Übersicht, Bezeichnung und Verbreitung
Der Hauptrogenstein tritt im südlichen Oberrheingraben zwischen Freiburg und Lörrach sowie im Elsass zu Tage. In größerer Tiefe erstreckt er sich bis in den Schweizer Jura und in westlicher Richtung bis in das Pariser Becken. Diese oolithischen Kalksteine werden dem Mitteljura, auch als Braunjura oder Dogger bezeichnet, zugeordnet. Im Markgräflerland wird er seit römischer Zeit für die Gewinnung von Mauer- und Werksteinen sowie zur Herstellung von Branntkalk abgebaut.
Die Sedimentgesteine des untersten und obersten Mitteljuras sind tonig-mergelig beschaffen und bilden am südlichen Oberrhein Verebnungsflächen, wohingegen der Mittlere Braunjura durch seinen hohen Anteil an Kalkoolithen „den festen Kern der Vorberge“ bildet (Ohmert in: Groschopf et al., 1996, S. 116). Im Markgräfler Hügelland, zwischen dem Südschwarzwald und dem weiten Oberrheintal gelegen, prägen die Kalksteine der Hauptrogenstein-Formation das Landschaftsbild, weil die Kuppen vieler Vorberge aus diesem, der Erosion mehr Widerstand entgegensetzenden Karbonatgestein bestehen. Bei diesen Vorbergen des Schwarzwalds handelt es sich um tektonische Bruchschollen. Beispiele sind der St. Michaelsberg südlich von Riegel am Kaiserstuhl, der Nimberg und der Tuniberg zwischen Merdingen und Niederrimsingen, der Schönberg südlich von Freiburg mit Steinberg und Ölberg sowie der Biegener und Krozinger Berg.
Die Kalksteine des Hauptrogensteins bestehen aus dicht gepackten, ein bis maximal zwei Millimeter großen, konzentrisch-schaligen Karbonatkörnern, den sog. Ooiden; weil diese Kalkooide die wichtigsten Komponenten und das charakteristische Merkmal sind, werden die aus ihnen bestehenden Gesteine als „Oolithe“ bezeichnet. Form und Größe der Ooide erinnern an Fischrogen, was zur Bezeichnung „Rogenstein“ führte. Der Begriff „Hauptrogenstein“ weist darauf hin, dass es sich um die mächtigsten Kalkoolithe des südwestdeutschen Mitteljuras handelt.
Ein großer Teil der Hauptrogenstein-Formation ist durch die Erosion der einst über dem Schwarzwaldkristallin liegenden Sedimentdecken während des Tertiärs abgetragen worden. Aus ihrem Abtragungsschutt sind z. B. die Kalksandsteine vom Typus Pfaffenweiler und die Tertiärkonglomerate entstanden. Die maximale Mächtigkeit der nutzbaren Kalksteinpakete liegt im betrachteten Gebiet zwischen 50 und 60 m. Im Markgräflerland zwischen Staufen und Sulzburg, östlich von Müllheim sowie südlich davon bis nach Schliengen-Liel (Kreis Lörrach) gibt es zahlreiche kuppen- und tafelartige Geländerücken, die aus einigen Zehnermeter mächtigen, nach Nordwesten gekippten Schichtpaketen von Mittlerem und Unterem Hauptrogenstein bestehen. Südlich von Müllheim weisen einzelne tektonische Schollen noch maximale Kalksteinmächtigkeiten von 70–80 m auf.
Geologisches Alter, Entstehung
Die Sedimentation der Ooidsande, aus denen der Hauptrogenstein entstand, erfolgte im Zeitraum von etwa 168 bis 165,5 Mio. Jahren (DSK, 2002). Der Untere Hauptrogenstein wird dem oberen Teil des Unter-Bajociums, der Mittlere und Obere Hauptrogenstein dem Ober-Bajocium zugeordnet (Groschopf et al., 1996). Die Kalkooide wurden in einem subtropischen Flachmeer auf ausgedehnten Barren bei einer Wasserbedeckung von nur 1–2 m gebildet (vgl. Füchtbauer, 1988; Press & Siever, 2003). Im kalkübersättigten, warmen Wasser wurden um die als Kristallisationskeime wirkenden kleinen Fossilbruchstücke konzentrische Kalkkrusten abgeschieden. Besonders an älteren Steinbruchwänden sind im Hauptrogenstein Schrägschichtungskörper gut zu erkennen; sie führen vor Augen, dass die Ooide unter dem andauernden Einfluss von Wasserströmungen abgelagert wurden (Sandbarren). Anzeichen von bewegtem Wasser sind auch die vielen Schilllagen.
