Lithostratigraphische Gruppe
Übergeordnete Einheit
Der Oberjura ist die oberste Abteilung des Juras. Im überwiegenden Teil von Baden-Württemberg (und in ganz Bayern) wird diese durch die Weißjura-Gruppe vertreten. Lediglich der Oberjura im südlichen Oberrheingebiet ist in rauracischer Fazies entwickelt, die informell als Istein-Gruppe bezeichnet wird.
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Die überwiegend karbonatischen Gesteine des Oberjuras bilden in Baden-Württemberg die Schichtstufe der Schwäbischen Alb und streichen in einem 7–35 km breiten Streifen an deren Hochfläche aus. Nach Süden setzt sich der Oberjura der Alb südlich der Donau im Randengebiet fort. Kleinere Ausstrichgebiete liegen in den Randschollen des südlichen Oberrheingrabens.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Die marinen Ablagerungen im Oberjura bestehen überwiegend aus Bankkalksteinen mit oder ohne Mergelstein-Zwischenlagen, (Kalk‑)Mergelsteinen und wenig bis nicht geschichteten Massenkalken. Letztere sind teilweise diagenetisch in Dolomit umgewandelt, der nachfolgend dedolomitisiert und in Zuckerkornkalk umgewandelt ist. Die Kalksteine sind frisch hellgrau, verwittert hellbeige bis weiß, die Mergelsteine dunkelgrau bis grau. Durch den häufigen seitlichen Wechsel mächtigerer Massenkalke und weniger mächtiger Bankkalk-Fazies entstehen besonders im mittleren und oberen Oberjura starke kleinräumige Mächtigkeitsunterschiede.
Der Untere Oberjura umfasst in der Schwäbischen Alb die Impressamergel-Formation und die Wohlgeschichtete-Kalke-Formation. Die Basis ist definiert durch die erste helle Karbonatbank über den dunklen Tonmergelsteinen des Mitteljuras. Die in der Westalb bereits im unteren Weißjura auftretende, weitgehend ungeschichtete Schwammfazies wird als Lochen-Subformation bezeichnet und ist die älteste Ausprägung der Oberjura-Massenkalk-Formation. Im südlichen Oberrheingebiet vertreten die Korallenkalk-Formation und die Nerineenkalk-Formation den Unteren Oberjura.
Der Mittlere Oberjura umfasst im Landesgebiet drei Formationen in gebankter Ausbildung (Lacunosamergel-Formation, Untere-Felsenkalke-Formation und Obere-Felsenkalke-Formation) und den mit den beiden letzteren zeitgleichen Unteren Massenkalk der Oberjura-Massenkalk-Formation. Im tieferen Teil besteht der Mittlere Oberjura überwiegend aus Kalkmergelsteinen, der mittlere und obere Abschnitt werden dagegen von hellen, z. T. fast reinen Kalksteinen eingenommen.
Der Obere Oberjura besteht aus fünf Formationen in gebankter Ausbildung und dem zeitgleichen Oberen Massenkalk der Oberjura-Massenkalk-Formation. Kleinräumig tritt hier eine Korallenfazies auf. Während in der westlichen und mittleren Schwäbischen Alb unten (Liegende-Bankkalke-Formation) und oben (Hangende-Bankkalke-Formation) gebankte Kalksteine und dazwischen graue Mergelsteine (Zementmergel-Formation) vorliegen, sind die unteren Bankkalke und die Mergelsteine in der östlichen Schwäbischen Alb so unregelmäßig miteinander verzahnt, dass sie zur Mergelstetten-Formation zusammengefasst werden. Die in der Westalb auf kleiner Fläche auftretende Nusplingen-Formation stellt eine Fossillagerstätte von internationaler Bedeutung dar.
An der Obergrenze besteht eine große Schichtlücke, da Ablagerungen der Kreide und flächenhaft verbreitete Sedimente des Paleozän und Eozän im Landesgebiet fehlen.
Mächtigkeit
Die Gesamtmächtigkeit des Oberjuras, die wegen Erosion der höchsten Abschnitte als Restmächtigkeit zu verstehen ist, steigt von der östlichen Landesgrenze mit etwa 250 m nach Südwesten zur Mittleren Alb auf über 350 m und nach Süden ins Molassebecken bis auf etwa 550 m (Rupf & Nitsch, 2008; BayGLA, 1996). Die beiden Formationen der Istein-Gruppe im südlichen Oberrheingebiet erreichen nur eine Gesamtmächtigkeit um oder unter 100 m.
