Übersicht, Bezeichnung und Verbreitung
Gebankte Kalksteine und tektonisch wenig beanspruchte Massenkalke des Weiß- oder Oberjuras der Schwäbischen Alb bieten ein großes Potenzial für die Werksteingewinnung. Vor allem die tonarmen Dickbankkalke sind für die Bearbeitung gut geeignet. Während die Platten- und Dickbankkalke der benachbarten Fränkischen Alb auch heute in großem Umfang für den Werksteinsektor abgebaut werden, werden auf der Schwäbischen Alb und am südlichen Oberrhein Werksteinblöcke ausschließlich „beibrechend“ neben der Erzeugung von Kalksteinkörnungen oder ‑mehlen gewonnen. In Tuttlingen wurden zwischendurch für ein paar Jahre wieder gezielt Dickbankkalke für den Werksteinsektor abgebaut.
Gesteine des Weißjuras streichen in Baden-Württemberg in Oberflächennähe auf einer Fläche von über 3700 km2 aus und sind damit auf einem größeren Gebiet zu finden als Buntsandstein oder Muschelkalk (nach Auswertung der digitalisierten geologischen Karten des LGRB mittels geographischem Informationssystem). Hauptverbreitungsgebiet ist der Schwäbisch-Fränkische Jura; Bruchschollen aus Oberjura-Kalksteinen treten auch in der Vorbergzone am südlichen Oberrhein bei Istein und Kleinkems (Gem. Efringen-Kirchen) auf.
Die mächtigen, hellgrauen bis beigegrauen Karbonatgesteine der Schwäbischen Alb und vom Südlichen Oberrhein finden seit fast 2000 Jahren vielfältige Verwendung vor allem für den Baubereich im weitesten Sinne; wegen des splittrigen Bruchs sind ornamentale oder figürliche Arbeiten eher selten. Oberjura-Kalksteine werden heute außer als Werk- und Bausteinmaterial auch im Verkehrswegebau und zur Herstellung von Baustoffen und Betonzuschlag eingesetzt; hochreine Kalksteine (d. h. solche mit einem Calciumkarbonatgehalt von mehr als 98,5 M.‑%) eignen sich für sehr zahlreiche Anwendungen in Chemie, Pharmazie, Papierindustrie, Wasserbehandlung usw. (Kimmig et al., 2001; Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, 2006b, 2013b).
Auf der Schwäbischen Alb gibt es verschiedene Gebiete, in denen werksteinfähige Weißjura-Kalksteine auftreten. Die schon zu römischer Zeit eingesetzten Oxford-Kalksteine aus Istein (RG 8311‑300), Kleinkems (RG 8311‑2) und Huttingen (RG 8311‑3) am südlichen Oberrhein bieten, abgesehen von einigen tektonisch weniger beanspruchten Bereichen, zumeist nur ein geringes Potenzial für die Werksteingewinnung, wegen ihrer Kalkgehalte von 97 bis 99 % aber für die Erzeugung von Branntkalk.
Geologisches Alter, Entstehung
Die Schwäbische Alb stellt den morphologisch markantesten Teil des südwestdeutschen Schichtstufenlands dar. Vor 157–142 Mio. Jahren kam es zur Zeit des Oberjuras im Bereich der späteren Schwäbischen Alb zur Karbonatsedimentation auf einer randlich zum Tethysmeer gelegenen, flach nach SO einfallenden Karbonatrampe. Der Weißjura (Oberjura) der Schwäbischen Alb wird heute von einer etwa 500–600 m mächtigen Abfolge aus massigen Kalksteinen („Massenkalkfazies“) sowie gebankten bis monotonen, feingeschichteten tonigen Kalksteinen und Kalkmergelsteinen („Bankkalkfazies“) aufgebaut (Giese & Werner, 1997; Kimmig et al., 2001). Aus den massenhaften submarinen Ansammlungen von Schwämmen, Korallen und Algen entstanden die Massenkalksteine, die sich heute durch eine undeutliche bis fehlende Schichtung auszeichnen (massige Struktur). Die Bankkalkfazies geht auf zwischen den Schwammriffen abgelagerte, tonigere, geschichtete Karbonatsedimente zurück.