Das Bildungsmilieu im durch Wellengang und Gezeitenströmungen gekennzeichneten Flachwasser bedingt, dass wenig Ton zur Ablagerung kommt. Oolithische Kalksteine sind infolge dieser Entstehung recht rein (s. Tabelle) und daher auch für die Erzeugung von hochwertigen Kalkprodukten geeignet. Von rohstoffwirtschaftlicher Bedeutung ist besonders der Untere Hauptrogenstein.
Tabelle: Chemische Zusammensetzung des Hauptrogensteins (HR) im Gebiet südlich von Müllheim, ermittelt an Kernen der LGRB-Bohrung Ro8211/B3 im Gebiet Sonnholen, südöstlich von Vögisheim, und an einer Haufwerksprobe aus dem Stbr. Merdingen (RG 7912‑2). Lage der Bohrung: O 397795 / N 5293016, Ansatzhöhe + 407 m ü. NHN
Probenintervall |
SiO2 |
Al2O3 |
Fe2O3 |
MnO |
MgO |
CaO |
Na2O |
K2O |
P2O5 |
|
Ro8211/B3/ 6,6–16,25 m |
2,66 |
0,55 |
0,71 |
0,03 |
0,44 |
53,00 |
95,30 |
0,005 |
0,10 |
0,01 |
Ro8211/B3/ 16,25–64,75 m |
1,15 |
0,46 |
0,66 |
0,02 |
0,38 |
53,54 |
97,10 |
0,02 |
0,04 |
0,01 |
Stbr. Merdingen (Unterer HR), |
1,37 |
0,37 |
0,65 |
0,14 |
0,40 |
54,00 |
97,50 |
0,01 |
0,08 |
0,02 |
Vorkommens- und Gesteinsbeschreibung
Das Verbreitungsgebiet des Hauptrogensteins im südlichen Oberrheingraben ist, wie eingangs erwähnt, von ausgeprägter Bruchschollen-Tektonik gekennzeichnet. Die Schichten sind überwiegend mit 5–30° nach Westen oder Nordwesten verkippt. Aufgrund der intensiven tektonischen Beanspruchung am Grabenrand wird das Verbreitungsgebiet des Hauptrogensteins von zahlreichen Störungen durchzogen, die vor allem NO–SW-, NW–SO- und NNW–SSO-Richtung aufweisen. Die Störungen verlaufen meist in Abständen von einigen Hundert Metern, bisweilen auch in engeren Abständen. Das in den zahlreichen Steinbrüchen gut bestimmbare Kluftmuster zeigt dominant NO–SW- und dazu fast orthogonal orientierte NW–SO-verlaufende Klüfte (Köster, 2009). Beiden Bruchmustern folgend reihen sich im Bereich der Hauptrogensteintafeln Hunderte von lehmerfüllten Dolinen und Karstsenken „perlschnurartig“ aneinander.
Die Kalksteine der Hauptrogenstein-Formation bestehen ganz überwiegend aus hellbeigen, z. T. grauen und grauweißen, schalendetritusreichen Oolithen. In Bereichen höherer Gesteinsporosität sind sie oft durch eisenhaltige Verwitterungslösungen braun oder gelblich braun verfärbt und dann dem Pierre de Jaumont aus dem Gebiet bei Metz recht ähnlich. Der Oolith von Jaumont, auch Oolithe de Jaumont, meist aber Pierre de Jaumont oder als Pierre de Soleil (Sonnenstein) bezeichnet, ist ein lithologisches Äquivalent des südbadischen Hauptrogensteins. Die derzeit genutzten 10–25 m mächtigen, gebankten Karbonatgesteine werden zeitlich dem Bajocium (Mitteljura) zugeordnet, was dem Hauptrogenstein entspricht. Es handelt sich um einen mittelkörnigen Kalkoolith mit zahlreichen Bioklasten, vor allem Lumachellenschill. Die ockergelbe bis ockerbeige Färbung des „Sonnensteins“ geht auf Eisenoxide zurück; der durchschnittliche Gehalt wird mit 1,5 % Fe2O3 angegeben. Nach Angaben der Fa. Vaglio S. A. beträgt die Rohdichte 2,36 g/cm3, die Reindichte 2,62 g/cm3, die effektive Porosität 10,9 Vol.‑%. Prominente Verwendungsbeispiele sind die Kathedrale von Metz sowie Präfektur, Theater, Justizpalast, Stadtmauern und viele Privathäuser in Metz, das Château de Malbrouck, die Dresdner Bank in Mannheim und die Frankfurter Börse. