||
Ablagerungsbereich |
4,5 |
||
Fläche des Abrissbereiches [m2] |
ca. 1500 |
||
Kubatur der Abrissmasse [m3] |
ca. 2500 |
||
Höchster Punkt des Abrissbereiches [m ü. NHN] |
473 |
||
Höchster Punkt des Ablagerungsbereiches [m ü. NHN] |
417 |
||
Max. Höhenunterschied zwischen Abrissbereich und Top des Ablagerungsbereiches [m] |
56 |
||
Tiefster Punkt des Ablagerungsbereiches [m ü. NHN] |
412 |
||
Max. Höhenunterschied (H) zwischen höchstem Punkt des Abrissbereiches und tiefstem Punkt des Ablagerungsbereiches [m] |
61 |
||
Exposition zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
75 |
||
Durchschnittliche Hangneigung zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
15 |
||
Hangneigung [°] |
Abrissbereich |
30–40 |
|
Transportbereich |
20–40 |
||
Ablagerungsbereich |
0 |
||
Ursache |
|||
Auslöser |
geogen |
||
Geologie |
|||
Anthropogene Ablagerung (qhy) |
Schluff, sandig; Kies, sandig, schluffig, mit vielen Steinen und Blöcken, Fremdmaterial |
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Hangschutt (qu) |
Kies, sandig, schluffig mit Steinen |
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Triberg-Granit (GTR) |
Biotitgranit |
||
Sicherungsmaßnahmen |
Sofortmaßnahmen: temporäre Pumpensümpfe, Drainage Dauerhafte Sicherungsmaßnahmen: Murgangbarriere, Reprofilierung des Abrissbereiches |
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Sonstige Anmerkungen |
Überschüttung eines Parkplatzes, Einsatz von Feuerwehr und THW |