Übersicht
Das „Sipplinger Dreieck“ ist eine etwa 3,5 km lange und bis zu einen Kilometer breite, dreiecks- bis parabelförmige morphologische Einbuchtung zwischen dem Überlinger See des Bodensees (Mittelwasserstand: ≈ 395 m ü. NHN) und der Hochfläche des Haldenhofs bzw. des Sipplinger Berges (bis zu ca. 670 m ü. NHN) im Bereich der Gemeinde Sipplingen. Der maximale Höhenunterschied des in Längsrichtung SO–NW-verlaufenden „Sipplinger Dreiecks“ beträgt etwa 275 m.
Das „Sipplinger Dreieck“ war in seinen Grundzügen wahrscheinlich bereits vor der letzten Vereisungsphase angelegt (Schreiner, 1958) und wurde von den Gletschern der Würmeiszeit überfahren und ausgeräumt. Nach dem Abschmelzen der Eisströme vor ca. 16 000 Jahren präparierte die Erosionskraft des Wassers die Sipplinger Steiluferlandschaft weiter aus den Molassefelsen heraus. Bis heute sind die Hänge des „Sipplinger Dreiecks“ morphologisch noch nicht ausgereift und werden durch denudative Prozesse permanent geformt. Wegen des großen Reliefunterschieds zwischen dem Bodenseespiegel und der Hochfläche des Haldenhofs ist die Tiefenerosion im Vergleich zur Seitenerosion um ein Vielfaches größer, sodass sich die Bäche in die Steiluferlandschaft einschneiden. Die korrespondierende Seitenerosion macht sich vor allem durch lokal auftretende Oberflächenrutschungen, Flächenabspülungen sowie Sturzereignisse bermerkbar. Die gesamten Hänge rund um die Ortschaft Sipplingen sind durch zahlreiche Rutschgebiete geprägt. Die östlich der Ortschaft vorhandenen morphologischen Strukturen deuten zudem auf eine Großschollenrutschung mit gestaffelten, mindestens mehrere Zehnermeter tiefliegenden Gleitflächen hin. Im hochauflösenden digitalen Geländemodell (DGM) sind verkippte Rutschschollen und Nackentäler gut zu erkennen.
Von der Rutschung „Sipplinger Dreieck“ ist oberhalb des Wasserspiegels des Bodensees lediglich der Abtragsbereich (Rutschung) sichtbar. Dieser erstreckt sich von den Berghängen nordöstlich der Ortschaft Sipplingen bis an den Bodensee. Der Ablagerungsbereich (Rutschung) mit dem Rutschungsfuß ist nicht sichtbar. Es wurde bisher angenommen, dass dieser sich unterhalb des Wasserspiegels im Bereich des Überlinger Sees südwestlich der Ortschaft Sipplingen befindet. Im Rahmen eines Interreg IV-Forschungsprojektes der EU (2012–2015) fand die hochauflösende Vermessung des Bodensees statt. Die Ergebnisse wurden durch die Veröffentlichung des erstellen hochauflösenden Geländemodells (IGKB, 2015) und die Herausgabe von „Tiefenschärfe – Hochauflösende Vermessung Bodensee · Bericht Nr. 61“ (IGKB, 2016) durch die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) zugänglich gemacht. In dem hochauflösenden Geländemodell des Seebodens des Überlinger Sees ist der potentielle Ablagerungsbereich der Rutschung erkennbar. Es sind Ablagerungsstrukturen erkennbar, die bis in die Mitte des Überlinger Sees reichen.
