Gesteinsbeschreibung
Der Oberkirch-Granit, auch bekannt unter den Lokalnamen „Kappelrodeck-“, „Sasbachwalden-“, „Ringelbach-“, „Blaubronn-“ oder „Kesslerschrofen-Granit“, erstreckt sich über 25 km in N–S-Richtung am südwestlichen Rand des Nordschwarzwälder Granitmassivs. Es handelt sich um einen hell- bis mittelgrauen, inhomogenen, unterkarbonischen Biotitgranit. Die Inhomogenität des Granits bezieht sich auf seine äußere Erscheinung, die durch Wechsel in der Korngröße und Anzahl der Einsprenglinge geprägt ist. Der nördliche Teil des Oberkirch-Granits ist gekennzeichnet durch große, weiße Feldspäte in einer dunklen, biotitreichen Grundmasse. Dagegen sind im Süden häufig hellere, biotitärmere Granite vertreten, die eine mittel- und gleichkörnige Ausbildung zeigen (Metz, 1977).
Der Granit von Oberkirch besteht aus Kalifeldspat, Plagioklas, Quarz, Biotit sowie den Nebengemengteilen Muskovit, Apatit, Zirkon, Opakerz und vereinzelt Allanit (s. u. Tabelle). Je nach Ort der Probenahme können die Ergebnisse der petrographischen Zusammensetzung leicht variieren. Das besondere Kennzeichen des Oberkirch-Granits sind seine weißen Kalifeldspatgroßkristalle. Sie können nach Otto (1971/72) eine Größe von bis zu 10 cm Länge bei 2 cm Breite erreichen und geben dem Granit ein grobporphyrisches Aussehen, weshalb er bisweilen als „Schwartenmagen-Granit“ bezeichnet wird.
Tabelle: Mineralbestand des Oberkirch-Granits ermittelt anhand von Dünnschliffanalysen (Otto, 1971/72; Emmermann, 1977; Macia, 1980)
Mineral |
Mittlere Modalzusammensetzung in Vol.‑% |
||||
Macia (1980) |
Emmermann (1977) |
Otto (1971/72) |
Dunkle Varietät, Otto (1971/72) |
Helle Varietät, Otto (1971/72) |
|
Quarz |
32 |
27 |
27 |
23 |
27 |
16 |
27 |
27 |
21 |
33 |
|
30 |
34 |
34 |
40 |
32 |
|
20 |
11 |
11 |
17 |
9 |
|
Muskovit |
1 |
< 1 |
< 1 |
– |
< 1 |
< 1 |
1 |
1 |
< 1 |
< 1 |
Häufig zeigen die Porphyroblasten idiomorphe bis hypidiomorphe Kristallformen. Des Weiteren weisen sie eine Verzwilligung nach dem Karlsbader Gesetz, Zonarbau und Einschlüsse aus Biotit und Plagioklas auf. Die Verteilung der Großkristalle ist variabel. Durchschnittlich bestehen 18–19 Vol.‑% des Gesteins aus diesen Kristallen (Otto, 1971/72). Nach Beobachtungen von Otto treten sie in schlierenförmigen, metergroßen Partien gehäuft auf und können durch 10–100 m große, gleichkörnige Bereiche getrennt sein. Gegenüber den Kalifeldspateinsprenglingen erreichen die Kalifeldspäte der Grundmasse meistens nur wenige mm Größe und sind hypidiomorph ausgebildet. In der Grundmasse treten weiterhin Plagioklaskristalle (Oligoklase) auf, die eine Größe von 0,6–10 mm aufweisen. Die weißen Kristalle sind häufig polysynthetisch verzwillingt und idiomorph ausgebildet. Der graue bis klare Quarz besitzt eine xenomorphe Struktur und erreicht 4–5 mm Durchmesser. Die Biotitkristalle bilden dicke, schwarze, idiomorphe bis hypidiomorphe Tafeln, die im Mittel einen Durchmesser von ca. 2 mm aufweisen.