Massenkalkfazies und Bankkalkfazies sind eng miteinander verzahnt. Eine Übersicht über die stratigraphische Gliederung des Oberjuras auf der Schwäbischen Alb gibt die Grafik (s. u.).
Varietäten und wichtige Abbaugebiete
Das rohstoffgeologische Untersuchungsprogramm des geologischen Landesdienstes zum strukturellen und lithologischen Bau der Mittleren Schwäbischen Alb erbrachte detaillierte Angaben zu den Mächtigkeitsverhältnissen und zum tektonischen Bauplan des Oberjuras (Giese & Werner, 1997). Aufbau und Schichtmächtigkeiten sind in der Gliederung des Oberjuras (Grafik s. o.) dargestellt. Die nachfolgende Beschreibung behandelt die in den Kapiteln unter „Weißjura-Kalkstein“ dargestellten wichtigen Abbaugebiete von Südwest nach Nordost. Von Bedeutung waren vor allem die Steinbrüche bei Tuttlingen auf der Westalb, bei Thiergarten im Oberen Donautal, bei Urach, Ittenhausen und Schopfloch auf der Mittleren Schwäbischen Alb sowie bei Ulm und Heidenheim a. d. Brenz auf der Ostalb. Der Abbau von Dickbankkalken wurde im Steinbruch „Eichen“ nördlich von Tuttlingen im Jahr 2011 wieder aufgenommen, weil die Nachfrage nach heimischer Blockware für Mauer- und Gartenbau wieder deutlich zugenommen hat. Plattenkalke wurden bei Steinweiler („Steinweiler Platten“) und werden bei Kolbingen noch in geringem Umfang gewonnen.
Aktuelle Gewinnung und Bezugsmöglichkeiten
Im Unterschied zum großen Abbaugebiet von Bank- und Plattenkalken auf der Fränkischen Alb im Raum Treuchtlingen–Solnhofen–Eichstätt–Kelheim findet die Gewinnung von Oberjura-Kalksteinen in Baden-Württemberg vorrangig zur Erzeugung von Straßenbaumaterial, Weiß- und Branntkalk oder Portland-Zement statt (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, 2006b, 2013b); Werksteinrohblöcke werden gelegentlich und auf Nachfrage produziert, vor allem um daraus Mauersteine, Wasserbausteine, Blöcke für den Hangverbau und Gestaltungssteine für den GaLa-Bau zu produzieren. Durch brisante Sprengstoffe gelöste Karbonatgesteine weisen meist nur eine geringe Frostbeständigkeit auf, so dass eine Gewinnung von hochwertigen Werksteinmaterialien erst nach Umstellung eines Betriebes auf den (abschnitts- bzw. lagerweisen) Abbau mittels Reißen oder Schrämen bzw. Bohren und Spalten möglich ist.
Potenzial
Wegen des großen Angebots an Naturwerksteinblöcken und Fertigprodukten aus anderen Regionen, besonders der benachbarten Fränkischen Alb, spielt die Nutzung des Oberjura-Kalksteins der Schwäbischen Alb für den Naturwerksteinbereich seit gut 30 Jahren nur noch eine geringe Rolle. Bedeutsam sind heute besonders Weißjura-Kalksteine für die Erzeugung von Körnungen für den Verkehrswegebau sowie zur Herstellung von Bindemitteln. Das Potenzial des Weißjuras ist allerdings für Werksteine groß. Vor allem massige, oft fossilreiche oder fossilschuttreiche helle Kalksteine sind gut polierfähig, so dass das Gebiet der Schwäbischen Alb, dort wo die tektonische Beanspruchung gering ist, grundsätzlich ein Vorratsgebiet für sog. Industriemarmore darstellt.
Das größte Potenzial ist in den Bereichen mit dickbankigen Kalksteinen, wie z. B. bei Tuttlingen, Immendingen und Schopfloch oder in Gebieten mit sekundärer Umwandlung zu rötlich-bräunlichen „marmorierten“ Dedolomiten zu sehen. Die zahlreichen Steinbrüche und Aufschlüsse auf der Schwäbischen Alb bieten gute Ansatzpunkte für Kartier- und Erkundungsarbeiten auf Naturwerksteine.
