Einleitung
Nordwestlich von Hessigheim bildet der Neckar einen etwa 500 m langen und 80 m hohen Prallhang im Oberen Muschelkalk. Im oberen Hangbereich ragen in den Hessigheimer Felsengärten bis zu 18 m hohe Felstürme und ‑mauern vor einer nahezu geschlossenen Felswand auf.
Aufgrund der talwärts kippenden Felstürme kam es in der Vergangenheit bereits mehrfach zu Sturzereignissen. Dabei stürzten einzelne Bänke des Oberen Muschelkalks von den geneigten Felstürmen sowie auch ganze Felstürme ab. Bekannte Beispiele hierfür sind die Felssturzereignisse aus den Jahren 1924, 1983, 1988, 2002 und 2021.
Die Hessigheimer Felsengärten sind bereits seit den 1940er Jahren als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
Geologischer Überblick und Ursache
Die Umgebung von Hessigheim befindet sich im Bereich des „Hessigheimer Sattels", einer durch tektonische Kräfte entstandenen Aufwölbung der Gesteinsschichten. Der Neckar hat sich im Verlauf der jüngeren Erdgeschichte in diese Aufwölbung eingeschnitten und dabei ein etwa 100 m tiefes Tal mit außergewöhnlich steilen Talflanken ausgeräumt. Am östlichen Prallhang des Flusses beträgt die Hangneigung annähernd 90 % (entspricht ca. 41°).
Der Untergrund der Talhänge wird fast ausschließlich von gebankten Kalksteinen des Oberen Muschelkalks aufgebaut, die in den Felstürmen des Naturschutzgebiets gut aufgeschlossen sind. Lediglich im tiefsten Hangbereich streichen bis etwa 10 m oberhalb des Neckarspiegels die Gesteine des Mittleren Muschelkalks aus. Diese bestehen aus einer Wechselfolge von Tonsteinen, Dolomitbänken und Gipslagen. Der ursprünglich etwa 40 m mächtige Gips wird jedoch im Grundwasserstrom, der in den Talablagerungen des Neckars fließt, allmählich aufgelöst. Hierbei entstehen zunächst einzelne trichter- oder gangförmige Hohlräume, die insbesondere im Talgrund des Neckars örtlich bis zur Geländeoberfläche hochbrechen und dort Erdfälle bilden.
Mit zunehmender Intensität der Lösungsvorgänge schwindet die Mächtigkeit des Gipslagers, zuletzt fehlt der Gips in Flussnähe bereits fast völlig, wogegen im Berginneren (d. h. außerhalb des Wirkungsbereichs des Talgrundwassers) noch die gesamte ursprüngliche Gipsmächtigkeit vorhanden ist. Die Gipsauslaugung unter den Talflanken hat zur Folge, dass hier das überlagernde Kalkgestein des Oberen Muschelkalks nachsackt. Umfangreiche Kalksteinpartien an talrandparallelen Klüften lösen sich aus dem Gesteinsverband und kippen langsam talwärts. Hinzu kommt ein gleichartig wirkender Vorgang, der als „Hangzerreißung" bezeichnet wird. Denn beim Einschneiden des Flusses in den Untergrund wird das talseitige Felswiderlager entfernt, wodurch sich die Felspartien am Talhang einseitig zum Tal hin entspannen und sich talrandparallele Klüfte öffnen. So entstehen einzelne Felstürme und ‑mauern, die einer geschlossenen Wand des Oberen Muschelkalks vorgelagert sind. Die Felstürme und ‑mauern neigen sich talwärts und stürzen schließlich ab.
Sturzereignisse und neu aufreißende Spalten auf der Hochfläche zeigen, dass die Felsbewegungen weiterhin anhalten. Steinschläge und Blockschläge ereignen sich nahezu jährlich im Winter und Frühling. Die abstürzenden Gesteinsbrocken sind dabei oft nur faustgroß, können allerdings auch ein Volumen von mehr als einem Kubikmeter erreichen.
Die maximale Größe der Felsblöcke ist durch die größte Mächtigkeit der Felsbänke (etwa 1,2 m) sowie die Kluftabstände (talparallel und senkrecht zum Hang) begrenzt.
Eindrucksvolle Beispiele für große Felsbewegungen sind die Felssturzereignisse aus den Jahren 1924, 1983, 1988 und 2002. Hierbei stürzten einzelne Felstürme ab. Die Sturzmassen zerlegten sich dabei in plattige Blöcke. Bei dem Felssturz im Jahr 1924 erreichte Sturzmaterial sogar den Neckar.
Die oben beschriebenen geologischen Vorgänge sind neben dem Kippen der Felstürme auch für ein hangabwärts gerichtetes Kriechen/Rutschen der Lockergesteinsauflage bei der Hangbewegung am Wurmbergweg verantwortlich.