Tabelle: Chemische Zusammensetzung des Oberkirch-Granits aus dem aufgelassenen Steinbruch (RG 7314‑1, LGRB-Analyse, 2008; Angaben in M.‑% bzw. ppm)
Chemische Zusammensetzung |
SiO2 |
TiO2 |
Al2O3 |
Fe2O3 |
MnO |
MgO |
CaO |
Na2O |
K2O |
P2O5 |
Ba |
F |
Rb |
Sr |
RG 7314‑1 |
65,2 |
0,7 |
16,1 |
4,4 |
0,09 |
1,4 |
2,1 |
3,2 |
5,4 |
0,3 |
1107 |
1175 |
203 |
195 |
Geochemisch handelt es sich beim Oberkirch-Granit um einen Granit bis Granodiorit, wobei Otto (1971/72) auf die für den Oberkirch-Pluton charakteristischen geringen Ca- und hohen K-Gehalte hinweist.
Technische Eigenschaften
In den Steinbrüchen bei Sasbachwalden, Kappelrodeck und Waldulm (RG 7314‑1, 7414‑1 u. ‑2) ist der Oberkirch-Granit in Mächtigkeiten zwischen 20 und 160 m aufgeschlossen. Im Steinbruch Waldulm wird der Oberkirch-Granit an den Randbereichen einer Scholle aus rötlichem, mittelkörnigem Zweiglimmergranit gewonnen, der das eigentliche Ziel des Abbaus darstellt. Der Zweiglimmergranit kann hier aufgrund seiner engständigen Klüftung nicht für Naturwerksteine genutzt werden. Die Klüftung im Bereich des Oberkirch-Granits stellte sich in allen Betriebsbefahrungen des LGRB seit 1986 als unregelmäßig heraus. Im Steinbruch Waldulm (RG 7414‑2) liegt sie im Meterbereich, wogegen sie im Steinbruch Kappelrodeck (RG 7414‑1) auf mehrere Meter Abstand erhöht ist. Aufgrund dieser unterschiedlichen Kluftabstände variieren die Rohblöcke zwischen 1 und etwa 50 m3 Größe. Lukas (1990b) und Müller (1984ff, Internationale Naturwerkstein-Kartei, INSK) beschreiben den Oberkirch-Granit als verwitterungsbeständiges Gestein. Darüber hinaus ist er uneingeschränkt polierbar. Folgende gesteinsphysikalische Daten werden von Metz (1977) (M), Lukas (1990b) (L) sowie in Prüfzeugnissen der Adam Schütz KG von 2002 (S) für den Oberkirch-Granit angegeben:
Gesteinsphysikalische Daten |
Oberkirch-Granit |
2,64–2,69 g/cm3, Mittelwert 2,67 g/cm3 |
|
2,70 g/cm3 |
|
0,58 Vol.‑% |
|
Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck |
0,17 M.‑% (L), 0,26–0,29 M.‑%, Mittelwert 0,27 M.‑% (S) |
Wasseraufnahme unter Vakuum |
0,22 M.‑% |
Sättigungsgrad/s‑Wert |
0,81 |
155,5–192,3 MPa, Mittelwert 168,3 MPa (S), 245 MPa (M) |
|
13,1–15,8 MPa, Mittelwert 14,3 MPa |
|
Beständigkeit |
gegen Frost und Aggressorien beständig |
Verwendung
Aus dem Oberkirch-Granit wurden z. B. Fassaden- und Bodenplatten für das Rathaus in Kappelrodeck, das Turenne-Denkmal in Sasbachwalden, das Bismarck-Denkmal in Hamburg sowie viele Grabmäler hergestellt. Die 1983 von Max Bill gestaltete Pavillon-Skulptur in der Züricher Bahnhofstraße ist ein schönes zeitgenössisches Beispiel. Das Material für die Skulptur stammt aus einem mehrere 100 Kubikmeter großen Felssturz, der sich im stillgelegten Steinbruch Kappelrodeck (RG 7414‑1) Anfang der achtziger Jahre ereignet hatte. In Freiburg i. Br. ist Oberkirch-Granit in der unteren Säulenhalle des Kollegiengebäudes I (erbaut 1909–1911) und als Bodenplatten im Kollegiengebäude II (1961) der Albert-Ludwigs-Universität verbaut worden (Otto, 1971/72). Oberkirch-Granit wurde zudem häufig zum Brückenbau verwendet. Gesteine mit Werksteinqualität eignen sich für Massivbauten, Boden- und Wandplatten, Sägeplatten, Fensterbänke, Grabmale und Denkmale sowie Pflaster- und Randsteine.