Kurzfassung
Hauptverbreitungsgebiet der Weißjura-Kalksteine ist der Schwäbisch-Fränkische Jura. Neben mergeligen Bankkalksteinen treten dort kompakte Massen- und Dickbankkalke auf, die heute überwiegend zur Gewinnung von Natursteinen für den Verkehrswegebau, von Baustoffen und als Betonzuschlag sowie zur Herstellung von Zementrohstoffen abgebaut werden. Hochreine Kalksteine finden zudem sehr zahlreiche Anwendungen in Chemie, Pharmazie, Papierindustrie, Wasserbehandlung etc. Darüber hinaus wurden die Massen- und Dickbankkalke früher häufig auch als Werk- und Bausteinmaterial genutzt, heute spielen die Weißjura-Kalksteine für den Naturwerksteinbereich jedoch nur noch eine geringe Rolle. Östlich von Immendingen wurden im stratigraphischen Niveau der Liegenden Bankkalk-Formation „Quaderkalke“ z. B. zum Bau der Bahnstrecke Immendingen–Singen gewonnen, die Fa. Lauster hat dieses Gestein etwa bis in die 1960er Jahre abgebaut und daraus Brückenpfeiler, Sockelgemäuer, Pflaster-, Grenz- und Marksteine, Randplatten, Straßen- und Bahnschotter hergestellt. Der „Brenztal-Trümmeroolith“ aus dem stratigraphischen Bereich der Liegende Bankkalk-Formation bis Zementmergel-Formation besteht im Wesentlichen aus abgerollten, karbonatisch gebundenen Resten von verschiedenen Fossilien. Er ist an zahlreichen Gebäuden an Fassaden, Haussockeln, Treppenstufen, Fenster- und Türeinfassungen in Heidenheim und Umgebung zu finden, wurde aber auch zu Wandverkleidungen, Waschtischplatten usw. verarbeitet. Der Abbau wurde um 1970 eingestellt. Im Steinbruch Schopfloch nördlich von Lenningen wurde bis zum Jahr 1974 hellbeiger bis fast weißer „Elfenbeinmarmor“ aus dem Niveau der Oberen Felsenkalk-Formation abgebaut, aus dem wegen seiner weitständigen Klüftung großformatige Rohblöcke gewonnen werden konnten, die wegen der eingeschränkten Frostbeständigkeit jedoch meist nur für Innenarbeiten verwendet wurden. Im Steinbruch „Eichen“ nördlich von Tuttlingen wurde der Abbau von Dickbankkalken, dem Tuttlinger „Marmor“ bzw. Tuttlinger Jurakalk, von 2010-2013 wieder aufgenommen, weil die Nachfrage nach heimischer Blockware für Mauer- und Gartenbau wieder zugenommen hatte. Das Potenzial für die Gewinnung von gut polierfähigen Werksteinen ist auf der Schwäbischen Alb vor allem bei massigen, oft fossilreichen oder fossilschuttreichen hellen Kalksteinen in Gebieten geringer tektonischer Beanspruchung sehr groß.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (1986). Geologie von Baden-Württemberg. 3., völlig neu bearbeitete Aufl., VII + 472 S., Stuttgart (Schweizerbart). [254 Abb., 26 Tab.]
- (1997). Zum strukturellen und lithologischen Bau des Oberjuras der Mittleren Schwäbischen Alb. – Jahreshefte des Geologischen Landesamts Baden-Württemberg, 37, S. 49–76.
- (2001). Hochreine Kalksteine im Oberjura der Schwäbischen Alb – Zusammensetzung, Verbreitung, Einsatzmöglichkeiten. – Zeitschrift für Angewandte Geologie, 47, S. 101–108.
- (2006b). Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2006 – Gewinnung, Verbrauch und Sicherung von mineralischen Rohstoffen. – LGRB-Informationen, 18, S. 1–202, 1 Kt.
- (2013b). Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2012/2013: Bedarf, Gewinnung und Sicherung von mineralischen Rohstoffen – Dritter Landesrohstoffbericht. – LGRB-Informationen, 27, S. 1–204.