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gehörten Malancourt und der Steinbruch zum Deutschen Reich. Kaiser Wilhelm I. schätzte dieses Material ganz besonders. Die Ooide sind überwiegend 0,5–1 mm groß, einzelne erreichen Durchmesser von 3 mm. Vorherrschendes Mineral ist Calcit; in sehr geringer Menge sind detritische Körner von Quarz, Feldspat, Kaolinit und Illit enthalten. Die chemische Analyse (s. Tabelle oben) weist den Hauptrogenstein als reines Kalkgestein aus. Besonders der tiefere Teil des Unteren Hauptrogensteins, im Niveau der Unteren Pentacrinus-Bänke, ist teilweise dolomitisiert. Der Gesamtkarbonatgehalt in den genutzten Kalksteinabfolgen bei Merdingen und Bollschweil liegt zwischen 97 und 98 % (LGRB, 2010b), im südlichen Markgräflerland sind die Verhältnisse nahezu identisch: In vorangegangener Tabelle ist die durchschnittliche chemische Zusammensetzung des Mittleren und Unteren Hauptrogensteins im Gebiet südlich von Müllheim zusammengestellt (LGRB-Forschungsbohrung Ro8211/B3).
Die Analysen der Bohrkerne der Erkundungsbohrung Ro8211/B3 zeigen (s. Tabelle oben), dass es sich beim Unteren Hauptrogenstein auch bei Mächtigkeiten von ca. 50 m um einen recht reinen Kalkstein handelt. Im Profilabschnitt 33,6–45,3 m der Bohrung Ro8211/B3 beträgt der CaCO3-Gehalt sogar 99,2 %. Der Tongehalt (angezeigt durch Al2O3 und K2O) liegt stets unter 1 %. Den Aufbau der Hauptrogenstein-Schichten im Markgräflerland zeigt das Profil der Kernbohrung Ro8211/B3 (LGRB-Archivnr. BO8211/1080) südlich von Müllheim, die vom LGRB zur Erkundung der Kalksteinvorkommen am südlichen Oberrhein durchgeführt worden war:
- 6,60 m | Boden, Lösslehm und lehmige Aufwitterungszone des Hauptrogensteins (Quartär) |
- 16,25 m | Kalkstein, oolithisch, korallenführend, hellgrau bis braungrau (sog. korallenführender Hauptrogenstein, Mittlerer Hauptrogenstein) |
- 54,50 m | Kalkstein, oolithisch, schräggeschichtet, hellgrau bis beige, reiner Kalkstein (Schräggeschichteter Oolithkomplex, Unterer Hauptrogenstein) |
- 64,75 m | Kalkstein, oolithisch, schillführend, graubeige (Obere Pentacrinusbänke, Unterer Hauptrogenstein) |
- 70,50 m | Kalkstein, oolithisch, grauweiß, schwach tonig (Mergelige Zwischenschichten, Unterer Hauptrogenstein) |
- 71,48 m | Kalkmergelstein mit zahlreichen Ooid- und Schilllagen (Mergelige Zwischenschichten, Unterer Hauptrogenstein) |
- 74,00 m | Kalkstein oolithisch, Seelilienbruchstücke (Untere Pentacrinus-Bänke, Unterer Hauptrogenstein) |
- 78,23 m | (Endteufe der Bohrung): Kalkmergelstein, fossilschuttführend, dunkelgrau (Blagdeni-Schichten, Ostreenkalk-Formation) |
Technische Eigenschaften, Verwendung
Die Rohdichte des frischen Hauptrogensteins variiert zwischen 2,56 und 2,67 g/cm3, im durch Aufwitterung gebleichten Kalkstein beträgt sie aber nur 2,49 g/cm3. Die Wasseraufnahme unterscheidet sich noch deutlicher: frischer Kalkoolith enthält max. 0,55 M.‑% Wasser, gebleichter aber bis 4,3 M.‑% (LGRB-Analysen, Stbr. Merdingen und Bollschweil). Durch die Einwirkung saurer Oberflächenwässer wird die Matrix zwischen den Ooiden und Schalenbruchstücken selektiv herausgelöst, wodurch der Kalkoolith poröser wird. Kalzitäderchen und ‑drusen sind partienweise häufig, was ebenfalls Auswirkungen auf die Gesteinseigenschaften hat. Wechselnde Porositäten und diese Neubildungen aus grobspätigem Calcit führen zur deutlichen Variabilität der gesteinsphysikalischen Prüfwerte.
