Übersicht
Von herausragender Bedeutung sind die Werksteine der Quaderkalkfazies, die in Württembergisch Franken und in Mainfranken im obersten Teil der Meißner-Formation auftreten (Oberer Muschelkalk, Quaderkalk-Formation). Quaderkalk ist ein von Steinbrechern eingeführter Begriff, der aus der Gegend Krensheim–Kirchheim–Ochsenfurt stammt. Er bezeichnet dickbankige, bioklastische Kalksteine mit einem typischen, meist rechtwinklig verlaufenden Kluftnetz, das annähernd quaderförmige Blöcke liefert. Maßgebend für den langen und andauernden wirtschaftlichen Erfolg der Quaderkalke sind die mehrere Kubikmeter großen Blöcke („Quader“), die infolge des weitständigen, senkrecht aufeinanderstehenden Kluftnetzes gewonnen werden können, die guten gesteinstechnischen Eigenschaften sowie die geringen Abraummächtigkeiten, die einen kostengünstigen Steinbruchbetrieb erlauben.
Nach 1000 Jahren nachweisbaren Abbaus kommt dem Quaderkalk immer noch eine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung zu. Dies belegen die zahlreichen betriebenen Steinbrüche im Raum Krensheim in Tauberfranken und im Gebiet Kirchheim–Ochsenfurt in Mainfranken. In seinem Verbreitungsgebiet bestimmt der Quaderkalk die historische Bausubstanz an kirchlichen und profanen Bauten. Im eigentlichen Abbaugebiet erhalten auch die Dörfer durch die massiven Steinhäuser, wie in Grünsfeld und Krensheim gut zu sehen, ihren eigenen Charakter. Der Quaderkalk ist jedoch keineswegs ein regionaler Baustein. Unter der Bezeichnung „Fränkischer Muschelkalk“ wird er in ganz Europa im Hochbau eingesetzt. Er ist ein hochwertiger, gegen schädliche Umwelteinflüsse unempfindlicher Mauerstein. Der Quaderkalk wird jedoch auch mit und gegen das Lager gesägt und poliert zur Verkleidung von Fassaden und als Bodenbelag verwendet. Die besten Qualitäten dienen als Bildhauerstein.
Historische Nutzung
Die Zahl der über die Jahrhunderte betriebenen Steinbrüche im Quaderkalksteinrevier geht in die Hunderte. Damit zählt es weltweit zu den Regionen mit der größten Steinbruchdichte (Rutte, 1957). Schon vor etwa 800 Jahren wurden in der Grünsfeld–Krensheimer-Gegend Quaderkalke abgebaut, wie die Bau- und Ornamentsteine an der St. Achatius-Kapelle (1180–1210) in Grünsfeldhausen oder an Teilen des Grünsfelder Schlosses und der Stadtmauer zeigen (Weiss, 1992). Auch in den späteren Jahrhunderten wurde Quaderkalk für Sakralbauten und öffentliche Bauten benutzt (z. B. Kirche St. Peter und Paul, 14. Jahrhundert, und Rathaus von Grünsfeld, 16. Jahrhundert). Im 16. Jahrhundert waren Steinmetze schon eine bedeutende Gruppe in der Handwerkerschaft von Grünsfeld. Bis nach Würzburg wurden Steine geliefert, z. B. für die berühmte Mainbrücke. Die Verwendung als Baustein war zwar bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend auf die nähere Umgebung beschränkt, doch bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden aus dem Maingebiet, besonders aus Randersacker, Guss- und Abtrittsteine bis nach Holland verschifft (Haas, 2002).
Ein bedeutender Aufschwung beim Quaderkalkabbau erfolgte in den Jahren 1864–66 mit dem Bau der Eisenbahnstrecke Heidelberg–Würzburg. Der Bau von Bahnbefestigungen, Stützmauern, Brücken und Tunnels ergab einen sehr hohen Bedarf an behauenen Steinen, der durch eine Erweiterung des Abbaus gedeckt wurde. Durch den Ausbau des Schienennetzes vergrößerte sich das Absatzgebiet ständig. Am Ende des 19. Jahrhunderts nahm der Quaderkalk von Krensheim und dem ca. 6 km nordöstlich gelegenen bayerischen Kirchheim den ersten Platz unter den Werksteinen Deutschlands ein. Ab Anfang des 20. Jh. wurde der Quaderkalk auch deutschland- und europaweit verkauft, gelegentlich auch nach Übersee (Buenos Aires, New York und Singapur, Rutte, 1957). Als der Erste Weltkrieg ausbrach, waren z. B. in Kirchheim/Unterfranken, Gaubüttelbrunn, Kleinrinderfeld, Moos und anderen Orten rund 1400 Steinhauer tätig (Haas, 2002). Bis in den Anfang des Zweiten Weltkriegs hinein florierte der Quaderkalkabbau und ‑verkauf. Nach Kriegsende benötigte die Steinbruchindustrie mehrere Jahre, um wieder Fuß zu fassen. Um 1950 waren zeitweise mehr als 300 Personen in den Steinbruchbetrieben beschäftigt. Ab 1950 bedingten das Angebot an billigen Importgesteinen und die schlechte maschinelle Ausstattung der Betriebe ein regelrechtes Steinbruchsterben. Heute (Stand 2013) sind in den Abbaugebieten bei Krensheim in Baden-Württemberg und bei Kirchheim/Ufr. noch ca. 20 Steinbrüche in Betrieb.
