Übersicht, Bezeichnung und Verbreitung
Im Unterjura, der aufgrund seiner Zusammensetzung aus überwiegend dunklen Ton- und grauen Mergelsteinen auch Schwarzer Jura genannt wird, befinden sich im oberen Abschnitt die Sedimente der Posidonienschiefer-Formation (Untertoarcium, Lias epsilon). Diese bestehen vor allem aus schwarzgrauen, blättrigen, meist bituminösen Tonmergelsteinen. Der Posidonienschiefer wird nach seiner Ausbildung in Oberen, Mittleren und Unteren Posidonienschiefer untergliedert.
Hauptsächlich im Oberen und Mittleren Posidonienschiefer treten höhere Bitumengehalte auf. Der Untere Posidonienschiefer entspricht dem früheren Unterepsilon (epsilon1), zu dem die Blaugrauen Mergel, der Tafelfleins, die Seegrasschiefer und die Aschgrauen Mergel gerechnet werden. Im mittleren Teil sind einzelne härtere, bituminöse Mergelkalksteine („Stinkkalke“) eingeschaltet. Berühmt ist der „Posidonienschiefer von Holzmaden“ durch seine besonders gut erhaltenen Meeresfossilien, viele bemerkenswerte Fossilfunde sind im Museum Hauff in Holzmaden, im Werkforum des Zementwerks Dotternhausen, im Naturkundemuseum Stuttgart und in vielen weiteren nationalen und internationalen Naturkundemuseen ausgestellt.
Die Formation ist nach der häufig vorkommenden Muschel Posidonia bronni (heute Name geändert zu Bositra buchi, Roemer, 1835–39) benannt worden. Um einen „Schiefer“ im eigentlichen Sinne, also ein schwach metamorphes, tektonisch geschiefertes Gestein, handelt es sich nicht, sondern um ein feinschichtiges, dünnplattig absonderndes toniges Sedimentgestein. Der Posidonienschiefer streicht entlang eines etwa 180 km langen Bandes zwischen Blumberg, Spaichingen, Balingen, Reutlingen, Göppingen und Aalen aus und verläuft weiter bis zur bayrischen Landesgrenze. Er bildet innerhalb des Schichtstufenlands entlang seines Ausstrichs eine Verebnungsfläche, da die Schichten im Liegenden und im Hangenden weniger verwitterungsresistent sind. Der Ausstrich ist in der Regel wenige 100 m breit.
Die Gesamtmächtigkeit der Posidonienschiefer-Formation schwankt zwischen nur 1 m an der Grenze zu Bayern und rund 30 m im Kraichgau. Von der östlichen Landesgrenze steigt die Mächtigkeit nach Südwesten auf über 10 m bei Schwäbisch Gmünd, fällt im weiteren südwestlichen Verlauf auf ca. 6–8 m bei Göppingen und Weilheim ab, um dann bei Metzingen wieder auf 12 m anzusteigen. In der weiteren Erstreckung über Dotternhausen bis Geisingen schwankt die Mächtigkeit zwischen 8 und 12 m. Der Werksteinhorizont innerhalb des Mittleren Posidonienschiefers, der in den verschiedenen Steinbrüchen im Raum Holzmaden–Ohmden (bei Weilheim) noch zur Herstellung von so genannten Fleinsplatten gewonnen wird, ist dort 18 cm mächtig. In diesem Gebiet wird der Posidonienschiefer bereits seit mehreren Jahrhunderten intensiv genutzt.
Geologisches Alter, Entstehung
Die Sedimentgesteine des Unterjuras wurden vor ca. 180 Mio. Jahren in einem flachen Meeresbecken abgelagert. Während der Bildung des Posidonienschiefers kam es unter sauerstoffarmen Bedingungen zur Ablagerung von Kalk-, Mergel- und Tonsteinen mit erhöhten Bitumenanteilen. Der hohe Gehalt an organischen Verbindungen und Pyrit sowie die feine Laminierung des Sediments deuten auf anoxische Sedimentationsbedingungen vergleichbar mit denen des heutigen Schwarzen Meeres. Das Fehlen von Spuren von grabenden Organismen sowie die sehr gute Erhaltung von Fossilien, teilweise sogar mit Weichteilresten, sprechen dafür, dass zumindest zeitweise zwei getrennte Wasserschichten vorhanden waren: eine obere mit niedrigerem Salzgehalt und eine untere sauerstofffreie mit höherem Salzgehalt.