Aktuelle Gewinnung
In den 1970er Jahren waren nach Angaben von Otto (1971/72) noch vier Steinbrüche bei Schwend, Bobenholz, Ringelbach und Murberg in Betrieb. Heute (Stand 2021) ist es nur noch der Steinbruch Waldulm (RG 7414‑2) der Fa. Ossola, die daraus aber hauptsächlich Schotter und Splitte herstellt. Der letzte Naturwerksteinbruch bei Kappelrodeck (RG 7414‑1) der Fa. A. Schütz Natursteinwerk ist seit 1995 stillgelegt.
Potenzial
Der dunkle, porphyrartige, biotitreiche Oberkirch-Granit besitzt in weiten Partien ein weitständiges Kluftsystem, welches die Gewinnung von großen Rohblöcken ermöglicht. Überlagerungsmächtigkeiten durch vergrusten Granit oder Hangschutt erreichen durchschnittlich 3–6 m und sind im Vergleich zu anderen Granitvorkommen als geringmächtig einzustufen. Die zahlreichen kleinen und mittleren Steinbrüche, insbesondere um das Achertal, deuten auf eine starke Abbautätigkeit in früheren Zeiten hin. Aus diesen Gründen kann das Nutzungspotenzial als hoch bis sehr hoch eingestuft werden. In der Karte mineralischer Rohstoffe 1 : 50 000 Blätter L 7312 Rheinau und L 7314 Baden-Baden (LGRB, 2011a) sind Vorkommen im Oberkirch-Granit dargestellt, die als wirtschaftlich interessante Gebiete für den Abbau von Granit in Frage kommen.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (1977). A Petrogenetic Model for the Origin and Evolution of the Hercynian Granite Series of the Schwarzwald. – Neues Jahrbuch für Mineralogie, Abhandlungen, 128/3, S. 219–253.
- (2011a). Blatt L 7312/L 7314 Rheinau/Baden-Baden und Westteil des Blattes L 7316 Bad Wildbad, mit Erläuterungen. – Karte der mineralischen Rohstoffe von Baden-Württemberg 1 : 50 000, 243 S., 36 Abb., 9 Tab., 3 Kt., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau). [Bearbeiter: Anders, B. & Kimmig, B., m. Beitr. v. Werner, E. & Kilger, B.-M.]
- (2011b). Blatt L 7512/L 7514 Offenburg/Oberkirch und Blatt L 7712 Lahr im Schwarzwald, mit Erläuterungen. – Karte der mineralischen Rohstoffe von Baden-Württemberg 1 : 50 000, 362 S., 55 Abb., 15 Tab., 3 Kt., 1 CD-ROM, Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau). [Bearbeiter: Poser, C. & Kleinschnitz, M., m. Beitr. v. Bauer, M. & Werner, W.]
- (1990b). Geologie und Naturwerksteine Baden-Württembergs. – Grimm, W.-D. (Hrsg.). Bildatlas wichtiger Denkmalgesteine der Bundesrepublik Deutschland, S. 147–162, 2 Taf., München (Arbeitsheft Bayr. Landesamt Denkmalpflege, 50). [2 Abb.]
- (1980). Petrographisch-geochemische Untersuchungen granitischer Gesteine im Nordschwarzwald. – Arbeiten aus dem Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Stuttgart, N. F. 75, S. 1–61.
- (1977). Mineralogisch-landeskundliche Wanderungen im Nordschwarzwald, besonders in dessen alten Bergbaurevieren. 2. Aufl., 632 S., Lahr (Schauenburg).
- (1984ff). INSK – Internationale Naturstein-Kartei. 1ff S., Ulm (Ebner). [10 Bände, Loseblattsammlung]
- (1971/72). Der Granit von Oberkirch im Nordschwarzwald. – Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br., 61/62, S. 5–57, 1 Kt. [8 Abb., 6 Tab.]