Geologischer Überblick
Die Steiluferlandschaft des Bodensees bei Sipplingen baut sich aus den Gesteinsabfolgen der Molasse auf. Zuunterst lagern die Gesteine der Unteren Süßwassermolasse, welche von den Gesteinen der Oberen Meeresmolasse und nachfolgend der Oberen Brackwassermolasse überlagert werden. Den Abschluss bilden die Gesteine der Oberen Süßwassermolasse. Diese werden teilweise von glazialen Sedimenten sowie quartären Deckenschottern überlagert. Als Rutschhorizonte kommen sowohl die wasserstauenden Tonmergelgesteine der Unteren als auch der Oberen Süßwassermolasse in Frage (Wagenplast, 2005). Da der Entstehungszeitraum der Rutschung lediglich grob auf die Zeit nach dem Ende der letzten Eiszeit festgelegt werden kann, ist die genaue Entstehungsgeschichte und andere Details wie Lage der Gleitfläche, etc. unbekannt. In der Geologischen Karte lassen sich im Bereich der Rutschschollen und Nackentäler wiederholende Abfolgen von Gesteinen der Oberen Meeresmolasse und Gesteinen der Unteren Süßwassermolasse beobachten, die auf komplexe Abgleitung- und Verkippungsbewegungen hinweisen.
Jüngere sekundäre Rutschungen
Innerhalb der Großschollenrutschung im „Sipplinger Dreieck“ sind häufig flache Sekundärrutschungen vorhanden. Der Grund dafür liegt in der steilen Morphologie und der fortschreitenden Verwitterung der weichen Molassegesteine im Zusammenhang mit Wasserzuflüssen aus durchlässigen Gesteinseinheiten. Diese flachgründigen Rutschungen treten in aller Regel in den Felszersatzzonen aus feinsandigen Schluffen und Tonen sowie stark bindigen Sanden der Unteren Süßwassermolasse auf. Die sekundären Rutschungen sind häufig als Translationsrutschungen ausgebildet, bei denen die aufgewitterte Lockergesteinsdecke nach Aufsättigung durch Wasserzutritte auf den unterliegenden, unverwitterten Gesteinen abgleiten. Die maximale Mächtigkeit dieser flachen, „tapetenartigen“ Rutschungen liegt meist zwischen ein und zwei Metern. In den vergangenen Jahren kam es durch sekundäre Rutschungen im Bereich der am Hangfuß verlaufenden B 31 zu zahlreichen Beeinträchtigungen des Verkehrs auf der Bundesstraße und der angrenzenden Bahnlinie.
Nachdem es in den Jahren 2006, 2012, 2013, 2015 und 2016 wiederholt zu flachen Rutschungen an den steilen Hängen entlang der B 31 zwischen Sipplingen und Ludwigshafen gekommen war, wurde durch das LGRB ein umfassendes Sicherungskonzept erstellt. Dieses sieht die prophylaktische Sicherung größerer zusammenhängender Steilhangpartien durch Auflage eines hochscherfesten Stahldrahtnetzes mit Randseilen und Systemverankerung vor. Die zu sichernde Fläche befindet sich oberhalb der Stützmauer des Bodenseeradwegs und umfasst eine ungefähre Fläche von ca. 8000 m3. Die Arbeiten zur Umsetzung des Sicherungskonzepts in den Steilhängen oberhalb des Radweges und der B 31 wurden im Jahr 2017 begonnen und werden voraussichtlich im Laufe des Jahres 2019 abgeschlossen.