Der Tonanteil der Posidonienschiefer besteht überwiegend aus Kaolinit. Illit und Chlorit sind in geringeren Mengen vorhanden. Der süddeutsche Posidonienschiefer weist nach Analysen von Küspert (1983) durchschnittlich 9,3 % organischen Kohlenstoff auf (min. 2,3 %, max. 17,6 %; bez. auch als TOC = total organic carbon). Das organische Material, somit auch der TOC-Gehalt, ist innerhalb des Posidonienschieferprofils recht ungleichmäßig verteilt. Nach geochemischen und sedimentologischen Kriterien lassen sich die Posidonienschiefer vom Liegenden zum Hangenden als Mudstones (im Wesentlichen Mergelsteine, Niveau Untere Posidonienschiefer bis zur Fleinsbank), im Abschnitt des Mittleren Posidonienschiefers bis ca. 1 m über dem Oberen Stein als laminierte Ölschiefer und darüber als bituminöse Mudstones bezeichnen (Röhl, 1998; Schmid-Röhl, 1999). In den Mudstones liegt der Gehalt an organischem Kohlenstoff unter 1 %, in den Ölschiefern bei über 10 % und in den bituminösen Mudstones zwischen 1 und 10 %. Die TOC-Gehalte des Ölschiefers erreichen bei Dotternhausen Werte bis 16 % (Schmid-Röhl, 1999).
Das organische Material stammt überwiegend von Phytoplankton und Bakterien mariner Herkunft, die sich unter anoxischen Bedingungen anreichern konnten. Es besteht im Wesentlichen aus Kerogen (nicht lösbarer Anteil) und aus Bitumen; darunter wird der durch organische Lösungsmittel extrahierbare, nicht flüchtige Anteil verstanden (gesättigte und aromatische Kohlenwasserstoffe, Harze und Asphaltene).
Die zur Ölschiefer-Exploration für das Zementwerk Dotternhausen 2008 abgeteufte Bohrung KB 5 (BO7718/285) wurde am LGRB auf ihre Inhaltsstoffe untersucht. Die Analytik ergab einen deutlichen Unterschied im durchschnittlichen Karbonatgehalt zwischen den „Schiefern“ (37 % Karbonate) und den zwischenliegenden Kalkbänken (80 % Karbonate). Der mittlere Schwefelanteil liegt bei den bituminösen Mergelsteinen bei 0,17 %, bei den Kalksteinbänken bei 0,12 %. Der Fleins ist in dieser Bohrung ein Mergelstein mit einem Karbonatgehalt von 37 %, Unterer und Oberer Stein sind Kalksteine mit Karbonatgehalten von 88,5 % bzw. 86,5 %.
Gesteinsbeschreibung, technische Eigenschaften und Verwendung
Bei den Posidonienschiefern handelt es sich um eine Wechsellagerung von bituminösen, fossilreichen, harten, dünnplattigen bis bankigen, gelblichen bis dunkelblaugrauen, teilweise gelbbraun gebänderten, feinlaminierten Kalk-, Mergel- und Tonsteinen. Pyrit tritt fein verteilt oder in Knollen auf. Das Gestein ist sehr fossilreich, neben den häufigen Ammoniten, Muscheln und Belemniten treten auch Seelilien, Fische und Ichtyosaurier auf. Die Nutzungsmöglichkeiten der Sedimente der Posidonienschiefer-Formation waren in der Vergangenheit sehr vielfältig und sind es bis heute. Früher wurden gelegentlich die Horizonte „Unterer Stein“ und „Oberer Stein“ als Mauersteine gewonnen, wobei nur der so genannte „Untere Stein“ frostbeständig ist. Heute (Stand 2021) wird zur Gewinnung von Werksteinen nur noch der Fleins abgebaut. Bei Holzmaden ist dies eine 15–20 cm mächtige, bituminöse und fossilreiche Mergelkalksteinbank. Eine Nutzung des Fleins als Werkstein ist jedoch nicht überall möglich, da diese Bank teilweise zu geringe Mächtigkeiten besitzt oder gar vollständig fehlt.