Gesteinsbeschreibung
Die Quaderkalke bestehen aus dickbankigen, oft deutlich schräggeschichteten Schillkalksteinen. Die dicht gepackten Hauptbestandteile sind zerbrochene Muschel- und Brachiopodenschalen. Das Gefüge ist komponentengestützt mit Lang- und Punktkontakten. Die Schalenbruchstücke sind meist mit Kalzit umkrustet. Bis mehrere cm lange Intraklasten aus feinkörnigem Kalkschlamm und Ooide treten auf, Mikrit (feinkörniger Kalkschlamm) fehlt meistens. Das Bindemittel besteht überwiegend aus sparitischem Zement, z. T. auch aus Mikrosparit. Das Gestein ist stark porös, was auf nicht zementierte oder durch Lösung entstandene Hohlräume im Bruchschill zurückzuführen ist. Die Poren sind gelegentlich mit rostbraunem Eisenoxidhydrat ganz oder auch nur teilweise gefüllt, was dem ansonsten hellgrauen Gestein eine rötlich braune Farbe verleiht.
Geologische Entstehung
Der Quaderkalk ist eine fazielle Sonderentwicklung in den oberen maximal 20 m des Oberen Muschelkalks in Tauberfranken und Mainfranken. Dieser Abschnitt ist generell durch einen Meeresrückzug und eine damit verbundene Verflachung des marinen Ablagerungsraums gekennzeichnet. Das Ablagerungsgebiet reicht von Rothenburg o. d. Tauber bis Würzburg. Diesen NW–SO-streichenden Flachmeerbereich bezeichnete Wagner (1913) als Gammesfelder Barre. Im Bereich dieser Untiefe herrschten zur Zeit der Quaderkalkentstehung im sehr flachen (Tiefe ca. 5–10 m), gut durchlüfteten, nährstoffreichen Wasser gute Lebensbedingungen. Eine hohe Produktionsrate an biogenem Material war die Folge. Durch starke Strömungen und wiederholte Stürme wurden die biogenen Komponenten aufgearbeitet, umgelagert und zu mächtigen Schilllagen akkumuliert.
Die Meeresspiegelschwankungen während der Quaderkalkbildung führten bei Hochstand zu einer Einengung oder zum Aussetzen der Quaderkalkfazies und bei Niedrigstand zu einer Ausdehnung. Das Zentrum der Gammesfelder Barre verlagerte sich mit der Zeit mehrfach und auch ihre Ausdehnung war unterschiedlich. Daher stellt der Quaderkalk nicht einen einheitlichen Horizont dar, sondern tritt mit unterschiedlicher räumlicher Verbreitung in verschiedenen stratigraphischen Bereichen auf (Geisler, 1939; Geyer, 2002; Hoffmann, 1967; Rutte, 1965). Die weiteste Verbreitung hat der sog. Obere Hauptquaderhorizont, die geringste der sog. Grenzquader am Top der Quaderkalk-Formation. Der Meeresrückzug wird im Raum Krensheim daran deutlich, dass die Quaderkalkfazies im Südosten einsetzt und beckenwärts nach Nordwesten in höhere stratigraphische Bereiche wandert. Insgesamt lassen sich die Quaderkalke hinsichtlich Ausdehnung und Entstehung gut mit rezenten Karbonatsandkörpern des Persischen Golfs vergleichen (Kostic, 2001; Kostic & Aigner, 2004).
Gesteinsphysikalische Kennwerte
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Gesteinstechnische Kennwerte 1) |
2,34–2,40 g/cm3 |
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2,72 g/cm3 |
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Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck |
2,44 M.‑% |
Wasseraufnahme unter Vakuum |
5,91 M.‑% |
Sättigungsgrad/s‑Wert |
0,42 |
5,4–7,0 MPa, Mittelwert 6,2 MPa |
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10,2 MPa |
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Beständigkeit |
beständig gegen Frost; nicht beständig gegen Aggressorien; Polierfähigkeit gut, Politur außen nicht beständig |
1) nach Rumpf (1984), Lukas (1990b) und Müller (1984ff; Internationale Naturstein-Kartei, INSK)
Im Steinbruch Grünsfeld-Saubrunnen (RG 6324‑11) der Fa. Seubert/Kleinrinderfeld wird, wie überall im Krensheimer Gebiet, der Obere Hauptquader abgebaut, der Abbau ruht seit 2015. Die genutzte Mächtigkeit beträgt 4 m. Sowohl die untere Sohle als auch die Abraumsohle zeigen eindrucksvoll das gut ausgebildete Kluftmuster. Die Quaderkalkfazies ist hier insgesamt ca. 10 m mächtig und reicht nach oben bis an die Basis der Oberen Terebratelbank, einem Leithorizont im obersten Teil der Meißner-Formation. Der ca. 7 m mächtige Abraum besteht aus den Gesteinen der Fränkischen Grenzschichten am Top des Oberen Muschelkalks und aus den basalen Dolomiten und Mergelsteinen des Unterkeupers. Die Weiterverarbeitung der Quaderkalke erfolgt im Natursteinwerk der Firma Borst im nahe gelegenen Kleinrinderfeld.