Dahl (2006) führte einaxiale Druck- und Spaltzugversuche am Hauptrogenstein vom Tuniberg durch und entnahm hierfür aus ehemaligen Steinbrüchen und dem in Betrieb befindlichen Stbr. bei Merdingen (RG 7912-2) Bohrkerne. Es zeigte sich, dass die Druckfestigkeit im Kalkoolith insgesamt starken Schwankungen unterworfen ist: die Mittelwerte der Messreihen reichen von 51 bis 133 MPa, Einzelwerte sogar von 34 bis 153 MPa. Anders als bei deutlich geschichteten Sandsteinen treten Maximal- und Minimalwerte der Druckfestigkeit sowohl senkrecht als auch parallel zur Schichtung auf (die Druckfestigkeit kann also z. B. parallel zur Schichtung höher sein als senkrecht dazu). Die Mittelwerte der E-Module lagen zwischen 22 und 49 GPa. Nachmessungen an senkrecht zur Schichtung gewonnenen Bohrkernen aus zwei verschiedenen Kalksteinbänken erbrachten Druckfestigkeiten von 53,8–55,8 MPa und 79,5–89,8 MPa (Bissen & Henk, 2006) und somit ebenfalls signifikante Schwankungen, ohne dass am Gestein makroskopisch erkennbare Unterschiede festzustellen waren. Die Dünnschliffanalyse zeigte, dass es zahlreiche, feine Calcitneubildungen in Form von Drusen, Äderchen und Klufttapeten gibt. Sedimentäre Unterschiede spielen also eine wesentlich geringere Rolle als spätere Überprägungen durch Tektonik, Mineralisation und jungen Lösungstransport.
Gesteinsphysikalische Daten 1) |
Proben aus dem Hauptrogenstein der Tunibergscholle |
2,56–2,67 g/cm3 (frisches Gestein), 2,49 g/cm3 (randlich gebleichter Kalkstein) |
|
0,55 M.‑% (frisches Gestein), 4,3 M.‑% (gebleichter Kalkstein) |
|
51–133 MPa, Einzelwerte 34 bis 153 MPa (D); 53,8–55,8 und 79,5–89,8 MPa (B, Messungen an zwei Bohrkernen) |
|
22–49 GPa (D) |
1) nach Dahl (2006) (D) sowie Bissen & Henk (2006) (B)
Je nach petrographischer und struktureller Beschaffenheit (s. o.) können die Rohblöcke entweder als langfristig stabile Werksteine, Mauersteine, Blöcke für den Hang- und Uferverbau, Garten- und Landschaftsbau und/oder nur als Körnungen für den Wegebau sowie für die Branntkalkproduktion genutzt werden. Eine sorgfältige Materialauslese ist von besonderer Bedeutung, wenn Quader aus Hauptrogenstein für Massivbauten oder Renovierungen verwendet werden sollen; mehrjährige Lagerung unter natürlichen Witterungsbedingungen ist vor der Bearbeitung zu empfehlen. Rohblöcke, die vom Steinmetz genutzt werden sollen, dürfen nicht durch brisantes Sprengen gewonnen werden. Die vielen, schon nach wenigen Jahren aufreißenden, ursprünglich aber sehr festen Blöcke für den Hangverbau und im Trockenmauerwerk im Freiburger Umland und im Markgräflerland belegen, dass durch brisantes Sprengen gelöste Oolithblöcke Mikrorisse aufweisen.