Die Bauwürdigkeit der Fleinsvorkommen zur Werksteingewinnung orientiert sich maßgeblich an der Abraummächtigkeit. Ist der Abraum zu gering (kleiner 6–7 m), so liegt die Fleinsbank wegen zunehmender Klüftung und Aufspaltung nicht mehr in ausreichender Qualität vor. Ist er zu mächtig (über 9–11 m), ist der Gesteinsverband für eine leichte Gewinnung der Fleinsplatten zu fest, der Abbau somit erschwert und nicht mehr rentabel. Die Rohstoffqualität wird weiterhin durch die Kluftdichte bestimmt. Je nach Kluftabstand werden in der Regel Blöcke mit Kantenlängen zwischen 0,5 und 6 m gewonnen.
Früher wurden aus dem Posidonienschiefer auch Dachschieferplatten hergestellt. Heute findet er überwiegend in der Innenarchitektur Verwendung; er wird eingesetzt für Wandverkleidungen, Bodenplatten, Fensterbänke, Treppenstufen und Tischplatten sowie zur Herstellung von Dekorationssteinen. Im Außenbereich findet der Posidonienschiefer aufgrund seiner geringen Verwitterungsbeständigkeit keinen Einsatz, das Gestein spaltet unter Frosteinwirkung auf und zerfällt in dünne Platten und Scherben. Dies ist zurückzuführen auf den enthaltenen Schwefelkies, der sich in frischer Luft leicht zu Eisenvitriol und Schwefelsäure zersetzt (Reyer, 1927).
Der Abbau findet in den meisten Gewinnungsstellen nur gelegentlich nach Bedarf statt. In einigen Steinbrüchen werden neben dem Fleinsabbau noch Klopfstellen für Fossiliensammler betrieben. Die Steinbrüche um Holzmaden befinden sich in dem 1979 ausgewiesenen Grabungsschutzgebiet „Versteinerungen Holzmaden“. Der Abbau ist so auszuführen, dass Fossilien möglichst wenig gefährdet werden, die Gewinnung erfolgt deshalb durch Reißen. In den Schichten oberhalb des Fleins werden manchmal auch Lockerungssprengungen durchgeführt. Die Schieferplatten gehen oft an Museen und Privatsammlungen.
Die Bemühungen, die im Ölschiefer vorhandenen Kohlenwasserstoffe industriell zu gewinnen, waren in der Vergangenheit zahlreich. Der erste Versuch zur Öl- und Teergewinnung aus dem Posidonienschiefer wurde von den Eisenbahningenieuren Theodor Zeller und Wilhelm Ruff unternommen, die 1856 in Eislingen die Fa. Zeller, Haltiner & Co. gründeten. Ihre Fabrik errichteten sie am nördlichen Ortsrand von Eislingen an der Straße nach Hohenstaufen. Das Verfahren, in stehenden Retorten mit Holzfeuerung Öl aus dem Posidonienschiefer zu gewinnen, erwies sich jedoch als unrentabel, die Firma wurde 1858 aufgelöst (Keierleber & Mundorff, 1999).