Nachfolgend wird der Bereich der Rutschung „Sipplinger Dreieck“ mit Stamm- und speziellen Fachdaten für Massenbewegungen erfasst:
Stammdaten:
Objekt-ID |
8120_Ru00001 |
Objektname |
Rutschung „Sipplinger Dreieck“ |
Lokalität |
Umgebung der Ortslage Sipplingen |
Gemeinde |
Sipplingen |
Stadt-/Landkreis |
Bodenseekreis |
TK25-Nr. |
8120, 8220 |
TK25-Name |
Stockach, Überlingen |
Datengrundlage |
IGKB-Tiefenschärfe-Bodensee digitale Geländemodelle (IGKB, 2015) |
Lage-Bezugspunkt |
Höchster Punkt der Abrisskante/Hangbewegung |
Ostwert |
507652 |
Nordwert |
5294595 |
Koordinatenreferenzsystem |
ETRS89/UTM32 |
Koordinatenfindung |
Karte |
Höhe [m ü. NHN] |
670 |
Höhenermittlung |
Karte |
Allgemeine Fachdaten:
Entstehungszeitraum |
unbekannt |
Aktivität |
unbekannt |
Geländenutzung während der Entstehung |
Wald, Grünland, Wohngebiet, Feldweg, Forststraße, Gemeindeweg, Bundesstraße, Bahnstrecke allgemein, Trinkwasserleitung (Bodenseewasserversorgung) |
Schäden |
Wohngebiet, Gemeindeweg, Bundesstraße, Bahnstrecke allgemein (durch sekundäre Rutschungen) |
Spezielle Fachdaten Massenbewegungen:
Primär-/Folgeereignis |
Primärereignis |
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Prozess der Hauptbewegung |
Rutschprozess allgemein |
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Max. Länge [m] |
ca. 2500 |
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Max. Breite [m] |
ca. 4300 |
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Fläche der Hangbewegung [m²] |
ca. 10 750 000 |
||
Max. Tiefe der Gleitfläche [m] |
unbekannt (> 10) |
||
Durchschn. Tiefe der Gleitfläche [m] |
unbekannt |
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Fläche der Rutschmasse [m²] |
ca. 8 170 000 |
||
Kubatur der Rutschmasse [m³] |
unbekannt |
||
Höchster Punkt der Abrisskante [m ü. NHN] |
670 |
||
Höchster Punkt der Rutschmasse [m ü. NHN] |
500 |
||
Max. Höhenunterschied zwischen Abrisskante und Rutschmassentop [m] |
ca. 50 |
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Tiefster Punkt der Rutschmasse [m ü. NHN] |
ca. 270 (unterseeisch) |
||
Max. Höhenunterschied (H) zwischen höchstem und tiefstem Punkt der Rutschung [m] |
400 |
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Exposition [°] |
180–225 |
||
Durchschnittliche Hangneigung zwischen Abrisskante und Rutschmassenfuß [°] |
9 |
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Hangneigung [°] |
Oben (zwischen Abrisskante und Rutschmassentop) |
24 |
|
Mitte (oberer Teil der Rutschmasse) |
5 (oberseeisch) |
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Unten (unterer Teil der Rutschmasse) |
4 (unterseeisch) |
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Ursache |
geogen |
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Auslöser |
geogen |
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Geologie |
|||
Holozäne Abschwemmmassen (qhz) |
|||
Kißlegg-Sfm (qILK) |
Kies, sandig |
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Hasenweiler-Fm (qHW) |
Kies, sandig |
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Obere Süßwassermolasse (tOS) |
|||
Obere Meeresmolasse (tOM) |
Sandstein, Mergelstein |
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Untere Süßwassermolasse (tUS) |
Sandstein, Mergelstein |
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Gefahrenbeurteilung |
geringe Gefahr | ||
Überwachungsmaßnahmen |
nein |
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Sicherungsmaßnahmen |
teilweise Sicherungsmaßnahmen im Bereich der sekundären Rutschungen |
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Sonstige Anmerkungen |
flache Sekundärrutschungen, Nackentäler, Festgesteinsschollen, abflusslose Senken, Vernässungszonen, Quellen, Rutschkörper größtenteils im Bodensee |
Literatur
- (2016). Tiefenschärfe – Hochauflösende Vermessung Bodensee. – Bericht der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee, Blaue Reihe, 61, S. 1–106, verfügbar unter https://www.igkb.org/oeffentlichkeitsarbeit/fachberichte-zu-speziellen-themen-blaue-berichte/.
- (2015). IGKB-Tiefenschärfe-Bodensee – digitale Geländemodelle mit 10 m und 3 m Auflösung (PANGAEA). Verfügbar unter https://doi.org/10.1594/PANGAEA.855987.
- (1958). Zur Geologie des Sipplinger Dreiecks bei Überlingen am Bodensee. – Jahreshefte des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, 3, S. 213–239, 1 Kt.
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.