Lithostratigraphische Gruppe
Übergeordnete Einheit
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Zu den geologisch und landschaftlich auffallendsten Phänomenen Südwestdeutschlands zählen zwei nahezu kreisrunde Becken im Bereich der Ostalb, das Nördlinger Ries an der Landesgrenze zu Bayern und das Steinheimer Becken etwa 6 km westlich von Heidenheim an der Brenz (Rupf & Nitsch, 2008). Das Ries ist mit einem Durchmesser von knapp 24 km erheblich größer und bildet eine von flachen bewaldeten Hügeln umgebene, überwiegend als Ackerland genutzte Ebene. Das Steinheimer Becken mit etwa 3,5 km Durchmesser dagegen ist eine fast 100 m tiefe Senke im Gebiet der kuppigen Albhochfläche des Albuch, in deren Mitte der Steinhirt als rund 50 m hoher Zentralhügel aufragt.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Die Impakt-Formation (LGRB, 2011c) umfasst Brekzien unterschiedlicher Zusammensetzung:
- zertrümmerte Oberjura-Kalksteine (Weißjuragrieß)
- vermischte Trümmer der darunter liegenden Schichtenfolge aus Jura und Trias (Bunte Brekzie)
- im Ries auch zertrümmerte und teilweise schockmetamorphe Kristallingesteine des Grundgebirges (Polymikte Kristallinbrekzie)
- teilweise aufgeschmolzener und glasig erstarrter Suevit, dessen Gesteinstrümmer die höchste schockmetamorphe Veränderung erfahren haben
- gering beanspruchte Trümmermassen und allochthone Schollen an den Kraterrändern
Bei den Ablagerungen der beiden Kraterseen, der Riessee-Formation und der Steinheim-Kratersee-Formation, handelt es sich überwiegend um Mergel- und Tonsteine, Kalksteine und örtlich um Konglomerate. Die Ablagerungen enthalten Fossilien von Wasser- und Landtieren und Pflanzen, die anzeigen, dass sich nach den Einschlägen im Miozän in den Kratern Süßwasserseen sammelten, die zeitweise durch die hohe Verdunstung unter subtropischem Klima erhöhte Salzgehalte aufwiesen und von Urwäldern umgeben waren.
Mächtigkeit
Die erhaltene Mächtigkeit der Seeablagerungen im Inneren der Krater beträgt im Steinheimer Becken bis über 40 m, im Nördlinger Ries, im zentralen Bereich auf bayerischer Seite, bis über 400 m. Sie schwankt jedoch aufgrund des unebenen Kraterbodens und der unterschiedlich weit fortgeschrittenen Erosion. Auch die Trümmermassen weisen kleinräumig schwankende Mächtigkeiten auf, da sie eine alte Landoberfläche überdecken und ebenfalls inzwischen stark abgetragen sind. In verschütteten Tälern können sie bis über 200 m mächtig werden, auf der Albhochläche sind Mächtigkeiten von 40–80 m nicht ungewöhnlich.
Alterseinstufung
Radioisotopische Datierungen an Impaktgesteinen, insbesondere am Glas des Suevits, ergaben Alter um 14,8 Mio. Jahren und stellen das Impaktereignis damit in das Miozän. Auch die Fossilien der Seesedimente entsprechen der miozänen Fauna der Oberen Süßwassermolasse im Alpenvorland, in deren Ablagerungen sich sowohl in Bayerisch-Schwaben als auch in Oberschwaben ausgeworfene Trümmer von der Albhochfläche fanden.
Ältere Bezeichnungen
Bevor um 1960 die Entstehung insbesondere des Rieskraters durch Meteoriteneinschlag mineralogisch und durch Vergleiche mit gesicherten Einschlagskratern überzeugend nachgewiesen wurde, galten Steinheimer Becken und Ries lange als vulkanische Strukturen. Da eindeutige Vulkanite nicht zu finden waren, wurden sie auch als „kryptovulkanisch” angesprochen, der Suevit sogar als „Basalttuff” gedeutet.