Verwendung: Die überwiegend feste Bindung, die Mächtigkeit der Kalksteinbänke sowie die gute Bearbeitbarkeit machten den Hauptrogenstein am südlichen Oberrhein auch zu einem viel verwendeten, witterungsstabilen Bau- und Werkstein. Die Klufttektonik erlaubt aber nur selten die Gewinnung größerer Rohblöcke. Im Gebiet des Oberrheingrabens südlich von Freiburg bestehen die meisten der bis zum Anfang des 20. Jh. entstandenen Gebäude und Dorfkirchen oder Brücken aus Hauptrogenstein. Schon zu römischer Zeit war er als Baumaterial für Quadermauerwerk geschätzt. Im Mittelalter sind auch zahlreiche Burgen aus ihm erbaut worden, wie die Schneeburg bei Ebringen (aus Blöcken im Tertiärkonglomerat), die Staufener Burg, die Burg Badenweiler und die Burg Rötteln bei Lörrach zeigen. Moderne Baustoffe haben nach dem Zweiten Weltkrieg den Hauptrogenstein als Mauerstein verdrängt; seither dient er vor allem der Erzeugung von Putzen, Mörteln und anderen Kalkbaustoffen (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, 2006b). Zur Erhaltung oder Neuanlage von Weinbergs- und Gartenmauern spielt er zusammen mit den Kalksandsteinen des Tertiärs aber weiter eine wichtige Rolle im Markgräferland (Höchtl et al., 2011).
Wichtige Abbaugebiete
Steinbrüche im Hauptrogenstein sind am südlichen Oberrhein zahlreich. Die größten liegen bei Bollschweil am Südausläufer des Schönbergs (Allental, Ölberg), bei Merdingen am Tuniberg sowie im Markgräflerland südlich und östlich von Müllheim. Historische Steinbrüche, auf die schon römische Baumeister zurückgriffen, befinden sich z. B. am Schlossberg bei Badenweiler.
Im Steinbruch Merdingen (RG 7912‑2) und seiner Umgebung erreichen die oolithischen Kalksteine eine Mächtigkeit von 50 m. Im oberen Bereich der Abfolge sind 6–7 m mächtige, stark kalkhaltige oolithische Kalkmergelsteine eingeschaltet. Die Kalksteine am Tuniberg fallen mit 2–10° nach Osten ein. Hinzu kommen tektonische Störungen, die zur Tuniberg-Westrandverwerfung gehören. Diese Störungen bilden kleine Horst- und Grabenstrukturen. Der schichtförmige Hauptrogensteinkörper bei Bollschweil (RG 8012‑1) z. B. fällt aufgrund der tektonischen Aufrichtung des Schwarzwälder Grundgebirges mit 20–30° nach Nordwesten ein. Direkt überlagert wird dieser 40–50 m mächtige Hauptrogensteinkörper von den Tertiärkonglomeraten, die als Hauptkomponenten große Gerölle von Hauptrogenstein enthalten.
Die Kalksteinvorkommen im Niveau des Mittleren und Unteren Hauptrogensteins in der Vorbergzone zwischen Müllheim und der Ortschaft Feldberg stellen die größte noch verbliebene oberflächennahe Kalksteinreserve in der Region Südlicher Oberrhein dar. In rund einem Dutzend seit Jahrzehnten stillgelegten Steinbrüchen südöstlich von Müllheim bzw. östlich und südöstlich von Vögisheim wurden über Jahrhunderte hinweg Kalksteine vor allem zur Gewinnung von Mauersteinen und Branntkalk abgebaut.
Gewinnung, Verarbeitung und Bezugsmöglichkeiten
Wichtigster Abnehmer des aus dem Hauptrogenstein erzeugten Kalks ist die Baustoffindustrie. Er dient vor allem zur Herstellung von Wärmedämmstoffen, Spezialputzen, Beton, Porenbeton, Kalksandsteinen und Portlandzementen. Weitere Produkte gehen in die Stahl-, Glas-, Nahrungsmittel- und chemische Industrie sowie in die Wasserreinigung, Rauchgasreinigung und in die Land- und Forstwirtschaft (Düngekalk). Branntkalk wird auch zur Bodenstabilisierung eingesetzt. Straßenbaustoffe, Mauersteine, Blöcke für den Hangverbau und Werksteinblöcke werden nur noch ganz untergeordnet produziert. Obwohl er sich gut bearbeiten lässt, wird er als Werkstein nur gelegentlich für Grenz- und Brunnensteine bzw. für Renovierungsarbeiten eingesetzt.