Verwendungsbeispiele
Zahlreiche repräsentative Bauten sind überwiegend oder teilweise aus Quaderkalk erbaut worden:
- Neue Universität Würzburg
- alte Mainbrücke Würzburg
- Achatius-Kapelle in Grünsfeldhausen
- Olympiastadion Berlin
- Moritzkirche Coburg
- Überlinger Münster (neben anderen Naturwerksteinarten)
- Britisches Kriegerdenkmal Sage/Oldenburg
- Rathaus in Leipzig
- Bahnhof in Nürnberg
In Krensheim war Quaderkalk früher natürlich der meistverwendete Baustein, und die damit in Massivbauweise errichteten Häuser bestimmen das Dorfbild. Im Interesse eines einheitlichen Erscheinungsbilds werden noch immer Quaderkalke für neue Häuser als Massivbaustein oder als Fassadenplatten verwendet.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (1969). Lithologie, Geochemie und Paläontologie des Grenzbereiches Muschelkalk-Keuper im Franken. – Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins Würzburg, 10, S. 3–155.
- (2009). Naturwerksteine in Württembergisch Franken: Crailsheimer Muschelkalk – Krensheimer Quaderkalk – Roter Mainsandstein (Exkursion 2 am 29.10.2009). – Grassegger, G., Werner, W. & Wölbert, O. (Hrsg.). Die Naturwerksteinvorkommen Baden-Württembergs und ihr Einsatz für Denkmalpflege, Technik und Architektur – Tagungsband ARKUS-Tagung 2009, S. 93–110, Stuttgart (Fraunhofer). [9 Abb.]
- (1939). Zur Stratigraphie des Hauptmuschelkalks in der Umgebung von Würzburg mit besonderer Berücksichtigung der Ceratiten. – Jahrbuch der Königlich Preußischen Geologischen Landesanstalt, 59, S. 197–248, 5 Taf. [16 Abb.]
- (2002). Geologie von Unterfranken und angrenzenden Regionen. – Fränkische Landschaft, Bd. 2, 588 S., 1 Kt., Gotha, Stuttgart (Klett-Perthes). [234 Abb., 5 Tab.]
- (2002). Die alten Steehawer, ihre Steinbrüche und Werkplätze in Mainfranken. – Frankenland, 54, S. 325–336. [6 Abb.]
- (1967). Erläuterungen zur Geologischen Karte von Bayern 1 : 25 000, Blatt 6225 Würzburg-Süd. – Erl. Geol. Kt. Bayern, 134 S., München (Bayerisches Geologisches Landesamt).
- (2001). Sedimentäre Strukturen, Fazies und Poroperm-Eigenschaften in ausgewählten „Karbonatsanden“: Quaderkalk, Oberer Muschelkalk. – Dipl.-Arb. Univ. Tübingen, 104 S., Tübingen. [unveröff.]
- (2004). Sedimentary and poroperm anatomy of shoal-water carbonates (Muschelkalk, South-German Basin): An outcrop-analogue study of interwell spacing scale. – Facies, 50, S. 113–131. [17. Abb., 1 Tab.]
- (1990b). Geologie und Naturwerksteine Baden-Württembergs. – Grimm, W.-D. (Hrsg.). Bildatlas wichtiger Denkmalgesteine der Bundesrepublik Deutschland, S. 147–162, 2 Taf., München (Arbeitsheft Bayr. Landesamt Denkmalpflege, 50). [2 Abb.]
- (1984ff). INSK – Internationale Naturstein-Kartei. 1ff S., Ulm (Ebner). [10 Bände, Loseblattsammlung]
- (1984). Abbauverfahren in Tuffgesteinen. – Naturstein, 35, S. 125–134.
- (1957). Einführung in die Geologie von Oberfranken. 168 S., 2 Taf., Würzburg. [47 Abb., 8 Fotoabb.]
- (1965). Mainfranken und Rhön. – Sammlung geologischer Führer, 43, S. 1–221, 1 Beil. [29 Abb.]
- (1913). Beiträge zur Stratigraphie und Bildungsgeschichte des oberen Hauptmuschelkalks und der Lettenkohle in Franken. – Geologische und Paläontologische Abhandlungen, N. F. 12, S. 1–180, 9 Taf. [31 Abb.]
- (1992). Geschichte der Stadt Grünsfeld. 654 S., Grünsfeld (Selbstverlag Stadtverw. Grünsfeld).