Der jüngere Bruder von Theodor Zeller, Albert Zeller, begann 1865 mit 20 Schieferöfen und 17 gusseisernen Retorten den neuen Betrieb, der ab 1866 unter der Bezeichnung „Zeller & Gmelin, Mineralölfabrikation in Groß-Eislingen“ firmierte. Gegen die starke Konkurrenz durch die nordamerikanischen Petroleumimporte behauptete sich die Firma mit der Erzeugung von Maschinenölen und Schmiermitteln erfolgreich am Markt. 1866 hatte die Firma Zeller & Gmelin außerdem bereits geringe Mengen von Schieferöl zur Desinfektion erzeugt (später als Ichthyol bekannt, s. u.). Während der Handel mit Schmierstoffen florierte, erlangte die Ölschieferverschwelung zur Benzinerzeugung erst 1916 durch die Erdölverknappung im Ersten Weltkrieg Bedeutung. Die aufwendigen Versuche (z. B. mit dem Bau einer 40 m langen Drehretorte) mussten bereits 1920 – auch wegen dem heftigen Protest der unter der Rauchgasentwicklung leidenden Anwohner – endgültig eingestellt werden.
Nach ersten Versuchen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts und einer intensiven lagerstättenkundlich-geochemischen Untersuchungsphase vom Ersten Weltkrieg bis in die frühen 20er Jahre setzten die Autarkiebestrebungen im Dritten Reich in den 30er Jahren letztmalig Versuche zur industriellen Ölgewinnung in Gang (Hüttner in: Franz et al., 1987, S. 104 ff). Derzeit stellt der Posidonienschiefer im Vergleich mit anderen Energierohstoffen (Kohle, Erdöl, Erdgas, Uran etc.) jedoch keine energiewirtschaftlich bedeutende Reserve dar.
Der hohe Pyritgehalt wurde früher mancherorts auch zur Gewinnung von Alaun genutzt. Alaune sind Kaliumaluminiumsulfate, die beispielsweise zum Färben und Gerben sowie als Waschmittel eingesetzt wurden. Weiterhin ist der Pyrit im Schiefer der Stofflieferant für schwefelhaltige Mineralwässer, wie sie beispielsweise in Bad Boll anzutreffen sind (Urlichs et al., 1994). Verkohltes, mit Bitumen imprägniertes Holz aus dem Posidonienschiefer, so genannter Gagat, wurde zu Schmuck verarbeitet.
Eine weitere Verwendungsmöglichkeit für den Posidonienschiefer besteht im balneotherapeutischen Bereich. Das fein gemahlene Gesteinsmehl wird hierbei mit Wasser versetzt und erwärmt. Von therapeutischer Bedeutung sind die auf die Feinkörnigkeit des gemahlenen Schiefers (ca. 60–70 % < 0,063 mm) zurückzuführende hohe Wasseraufnahmekapazität (100 g Gesteinsmehl binden bis zu 68 g Wasser), die gute thermoisolatorische Wirkung des erhitzten Schlammes (langsame Abkühlung wegen der Feinkörnigkeit und des hohen Anteils von bituminöser organischer Substanz) sowie des in organischer Bindung vorliegenden Schwefels (Benade, 1935). Die derzeit (Stand 2021) einzige zu diesem Einsatzzweck betriebene Abbaustelle in Baden-Württemberg liegt bei Bad Boll nordöstlich von Weilheim a. d. Teck (RG 7323‑6). Hier wird seit 1933 der „Posido-Fango“ oder auch „Boller Jurafango“ aus 12 m mächtigen, bituminösen Tonsteinschichten hergestellt und für balneotherapeutische Einsatzzwecke verkauft. Steinbruch und Fangowerk gehören seit 1994 der Gemeinde und der Kurhaus Bad Boll GmbH (LGRB, 2001a).
Eine zukünftige Nutzung des Posidonienschiefers als Rohstoff für die petrochemische und pharmazeutische Industrie ist nicht auszuschließen. In Schieferöl-Sulfonsäuren sind Ammonium-, Natrium- und Calciumsalze, die sog. Bituminosulfonate, enthalten, die aufgrund ihrer antiseptischen, entzündungshemmenden und resorptionsfördernden Wirkung zur Behandlung von Hautentzündungen und rheumatischen Erkrankungen verwendet werden. Wie zuvor ausgeführt, hat die Fa. Zeller & Gmelin bereits 1866 ein entsprechendes Präparat entwickelt (Keierleber & Mundorff, 1999). Bekannt sind die den Wirkstoff Ammoniumbituminosulfat enthaltenden Wundheilsalben „Ichthyol“ und „Ichtholan“.