Das Kalksteinvorkommen bei Bollschweil-Ellighofen (RG 8012‑1) wurde über Jahrhunderte zur Gewinnung von Baumaterialien und zur Erzeugung von Branntkalk genutzt. Die industrielle Verwendung begann im Jahr 1911, als der alte Steinbruch im Allental von Franz Koch aus Bollschweil erworben wurde. 1920/21 errichtete er dort die ersten Kalköfen; aus diesem Werk entwickelte sich einer der größten Kalkproduzenten in Baden-Württemberg. Steinbruch und Werk der Fa. Koch-Marmorit wurden im Jahr 1982 von der Knauf Gips KG übernommen und als Fa. Knauf Marmorit weiter betrieben. Der dickbankige Kalkstein diente untergeordnet auch zur Gewinnung von Blöcken für Garten- und Weinbergstrockenmauern sowie für Zyklopenmauern zum Hangverbau. Seit Anfang 2011 ist der Abbau vor allem aus Gründen abnehmender Lagerstättenqualität und zunehmender Gewinnungsprobleme eingestellt.
Regelmäßiger Abbau zur Gewinnung von Kalkrohstoff findet im großen Steinbruch bei Merdingen (RG 7912-2) seit 1929 statt. Die Fa. Mathis, später unter dem Namen „Maxit Baustoff- und Kalkwerk Mathis GmbH“ über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus bekannt, produzierte vor allem Körnungen für Branntkalke, Putze und Mörtel. Heute wird der im Eigentum der Firma Saint-Gobain Weber befindliche Steinbruch von der Fa. H. G. Hauri (Bötzingen) betrieben. Aufgrund des Abbaus mit hochbrisanten Sprengstoffen fallen derzeit wenig großformatige, für den Werksteinbereich und den GaLa-Bau geeignete Blöcke an. Bei größeren Aufträgen zur Gewinnung von Werksteinmaterial könnte besonders auf der oberen Sohle unter Verwendung von Reißbaggern abgebaut werden.
Südöstlich von Müllheim bzw. östlich und südöstlich von Vögisheim wurde in rund 30 Steinbrüchen über Jahrhunderte hinweg der Hauptrogenstein zur Gewinnung von Mauersteinen und Branntkalk abgebaut. Genutzt wurde überwiegend der stratigraphische Abschnitt zwischen der Mumienbank und den Unteren Pentacrinusbänken bis knapp über den mergeligen Blagdenischichten (Köster, 2009), also der Mittlere und Untere Hauptrogenstein. Besonders groß war der Mauerstein- und Kalkmörtelbedarf im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert, wie man aus dem Alter der meisten aus Hauptrogenstein-Kalkstein errichteten Gebäude in Müllheim und Umgebung ablesen kann. Mit Ausnahme des bis 20 m hohen Stbr. am Rheintalbächle zwischen Vögisheim und Feldberg und im Stbr. am Josberg ostsüdöstlich von Müllheim (heute Schießanlage), in dem besonders in der ersten Hälfte des 20. Jh. Abbau mit Bohren und Sprengen umging, fand die Gewinnung überwiegend händisch mit einfachen Werkzeugen statt. Die Gewinnung wurde i. d. R. dort eingestellt, wo der Kalkstein durch die oberflächennahe Auflockerung entlang von Klüften und Lagerfugen nicht mehr händisch gewinnbar war, anschließend also aufwändigere Bohr- und Sprengarbeiten erforderlich waren.
Potenzial
Die eingangs beschriebene tektonische Situation am südlichen Oberrhein, d. h. im Gebiet zwischen dem Tuniberg und dem Markgräflerland bei Lörrach, führt dazu, dass der Hauptrogenstein nur in relativ kleinen, kompliziert aufgebauten Körpern zu Tage tritt. Rasch tauchen die Kalksteinschichten nach Westen unter jüngere Gesteine ab. Bei Bollschweil wurde der Abbau vor allem deshalb eingestellt, weil die nach Westen einfallende Hauptrogenstein-Lagerstätte nicht mehr im Tagebau zu gewinnen ist und die zuletzt genutzten, nördlichsten Lagerstättenteile stark verkarstet waren. Das Vorkommen am Westabbruch des Tunibergs, zwischen Merdingen und Niederrimsingen, weist entlang eines schmalen Streifens nutzbare Mächtigkeiten von im Mittel ca. 50 m auf; gegen Osten überdecken mächtige Lössdecken die Lagerstätte. Die größten Vorkommen von Hauptrogenstein mit insgesamt rund 170 ha Fläche und Mächtigkeiten zwischen 20 und 55 m liegen südlich von Müllheim.