Sonstiges
Über die Art und Größe der die beiden Krater erzeugenden Körper und das Geschehen bei ihrem Einschlag liegen inzwischen Erkenntnisse und Modellrechnungen vor, die recht sichere Schlüsse erlauben. Kleine Meteoriten mit Massen von einigen Kilogramm bis mehreren Tonnen werden durch die Lufthülle der Erde so stark abgebremst, dass sie höchstens metertiefe Krater erzeugen. Die Bewegungsenergie großer Meteoriten oder Asteroiden (etwa ab 100–1000 t) ist dagegen so groß, dass der Luftwiderstand praktisch keine Rolle mehr spielt und sie fast ungebremst mit kosmischer Geschwindigkeit (ca. 10–70 km/s) auf die Erdoberfläche aufschlagen. Dort dringen sie, je nach Masse und Geschwindigkeit, mehrere hundert Meter in den Untergrund ein und explodieren, wodurch große und bis einige tausend Meter tiefe Krater mit charakteristischen Gesteinsumwandlungen und ‑deformationen entstehen. Man kennt gegenwärtig auf der Erdoberfläche rund 160 Krater, die auf Asteroideneinschläge zurückgeführt werden (Durchmesser ca. 15–300 km).
Im Jahr 1960 konnte man im Suevit die Minerale Coesit und Stishovit nachweisen. Sie entstehen aus Quarz bei extrem hohen Drücken, wie sie in der Regel nur beim Impakt (Einschlag) extraterrestrischer Körper auf die Erdkruste auftreten. Auch Cristobalit, eine Hochtemperaturform von Kieselsäure (Quarz) und Diamant als Hochdruckform von Kohlenstoff fand man in winzigen Mengen. Zudem entdeckte man weitere durch Stoßwellenmetamorphose veränderte Gesteinskomponenten und Minerale. Dazu gehören auch die bekannten Strahlenkalke (sog. shatter cones), mit deren strahlenförmigen Strukturen vor allem Kalksteine des Oberjuras überprägt sind.
Von den gut erhaltenen Impaktkratern ist das Ries weltweit der größte und am intensivsten erforschte. Reste von den extraterrestrischen Körpern selbst findet man, wie bei allen großen Kratern, weder im Ries noch im Steinheimer Becken, denn infolge Umwandlung ihrer großen Bewegungsenergie in Wärme beim Impakt sind sie vollständig verdampft. Der Ries-Asteroid, wohl ein sogenannter Steinmeteorit, könnte einen Durchmesser von etwa 800–1000 m gehabt haben, während man für den Steinheimer Asteroiden etwa 80–100 m annimmt und neuerdings ein Eisenmeteorit in Diskussion ist. Beide dürften jedenfalls gemeinsam aus vielleicht westlicher bis nördlicher Richtung auf die Erde zugerast und praktisch gleichzeitig eingeschlagen sein. Für das Alter der beiden Impaktereignisse hat man, je nach verwendeter physikalischer Untersuchungsmethode, eine Spanne von 14,3–15,1 Mio. Jahre vor heute ermittelt, wobei am ehesten etwa 14,8 Mio. Jahre anzunehmen sind (Geyer et al., 2011).