Alterseinstufung
Der Oberjura umfasst die internationalen Stufen vom Oxfordium bis zum Tithonium (163,5–145 Mio. Jahre vor heute), wobei in Baden-Württemberg die Basis des Oxfordiums über einer Schichtlücke bereits in der jüngsten Formation der Braunjura-Gruppe liegt. Im Gegensatz zum Fränkischen Jura ist in der Schwäbischen Alb nur das Unter-Tithonium erhalten. An der Obergrenze zum Tertiär besteht im Landesgebiet eine Schichtlücke von rund 100 Mio. Jahre.
Ältere Bezeichnungen
Der Oberjura wurde häufig auch als Malm bezeichnet. Malm ist ein Gesteinsname in Südengland (Oxfordshire, Sussex u. a.) und wird bis heute beim British Geological Survey nur als Gesteinsname (insbesondere als Baustein; ohne formalen stratigraphischen Status) verwendet. Nach Mönnig et al. (2018) soll diese Bezeichnung in Süddeutschland nicht mehr verwendet werden (vgl. Niebuhr & Pürner, 2014).
Sonstiges
Aus dem für den gesamten Jura geltenden Fossilreichtum, bestehend aus Ammoniten, Brachiopoden, Echinodermenresten etc. ragt die Fossillagerstätte des Nusplinger Plattenkalks heraus, die in einer tropischen Lagune des Jurameeres entstand. Ihre Berühmtheit verdankt sie vielen einzigartigen Versteinerungen, darunter Haie („Meerengel“) und andere Fische, Krebse, Meereskrokodile, Flugsaurier, Riesenlibellen und Landpflanzenreste (Dietl & Schweigert, 2011). Ob die dort gefundene, weltweit älteste Feder eine Vogel- oder Saurierfeder ist, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden.
Die karbonatischen Schichten des über Tage anstehenden Oberjuras sind verkarstet, d. h. sie werden von zahlreichen, durch Kalklösung erweiterten Klüften und Höhlen durchzogen. Das Niederschlagswasser versickert rasch in den durch die Verkarstung großenteils sehr wasserdurchlässigen Untergrund, weshalb die Albhochfläche sehr wasserarm ist. Zahlreiche Trockentäler zeugen von verschwundenen Bächen, die ehemals diese Täler geschaffen haben, zu Zeiten, als das Wasser noch nicht unterirdisch zu großen Karstquellen wie dem Blautopf abgeflossen ist. Auch Dolinen, Erdfälle und Karstwannen gehören zu den charakteristischen Karstformen, mit denen die Hochfläche der Schwäbischen Alb gebietsweise übersät ist. Sie entstehen durch Kalklösung von versickerndem Wasser an der Erdoberfläche (Dolinen) und durch Einsturz oberflächennaher Hohlräume. Schließlich sind auch die zahlreichen Höhlen und einige Flussversickerungen auffallende Erscheinungen. Besonders bekannt sind: Bärenhöhle bei Erpfingen, Nebelhöhle bei Genkingen, Laichinger Tiefenhöhle und Charlottenhöhle bei Giengen sowie die Donauversickerungen bei Immendingen und Fridingen.
Externe Lexika
Litholex
- Weißjura-Gruppe
- Impressamergel-Formation
- Wohlgeschichtete-Kalke-Formation
- Korallenkalk-Formation
- Nerineenkalk-Formation
- Lacunosamergel-Formation
- Untere-Felsenkalke-Formation
- Obere-Felsenkalke-Formation
- Liegende-Bankkalke-Formation
- Zementmergel-Formation
- Nusplingen-Formation
- Mergelstetten-Formation
- Hangende-Bankkalke-Formation
- Oberjura-Massenkalk Formation
Literatur
- (1996). Erläuterungen zur Geologischen Karte von Bayern 1 : 500 000. 4. Aufl., 329 S., München.
- (2011). Im Reich der Meerengel – Der Nusplinger Plattenkalk und seine Fossilien. 2. Aufl., 144 S., München (Pfeil). [211 Abb.]
- (2018). Der Jura in der Stratigraphischen Tabelle von Deutschland (STD 2016). – Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, 169(2), S. 225–246.
- (2014). Plattenkalk und Frankendolomit – Lithostratigraphie der Weißjura-Gruppe der Frankenalb (außeralpiner Oberjura, Bayern). – Niebuhr, B. (Hrsg.). Lithostratigraphie, S. 5–72, Hannover (Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, 83).
- (2008). Das Geologische Landesmodell von Baden-Württemberg: Datengrundlagen, technische Umsetzung und erste geologische Ergebnisse. – LGRB-Informationen, 21, S. 1–81, 10 Beil.