Die genannten Lagerstätten im Hauptrogenstein sind zwar im Vergleich zum Muschelkalk und zum Oberjura der Schwäbischen Alb klein, jedoch könnten noch Vorräte für Jahrhunderte erschlossen werden. Diese enthalten auch ausreichend mächtige Bänke mit werksteintauglichem Material, welche jedoch nur nach Gewinnung mit schonenden Abbaumethoden (nichtbrisantes Sprengen, Reißen, Bohren und Keilen) für die Bearbeitung durch den Steinmetz oder als frostbeständiges Material für den GaLa-Bau verwendbar sind.
Kurzfassung
Die bis über 50 m mächtigen, hellgrauen, fossilschuttreichen Kalksteine des Hauptrogensteins (Braun- bzw. Mitteljura) bestehen aus dicht gepackten, 1–2 mm großen, konzentrisch-schaligen Karbonatkörnern, den sog. Ooiden. Die größten oberflächennahen Vorkommen befinden sich am Schönberg südlich von Freiburg, am Tuniberg und im Markgräflerland südlich von Müllheim. Die feste Bindung der Komponenten und der Matrixminerale sowie die gute Bearbeitbarkeit machen den Hauptrogenstein am südlichen Oberrhein zu einem seit römischer Zeit geschätzten Baustein. Für Steinmetz- und Bildhauerarbeiten wurde er selten verwendet. Er ist an zahlreichen historischen Gebäuden, Dorfkirchen oder Brücken ebenso wie an vielen Burgen zu finden. Vor allem im Markgräflerland wird er seit Jahrhunderten für die Gewinnung von Mauersteinen sowie zur Herstellung von Branntkalk abgebaut. Heute dient er wegen seiner hohen Kalkgehalte primär zur Erzeugung von Putzen, Mörteln und anderen Kalkbaustoffen. Zur Erhaltung von Weinbergs- und Gartenmauern spielt er aber weiter eine Rolle. Als Werkstein- oder Blockmaterial für den Garten- und Landschaftsbau sollte er nur verwendet werden, wenn er mit schonenden Methoden abgebaut wurde.
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (2006). Felsmechanische Untersuchungen am Hauptrogenstein (bjHR) der Vorbergzone des südlichen Oberrheingrabens (Poster). – Phillip, S., Leiss, B., Vollbrecht, A. & Gudmundsson, A. (Hrsg.). Symposium Tektonik, Struktur- und Kristallingeologie, TSK, 11, S. 1–2, Göttingen. [Kurzfassung]
- (2006). Geologische Kartierung in der Vorbergzone des Schwarzwalds (östlich von Bombach) und kluft- und felsmechanische Untersuchungen an Gesteinen der Vorbergzone des Schwarzwaldes. – Dipl.-Arb. Univ. Freiburg, 199 S., 2 Kt., Freiburg i. Br. [118 Abb., 11 Tab., 5 Anh., unveröff.]
- (2002). Stratigraphische Tabelle von Deutschland 2002 (GeoForschungsZentrum Potsdam; Courier Forschungsinst. Senckenberg, Frankfurt). [Koordination und Gestaltung: Menning, M. & Hendrich, A.]
- (1988). Sedimente und Sedimentgesteine. 4. Aufl., XVI + 1141 S., Stuttgart (Schweizerbart). [660 Abb., 113 Tab.]
- (1996). Erläuterungen zum Blatt Freiburg i. Br. und Umgebung. – 3. Aufl., Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, 364 S., Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (2011). Erhaltung historischer Terrassenweinberge – Ein Leitfaden. – Culterra, 58, 190 S., Freiburg i. Br. (Institut für Landespflege).
- (2009). Kartierung, Dokumentation und rohstoffgeologische Betrachtungen zum Braunen Jura und Hauptrogenstein im Markgräflerland. – Dipl.-Arb. FU Berlin, 174 S., 9 Anl, 3 Kt., Berlin. [152 Abb., unveröff.]
- (2010b). Blatt L 7910/L 7912 Breisach am Rhein/Freiburg i. Br.-Nord, mit Erläuterungen. – Karte der mineralischen Rohstoffe von Baden-Württemberg 1 : 50 000, 258 S., 35 Abb., 10 Tab., 2 Kt., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau). [Bearbeiter: Wittenbrink, J. & Werner, W., m. Beitr. v. Selg, M.]
- (2006b). Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2006 – Gewinnung, Verbrauch und Sicherung von mineralischen Rohstoffen. – LGRB-Informationen, 18, S. 1–202, 1 Kt.
- (2003). Allgemeine Geologie. Einführung in das System Erde. 723 S., Heidelberg, Berlin (Springer Spektrum).