Die Mergelsteine sind in der Vergangenheit auch zum Kalkbrennen verwendet worden, so hat es u. a. auch östlich von Holzmaden einen Kalkofen gegeben. Aufgrund des Anteils an Kohlenwasserstoffen wird der Posidonienschiefer heute (Stand 2021) bei Dotternhausen bei der Herstellung von Zementen eingesetzt (Fa. Holcim, ehemals Fa. Rohrbach Zement). Die bei Dotternhausen genutzten Ölschiefer enthalten im Mittel 9 M.‑% Kohlenwasserstoffe (Hilger, 2000). Beim Schwelen gehen etwa 40 % in Rohöl über, so dass der gewinnbare Ölgehalt zwischen 4 und 4,5 M.‑% des Gesteins liegt. Der Heizwert der Ölschiefer beträgt ca. 3500 kJ/kg. Seit 1949 ist das Werk der Firma Holcim in Dotternhausen (RG 7718‑4) das einzige Unternehmen in Baden-Württemberg, das Ölschiefer zur Herstellung von Zementen verwertet.
Außerdem wurde bei Göppingen-Holzheim, auf der südlichen Flanke des Filstals, seit Anfang der 1920er Jahre Posidonienschiefer abgebaut und verarbeitet. Hier wurde von der Jura-Ölschieferwerke AG Stuttgart in den „Jurawerken Holzheim“ ein Drehrohrschwelofen gebaut. Aus der nach der Verschwelung verbleibenden Schieferasche wurde ein Kunststein, der sog. Liasitstein, entwickelt (Keierleber & Mundorff, 1999).
Physikalisch-technische Werte nach Lukas (1990b) |
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2,04 g/cm3 |
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2,14 g/cm3 |
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effektive Porosität |
3,01 Vol.‑% |
Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck |
1,93 M.‑% |
Varietäten und wichtige Abbaugebiete
Der Abbau von Posidonienschiefer zur Gewinnung von Naturwerksteinen konzentriert sich seit jeher auf den Bereich um Holzmaden und Ohmden. Nach Reyer (1927) ist die Schieferindustrie dort schon mehrere hundert Jahre alt. Demnach wurde vor 1914 in etwa 30 Brüchen und 8 Werken Posidonienschiefer gebrochen und verarbeitet. Abgebaut wurde häufig von Bauern im Nebenerwerb, die gewonnenen Platten wurden an Schieferwerke zur Weiterverarbeitung verkauft. Die oft jahrhundertealten Steinbrüche sind nach der Ausbeutung in der Regel wieder verfüllt worden, weshalb es heute meist nicht mehr möglich ist, die Bereiche des ehemaligen Abbaus exakt zu bestimmen und kartographisch darzustellen. Die alten Abbaue wurden als „wandernde Steinbrüche“ betrieben. Diese waren nur wenige Meter breit und lang, der Abraum wurde von der Abbaufront auf die gegenüberliegende Steinbruchseite umgeschichtet. Die Abbautiefe betrug meist 5–6 m.
Die gewonnenen Platten wurden verwendet zur Herstellung von Fußboden- und Wandplatten, Fenstersimsen, Ofensteinen, Ofendeckplatten, Bodenplatten als Unterlage für gusseiserne Öfen, Tischplatten, Labortischen, Sockelleisten, Schreibtafeln, Schulwandtafeln, Spülbänken, Dampfheizungsplatten, Ölpissoirplatten, Pissoirrinnen, Deko-Objekten (Wand- und Tischuhren, Wetterstationen, Aschenbecher, Geschenkartikel etc.) usw. Die Platten werden geschliffen und poliert oder bruch- bzw. spaltrau verwendet. Nach Frank (1949) und Urlichs et al. (1994) waren im späten Mittelalter nach den beobachteten Resten die Flure in den Schlössern der Hohenstaufen bereits mit Schieferfleins belegt, so z. B. auf der 1525 zerstörten Burg Hohenstaufen. Lukas (1990b) nennt als Verwendungsbeispiele Wandverkleidungsplatten in den Innenräumen des Landratsamts Esslingen.
