Übersicht und Geologie
Die zu Verkarstung (Karbonatkarst) neigenden Gesteine des Oberen Muschelkalks treten im Landesgebiet sowohl in den Gäulandschaften des Neckarraumes, im Kraichgau wie auch in Hohenlohe und im Tauberland als markante Schichtstufe zu Tage.
Der Obere Muschelkalk setzt sich aus einer Folge von Dolomitsteinen, Kalksteinen, dolomitischen Kalksteinen und Tonmergelsteinen zusammen und wird von den Tonsteinen der Erfurt-Formation (ehemalige Bezeichnung Lettenkeuper) des Unterkeupers überlagert. Über den oberflächennah anstehenden Karbonatgesteinen des Oberen Muschelkalks folgt verbreitet eine meist nur geringmächtige Decke aus steinigem Verwitterungslehm. Weitere Angaben zur Geologie des Oberen Muschelkalks finden sich im Themenast Geologie.
Die Verkarstung ist weitgehend auf Gebiete beschränkt, in denen der Obere Muschelkalk an der Erdoberfläche ansteht oder von der Erfurt-Formation (Unterkeuper) teilweise lückenhaft überdeckt ist. So bilden die Ausstrichflächen des Oberen Muschelkalks eine wasserarme Karstlandschaft, welche die typischen Karstformen wie Trockentäler, Karstwannen, Bachversickerungen, Dolinen und Erdfälle (z. B. Erdfall Göschweiler) aufweist.
An der Oberfläche lassen sich Dolinen oder Dolinenfelder bevorzugt in bewaldeten Gebieten finden. Hierfür gibt es zwei Gründe:
- Erdfälle werden in landwirtschaftlich genutzten Arealen von den Bauern meist schnell verfüllt. Sie sind dann in der Regel nur noch im Luftbild aufgrund unterschiedlicher Durchfeuchtung und wechselnder Vegetation zu erkennen.
- Das Sickerwasser reichert sich in Waldgebieten stärker mit CO2 an und kann somit dort auch mehr Karbonat lösen (Brunner, 1992).
In beiden Fällen versickern auf kurzer Strecke verhältnismäßig große Wassermengen im Kalkgestein und führen dort zu intensiven Lösungsvorgängen:
- Die Konzentration des Wasserzuflusses an der Unterkeuperbasis ist geologisch bedingt. Das Wasser sammelt sich auf den gering durchlässigen Tonsteinen des Unterkeupers und sickert beim Erreichen des wasserwegsamen Muschelkalks in die Tiefe.
- In den Trockentälern begünstigt die Morphologie die verstärkte Wasserzufuhr zu den Talsenken. Häufig versickern Bäche im Übergangsbereich zwischen Gesteinen des Unterkeupers und Oberen Muschelkalks in Schlucklöchern (Ponor/Bachschwinde) von Dolinen und kommen erst talabwärts wieder zum Vorschein.
Das bekannteste Beispiel einer Bachschwinde im Oberen Muschelkalk ist die Wutachversickerung oberhalb des Rümmelestegs. Ähnliche Versickerungsstellen liegen im Kochhartgraben etwa 6 km südlich von Herrenberg, wo Verkarstungen auch zu erheblichen Erschwernissen beim Bau der Kochhartgrabenbrücke geführt haben.
Aufgrund der Verkarstung ist eine ständige Wasserführung nur in den größeren Tälern vorhanden. Auf der Hochfläche sind die Muldentäler nur während niederschlagsreicheren Zeiten wasserführend. Weitere Angaben zur Hydrogeologie des Oberen Muschelkalks finden sich im Themenast Hydrogeologie (Hydrogeologischer Überblick im Oberen Muschelkalk).
Verkarstung im Oberen Muschelkalk
Die Gesteine des Oberen Muschelkalks sind in unterschiedlichem Maße verkarstet. Insbesondere die Gesteine des Trigonodusdolomits (Rottweil-Formation), des Plattenkalks (Meißner-Formation) sowie der Trochitenkalk-Formation neigen zu intensiver Verkarstung. Dagegen sind geschichtete Kalksteine oder Mergelsteine, bei welchen eingeschaltete Tonlagen den vertikalen Wasserdurchfluss verhindern, wie z. B. die Haßmersheim-Schichten der Trochitenkalk-Formation oder die Tonplatten-Schichten der Meißner-Formation, nicht oder nur untergeordnet verkarstungsanfällig.
