Die Gesteine des Mittleren Muschelkalks streichen in Baden-Württemberg in einem schmalen Bereich innerhalb der Gäulandschaften aus. Aufgrund ihres Sulfat- und Steinsalzgehaltes neigen diese Gesteine in großem Maße zur Verkarstung bzw. unterliegen der Auslaugung.
Verkarstungsfähige Schichten
Die oberste Formation (Diemel-Formation) sowie die unterste Formation (Karlstadt-Formation) des Mittleren Muschelkalks sind überwiegend aus Karbonatgesteinen aufgebaut und somit grundsätzlich verkarstungsfähig (Karbonatkarst). Im unteren Teil der Karlstadt-Formation schalten sich in südlicher Richtung folgend zudem allmählich Sulfatgesteine ein. Diese Sulfatgesteinslage (Geislingen-Bank) ist zunächst als vereinzelte Sulfatknollen entwickelt, bevor sie im Gebiet des südlichen Hohenlohe sukzessiv als eine massive Sulfatbank ausgebildet ist und die erste salinare Ablagerung im Mittleren Muschelkalk bildet. Über der Karlstadt-Formation schließt sich die Sulfat- und Salzgestein-führende Heilbronn-Formation an. Diese weist im unausgelaugten Zustand gegenüber der Diemel-Formation oder der Karlstadt-Formation jedoch eine weitaus größere Mächtigkeit (bis zu 100 m) auf und ist daher maßgebend für die im Mittleren Muschelkalk auftretenden Verkarstungs-/Auslaugungsprozesse (Sulfat-/Salinarkarst).
Die Heilbronn-Formation ist zum großen Teil aus Anhydrit- und Gipslagen, in ihrem unteren Abschnitt auch aus Steinsalz aufgebaut. Aufgrund dieser unter Wassereinfluss leicht löslichen Gesteine war und ist diese Formation besonders stark von Auslaugungsprozessen betroffen. Im Zuge der Auslaugung reichern sich die tonig-mergeligen Zwischenlagen der Sulfatlagen sowie die im Sulfat selbst in Form von Tonbrocken und feinkörnigen Quarzkristallen eingeschlossenen Verunreinigungen an. Nach vollständiger Auslaugung bleiben Lagen aus brekziösen Schluffton- und Schluffmergelsteinen zurück (Carlé, 1973). Diese Auslaugungsrückstände (Auslaugungsresiduen bzw. Auslaugungsschluffe) sind besonders setzungsfähig (Nitsch, 2009a).
Verkarstungsphänomene
An der Oberfläche bzw. oberflächennah sind die Sulfatgesteine des Mittleren Muschelkalks teilweise bereits vollständig ausgelaugt und die besonders stark lösungsfähigen Salzgesteine sind hier bereits vollständig aufgelöst. Daher wird in den Ausstrichbereichen der Talflanken und Talsohlen meist eine stark reduzierte Mächtigkeit des Mittleren Muschelkalks (bis auf 15–20 m) beobachtet. Im tieferen Untergrund hält der Auslaugungsprozess durch einsickernde Wässer noch an (Huth, 1999).
Die Sulfatgesteine des Mittleren Muschelkalks unterliegen den Auslaugungsprozessen aufgrund wechselhafter lokaler Wasserzutritte/-wegsamkeiten nicht immer flächenhaft. Durch lokal begrenzte Auslaugungserscheinungen mit Hohlraumbildung können die unmittelbar darüber liegenden Gesteine, vor allem die oberen Dolomite der Diemel-Formation, verstürzen (Carlé, 1973). Auch innerhalb der Schichten der Heilbronn-Formation entsteht dadurch eine unruhige Lagerung. Meist sind starke Schichtverbiegungen bis völlige Zerrüttungen der hangenden Schichten die Folge (Spitz, 1984).
Aufgrund einer bereits weitflächig fortgeschrittenen Auslaugung der oberflächennahen Gesteine des Mittleren Muschelkalks sind in deren Ausstrichbereich Dolinen oder Erdfälle eher selten zu beobachten. Hier hat die Auslaugung sowie die Setzungsempfindlichkeit der Auslaugungsrückstände die Einebnung bereits weit vorangetrieben (Spitz, 1984).
Vielmehr wirkt sich der auslaugungsbedingte Volumenverlust im Mittleren Muschelkalk auf die Lagerungsverhältnisse der Gesteine über der Auslaugungszone aus (Wolff, 1988). Die im Mittleren Muschelkalk entstandenen Hohlräume können noch bis zu einer Tiefenlage von etwa 150 m an die Oberfläche durchbrechen (Sauer, 1985). Bei vorhandener Überdeckung durch Gesteine des Oberen Muschelkalks bzw. des Unterkeupers zeigen die aus dem Mittleren Muschelkalk hochbrechenden Einsturztrichter meist sehr steile bis nahezu senkrechte Wände (Wolff, 1988).
