Im Jahr 2009 nahm der Bund/Länder-Ausschuss Geologie (BLA-GEO) die bis dahin bekannt gewordenen Probleme und Schäden im Zusammenhang mit der Nutzung geothermischer Ressourcen zum Anlass, den Personenkreis Geothermie der Ad-hoc AG Geologie mit der Verfassung eines Fachberichtes zu beauftragen. Darin wurden alle bis 2010 bekannten Auswirkungen zu geothermischen Vorhaben zusammengestellt.
Folgende Gefährdungspotenziale wurden bei der Nutzung der oberflächennahen Geothermie identifiziert (PK Geothermie, 2011):
- Hydrogeologische Gefährdungspotenziale
- Aufhebung des natürlichen Stockwerksbaus
- Druckpotenzialunterschiede (kritischer Stockwerksbau)
- artesisch gespannte Grundwässer
- Geologische Gefährdungspotenziale
- Lösungserscheinungen/Wegsamkeiten durch Störungs- und Kluftsysteme, z. B. bei Karbonat-, Sulfat- oder Salzgesteinen
- Fließbewegungen z. B. Fließsande
- Mineralumbildungen/Quellungen (Anhydrit/Gips, Tonminerale)
- Ausgasungen
- Geotechnische Gefährdungspotenziale
- Künstlich geschaffene Hohlräume
- Geländehebungen bzw. -verformungen
- Technische/anthropogene Gefährdungspotenziale
- unzureichende Dimensionierung der EWS
- unzureichende Abdichtung des Ringraumes
- ungeeignetes Bohrverfahren
- Materialschäden der verbauten Anlagenteile (Sonden, Abdichtungsmaterial).
Werden Grundwasserstockwerke mit unterschiedlichem hydraulischem Potenzial, d. h. unterschiedlichen Wasserständen, angefahren, so können bei fehlerhafter oder unvollständiger Hinterfüllung Schadensfälle an der Anlage und im weiteren Umfeld entstehen. Bei großen Potenzialdifferenzen oder wenn starke Arteser angefahren werden, bedarf die Herstellung einer dauerhaft dichten Hinterfüllung besonderer technischer Maßnahmen. In derartigen Fällen geben die Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden (LQS EWS) für Baden-Württemberg Handlungsanweisungen für eine dauerhafte und vollständige Abdichtung bzw. es werden Restriktionen, z. B. bei kritischem Stockwerksbau ausgesprochen (LQS EWS, 2018). Ebenso können Schadensfälle entstehen, wenn Wasser in Anhydrit-führendes Gestein zutreten kann, da sich dann Anhydrit unter Volumenzunahme in Gips umwandelt. Deshalb sind Bohrungen beim ersten Auftreten von Gips oder Anhydrit im Bohrgut (Gips- bzw. Anhydritspiegel) abzubrechen (LQS EWS, 2018; ISONG, 2018).
Bei den Schadensfällen in Baden-Württemberg führte häufig eine Kombination mehrerer Gefährdungspotenziale zu unerwarteten Auswirkungen. Dazu zählen auch eine nicht an die geologischen Verhältnisse angepasste Planung oder eine unsachgemäße Ausführung. Mittel- bis langfristig können auch Schäden auftreten, wenn die Erdwärmesonde(n) zu kurz bemessen sind. Sie entnehmen dann mehr Wärme aus dem Untergrund, als der Sonde dauerhaft zufließen kann. Damit geht die Gefahr des Gefrierens des Hinterfüllmaterials sowie des sie umgebenden Untergrundes einher. Dies hat zur Folge, dass die dauerhafte Dichtigkeit dann nicht mehr gewährleistet ist.
Die bisher in Baden-Württemberg bekannt gewordenen größeren Schadensfälle traten in zwei hydrogeologisch/geotechnischen Konstellationen auf:
- Durch EWS-Bohrungen kamen vormals trockene, Anhydrit-führende Gebirgsabschnitte dauerhaft mit Grundwasser in Kontakt. Dies kann in folgenden geologischen Situationen auftreten:
- in der Grabfeld-Formation (Gipskeuper)
- in der Heilbronn-Formation (Salinarformation des Mittleren Muschelkalk)
- in der Mainhardt- und Steigerwald-Formation (Bunte Mergel-Formation, Oberer Mittelkeuper)
- in tertiären Formationen des Oberrheingrabens und der östlich angrenzenden Vorbergzone
- Durch EWS-Bohrungen wurde die Stockwerkstrennung zwischen der Erfurt-/Grabfeld-Formation und dem unterliegenden Oberen Muschelkalk aufgehoben.
In den LQS EWS und im Informationssystem Oberflächennahe Geothermie (ISONG) werden die standort- und vorhabensspezifischen Maßnahmen beschrieben, die erforderlich sind, um weitere Schadensfälle zu verhindern. Sie werden als Auflagen in den Genehmigungsbescheid der genehmigenden Behörde aufgenommen.
Die im Folgenden beschriebenen Schadensfälle aus Baden-Württemberg gehen auf Erdwärmesondenbohrungen zurück, die vor der Einführung der LQS EWS und der Tiefenbeschränkung auf den Sulfatspiegel bzw. auf die Grenze zwischen der Grabfeld-/Erfurt-Formation und dem unterliegenden Oberen Muschelkalk hergestellt wurden.
Literatur
- (2018). Informationssystem oberflächennahe Geothermie für Baden-Württemberg, LGRB. Verfügbar unter www.geothermie-bw.de.
- (2018). Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden (LQS EWS) Stand September 2018. 26 S., Stuttgart (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg).
- (2011). Fachbericht zu bisher bekannten Auswirkungen geothermischer Vorhaben in den Bundesländern. – Staatliche Geologische Dienste, Arbeitshilfe für Geologische Dienste, 25 S., verfügbar unter https://www.infogeo.de/Infogeo/DE/Downloads/FS2011_Top_6.2_Anlage_PK_ Geothermie_Bericht.html.