Die meisten auftretenden Verkarstungserscheinungen sind an die Kluftsysteme des darunterliegenden, oberflächennahen Untergrunds gebunden. Dies betrifft vor allem den Ausstrichbereich der Grenze Oberer Muschelkalk / Erfurt-Formation (Lettenkeuper). Nahe der Steilkante des Oberen Muschelkalks, meist noch von der Erfurt-Formation oder Lehm überdeckt, tritt verbreitet eine Häufung von Dolinen auf, die vorwiegend hangparallel verlaufen. Die Verkarstungen liegen fast durchweg über Kluftzonen oder auch teilweise in Zerrüttungszonen des obersten Muschelkalks, in denen die Wasserdurchlässigkeit im Vergleich zu benachbarten ungestörten Bereichen erhöht ist. Über diesen Klüften ist die meist geringmächtige Überdeckung ausgespült worden. Dabei entstanden, je nach Breite der Klüfte, trichterförmige Einsenkungen an der Oberfläche, die oft perlschnurartig angeordnet sind und den Verlauf der darunterliegenden Gesteinsspalten nachzeichnen (vgl. z. B. Dolinengruppe Simprechtshausen). Die Tiefe der Dolinen richtet sich nach der Mächtigkeit der über dem Muschelkalk lagernden Schichten (Vollrath, 1977). Auf ähnliche Ursachen ist die Häufung von Dolinen an den Hangschultern tief eingeschnittener Täler zurückzuführen. Dieser Bereich zeigt oft eine besonders starke Zerklüftung infolge der Entlastung und Entspannung des Gebirges an den Talflanken.
Die Entstehung der Kluftsysteme, über denen sich die Dolinen befinden, hängt zudem mit der Auslaugung von Salz, Gips und Anhydrit der Schichten des unterlagernden Mittleren Muschelkalks zusammen. Durch Nachsacken über den entstandenen Subrosionshohlräumen ist die steife Decke des Oberen Muschelkalks meist hangparallel aufgerissen worden (Vollrath, 1977). Mit dem Abtauchen des Mittleren Muschelkalks, einhergehend mit einem steigenden Anteil an vorhandenem, nicht ausgelaugten Gips und Anhydrit, nimmt die Häufung der Dolinen an der Muschelkalkoberfläche erheblich ab (Wolff, 1988).
Dies führte im Verlauf des Pleistozäns zum Abgleiten ganzer Muschelkalk-Schollen über den plastischen Auslaugungstonen des Mittleren Muschelkalks (Wolff, 1988), wie beispielsweise am Wurmbergweg im Umfeld der Hessigheimer Felsengärten. Häufig können auch aus den verkippten Karbonatgesteinen des Oberen Muschelkalks Felsstürze entstehen (z. B. an den Hessigheimer Felsengärten). Im tieferen Untergrund sind die Gesteine des Oberen Muschelkalks nachgesackt, dabei verbogen, zerbrochen und so ineinander verkeilt worden, dass sie förmlich eine Brücke über den darunter befindlichen Hohlräumen bilden (Wolff, 1988). Die durch den Hangzerreißungsprozess entstandenen offenen Klüfte und verstärkte Karbonatlösung infolge von Mischungskorrosion führen zu einer ausgeprägten Verkarstung, die sich auch bis in den tieferen Untergrund fortsetzen kann.
So traten z. B. beim Bau des Abwasser- und Rückhaltestollens „Zuckerbergstollen II“ in Stuttgart nach Rogowski et al. (2017) beim maschinellen Vortrieb Anfang der 2000er Probleme beim Durchqueren von Störungszonen auf: Die abrupt auftretenden Störungszonen wurden in erster Linie als fossile Erdfälle interpretiert, die auf Subrosion der mehrere Dekameter unterhalb der Stollensohle anstehenden Salinargesteine des Mittleren Muschelkalks zurückzuführen sind. In den Störungszonen waren, im Gegensatz zu den problemlos aufzufahrenden, harten (bis ca. 150 MN/m2) Festgesteinen des Oberen Muschelkalks, umfangreiche und aufwändige Sicherungsmaßnahmen erforderlich.
