Lithostratigraphische Gruppe
Übergeordnete Einheit
Verbreitung in Baden-Württemberg, Landschaftsbild
Residuallehme finden sich überwiegend auf den Hochflächen über verkarstungsfähigen Karbonatgesteinen als unlöslicher Rückstand der Lösungsverwitterung. Sie sind besonders über Kalksteinen und Dolomitsteinen des Muschelkalks und Oberjuras, seltener auf Kalksteinen des Unterjuras anzutreffen, und folgen als geringmächtige lehmige Hülle dem Relief der Stufenfläche. Sie füllen dabei auch Karstschlotten und Spalten, deren Relief sie dadurch teilweise verdecken, oder finden sich umgelagert in alten Höhlen unterhalb der Festgesteinsoberfläche. Am weitesten verbreitet sind tertiäre Residuallehme auf der Albhochfläche, besonders auf der Ostalb, und im Kraichgau sowie auf Teilen der Gäu- und Filderflächen. Auch im Untergrund des Alpenvorlandes wurden sie unter den Molasseablagerungen an der Oberfläche der Oberjura-Kalksteine in Bohrungen angetroffen.
Lithologie, Abgrenzung, Untereinheiten
Die tertiären Residuallehme sind meist rot bis rotbraun, teilweise ocker gefärbt, können aber in Flecken oder Lagen auch grün oder weiß reduziert sein. Sie sind im Gegensatz zu vielen quartären Rückstandsbildungen oft kalkfrei oder enthalten nur angelöste Kalkstein-Relikte in einer sonst kalkfreien tonigen oder schluffigen Matrix. Dabei können kieselige Komponenten der aufgelösten Kalksteine noch erhalten sein (Hornstein-Knollen als „Feuersteine“, verkieselte Fossilien). Das Feinmaterial besteht dabei hauptsächlich aus Kaolinit und Quarz in unterschiedlichen relativen Anteilen und enthält Beimengungen von detritischen Schwermineralen und gelegentlich von Opal, Eisenoxiden und ‑hydroxiden. Letztere sind besonders im Bohnerzton häufig in schalig gebauten pisolithischen Konkretionen, dem Bohnerz, angereichert.
Rotbraune, stellenweise weiße oder bunte Tone bis schwach verfestigte Tonsteine der Albhochfläche und der Gäuflächen werden dabei als Bohnerz-Formation zusammengefasst, da sie in den meisten Fällen kleinräumig wechselnde Mengen an Bohnerz führen. Sie liegen fast überall in Karsthohlformen (Spalten, Schlotten, Höhlen). Die erzreichsten Vorkommen wurden in früheren Jahrhunderten fast vollständig abgebaut. Bohnerzfreie Vorkommen werden auch als Boluston bezeichnet. In manchen Fällen stehen die Bohnerztone in den Karstspalten in Verbindung mit eingespülten Sanden, die sich zumindest teilweise aus der Molasse ableiten lassen.
Ockerfarbige und rote Schluffe mit geringem Tonanteil, meistens jedoch mit mehr oder minder zerfallenen Feuerstein-Relikten aus aufgelösten Oberjura-Kalksteinen finden sich vorwiegend auf der Hochfläche der Ostalb und werden als Feuersteinlehm bezeichnet. Sie enthalten nur selten Bohnerz und zeigen deutlicher als die Bohnerztone Hinweise auf eine kleinräumige Umlagerung. Im Quartär wurden sie teilweise zu schwach schluffigem Feuersteingrus ausgespült und bilden dann den Feuersteinschlufflehm (s. Frostbodenbildungen und Hangsedimente).
Mächtigkeit
Da die Residuallehme meist ein Karstrelief ausgleichen, kann die Mächtigkeit auf wenige Meter Entfernung zwischen wenigen Zentimetern und bis über 20 m schwanken.
Alterseinstufung
Fossilfunde in Bohnerzton legen nahe, dass diese über fast das gesamte Tertiär hinweg entstanden. Die ältesten Fossilfunde, die mit solchen Bildungen in Verbindung stehen, stammen aus dem Eozän, die jüngsten aus dem Pliozän, wobei die ältesten Vorkommen aus dem Untergrund des Molassebeckens (überdeckt durch oligozäne Sedimente), die jüngsten aus den Gäuflächen des Muschelkalks bekannt sind. Die Mehrzahl der Vorkommen auf der Albhochfläche wird meist dem Miozän zugerechnet.
Die Feuersteinlehme sind bislang noch nicht datiert, aber sicher älter als das Riesereignis im Miozän, von dessen Trümmermassen sie überlagert werden. Meist wird ein oligozänes Alter angenommen, da ihre Höhenlage mit oligozänen fluvialen Höhenterrassen korreliert.
Ältere Bezeichnungen
Da die „Bohnerz-Formazion“ bereits von Hehl (1829) aufgrund einer heute noch gültigen Beschreibung definiert wurde, hat sich der Name Bohnerzton seit annähernd 200 Jahren in der regionalen Literatur fast unverändert gehalten. Erst in neuerer Zeit wurde vereinzelt der aus dem Französischen abgeleitete Name „Siderolithikum“ verwendet, der jedoch mehrdeutig bleibt und keine weite Verbreitung erfahren hat.
Sonstiges
Die weitgehende Beschränkung des Mineralbestandes der Residuallehme auf Kaolinit, Quarz und Eisenhydroxide weist auf eine Entstehung durch Bodenbildungen in einem warm-feuchten Klima hin, wie es besonders während dem späten Paleozän und frühen Eozän in Süddeutschland herrschte und auch danach noch bis in das Pliozän zumindest phasenweise zurückkehrte. Die Residuallehme liegen dabei heute allerdings in der Regel nicht mehr als Paläoböden in ihrer ursprünglichen Position, sondern wurden in Karstspalten umgelagert, weshalb bei vielen Fossilfunden aus jüngeren Epochen nicht sicher ist, ob diese während späterer Umlagerungen zugemischt wurden.
Ähnliche Residuallehme an der Basis der tertiären Sedimente des Oberrheingrabens – und damit sicher älter als Mitteleozän – werden heute zusammen mit den oft darüber folgenden umgelagerten kalkfreien Sedimenten als Schliengen-Formation zusammengefasst und zum Oberrheingraben-Tertiär gerechnet.
Literatur
- (1829). Ueber die geognostischen Verhältnisse der Württembergischen Alp, besonders in Beziehung auf die in derselben vorkommenden Trapp- und Bohnerz-Formazionen. – Zeitschrift für Mineralogie, 23, S. 797–813.