Die beiden Einschläge hatten auf die Landschaft und die Lebenswelt in weiten Teilen von Süddeutschland katastrophale Auswirkungen. Beim Einschlag des Ries-Asteroiden wurden binnen Sekunden ungefähr 125–200 km3 Gestein ausgeschleudert, das nachfolgend teils wieder in den Krater selbst zurückfiel, teils dessen weitere Umgebung überdeckte. Kalksteinbrocken und ‑blöcke des Oberjuras bis mehrere Meter Durchmesser, die sogenannten Reuterschen Blöcke (nach ihrem ersten Erforscher L. Reuter), findet man bis in über 100 km Entfernung vom Ries. In Bayerisch-Schwaben sind sie in einer Lage innerhalb der Oberen Süßwassermolasse angereichert (sog. Brockhorizont), und im gleichen stratigraphischen Niveau sind einzelne Brocken sogar bei Biberach an der Riß und St. Gallen gefunden geworden. Tropfenförmige grünliche Gesteinsgläser, die sogenannten Moldavite, sind in Südböhmen, Südmähren, Niederösterreich sowie in der Lausitz zu finden und gehen ebenfalls auf den Einschlag zurück, wie Altersdatierungen und geochemische Untersuchungen nahelegen. Sie stammen von heißer Gesteinsschmelze, die offenbar in den ersten Sekundenbruchteilen des Aufschlags regelrecht weggespritzt und weit fort geschleudert worden ist.
Beide Einschlagskrater füllten sich rasch mit Wasser und es entstanden Seen, deren fossilreiche Ablagerungen aus Süßwasserkalken, Kalksanden, Mergeln und Tonen über hunderttausende bis einige Millionen Jahre des Mittelmiozäns Zeugnis von reichem Pflanzen- und Tierleben in subtropischer Landschaft geben. Neben vielen Pflanzenresten fand man zahlreiche Säugetiere, Fische, Schildkröten, Schlangen und Vögel. Am Rand und auf Untiefen des Ries-Sees entwickelten sich auch Sinterkalke, Algenbioherme und Stromatolithen. Aus der Entwicklung und Abfolge unzähliger Arten massenhaft vorkommender Süßwasserschnecken im Steinheimer See konnte schon im 19. Jahrhundert die Richtigkeit der Evolutionstheorie von Darwin bewiesen werden. Die Seesedimente sind im Ries nur noch mit Restmächtigkeiten von etwa 300 m und im Steinheimer Becken mit über 35 m erhalten, weil deren jüngere Abschnitte bei der erosiven Freilegung der Krater seit dem Obermiozän wieder abgetragen worden sind.
In der Umgebung des Rieses wurde auch das Flussnetz durch die ausgeworfenen Impaktgesteine auf Dauer tief verschüttet, so dass sich in den Tälern der nach Südosten entwässernden Flüsse vorübergehend große Stauseen bildeten und die Flüsse in der Folgezeit neue Wege suchen mussten. Östlich des Rieses, bei Monheim, fand man mit Bohrungen und geophysikalischen Untersuchungen ein altes, von etwa 150–200 m mächtigen Trümmermassen verschüttetes Flusstal. Wie sich herausstellte, ist es das tief in die Albhochfläche eingeschnittene Tal des einst ins Molassebecken entwässernden Obermains. Auf der Albhochfläche südlich des Rieses und im Molassebecken ging die Sedimentation der Oberen Süßwassermolasse (OSM) nach der Ablagerung der Bunten Brekzie weiter, so dass diese bis südlich der Donau von OSM-Glimmersanden überdeckt worden ist (Schmidt-Kaler, 1995), wie das auch mit den Auswürflingen des Brockhorizonts geschehen ist.
Literatur
- (2011). Geologie von Baden-Württemberg. 5. völlig neu bearb. Aufl., 627 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (2011c). Symbolschlüssel Geologie Baden-Württemberg – Verzeichnis Geologischer Einheiten (Ausgabe 2011). – S., 1 Tab., Freiburg i. Br. (Regierungspräsidium Freiburg, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (2008). Das Geologische Landesmodell von Baden-Württemberg: Datengrundlagen, technische Umsetzung und erste geologische Ergebnisse. – LGRB-Informationen, 21, S. 1–81, 10 Beil.
- (1995). Das erste Vorkommen von Ries-Trümmermassen (Bunter Breccie) südlich der Donau. – Geologica Bavarica, 99, S. 433–435.