Höhlen im Oberen Muschelkalk
Die Höhlen im Oberen Muschelkalk haben zumeist bescheidene Ausmaße, welche die Definition von Höhlen gerade erfüllen: Länger als 5 m und von Menschen begehbar – oder doch wenigstens auf dem Bauch kriechend bzw. mit Hilfsmitteln kletternd „befahrbar" (Simon, 2003a). Die vorwiegend im höheren Teil des Oberen Muschelkalks liegenden Höhlen beginnen meist nahe des Grenzbereichs Unterkeuper/Muschelkalk und besitzen gelegentlich Vertikalstrecken (Schächte).
In den Höhlen treten nach Brunner (1998a) verbreitet korrosive (Karren, Klufterweiterungen) und erosive (Auskolkungen an Wänden und Sohle) Formen auf. In Vertiefungen wird eingeschwemmter Lehm abgelagert. Sinterbildungen treten an Wänden und Decken auf, vereinzelt auch Tropfsteine. Die Entstehung der Höhlen beginnt mit korrosiver Erweiterung von Klüften im Kalkstein über gering wasserdurchlässigen Tonmergelsteinschichten. Dieses Anfangsstadium entwickelt sich im phreatischen Karstwasserbereich, also unterhalb der Karstgrundwasseroberfläche. Bei einem Absinken des Karstwasserspiegels durch Tiefenerosion im Vorflutbereich bleiben die Höhlen im Niveau eines schwebenden Karstgrundwasser-Stockwerks erhalten oder werden – durch die Tonmergelsteinschichten – nach unten erosiv erweitert. An Kluftkreuzungen oder an klaffenden Klüften können durch Korrosion Schächte entstehen, die allerdings meist nur bis zur nächst tieferliegenden Tonmergelsteinschicht reichen. Von der Schachtsohle aus kann sich die Höhle dann in tieferem Niveau wieder horizontal fortsetzen.
Diese Verkarstungsprozesse sind auch in den prominentesten Höhlen im Oberen Muschelkalk des südlichen Schwarzwalds zu finden, welche sich im Gebiet des Dinkelbergs zwischen Rheinfelden und Schopfheim befinden. Dort sind im Untergrund des Dinkelbergs vier größere Höhlen vorhanden, von denen die Erdmannshöhle bei Hasel sowie die Tschamberhöhle bei Rheinfelden-Karsau öffentlich zugänglich sind.
Die Erdmannshöhle mit einer Gesamtlänge von 2315 m (Piepjohn et al., 2005) und einem Schauteil von ca. 360 m ist gekennzeichnet durch zahlreiche, teils große Tropfsteine. Die Höhle ist eine typische Schichtfugen- und Kluftganghöhle, deren Hohlraumlage durch die nahezu söhlig liegenden Schichten des Oberen Muschelkalks und die steilstehenden vorherrschenden Kluftsysteme bestimmt wird (Piepjohn et al., 2005).
Die ca. 1500 m lange Tschamberhöhle (Piepjohn et al., 2005) ist auf einer Strecke von ca. 600 m erschlossen und ist eine der seltenen aktiven Bachhöhlen. Die Höhle wird von einem Zufluss des Rheins von Norden nach Süden, als schmale unterirdische Klamm mit zahlreichen Verkarstungs- und Erosionsspuren, durchflossen.
Eine der bekanntesten Höhlen im Oberen Muschelkalk (Trigonodusdolomit) des Wutachtals ist das sogenannte Münzloch bei Bad Boll. Die Höhle liegt am linken Talhang etwa 40–50 m über der Talsohle. Von dem Eingang reicht ein sich absenkender, aus abgelöstem Gesteinstrümmerwerk bestehender Schuttkegel bis mitten in die Höhle hinein. Letztere besitzt eine größte Breite von 6–8 m und eine zugängliche Längenerstreckung in der Richtung Süd–Nord von ca. 20 m (Schalch, 1906). Der Überlieferung nach wurde die Höhle einst von einer „Falschmünzerbande“ als Werkstatt genutzt, wonach sie ihren Namen erhielt. In schweren Zeiten diente die Höhle der örtlichen Bevölkerung, aufgrund der erschwerten Zugänglichkeit, als sicheres Versteck.
Eine Besonderheit: Kalksinterhöhlen
Die auf den Muschelkalkhochflächen versickernden Niederschläge lösen wie eingangs beschrieben den Kalk. Das mit Calciumbikarbonat angereicherte und in Quellen (bevorzugt entlang wasserstauenden Horizonten wie z. B. im Mittleren und Unteren Muschelkalk) wieder zutage tretende Wasser führt dort zur Ausfällung und Ablagerung von Kalktuff (Süßwasserkalk). Solche Tuffablagerungen, teilweise in Terrassenform, sind z. B. an den Quellen in den Wutachhängen zu beobachten, deren Wasser dem Muschelkalk entstammt (Bangert, 1991).