Die Erdfälle besitzen i. d. R. große Tiefenerstreckungen bis zu einigen Zehnermetern und können Durchmesser bis etwa 30 m aufweisen. (Brunner, 1999; Simon, 1980; Simon, 1982a)
Ein sehr altes Beispiel eines bis in den Oberen Muschelkalk durchgebrochenen Hohlraumes ist der Erdfall in Ingelfingen (Hohenlohekreis) aus dem Jahr 1869. Bekannt ist auch das Geotop der Eisinger Löcher im Enzkreis.
Bei flächenhafter Auslaugung unter Hochflächen entwickeln sich in den überlagernden Schichten des Oberen Muschelkalks Karstwannen in Form von flachen, teils oberirdisch abflusslosen Senken. Deren Durchmesser kann bis zu 200 m betragen (Wolff, 1988).
In Folge der auslaugungsbedingten Mächtigkeitsreduktion im Mittleren Muschelkalk kommt es zu einem Zerbrechen und Auflockern der hangenden Schichten des Oberen Muschelkalks. In Hanglage können sich Klüfte in den Kalken des Oberen Muschelkalks zu hangparallelen Zerrspalten erweitern und als teils gestaffelt angeordnete Kalkschollen abgleiten (Hangbewegungen). Häufig erfahren diese Schollen eine Kippbewegung, wodurch Felsstürze entstehen können. Besonders eindrucksvoll lässt sich dieser Vorgang am Beispiel der „Hessigheimer Felsengärten“ im Neckartal beobachten.
Bautechnische Relevanz
Bautechnisch sind die Verkarstungs- und Auslaugungserscheinungen von Bedeutung. So führten z. B. Erdfälle und Auslaugungsvorgänge im Mittleren Muschelkalk zu Bauschäden an der Neckarstaustufe Hessigheim (Lkr. Ludwigsburg) (Brunner, 1994).
Beim Bau der Autobahnbrücke bei Widdern (Lkr. Heilbronn) wurden aufgrund der Verkarstung kostspielige Maßnahmen zur Gründung der Brückenpfeiler und Hilfsgerüste erforderlich. Sichere Gründungen waren erst in Tiefen von 10 m bis 17 m unter Gelände unterhalb des weitgehend ausgelaugten Gipslagers möglich. Als Folge der Gipsauslaugung sackten an den Talflanken Schollen des Oberen Muschelkalks nach, sodass zudem Hangzerreißungsspalten an den Hangschultern entstanden. Daher musste das südliche Widerlager der Autobahnbrücke gegenüber der ursprünglichen Planung bergwärts versetzt werden (Nitsch, 2009a).
Die setzungsfähigen Auslaugungsrückstände (Auslaugungsschluffe) können außerdem aufgrund von Setzungsunterschieden, z. B. bei unterschiedlichem Auslaugungsgrad oder Gründung teils auf hartem Fels, teils auf lehmiger Dolinenfüllung, zu Schäden bei Gebäuden/Bauwerken führen.
Literatur
- (1994). Erläuterungen zu Blatt 7021 Marbach am Neckar. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 218 S., 9 Taf., 10 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1999). Erläuterungen zu Blatt 6624 Mulfingen. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 162 S., 5 Beil., Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1973). Erläuterungen zu Blatt 6525 Weikersheim. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 77 S., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [Nachdruck 1992: Erl. Geol. Kt. 1:25 000 Baden-Württ., Bl. 6525 Weikersheim; Stuttgart]
- (1999). Erläuterungen zu Blatt 6824 Schwäbisch Hall. – Bodenkt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 108 S., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (2009a). Erläuterungen zum Blatt 6622 Möckmühl. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 177 S., 4 Beil., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau).
- (1985). Erläuterungen zu Blatt 6618 Heidelberg-Süd. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 110 S., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1980). Erdfälle im Muschelkalkkarst der westlichen Hohenloher Ebene zwischen Kocher und Jagst. – Geologisches Jahrbuch, Reihe A, 56, S. 45–75.
- (1982a). Ursachen für die Erdfallbildung im Muschelkalk-Karst. – Laichinger Höhlenfreund, 17, S. 47–60.
- (1984). Erläuterungen zu Blatt 6621 Billigheim. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 71 S., 2 Taf., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1988). Erläuterungen zu Blatt 6623 Ingelfingen. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 169 S., 4 Taf., 7 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).