Aktuelle Gewinnung und Bezugsmöglichkeiten
Der Abbau von Posidonienschiefer zur Gewinnung von Werksteinen konzentriert sich auf den Bereich um Holzmaden, wo die Fleinsbank zur Gewinnung von Platten für Tische, Treppenstufen etc. noch heute (Stand 2021) zeitweise gewonnen wird. Die bei Holzmaden etwa 18 cm mächtige Fleinsbank wird drei bis vier Mal entlang der Lager gespalten. Derzeit (Stand 2021) wird der Abbau noch in zwei Steinbrüchen betrieben. Die genaue Anzahl der stillgelegten Betriebe ist nicht bekannt, da die Fleinsgewinnung vielerorts bereits lange vor der systematischen Erfassung von Gewinnungsstellen durch das LGRB stattgefunden hat und die meisten Abbaustellen wieder verfüllt sind.
Im seit 2010 gültigen Regionalplan der Region Stuttgart sind sechs sog. schutzbedürftige Bereiche und ein Sicherungsbereich ausgewiesen. Dies bringt zum Ausdruck, dass auch die beteiligten Kommunen an einer Fortführung des Schieferabbaus interessiert sind. Von den vier betriebenen Steinbrüchen stehen alle unter Bergaufsicht.
Eine weitere Gewinnungsstelle von Posidonienschiefer befindet sich bei Dotternhausen, wo er jedoch ausschließlich zur Herstellung von Zementprodukten gewonnen wird. Der Fleins hat überdurchschnittlich hohe Gehalte an organischen Bestandteilen. Der Bitumengehalt beträgt 5,9 %, der Kerogengehalt 17,3 % (GLA, 1974). Dennoch erfolgt der Abbau in Dotternhausen nur bis zum Top des Fleins, da dieser eine tragfähige Sohlschicht für die schweren Fahrzeuge abgibt. Versuche in den 70er/80er Jahren, den Fleins als Werkstein zu gewinnen, wurden wieder eingestellt. Durch die stärkeren Sprengungen beim Abbau des Ölschiefers sind Haarrisse entstanden, entlang derer die Platten nach einiger Zeit zerbrochen sind (Mitt. Dr. M. Jäger / F. Lörcher). Auch in den übrigen, heute stillgelegten Steinbrüchen im Raum Dotternhausen wurde der Posidonienschiefer bis auf eine Ausnahme zur Zement- und Kunststeinherstellung abgebaut. Im Steinbruch Schömberg (bei der „Oberen Säge“, RG 7818‑103) wurden sechs 5–7 cm mächtige Platten gebrochen, aus denen Ofen-, Wand-, Boden- und Möbelplatten hergestellt wurden. Als in den 70er Jahren im Raum Ohmden Materialengpässe auftraten, wurden die Schömberger Platten sogar in den Raum Ohmden geliefert (Mitt. A. Eha).