Maßnahmen
Die Vorgänge des Abkippens großer Felspartien in den Felsengärten ist ein natürlicher Prozess, der mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand durch bautechnische Maßnahmen letztlich nicht verhindert, sondern nur in seiner Wirkung auf ein tolerierbares Maß abgemindert werden kann.
Da die Felsstürze die unterhalb der Felsengärten gelegenen Weinberge, die Kreisstraße K1677 sowie die Schifffahrt auf dem Neckar gefährdeten, wurden entsprechende Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Mit Rücksicht auf den Naturschutz innerhalb des Geotops Hessigheimer Felsengärten wurde auf aktive Sicherungsmaßnahmen (Verankerungen, Trossenumgurtung, Betonunterfangungen etc.) weitestgehend verzichtet. Wesentlicher Bestandteil der Sicherungen sind mehrere Steinschlagschutzzäune, die 2004 zwischen den Felswänden und dem Wirtschaftsweg (Wurmbergweg) errichtet wurden. Einzelne labile Felspartien mussten jedoch aufgrund ihrer Größe und der daraus resultierenden Aufschlagsenergie im Falle eines Absturzes vorab kontrolliert abgetragen werden. Andernfalls hätten diese die Schutzverbaue durchschlagen oder überspringen können. Die Abtragung erfolgte schonend mit einem hydraulischen Felsspaltgerät.
Aktueller Stand
Seit Errichtung der Steinschlagschutzzäune ereignen sich auch weiterhin immer wieder Sturzereignisse, die in Form von Steinen und Blöcken unterschiedlichster Größen im Netz der Schutzzäune ersichtlich werden.
Am 21.12.2021 fand ein etwas größeres Sturzereignis statt. Eine etwa 10 m3 große Felspartie löste sich aus einer Felskulisse ca. 15 Höhenmeter oberhalb eines Schutzzauns. Schlagmarken lassen darauf schließen, dass die abgestürzte Felspartie zunächst in der Felswand auf einer Berme abprallte. Anschließend schlug das abgestürzte Material auf der Schutthalde am Fuß der Felsböschung auf und rollte/glitt schließlich in den Steinschlagschutz. Auf dem Sturzweg zerlegte sich die vermutlich anfänglich größtenteils zusammenhängende Felspartie in mehrere Steine und Blöcke von bis zu 2 m3 Größe.
Nachfolgend sind die wichtigsten Merkmale der Sturzereignisse in den Hessigheimer Felsengärten tabellarisch aufgelistet:
Stammdaten:
Objekt-ID |
6921_St00001 |
Objektname |
Felssturz Hessigheimer Felsengärten |
Lokalität |
Wurmberg, etwa 800 m nordwestlich von Hessigheim |
Gemeinde |
Hessigheim |
Stadt-/Landkreis |
Ludwigsburg |
TK25-Nr. |
6921 |
TK25-Name |
Großbottwar |
Datengrundlage |
DGM, Übersichtsbegehung, Dokumentenrecherche |
Lage-Bezugspunkt |
Zentrum Felsengärten |
Ostwert |
512943 |
Nordwert |
5427679 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
260 |
Höhenermittlung |
Karte |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
1901–aktuell |
Geländenutzung während der Entstehung |
Weinberge |
Schäden |
unbekannt |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Primärereignis |
|
Prozess der Hauptbewegung |
||
Max. Reichweite [m] |
130 |
|
Max. Breite [m] |
400 |
|
Schattenwinkel [°] |
30 |
|
Geometrisches Gefälle (Fahrböschungswinkel) [°] |
32 |
|
Kubatur der Sturzmasse [m3] |
< 1 m3 bis mehrere 10er m3 |
|
Höchster Punkt der Abbruchkante [m ü. NHN] |
260 |
|
Höchster Punkt des Ablagerungsbereichs [m ü. NHN] |
240 |
|
Tiefster Punkt des Ablagerungsbereichs [m ü. NHN] |
178 |
|
Max. Höhenunterschied (H) zwischen dem höchsten Punkt der Abbruchkante und dem tiefsten Punkt des Ablagerungsbereichs [m] |
82 |
|
Exposition zwischen höchstem und tiefstem Punkt des Ereignisses [°] |
245 |
|
Hangneigung im Abbruchbereich [°] |
85 |
|
Ursache |
geogen |
|
Auslöser |
geogen |
|
Geologie |
Stratigraphie |
Petrographie |
Oberer Muschelkalk (mo) |
||
Gefahrenbeurteilung |
Gefahr |
|
Überwachungsmaßnahmen |
unbekannt |
|
Sicherungsmaßnahmen |
Steinschlagschutzzaun |
|
Sonstige Anmerkungen |
|
Weiterführende Links zum Thema
Literatur
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.