Das voralpine Molassebecken südöstlich der Donau ist neben dem Oberrheingraben eine weitere Region in Baden-Württemberg, in der die geologischen Verhältnisse für eine tiefe geothermische Nutzung günstig sind. Dort liegen direkt über Graniten und Gneisen des Grundgebirges die mesozoischen Gesteine aus Trias und Jura. Darüber folgen bis zu mehrere Tausend Meter mächtige Sedimente des Tertiärs und quartäre Ablagerungen unterschiedlicher Mächtigkeit. Das Grundgebirge und die mesozoischen Schichten tauchen nach Süden zum Alpennordrand in immer größere Tiefen ab. In dieselbe Richtung nimmt die Mächtigkeit der tertiären Molassesedimente zu.
Geothermische Nutzhorizonte
Geothermische Nutzhorizonte im baden-württembergischen Molassebecken sind
- der Obere Muschelkalk
- der Oberjura
- die zwei geklüfteten Sandsteinaquifere (Heidenlöcherschichten, Baltringen-Formation) innerhalb der Oberen Meeresmolasse (tOM)
Die beiden tief liegenden geothermischen Reservoire des Oberen Muschelkalks und des Oberjuras sind durch zwischengeschaltete, z. T. sehr gering durchlässige Schichten im Keuper, Mittel- und/oder Unterjura hydraulisch voneinander entkoppelt. Die tertiären Molassesedimente liegen direkt auf den bereichsweise stark verkarsteten Ablagerungen aus dem Oberjura auf (Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, 2008).
Ausgehend von den Ergebnissen mehrerer Erkundungsbohrungen aus den 1980er und 1990er Jahren (z. B. Bertleff et al., 1988) wurde der Kenntnisstand zu den geothermischen Nutzhorizonten des Oberen Muschelkalks, des Oberjuras und der Oberen Meeresmolasse in einem Gemeinschaftsprojekt des Regierungspräsidiums Freiburg, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, sowie des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben zusammengefasst (Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, 2008). Darauf bauten weitergehende Untersuchungen der thermalen Aquifere in den Projekten GeotIS (www.geotis.de) und GeoMol (www.geomol.eu; GeoMol LCA-Projektteam, 2015a) auf. Dabei wurden u. a. detailliertere Flächeninformationen zur Mächtigkeitsverteilung, Tiefenlage sowie Temperaturverteilung der geothermischen Reservoire erarbeitet (GeoMol LCA-Projektteam, 2015a).
Durch das Schichteinfallen nach SE nehmen die Temperaturen in den geothermischen Reservoiren grundsätzlich in südöstliche Richtung zu, wobei die Temperaturen im tiefer liegenden Oberen Muschelkalk höher sind als im Oberjura oder in der Oberen Meeresmolasse. Am Top Oberjura werden Temperaturen über 100 °C erst südöstlich der Linie Friedrichshafen–Leutkirch erreicht, während dies im Oberen Muschelkalk bereits deutlich nördlich dieser Linie der Fall ist. Am Top der Oberen Meeresmolasse (tOM) sind die Temperaturen signifikant niedriger als in den beiden anderen geothermischen Reservoiren; sie liegen grundsätzlich unter 45 °C.
Die Mächtigkeit des Oberjura-Aquifers beträgt bis zu 250 m und nimmt tendenziell nach SE ab. Geringere Mächtigkeiten werden auch in der Region westlich Pfullendorf und nördlich Biberach erreicht. Die Mächtigkeit des Oberen Muschelkalks nimmt kontinuierlich von 85–95 m im Westen auf unter 25 m im Osten auf Höhe der Iller ab (GeoMol LCA-Projektteam, 2015a). Die beiden Sandstein-Formationen in der Oberen Meeresmolasse (tOM) erreichen Mächtigkeiten von zusammen 40–150 m (GeoMol LCA-Projektteam, 2015a). Der höhere Oberjura tritt im Molassebecken in zwei stark unterschiedlichen Faziesausbildungen auf, die sich in ihrem geothermischen Potenzial deutlich voneinander unterscheiden. Der nördliche Teilbereich ist in der Schwäbischen Fazies ausgebildet und verfügt als Kluft- und Karstgrundwasserleiter aufgrund der hohen Grundwasserergiebigkeit über das größere hydrothermale Potenzial. Die hohen Ergiebigkeiten sind hier insbesondere an die so genannte Massenkalkfazies, d. h. massige, teilweise dolomitisierte Schwamm-Mikroben-Bioherme mit lokal starker Verkarstung, gebunden (Bertleff et al., 1988; Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, 2008; Stober et al., 2013). Allerdings sind in diesem Bereich die Grundwassertemperaturen wegen der geringeren Tiefenlage des Karstaquifers nicht so hoch wie im Südosten. Dort weisen die gebankte Schwäbische Fazies und die Helvetische Fazies nur geringe Grundwasserergiebigkeiten auf. Dementsprechend nehmen im Oberjura die Durchlässigkeiten von Nordwesten nach Südosten systematisch stark ab.