Potenzial
Der Posidonienschiefer streicht entlang eines etwa 180 km langen, in der Regel wenige 100 m breiten Bandes vom Raum Blumberg in nordöstlicher Richtung bis zur bayrischen Landesgrenze in einer Mächtigkeit von 1–30 m aus. Der heute noch genutzte Werksteinhorizont ist der Fleins, dessen Existenz, Mächtigkeit und Verwendungsmöglichkeit aber nicht für den gesamten Ausstrichbereich des Posidonienschiefers bekannt ist. Gut untersucht ist er für den Raum Holzmaden und Ohmden, wo er 15–20 cm mächtig ist und schon seit mehreren hundert Jahren als Naturwerkstein gewonnen wird. Die Schichtenabfolge des Posidonienschiefers ist in diesem Gebiet lateral gleichbleibend und der Fleins sollte demnach in der Umgebung in ähnlich guter Qualität anzutreffen sein. Die oft jahrhundertealten Steinbrüche sind nach der Ausbeutung in der Regel aber wieder verfüllt worden, weshalb es heute meist nicht mehr möglich ist, die Bereiche des ehemaligen Abbaus exakt zu bestimmen und kartographisch darzustellen, was die Abgrenzung möglicher Werksteinvorkommen erschwert. Weiterhin ist die Nutzbarkeit der Fleinsvorkommen zur Werksteingewinnung hinsichtlich Gesteinsverband und Klüftung von der Abraummächtigkeit zwischen 6 und 11 m abhängig. Neben dem Gebiet Holzmaden–Ohmden gab es bei Dotternhausen in den 1970/80er Jahren Versuche, den Fleins beim Abbau des Posidonienschiefers zur Herstellung von Zementprodukten beibrechend zu gewinnen, was sich jedoch durch die Gewinnung mittels Sprengungen nicht bewährt hat. Die Gewinnung von Werksteinplatten ist noch für einen Steinbruch bei Schömberg überliefert. In den übrigen Gebieten ist eine Nutzung des Posidonienschiefers als Werkstein nicht überall möglich, da der Fleins oft zu geringe Mächtigkeiten besitzt oder gar vollständig fehlt.
Kurzfassung
Der Posidonienschiefer wird seit jeher vielfältig genutzt. Die Palette reicht von der Gewinnung der im Ölschiefer vorhandenen Kohlenwasserstoffe über die Herstellung von Alaun bis hin zur Verarbeitung als Schmuck (Gagat). Heute (Stand 2021) wird er noch bei der Herstellung von Zementen eingesetzt sowie im balneotherapeuthischen Bereich, außerdem ist der Posidonienschiefer bei Fossiliensammlern sehr beliebt. Als Naturwerkstein wurden in der Vergangenheit auch der Untere und der Obere Stein als Mauersteine gewonnen. Heute (Stand 2021) wird für diesen Zweck nur noch der Fleins abgebaut. Bei Holzmaden ist der Fleins als eine 15–20 cm mächtige, bituminöse und fossilreiche Mergelkalksteinbank ausgebildet, die für die Gewinnung der Werksteinplatten drei bis vier Mal entlang der Lager gespalten wird. Diese Platten finden heute überwiegend in der Innenarchitektur Verwendung als Fußboden- und Wandverkleidungen, Fensterbänke, Treppenstufen und Tischplatten. Obwohl nicht mehr alle Bereiche, in denen der jahrhundertealte Abbau bereits umgegangen ist, rekonstruierbar sind, dürften bei ungefähr gleichbleibender Nachfrage die noch vorhandenen Vorräte im Gebiet Holzmaden–Ohmden dennoch für weitere Jahrhunderte ausreichen.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (1935). Ergebnisse der chemischen und physikalischen Untersuchungen des Präparats „Posido“. – Müller, K. (Hrsg.). Posido-Fango. Deutscher Heil-Urschlamm, S. 29–38, Stuttgart (Henkel).
- (1949). Technologische Geologie der Bodenschätze Württembergs. 446 S., Stuttgart (Schweizerbart).
- (1987). Erläuterungen zu Blatt 7719 Balingen. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 146 S., 1 Taf., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1974). Die Ölschiefer in Baden-Württemberg. 60 S., Freiburg i. Br. [unveröff.]
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- (1999). Ölrausch im Filstal und auf der Schwäbischen Alb. – Manuskript zum am 2.12.1999 in Eislingen gehalt. Vortrag, 22 S., Göppingen (Stadtarchiv). [unveröff.]
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- (1927). Die Bausteine Württembergs nach ihrer mineralogischen Zusammensetzung und ihrer Struktur in Bezug zu ihrer bautechnischen Verwendung und wirtschaftlichen Bedeutung. VIII + 138 S., 3 Taf., Halle/Saale (Martin Boerner Verlagsanstalt). [8 Abb.]
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- (1999). Hochauflösende geochemische Untersuchungen im Posidonienschiefer (Lias epsilon) von SW-Deutschland. – Tübinger Geowissenschaftliche Arbeiten, Reihe A, 48, S. 1–189.
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