Im Kreis Hohenlohe sind Höhlen im Kalksinterfelsen von St. Wendel zum Stein zu finden. Die Höhlen und Nischen sind nach Brunner (1999) nachfolgend beschrieben und gehören zu den sog. „Primärhöhlen" (Warth, 1980), d. h. sie sind bei der Entstehung des Gesteins gebildet worden. Kalkhaltiges Wasser, über bereits abgelagerten Kalksinter fließend, formte am Steilabfall zur Jagst zunächst Auskragungen oder vor Hohlkehlen Sinterwände. Bei anhaltendem Sinterwachstum können so größere Hohlräume im Kalksinterfelsen entstehen. Etwa 300 m jagstabwärts von St. Wendel sind solche Höhlen am Jagstprallhang vor Hohlkehlen im Wellenkalk im Entstehen begriffen. Von den etwa zehn Höhlen und Nischen von St. Wendel ist die Marderhöhle mit 13 m Länge, bis 4 m Breite und bis 2 m Höhe die größte (Höhle G). Hier wurden 1936 Schmuck (u. a. Arm-, Fingerringe, verschiedene Perlen) und Gebrauchsgegenstände (kleine Eisenmesser, Spinnwirtel, Fibeln) sowie keltische Silbermünzen gefunden. Diese Funde beweisen eine erste Belegung der Höhle schon ab der späten Hallstatt-Zeit (ca. 700 v. Chr.) und eine längere Belegung während der Mittel- und Spätlatènezeit (Kelten-Zeit). Spätere Benutzungen sind ebenfalls durch Funde belegt. Teilweise wurden die Primärhöhlen künstlich erweitert. Eine der Höhlen diente im Mittelalter als Einsiedlerklause (Höhle E; Fischer, 1973), eine andere als Einsiedlerkapelle (Höhle F). Eine der Nischen soll einst auch von der Anführerin einer Räuberbande bewohnt gewesen sein (Beschreibung des Oberamts Künzelsau, 1883).
Literatur
- (1991). Erläuterungen zu Blatt 8115 Lenzkirch. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 132 S., 5 Taf., 3 Beil., Stuttgart (Badische Geologische Landesanstalt).
- (1992). Erläuterungen zu Blatt 7120 Stuttgart-Nordwest. – 4. Aufl., Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 175 S., 6 Taf., 9 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1998a). Erläuterungen zu Blatt 6724 Künzelsau. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 190 S., 9 Beil., Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1999). Erläuterungen zu Blatt 6624 Mulfingen. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 162 S., 5 Beil., Freiburg i. Br. (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).
- (1973). Höhle bei St. Wendel zum Stein, nahe Dörzbach. – Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, 24, S. 181–184.
- (2014). Der Schulerschacht bei Löffingen (8115/3). – Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Muschelkalkkarst e. V., 31, S. 15–19, 1 Plan.
- (1883). Beschreibung des Oberamts Künzelsau. 311 S., 1 Kt.
- (2005). Die Erdmannshöhle bei Hasel (Südbaden). – Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V., 51(3), S. 84–92.
- (2017). Der Baugrund von Stuttgart – Erläuterungstext und digitale Baugrundgeologische Karten. 157 S., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau; Landeshauptstadt Stuttgart).
- (1906). Erläuterungen zu Blatt Bonndorf (Nr. 132). – Erl. Geol. Specialkt. Ghzm. Baden, 48 S., Heidelberg (Badische Geologische Landesanstalt).
- (2003a). Erläuterungen zu Blatt 6625 Schrozberg-West. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 175 S., 4 Beil., Freiburg i. Br. (Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg).
- (1977). Erläuterungen zu Blatt 6824 Schwäbisch Hall. – Erl. Geol. Kt. Baden-Württ. 1 : 25 000, 199 S., 5 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg). [Nachdruck 1993]
- (2005). Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg. – LGRB-Informationen, 16, S. 1–79.
- (1980). Höhlen. – Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie C, 13, 45 S., Stuttgart.
- (1988). Erläuterungen zu Blatt 6623 Ingelfingen. – Erl. Geol. Kt. 1 : 25 000 Baden-Württ., 169 S., 4 Taf., 7 Beil., Stuttgart (Geologisches Landesamt Baden-Württemberg).