Im Gegensatz zum Oberjura beruht die Wasserwegsamkeit im Oberen Muschelkalk auf einem weitständigen und unregelmäßigen ausgebildeten Kluftnetz. Die Durchlässigkeiten zeigen daher auch keine regelmäßige Verteilung. Lediglich eine gewisse Tendenz zu etwas höheren Werten in der Westhälfte ist zu erkennen, d. h. dort, wo auch die Mächtigkeit des Oberen Muschelkalks größer ist (Stober & Villinger, 1997).
Die Wasserwegsamkeit in den beiden Sandsteinformationen der Oberen Meeresmolasse beruht primär auf ihrem Kluftnetz, sekundär auf der Porosität der Sandsteinmatrix. Grundsätzlich zeichnet sich eine leichte Abnahme der Durchlässigkeit in beiden Sandsteinformationen vom nordwestlichen Beckenrand zum Beckeninneren ab (Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, 2008; GeoMol LCA-Projektteam, 2015a).
Über weite Bereiche besitzen die Thermalwässer im Oberjura Trinkwasserqualität, d. h. die Wässer sind gering mineralisiert. Nach SE ist eine leichte Zunahme der Salinität feststellbar, allerdings sind dies die Bereiche mit sehr geringen Durchlässigkeiten. Sie sind daher für eine hydrothermale Nutzung unbedeutend. Im Gegensatz dazu sind die Thermalwässer im Oberen Muschelkalk deutlich höher mineralisiert. Die Wässer weisen Chloridgehalte von einigen 10er g/kg auf. Deutlich ist eine Zunahme der Chloridkonzentration nach SE erkennbar. In der Oberen Meeresmolasse (tOM) sind die Wässer deutlich niedriger mineralisiert. Sie sind bezüglich ihres Gesamtlösungsinhaltes mit den Wässern aus dem Oberjura vergleichbar.
Bestehende Nutzungen
Der Oberjura des nördlichen Molassebeckens stellt auf Grund seiner hohen Ergiebigkeit das bedeutendste geothermische Reservoir südlich der Schwäbischen Alb dar. Derzeit wird er balneologisch sowie zur lokalen Gebäudeheizung genutzt (z. B. Bad Saulgau, Bad Waldsee, Jordanbad bei Biberach an der Riß).
Der Oberjura-Aquifer könnte darüber hinaus regional unter Einsatz von Wärmepumpen für Heizzwecke genutzt werden, ebenso wie für die saisonale Einspeicherung von Überschusswärme mit Entladung zu Bedarfszeiten (Aquiferspeicher). Nach Südosten stellen hierfür allerdings die geringen Durchlässigkeiten einen limitierenden Faktor dar.
Im Oberen Muschelkalk befindet sich derzeit eine geothermische Heizanlage bei Pfullendorf im Bau. Die beiden hierzu abgeteuften Tiefbohrungen haben gute Ergiebigkeiten vorgefunden. Für balneologische Zwecke wird der Obere Muschelkalk derzeit nicht genutzt, wahrscheinlich aufgrund der hohen Gesamtlösungsinhalte der thermalen Wässer und der schwierigen Prognosefähigkeit von Ergiebigkeiten mit Vertikalbohrungen.
Die Obere Meeresmolasse (tOM) wird derzeit vor allem für balneologische Zwecke sowie zur Unterstützung der lokalen Gebäudeheizung (ggf. mit Einsatz der Wärmepumpentechnologie) genutzt. Für die Beheizung mehrerer Gebäudekomplexe unter Einsatz von Wärmepumpen ist oft die relativ niedrige Ergiebigkeit der beiden Sandsteinformationen ein limitierender Faktor. Allerdings könnte die Obere Meeresmolasse als Aquiferspeicher genutzt werden.
Im Molassebecken gibt es keine petrothermalen geothermischen Nutzungssysteme, somit keine „Enhanced Geothermal Systems“ (EGS).
Literatur
- (1988). Ergebnisse der Hydrogeothermalbohrungen in Baden-Württemberg. – Jahreshefte des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, 30, S. 27–116, 1 Taf., 2 Beil.
- (2015a). GeoMol – Geopotenziale für die nachhaltige Nutzung des tieferen Untergrundes in den alpinen Vorlandbecken. Abschlussbericht des Pilotgebiets Bodensee – Allgäu. – LGRB-Informationen, 30, S. 1–142.
- (2008). Die Nutzung der Erdwärme in der Region Bodensee-Oberschwaben, Oberflächennahe Geothermie und Tiefe Geothermie/Hydrogeothermie Ravensburg (Regionalverband Bodensee-Oberschwaben). [CD-ROM mit Erläuterungen]
- (1997). Hydraulisches Potential und Durchlässigkeit des höheren Oberjuras und des Oberen Muschelkalks unter dem baden-württembergischen Molassebecken. – Jahreshefte des Geologischen Landesamts Baden-Württemberg, 37, S. 77–96.
- (2013). Gegenüberstellung von Durchlässigkeiten aus verschiedenen Verfahren im tief liegenden Oberjura des südwestdeutschen Molassebeckens. – Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, 164(4), S. 663–679.